Der letzte Goldzug: Eine gefährliche Reise durch den Krieg
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Über dieses E-Book
Als am 22. Juni 1941 mit dem Angriff auf die Sowjetunion das Unternehmen Barbarossa beginnt, werden die beiden erneut einer Eisenbahnpionierkompanie zugetelit. Sie erleben die Grausamkeit des Krieges in all seinen Facettten. Kaum dem Kessel von Stalingrad entkommen, sind sie entschlossen, nicht nur den Krieg zu überleben, sondern auch das Geheimnis des Schlosses zu lüften.
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Buchvorschau
Der letzte Goldzug - Horst Moorseebacher
Der Angriff
Marek war früh aufgestanden. Vollständige Dunkelheit lag über dem Land, als er seine Bücher auf dem Schreibtisch ausbreitete. Er und sein Freund Wojciech standen kurz vor den letzten Prüfungen für ihr Studium als Maschineningenieure.
Als es draussen hell wurde, herrschte auf der Strasse Aufruhr. Ueblicherweise war es im Quartier zu dieser Tageszeit ruhiger. Viel ruhiger. Eine typische Wohngegend mit mehrgeschossigen Blocks. Er öffnete das Fenster. Die Leute schrien durcheinander. Aus den einzelnen Worten, die Marek aufschnappte, realisierte er, was geschehen war. Deutsche Truppen hatten die Grenze zu Polen überschritten.
Er klopfte heftig an Wojciech Türe und trat ein ohne eine Antwort abzuwarten. Dieser schlief friedlich. Sein Freund schüttelte ihn unsanft. Was ist nun schon wieder los?
, fragte Wojciech genervt im Halbschlaf und wollte sich zur Seite drehen. Die Deutschen! Die Deutschen haben uns angegriffen!
, schrie ihm Marek ins Gesicht.
Wojciech war plötzlich hellwach, sprang aus dem Bett, zog sich an und folgte seinem Kameraden auf die Strasse. Es bestand kein Zweifel. Die Deutschen waren in Polen einmarschiert. Die beiden packten einige Sachen und rannten zur Kaserne. Dort herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander, aber als Offiziere der polnischen Armee liess man die beiden sofort durch. Sie erhielten ihre Ausrüstung, Uniformen und Waffen. Im Hof standen einige Lastwagen, die mit Soldaten und Freiwilligen gefüllt wurden.
Marek und Wojciech nahmen zusammen auf dem Beifahrersitz eines Kleinlasters Platz. Von einem Oberst erhielten sie Karten und Befehle. Als sich Marek mit einem Blick auf die Ladefläche vergewisserte, dass dort wirklich niemand mehr mitfahren konnte, gab er dem Fahrer den Befehl zum Starten des Motors. Sie rollten nach Westen, den vorausfahrenden Lastwagen folgend. Die Kolonne kam nur langsam voran. Die Fahrzeuge waren hoffnungslos überladen.
Am Abend rasteten sie in einem Waldstück. Die Männer verschiedenen Alters sassen in kleinen Gruppen um einige Feuerstellen. Zu essen hatten sie nichts, aber nicht nur der Hunger plagte sie. Als Marek und Wojciech in die Runde blickten, sahen sie sorgenvolle Gesichter. Niemand wusste, was sie an der Front erwartete.
Kaum einer fand in dieser Nacht Schlaf. Uebermüdet bestiegen sie am anderen Morgen ihre Transportmittel, die sie auf das Schlachtfeld bringen sollten.
Gegen Abend bezogen sie in einem Bewässerungsgraben Stellung. Nachdem die Gewehre und einige Panzerfäuste gereinigt waren, erklärten Marek und Wojciech, was sie erwartete: Einen mechanisierten Feind.
* * *
Das bedeutete, aufmerksam sein. Nervös standen die Männer im Graben und spähten über die weiten Felder gegen Westen. Die Nacht hindurch blieb alles ruhig. Kein Laut war zu vernehmen. Es erweckte den Eindruck, dass selbst die Tiere geflüchtet sind. Die Spannung war den Männern ins Gesicht geschrieben. Kurz nach Anbruch des nächsten Tages wurden die Umrisse deutscher Panzer am Horizont sichtbar. Zuerst nur einzelne, innert Sekunden Dutzende, die in hohen Tempo auf die Stellungen zurasten.
Die polnischen Soldaten schossen mit ihren Gewehren und Panzerfäusten aus allen Rohren, aber den Kampfpanzern konnten die abgefeuerten Geschosse nur wenig anhaben. Unbeirrt fuhren die stählernen Kolosse in Richtung der Gräben und über diese hinweg. Wer nicht rechtzeitig zur Seite sprang, wurde unter den Ketten zermalmt. Infanterie folgte den Panzerverbänden.
Die Polen zogen sich in den Wald zurück, wo für die Panzer kein Durchkommen war. Die deutschen Infanteristen folgten ihnen. Marek und Wojciech teilten ihre Männer in drei kleine Einheiten auf. Während die erste Gruppe, unter Führung eines Unteroffiziers, die Deutschen in direktem Feuergefecht beschäftigte, griffen sie mit ihren Untergebenen abwechselnd die Formationen des Gegners von den Flanken an, was bei den Infanteristen für Verwirrung sorgte und sie zum Rückzug zwang. Ein Toter, zwei Leichtverletzte war die Bilanz des Feuergefechts bei den Polen. Der Verstorbene wurde in einer kurzen Zeremonie begraben. Anschliessend drangen sie tiefer ins Unterholz.
Zwischen Tannen legten sie sich für die Nacht in eine Ringstellung. Kein Feuer wurde angezündet. Regen setzte ein. Innert Minuten waren die Männer nass bis auf die Haut.
* * *
Plötzlich hörten Sie in der Ferne Panzermotoren aufheulen. Marek und Wojciech entschlossen sich, die Umgebung auszukundschaften. Ihre Männer sollten in der Zwischenzeit die Stellung halten. Zu zweit huschten sie durch das Dickicht, bis sie den Waldrand erreichten. Ihre Hoffnung, dass die Deutschen weiterzogen und sie ihnen in den Rücken fallen konnten, hatte sich nicht erfüllt. Auf offenen Feld vor ihnen lagerte ein ganzes Panzerbataillon und zwei Infanteriekompanien.
Die Truppenpräsenz auf der anderen Seite des Gehölzes beschränkte sich auf einzelne Wachposten. Die Spähpanzerwagen und die schweren Maschinengewehre liessen aber keinen Zweifel über die Absichten der Deutschen aufkommen, Das Waldstück sollte zuerst durchkämmt werden, bevor weiter gegen Osten vorgestossen wird.
Den Eingeschlossenen stand ein harter Kampf bevor, auch wenn sie die Vorteile des Geländes auf ihrer Seite hatten. Das nächste Mal würden die Deutschen mehr Männer einsetzen, um sie aus den Verteidigungsstellungen zu jagen. Marek und Wojciech gingen zu ihren Soldaten zurück und erklärten ihnen die Lage.
In einer solchen Situation gibt es nur eine Lösung, will man sich nicht totschlagen lassen oder in Gefangenschaft geraten. Man muss einen Angriffsschwerpunkt setzen und versuchen auszubrechen, auch wenn die Munition knapp ist und die Männer erschöpft sind.
Die Nacht war kurz und die nassen Uniformen klebten auf der Haut. Noch vor dem Morgengrauen weckten Marek und Wojciech die ihrigen. In Einerkolonne ging es in Richtung Waldrand. Dort bezogen sie ihre Stellungen. Bei den Deutschen war noch alles ruhig. Das änderte sich mit dem ersten Tageslicht.
Allerdings waren deren genaue Absichten länger nicht eindeutig erkennbar. Die polnischen Soldaten warteten ab und beobachteten. Erst als die Sonne die Luft wärmte, setzte sich der Gegner in Schützenkolonnen und mit Flammenwerfern in Bewegung. Als die Infanteristen noch Hundert Meter entfernt waren, feuerten die Polen auf breiter Front. Die ungedeckten Deutschen fielen zu Dutzenden. Flammenwerfer explodierten und liessen ihre Träger verbrennen. Ein grausames Schauspiel.
So unerwartet die Polen das Feuer eröffnet hatten, so nutzten sie die Verwirrung, sprangen auf der anderen Seite des Waldstücks die wenigen Meter über das Feld, setzten sich flink in den Wassergraben ab und rannten dort in gebückter Haltung weiter. Die Deutschen feuerten immer noch in das Unterholz, als Marek in den Graben glitt. Er bildete alleine die Nachhut. Die Vertiefung war so eng, dass man zwar darin laufen, aber auf keinen Fall eine natürliche Beinhaltung einnehmen konnte. Etliche der Soldaten stürzten, wurden aber von ihren Hintermännern wieder auf die Beine gestellt.
Als Marek sich vergewissern wollte, dass sie nicht verfolgt wurden, verlor er das Gleichgewicht und stürzte, Sein Kopf schlug gegen einen Stein. Blut färbte das Rinnsal und die Erde rot. Ausserdem verstauchte er sich seinen rechten Fuss.
Auch am anderen Ende des Grabens war Vorsicht geboten. Die schützenden Bäume einer Allee waren einige Hundert Meter weit entfernt. Die Polen krochen über die Felder um keine verdächtigen Silhouetten abzugeben. Die Gesichter und Hände waren blutig. Die Knie schmerzten und an den nassen Uniformen blieb der Dreck hängen. Es dauerte über eine Stunde bis sie eine Allee erreichten und sie einen Halt machen konnten. Als Wojciech zählte, bemerkte er, dass sein Freund fehlte. Er nahm das Fernglas, suchte die Umgebung ab. Keine Spur von Marek. Die Deutschen waren in der Zwischenzeit in den Wald vorgedrungen. Die List der Polen hatte niemand bemerkt. Wojciech hatte keine Ahnung, was mit seinem Freund geschehen war und wo dieser sich aufhielt, aber er musste zurück. Seine Männer rieten ihm, bis zum Eindunkeln zu warten. Aber so lange wollte und konnte er nicht stillsitzen. Lautlos näherte er sich seinen Feinden.
Es war bereits Nachmittag als er seinen Kameraden erreichte. Dieser war aus der Bewusstlosigkeit erwacht und konnte sich am Kopf einen Verband anlegen. Infolge der Platzwunde hatte er viel Blut verloren und wirkte geschwächt. Mit seinem verletzten Fuss kam er nur langsam voran.
Sie beschlossen, bis zum Abend zu warten. In der Dunkelheit konnte man im Graben aufrecht gehen und auf den Feldern musste man sich nicht mehr kriechend fortbewegen. Als sie über eine Wiese liefen, erfasste sie der Lichtkegel eines deutschen Spähpanzerwagens.
Da vorne hat sich etwas bewegt!
Ich sehe nichts!
Rechts vor uns! Zwei Uhr!
Pass auf!
Ein Entkommen war nicht mehr möglich. Schon gar nicht aufgrund von Mareks Verletzung. Das Aufklärungsfahrzeug rollte im Schritttempo direkt aus sie zu, eskortiert von vier Landser. Zurück in den Graben. Sie arretierten ihre Bajonette und warteten. Als sich ein Schatten über den Graben beugte, stach Wojciech zu. Der Körper fiel lautlos nach vorne. Marek feuerte. Ein Schuss. Ein Treffer.
Die restlichen zwei Mann suchten hinter dem Spähpanzerwagen Deckung und erwiderten das Feuer. Wojciech lief gebückt im Graben, sprang nach einigen Metern raus und warf eine Handgranate. Eine Explosion. Schreie. Das Fahrzeug blieb stehen. Eine weitere Granate und nichts regte sich mehr darin. Marek humpelte zum Fahrzeug, während Wojciech die Toten entfernte, den Motor startete und die Lichter ausschaltete.
Immer wieder huschten Lichtkegel von Fahrzeugen und Taschenlampen über die Ebene. Die Handgranaten und Schüsse mussten meilenweit zu hören gewesen sein. Aber der Gegner hatte keine Ahnung, was geschehen war. Aus dem Funkgerät drangen widersprüchliche Meldungen.
Ein unerwartetes Geschenk
Zufällig fanden sie eine Hütte. Aus dem Kamin zog allerdings Rauch auf. Aber die Möglichkeit etwas Essbares zwischen die Zähne zu bekommen, wollten sich die beiden nicht entgehen lassen. Die Fensterläden waren geschlossen. Licht eines Feuers auf einer Kochstelle drang zwischen die Ritzen durch. Im Innern war niemand zu erkennen. Nachdem sie das Aufklärungsfahrzeug im Wald unter Zweigen zurückgelassen hatten, drangen sie bewaffnet in das Holzhaus.
Die Unterkunft war bewohnt. Drinnen zeigte sich ausser einem schwarzen, wohlgenährten Kater keine Gefahr. Fauchend stellte er sich den Eindringlingen entgegen. Sein breites Gebiss und seine langen Krallen liessen keine Zweifel offen,