Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Königin der Vampire
Die Königin der Vampire
Die Königin der Vampire
eBook286 Seiten4 Stunden

Die Königin der Vampire

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Als die menschliche Zivilisation ihren Anfang nahm, experimentierten verblendete Priester, in der Hoffnung auf Unsterblichkeit, mit Kräften, die sie nicht erfassen konnten. Dabei erschufen Sie unbeabsichtigt ein Geschöpf, das das menschliche Leben für immer auslöschen könnte.
Im Laufe der Jahrtausende geriet die Prophezeiung darüber beinahe in Vergessenheit. Staub und Sand legte sich über das Grab und verbargen das dunkle Geheimnis. Doch das, was einst geschaffen wurde, erwachte unbemerkt zu neuem Leben und so begann die Geschichte, an deren Ende sich das Schicksal erfüllen sollte - aber noch war nichts entschieden …
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum21. Jan. 2021
ISBN9783347239111
Die Königin der Vampire

Ähnlich wie Die Königin der Vampire

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die Königin der Vampire

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Königin der Vampire - Marc Vogl

    Am Anbeginn

    Ägypten, 3000 vor Christi

    Aschah hatte Angst. Noch niemals zuvor in ihrem Leben war ihr der Gedanke daran, dass sie eines gewaltvollen Todes sterben könnte, so bewusst gewesen wie in diesem Augenblick ...

    Die Welt hatte ihr bisher nur wenig geboten. Sie war geboren als eines von vier Kindern eines Hirten. Ihr Vater hatte neben ihr noch drei weitere Töchter und bedauerte es sehr, dass seine Frau ihm keinen einzigen Sohn geschenkt hatte. Daran war er zerbrochen und hatte seine Erstgeborene letztlich an die Priester verkauft. Noch heute Morgen hatten sie alle beisammengesessen, es war ihr neunzehnter Geburtstag. – Und alle waren gekommen, sogar ihr Onkel Rannin. Man hatte sie in feine Kleider gesteckt und gründlich gewaschen, als wäre sie eine Braut auf dem Weg zu ihrer Hochzeit. Sie kannte das von ihren Schwestern, die alle einen Mann hatten – allesamt widerliche Typen, denen ihr Vater jeweils eine Tochter zur Bezahlung seiner Schulden überlassen hatte. Ihre Schwestern waren bildschön, doch Aschah raubte jedem Mann, dem sie begegnete, den Verstand. Sie hatte eine reine und natürliche Schönheit, der man sich einfach nicht entziehen konnte, war sich aber in keiner Weise bewusst, welche Wirkung sie auf andere hatte.

    Als die Priester das Zimmer betraten, hatte Aschah sofort das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte: Es waren die tränenverhangenen Blicke ihrer Mutter. Aschah sah weg, als man ihr erklärte, dass ihr Vater sie wie Vieh verkauft hatte. In diesem Moment war sie zerbrochen. Die Priester hatten ihr eine Schale an den Mund gehalten – und ein Messer an die Kehle. Der Trank schmeckte bitter, aber sie schluckte ihn notgedrungen. Dann verschwamm die Welt vor ihren Augen und sie hatte das Gefühl zu schweben ...

    Nun lag sie gefesselt auf einem steinernen Altar. Nackt. Wie sie dorthin gekommen war, hatte sie nicht mitbekommen. Um sie herum waren Priester, alle in einen Sprechgesang vertieft. Sie hatte furchtbaren Durst, ihr Mund war trocken, die Lippen fühlten sich aufgeplatzt an und sie hatte Hunger – großen Hunger. Ihr Hintern fühlte sich nass und kalt an und ihr Unterleib schmerzte, sie musste also schon lange hier liegen – in ihrem eigenen Urin. Der Vollmond strahlte über ein Fenster direkt auf sie herab.

    Sie versuchte, sich zu bewegen, doch es ging nicht. So sehr sie sich auch bemühte, es passierte nichts, sie war wie gelähmt.

    Einige Priester begannen, seltsame Zeichen auf Aschahs nackten Körper zu malen. Als einer von ihnen ihr in den Schritt griff, wurde ihr fast übel. Es war ein unangenehmes Gefühl, gar nicht mal schmerzhaft, doch sie wollte nicht, dass er sie dort anfasste. – Das fühlte sich nicht richtig an!

    Der Priester nickte zufrieden und grinste.

    Nun wurden Feuer angezündet. Irgendetwas passierte, aber Aschah konnte es nicht sehen, nicht mal den Kopf konnte sie drehen. Aber was sie hörte, war grauenvoll, es klang wie ein Röcheln.

    Der Priester kam zu ihr zurück, stand an ihrem Kopfende und hielt eine Schale in seiner Hand. Nun grinste er nicht mehr. Er griff hinein und hielt kurz ein Herz hoch, das vor Blut triefte. Nun erkannte Aschah den Wahnsinn, der in seinen Augen loderte. Das Grinsen kehrte wieder zurück. Vorsichtig stellte er ihr die Schale auf den Bauch und zog seinen Dolch. Aschah wollte sich hin- und herwerfen, aber außer ein paar verzweifelten Tränen bewirkte sie nichts.

    Das Gift, das immer noch in ihren Adern pulsierte, lähmte ihren Körper, aber es nahm ihr nicht den Schmerz, als der Priester anfing, Symbole in ihre Stirn und den Hals zu schneiden. Jeder Schnitt tat schrecklich weh. Er schnitt an ihrem Hals entlang über ihre Arme, die Brust, den Bauch bis zu ihren Zehen.

    Als er fertig war, befand sich Aschah in einem Zustand der totalen Selbstaufgabe. Sie starrte gebrochen in die Leere, die sie empfand. Was tat man ihr an? Warum passierte das alles? Warum brachte man sie nicht einfach um?

    Der Priester führte nun eine lange spitze hölzerne Stange in ihren Unterleib ein. Der Schmerz explodierte geradezu in Aschah, so heftig, dass ihr Körper sich trotz der Lähmung aufbäumte. Aus ihrem Mund drang aber nicht mehr als ein Wimmern. Aschahs Blick fiel auf den Mond und sie schickte ein Gebet in den Himmel, der Hüter des Totenreiches möge sie doch endlich von ihrem Leid befreien.

    Aschah fühlte, dass sie starb. Sie konnte hören, wie ihr Puls immer langsamer wurde. Der Raum verlor an Bedeutung, der Altar ebenso. Ihre Existenz schien sich aufzulösen ...

    Der Priester nahm den zeremoniellen Dolch und schnitt Asha die Schlagadern an Armen und Beinen auf. Das Blut floss über Rinnen in eine Schale unter ihrem Körper, denn der Altar besaß mehrere innere Kammern.

    Ein weiterer grauenvoller Schmerz riss Aschah in die Welt zurück, als der Priester etwas mit heftigen Hammerschlägen in ihre Brust trieb. Wenn Schmerz auf seelischer und körperlicher Ebene existierte, war dieser über beide Ebenen des Seins hinweg brutal und ohne Gnade.

    Der Priester stand mit dem blutüberströmten Pflock in der Hand neben ihr. Während sie ihm am Rande des Bewusstseins, sterbend, in die Augen blickte, hörte sie ihn sagen: »Was hast du gesehen ... hast du irgendwas gesehen auf der anderen Seite?«

    Als Aschah nicht reagierte, schüttelte er sie, doch sie schwankte nur träge, wie ein nasser Sack.

    Schlagartig wurde ihr eines bewusst: Diese Priester hatten sie nicht getötet, weil es der Wille der Götter gewesen war, nein, diese Männer waren längst vom Glauben abgekommen. Sie verfolgten dunklere Ziele. – Und ihr Tod war eine Sünde! Ihre Seele würde nie an das andere Ufer übersetzen! Unbändige Wut keimte in ihr auf, während ihr Herz ein allerletztes Mal schlug ...

    Erstaunlicherweise jedoch blieb sie auch nach dem letzten Herzschlag bei Bewusstsein und bekam mit, wie man ihre Fesseln löste, sich darüber unterhielt, dass die Experimente dieses Mal zu weit gegangen seien. Ihre Gedanken versuchten zu begreifen, was mit ihr passierte – war dies real?

    Dann lag sie alleine auf dem Altar. Wütend. Verwirrt. Sich fragend, ob das nun der Tod sei. War es ihre Strafe, bei vollem Bewusstsein langsam zu verfaulen? Doch dann fühlte Aschah einen Durst in sich aufkeimen, der ihr gesamtes Denken eroberte. Ihre Finger knacksten, als sich ihr bleicher toter Körper bewegte und nach einem Halt suchte. Sie fiel unsanft vom Altar, doch es war ihr egal. Sie roch ... roch etwas .... roch das Blut – ihr Blut –, das man in der Schale unter dem Altar vergessen hatte. Noch niemals zuvor hatten ihre Sinne Süßeres wahrgenommen.

    Sie streckte sich, auf dem Boden liegend, und spürte diesmal den Erfolg ihrer Bemühungen. Sie bewegte Arme und Beine schlangengleich und bekam schließlich einen Arm frei, mit dem sie die Schale zu sich heranziehen konnte. Sie tauchte die Hand ein, und leckte sie ab, trank ihr eigenes kaltes Blut. Es schmeckte bitter und anders, als sie es sich vorgestellt hatte, aber es tat dennoch gut. Es gab ihr wieder Kraft. Mit einem Ruck befreite sie den anderen Arm von seinen Fesseln und trank nun gierig den Inhalt der Schale aus. Etwas vibrierte in ihr, überall kitzelte und kribbelte es.

    Voller Unglaube sah sie, wie die Schnitte in ihrem Körper sich schlossen – jedoch nicht vollständig. Es war zu wenig Blut, um sie vollständig zu heilen, der Durst nach Blut quälte sie schlagartig wie eine Naturgewalt. Reißend. In ihren Adern pulsierend! Ihre Sinne waren so geschärft, dass sie jeden Priester innerhalb des Tempels wahrnehmen konnte. Sie hörte das Pochen ihrer Herzen und das Rauschen in ihren Adern. Dann verlor sie die Kontrolle ...

    Die Priester hatten das Geschehen gar nicht mitbekommen, hatten sie alleine auf dem Altar liegen lassen. Sie erhob sich vom Boden wie ein Raubtier und jagte wie von Sinnen durch die Gänge. In einem alles überschattenden Blutrausch arbeitete sie sich durch die steigende Zahl ihrer Opfer und trank Blut – Unmengen! –, bis ihr Rausch sich zu einem einzigartigen Orgasmus steigerte.

    Als sie jeden Körper im Tempel ausgesaugt hatte, trat sie ins kühle Mondlicht und sah auf das nahe gelegene Dorf hinunter. Ihr Durst war noch lange nicht gestillt ...

    Als die ersten Sonnenstrahlen über die Wüste krochen, gingen die Toten bereits in die Tausende. Immer schneller, immer wilder hatte Aschah getötet und vom Blut ihrer Opfer gekostet, ehe sie die leblosen Leiber fortschleuderte und das nächste Leben nahm. Weder verzweifelt kämpfende Väter noch die Stadtwache konnten sie stoppen, erst die aufgehende Sonne trieb sie zurück in den finsteren Tempel, denn die Strahlen schwächten sie.

    Dort, in der kühlen Dunkelheit des leblosen Gemäuers, erkannte sie, was sie getan hatte: Männer, Frauen, Kinder – ganze Familien hatte sie bei lebendigem Leib zerfetzt, ihr Blut getrunken und den Boden damit durchtränkt.

    Sie blickte an sich herunter: Ihr Körper war rot von all dem Blut und dennoch unversehrt. Die alten Wunden waren verschwunden. Die Schwerter der Verzweifelten hatten ihr nichts anhaben können. Nicht einen Kratzer hatte sie!

    Dann sickerte eine Erkenntnis in ihr Bewusstsein: Der Tempel war ihr Gefängnis, solange die Sonne schien! Sie wusste nicht woher, aber die Gewissheit war mit einem Mal da: Ra duldete keine Wesen der Nacht am Tage. Sie war von nun an dazu verdammt, in der Dunkelheit zwischen dem Leben und dem Tod zu wandeln!

    Langsam sank sie auf die Knie und fing an zu weinen. Der beginnende Verwesungsgestank der Leichen im Tempel stieg ihr mit einem Mal heftig in ihre Nase. Sie hätte fast gewürgt, doch trotz all des Blutes, das sie getrunken hatte, war ihr Magen leer. Es gab nichts zu erbrechen – Sie war nicht tot und auch nicht lebendig. Sie war eine Abscheulichkeit! Dazu verdammt, für alle Zeit unter den Sternen im Dunklen zu wandeln.

    London, 12 Mai 1892

    Wie so oft regnete es mal wieder. Aschah blickte aus dem Glasfenster hinunter auf die Straße. Es war kurz nach 22 Uhr. Nichts heiterte sie mehr auf, als zu sehen, wie all das Wasser sich aus dem Himmel zu Boden stürzte, wo es große Pfützen bildete. Regen faszinierte sie noch immer, er hatte etwas Heiliges an sich, spendete Leben oder brachte den Tod. Die Nacht jedoch ließ ihn diesmal dreckig und unbequem aussehen. Die Temperaturen machten es auch nicht gerade angenehm, hier in London durch den Regen zu laufen, deshalb gehörten Regenschirme hier zur Grundausstattung.

    »Madam. Er empfängt Sie jetzt. Wenn Sie die Güte hätten, mich zu begleiten?«

    Der Butler hatte graues Haar, roch nach Seife und Pisse. Er versuchte seine beginnende Inkontinenz durch Parfüm zu überdecken, aber vergebens. Aschah wurde beinahe übel, so widerlich penetrant und süß war der Gestank. Sie folgte ihm bis zu einem Arbeitszimmer.

    Dort saß der Anwalt ihres verstorbenen Mannes und blickte mit seiner selbstgerechten Art zu ihr herüber. Er stand noch nicht einmal auf, um sie zu begrüßen, um seine Dominanz als Mann zu unterstreichen. Aschah war schon vielen Männern begegnet, die sich für etwas Besseres hielten, aber mit einer starken Frau vollkommen überfordert waren.

    »Nehmen Sie bitte Platz, Mrs. Kraymore. Möchten Sie etwas trinken? Ein Glas Wasser vielleicht?« Seine Augen funkelten giftig, von dem guten Whisky würde er ihr sicher nichts anbieten.

    »Mr. Jones, damit wir uns gleich von Anfang an richtig verstehen: Ich bin keine dahergelaufene Dorfpomeranze, also lasse ich mich auch nicht so behandeln. Sie sind der Nachlassverwalter meines Mannes und ich bin hier, um die verbliebenen Werte auf mich übertragen zu lassen. Also bitte.«

    Der Butler schloss die Tür und konnte sich das Grinsen nur mit Mühe verkneifen.

    Aschah trat vor den Schreibtisch, schenkte sich einen Schluck Whisky ein, gab einen winzigen Schuss Wasser dazu und nahm sich Zeit, den herrlichen Duft zu genießen, während Jones versuchte, die Haltung zu wahren. Sie stürzte den teuren Drink in einem Zug herunter und legte sodann ihre Kopie des Testaments sowie ihre Vollmacht auf den Tisch.

    »Wie sie unschwer erkennen können, hat mir mein verstobender Mann noch kurz vor seinem Tode alle Grundstücke«, sie zog weitere Urkunden hervor, »und sein gesamtes Vermögen überschrieben. Ich hätte jetzt gerne Einblick in die Bücher meines Mannes. Und veranlassen Sie auch, dass mein Name als Inhaberin der Rederei eingetragen wird.«

    »Was zum Teufel ... fällt Ihnen ein, hier mitten in der Nacht aufzutauchen und so ... so ... Für wen halten Sie sich? Einer Frau ... die Kontrolle über eine der größten Redereien von London zu übertragen ... das ...«

    Sie schenkte sich von dem Whisky nach und konnte sehen, wie dem Anwalt beinahe der Kopf platzte vor Wut. »Sie verkennen die Situation, Mr. Jones. Ich kriege alles, was ich will. Immer.« Inzwischen war sie zu ihm hinter den Schreibtisch gegangen und ließ ihre Hand über seine Brust gleiten.

    Sein Puls beschleunigte sich. Er wurde so erregt, dass er sich an seinem Stuhl festkrallte. Als sie sich dann auf seinen Schoß setzte und sich an ihm rieb, verlor er die Fassung und riss ihre Bluse auf, um sein Gesicht gegen ihre Brüste zu pressen.

    Sie kicherte nachsichtig. »Ich brauche nur noch eine winzige Unterschrift und sie können diesen Körper erforschen. Hier und jetzt. Sie dürfen alles mit mir machen. Und damit meine ich alles, was Sie sich sonst nur in ihren Träumen vorstellen und wozu Ihre Frau niemals bereit wäre.« Aschah gab ihm einen wilden Kuss und griff nach seiner Hand, führte sie zwischen ihre Beine. Als er weitermachen wollte, entzog sie sich ihm.

    Er wollte sie mit Gewalt nehmen, aber Aschah presste seine Hände an den Stuhl, als wäre er ein schwaches Kind, und deutete mit dem Kopf zu der Urkunde auf dem Schreibtisch.

    Er sah sie an. Wenn das jemals heraus käme !... Aber er wollte sie so sehr! Er wollte ...

    Er nahm die Feder und unterschrieb ...

    Als er am nächsten Morgen halb nackt, frierend und orientierungslos auf dem Zimmerboden erwachte, wusste er nicht mehr, was geschehen war. Die Whiskyflasche war leer. Sein Hals schmerzte leicht, aber das war egal, angesichts des Dröhnens seines Schädels. Was war nur geschehen? Stöhnend griff er sich an den Hals und stutzte, als er das Blut an seinen Fingern bemerkte. – Aschah hatte von seinem Blut gekostet und darüber sein gesamtes Wissen erlangt, über all seine Depots und schmutzigen Geheimnisse. Ihn zu töten jedoch hätte nur Ärger gebracht. Und so hatte er mehr Glück als Verstand.

    Ägypten 3000 v. Chr.

    Es dauerte den halben Tag, dann standen sie vor ihr: die Krieger des Pharao. Zuerst hielten sie Aschah noch für eine Überlebende, doch als sie sie weckten und ihre roten Augen erblickten, änderte sich das schlagartig. Sie war schwach; am Tag wach zu sein, war wie ein Dämmerzustand.

    Sie konnte das Blut der Elitekrieger riechen ... es lockte sie. Das Adrenalin der Männer ließ ihre Adern wie glühendes Eisen sichtbar werden. Sie konnte sich nicht beherrschen und sprang einem der jungen Soldaten an den Hals, bis zu, trank sein Blut ... Daraufhin gingen die anderen auf sie los. Sie schlugen mit ihren Schwertern auf sie ein, doch ihre Wunden heilten sofort wieder. Ein Speer durchbohrte ihren Bauch und riss sie zu Boden, brachte sie aber nicht um, sondern versetzte sie in rasende Wut. Würde ihr Leben von nun an nur noch aus Schmerz bestehen? Sie stieß einen Schrei aus, der den Männern eisige Schauer über den Rücken jagte.

    Der Anführer schickte seinen schnellsten Krieger los, um dem obersten Priester des Pharao Meldung zu erstatten, da löste Aschah sich vor seinen Augen in Rauch auf. Als er bemerkte, dass sie hinter ihm stand, war es schon zu spät: Er starb als Erster, dann folgten seine Männer in einem einzigen wirbelnden Blutrausch. Einzig der Bote entkam, da er einen Vorsprung hatte.

    Als er den Ausgang erreichte, erschienen ihm die wärmenden Strahlen der Sonne wie eine Erlösung. Er trat ins Freie und starrte zurück in die Dunkelheit des Tempels, wo er Aschahs Umrisse erkennen konnte – sie hatte das dunkle Gewand eines toten Priesters angelegt. Wie ein Raubtier näherte sie sich ihm, fesselte ihn mit ihren Blicken, lockte ihn, indem sie versuchte, in seine Gedanken einzudringen. Als sie aber auf ihn losstürmte und dabei ins Sonnenlicht trat, entflammte ihre Haut wie Zunder. Heulend warf sie sich zurück in den Schatten und warf dem entsetzten Mann vor dem Eingang durchdringende Blicke zu.

    Der Soldat konnte es nicht fassen: Er hatte den Angriff überlebt! Sein Gott beschützte ihn. Wie von Sinnen rannte er los, um seinem Herrn Bericht zu erstatten.

    Der Priester hörte sich an, was der Soldat erzählte und wurde bleich vor Angst. Diese Abscheulichkeit war ihm sehr wohl bekannt, ihm war nur nie zu Ohren gekommen, dass jemals jemand so wahnsinnig gewesen war, dieses grausame Ritual durchzuführen. – Bis heute.

    Schnell blätterte er die schwarzen Seiten im Buch der Toten durch. In goldener Schrift war darin das Ritual zur Unsterblichkeit beschrieben. Dort stand geschrieben, dass nur das Licht und die Kraft des höchsten Gottes in der Lage seien, die Unsterblichen zu verletzen und ihre Seelen für immer zu vernichten. Auch, dass diese Unsterblichen Blut trinken mussten, um einen unstillbaren Durst zu bändigen, der immer größer wurde, je mehr sie sich dagegen wehren, und mit jedem Tropfen Blut würden ihre Kräfte wachsen. Dann las er die Prophezeiung, dass eine unsterbliche Königin der Nacht geboren würde, deren Kraft so groß wäre, dass sie auch am Tage unter den Menschen wandeln könne und so die Menschheit für alle Zeit aus der Herrlichkeit Ras reißen und in die Dunkelheit verbannen würde.

    Der Priester blickte zur Sonne. Möge Ra der Menschheit für ihre Sünde vergeben. Der Abend würde bald aufziehen und mit dem Untergang würde das Verderben über das Land hereinbrechen. Seine Hand fing an zu zittern. »Sorgt dafür, dass dieses Monster den Tempel niemals wieder verlassen kann. Ich will, dass sie darin für alle Zeiten begraben wird«, sagte er tonlos.

    Der Soldat nickte und ging, um seinem Vorgesetzten den neuen Auftrag zu übermitteln.

    Als die entsandten Truppen am Tempel ankamen, wurde die Sonne bereits schwächer. Eilig machten sie sich daran, die Zugänge mit schweren Steinen zu blockieren, die sie einfach aus den Monumenten herausbrachen, die den Tempel umgaben. Kaum verdeckten sie das Sonnenlicht, schlug Aschah mit unbändiger Kraft von innen dagegen, sodass ein Teil der Männer immer damit beschäftigt war, die bereits errichteten Blockaden an Ort und Stelle zu halten.

    Bis die Nacht hereinbrach, hatten sie es in gemeinsamer Anstrengung geschafft die Eingänge so gut zu verschließen, dass auch Aschahs Wüten nichts mehr half. Dennoch war das nur ein kurzer Sieg, denn irgendwann würde Aschah sich ihren Weg in die Freiheit bahnen, wenn die Soldaten nicht permanent die Barrikaden sicherten.

    Der Priester rief die besten Baumeister, die obersten Kriegsherren und sogar den Pharao höchst persönlich zu sich. Sie beschlossen, dass es nur einen sicheren Weg gab, dieses Monster für immer von der Menschheit fernzuhalten, und erbauten auf dem alten Tempel ein monumentales Mahnmal. – Eine Pyramide, die selbst den schlimmsten Katastrophen standhalten würde. Sie war Warnung und Siegel zugleich. Dieser Ort sollte für alle Zeiten bestehen bleiben. Man ließ zudem zwölf goldene Tafeln gießen, die vor dem warnten, was unter der Pyramide begraben worden war. Die Prophezeiung darauf besagte dass, sollte Aschah jemals aus ihrem ewigen Grab befreit werden, die Welt dem Untergang geweiht wäre. Des Weiteren vernichtete man alles, was über das Ritual selbst existierte; das Buch der Toten und auch alle seine Abschriften, auf das niemand jemals wieder dieses Ritual vollziehen würde.

    Ägypten, 1249 n. Chr.

    Ahmet und sein Bruder Nadjd hatten ihr ganzes Leben in der Nähe der alten Pyramiden verbracht. Niemand hatte auch nur die geringste Ahnung, wer ihre Erbauer gewesen waren oder warum man sich solch eine Mühe gemacht hatte. Die goldenen Tafeln waren zu dieser Zeit schon lange verloren und von fremden Soldaten, die die Worte nicht verstanden, als Kriegsbeute eingeschmolzen worden. Wäre es nicht so ein lukratives Unterfangen, in den alten Ruinen nach Schätzen zu suchen, wären die Brüder nie in die Versuchung gekommen, in diese alte Höhle vorzustoßen. Ahmet hatte den Eingang zufällig entdeckt, als er abseits der großen Pyramide von Gizeh einen Riss im Boden bemerkte, der groß genug war, um ihn aufzubrechen und sich abzuseilen.

    Jeder kannte die Geschichten über Funde aus purem Gold – Schmuck, Figuren ... manchmal auch mehr. Manches, so erzählte man sich, sei mit kostbaren Edelsteinen verziert. Einer ihrer Nachbarn aus dem Dorf auf der anderen Seite des Nils hatte vor nicht einmal zwei Jahren eine goldene Kette gefunden, lebte jetzt im besten Viertel der Stadt und erzählte den reichen Reisenden aus fernen Ländern irgendwelche Geschichten über die Pyramiden, obwohl letztlich keiner wusste, wer die Erbauer waren oder was dahinter steckte. Sie hatte schon immer hier gestanden

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1