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AUF DEN ANDEREN UFERN DER NACHT: Phantastische Erzählungen
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AUF DEN ANDEREN UFERN DER NACHT: Phantastische Erzählungen
eBook239 Seiten3 Stunden

AUF DEN ANDEREN UFERN DER NACHT: Phantastische Erzählungen

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Über dieses E-Book

Nacht steht für das Unbekannte und darum auch Ängstigende.

Schon H. P. Lovecraft sagte: »Das älteste und stärkste Gefühl des Menschen ist die Furcht, und die älteste und stärkste Furcht ist die Furcht vor dem Unbekannten.« Wer sich dorthin wagt, braucht Mut. Wohin wird er gelangen? Welche Ufer begrenzen die Nacht?

Statt in vertrautem Land kann der Leser auf dem Boden einer anderen Zeit stehen - im Spanien der Maurenzeit beispielsweise -, eventuell auch jäh in einer völlig fremden Welt - nichts ist dort wie daheim, manches aber lebensgefährlich. Fände er sich immerhin noch auf Erden, so doch vielleicht in der Hand unbekannter Kräfte. Wirken diese zum Guten oder zum Bösen?

Sieben Erzählungen, sieben Wege durchs Unbekannte zum Ungewissen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum4. Sept. 2018
ISBN9783743879690
AUF DEN ANDEREN UFERN DER NACHT: Phantastische Erzählungen

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    Buchvorschau

    AUF DEN ANDEREN UFERN DER NACHT - Rolf Krohn

    Der Autor

    Rolf Krohn, Jahrgang 1949.

    Rolf Krohn ist ein deutscher Schriftsteller, der bevorzugt Science Fiction, Phantastik, Krimis, historische Literatur und Märchen verfasst. Seine Schwerpunkte im Bereich historischer Literatur liegen in den Themenkreisen Alter Orient, Römisches Reich, Mittelalter (hier insbesondere: das Königreich Andalusien) sowie in der Regionalgeschichte von Sachsen-Anhalt.

    Nach einer Chemiearbeiterlehre mit Abitur begann Rolf Krohn 1969 ein Physikstudium an der Technischen Universität in Dresden. Im Jahr 1973 wurde Rolf Krohn aus politischen Gründen exmatrikuliert. Er arbeitete danach als Chemiearbeiter, später als Nachtwächter in Halle.

    Seine schriftstellerische Tätigkeit begann 1975 mit der Veröffentlichung von Erzählungen und Romanen, u.a. mit der Erählung Das Mädchen von Ninive, die in der Anthologie Der Mann vom Anti erschien. Es folgte zahlreiche weitere Veröffentlichungen wie z.B. Das Grab der Legionen (1978), Das Labyrinth von Kalliste (1983), Begegnung im Nebel (1985), Hannibals Rache (1989), Schatten über der Saale (2000), Das dunkle Bild der Liebe (2005), Mord für die Macht (2007), Bunte Lichter (2013) und Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens (2016).

    In den Jahren 1990 bis 1992 schloss Rolf Krohn sein Studium der Physik an der TU Dresden ab. Von 2003 bis 2004 arbeitete er als Stadtschreiber von Halle.

    Rolf Krohn lebt und arbeitet in Halle/Saale.

    Das Buch

    Nacht steht für das Unbekannte und darum auch Ängstigende.

    Schon H. P. Lovecraft sagte: »Das älteste und stärkste Gefühl des Menschen ist die Furcht, und die älteste und stärkste Furcht ist die Furcht vor dem Unbekannten.« Wer sich dorthin wagt, braucht Mut. Wohin wird er gelangen? Welche Ufer begrenzen die Nacht?

    Statt in vertrautem Land kann der Leser auf dem Boden einer anderen Zeit stehen - im Spanien der Maurenzeit beispielsweise -, eventuell auch jäh in einer völlig fremden Welt - nichts ist dort wie daheim, manches aber lebensgefährlich. Fände er sich immerhin noch auf Erden, so doch vielleicht in der Hand unbekannter Kräfte. Wirken diese zum Guten oder zum Bösen?

    Sieben Erzählungen, sieben Wege durchs Unbekannte zum Ungewissen.

    In fremder Zeit...

      FLUCHT

    Hinterher vermochte niemand genau zu sagen, wie es eigentlich dazu gekommen war. Desto klarer sprachen die Tatsachen: Beide Aufseher lagen in ihrem Blut.

    Entsetzt starrten die Sklaven - auch die, deren Hände die Hacken geführt hatten - erst die Toten und danach einander an. Was nun? Es gab keinen gewählten oder selbst ernannten Anführer, viel weniger existierte ein wohlerwogener Plan. Stattdessen hatte sich ein schrecklicher Abgrund geöffnet, denn ein jeder wusste, was geschehen musste, wenn die Sklavengruppe abends nicht im Gut eintraf: Dann bestieg die Leibwache des großmächtigen Herrn Ilani die Pferde. Eine halbe Stunde später wäre sie hier. Ein Blick auf die Erschlagenen genügte. Unterstützt von Bluthunden und geschult durch jahrelange Erfahrung... Wehe jedem Ergriffenen! Um minderer Dinge willen waren Sklaven gepfählt oder zerpeitscht worden.

    Bark raufte sich das zweifingerbreit geschorene Haar. Freilich war es ein schlimmes Schicksal, Sklave zu sein; immerhin lebte man, war nicht wie die Vielen niedergemacht worden, als damals das assyrische Heer die Heimat überrannte. Und nun sollte alles vorbei sein - bloß weil sich Hitzköpfe gegen das Unvermeidliche empörten? Selbstverständlich hatte er nicht zugeschlagen. Doch schirmte ihn das? Der erzürnte Gebieter würde einfach alle schuldig nennen.

    Mochten dann sämtliche Götter gnädig sein!

    »Was jetzt?« Er wisperte. Schreien hätten sie können, doch die Angst starb langsamer als ihre Wächter. Was würde Herr Ilani tun? Was er bereits getan hatte, wusste jeder. »Die auf den Pfahl, jenen die Haut abziehen, die Übrigen unter die Knute!«

    »Fliehen?« Jemand sagte es tastend und voller Zweifel. »Wohin? Assyriens Macht reicht vom Meer im Westen bis zum Meer im Osten. Weit kämen wir nicht.«

    »Ich beuge mich dem Willen des Gebieters. Nicht meine Hand berührte seine Diener!«, sprach ein zweiter müde.

    »Meine etwa?«

    »Oder meine?«, brüllten andere.

    Bark hörte das voller Unbehagen. Würden die beiden Perser nachher vortreten und reuig ihre Schuld gestehen? Wer mordete, der log auch. - Selbst wenn - nahmen sich die Söldner Muße, lange zu fragen? Wo die Dinge dermaßen klar lagen, musste ein Wunder geschehen, dass einer von ihnen am Leben blieb. Was galten dem gnädigen Herrn zwanzig Kriegsgefangene? Schwerlich mehr als ein Achselzucken.

    »Feiglinge seid ihr, und Knechtsseelen!« Der eine Perser hob den Kopf. »Kommt mit mir! Wir überrumpeln das Gut und befreien die übrigen Sklaven. Waffen liegen dort. Zusammen sind wir stärker als zu zweit, jedenfalls stark genug, um uns gemeinsam heimzukämpfen.«

    »Dich haben die Götter mit Wahnsinn geschlagen! Offene Rebellion gegen die Leibwache? Mann, das sind Krieger, das sind richtige assyrische Soldaten. Ihre Pfeile treffen immer und überallhin. Was die mit Schwert und Lanze ausrichten können! Wie Hasen würden sie uns abschießen.«

    »Kämpfen? So etwas tue nur allein.«

    Der Streit dauerte lange. Schließlich trennten sich die Sklaven. Fünf folgten den Persern, um das Unmögliche zu wagen. Die meisten setzten sich in den Schatten der Sträucher am Kanal und starrten der sinkenden Sonne nach. Sobald sie die Erde berührte, kamen die Reiter - und vielleicht ließen sie doch Gnade vor Recht walten?

    Nur zwei wählten die Flucht. Bark kannte seinen Gefährten als zäh und bedachtsam, und er erinnerte sich jetzt des Namens: Sardur. So schnell die Beine sie trugen, rannten die beiden, um weit vom Ort der Tat zu sein, wenn die Hetzjagd begann.

    Das Land war ihnen unbekannt. Sie wussten einzig, dass die Nordgrenze am nächsten lag. Mit den Bergen begann der Staat Nairi. Selbst Sklaven hatten gehört, wie feind er den Assyrerkönigen in Ninive war. Ob man Entsprungene deshalb schonte? Mochten sie auch Sklaven bleiben - schlimmer konnte es kaum werden, und an Auslieferung glaubten beide nicht.

    »Nordwärts!«, lautete die Devise - und einen weiten Bogen um jede Ortschaft. Hoffentlich halfen ihnen andere Feldsklaven, sei es mit einem bisschen Brot.

    ***

    Als die Sonnenstrahlen gänzlich verloschen, befanden sich Bark und Sardur in einem felsigen Tal. Die Berge von Nairi ragten schon nahe in den Himmel. Hingegen sah das Land dürr aus. Der nördlichste Bewässerungskanal lag weit hinter ihnen. Ob sie bald Quellen oder gar einen Bach fanden, war höchst fraglich, weil sie sich ja nicht auskannten. Obendrein siedelte man bestimmt an jeder Wasserstelle.

    »Wir müssen ausruhen.«

    Bark schwieg. Sein Gefährte hatte Recht. Ihre Kräfte gingen zur Neige. Kaum konnten sie einen Fuß vor den anderen setzen. - Immerhin mussten die Verfolger ebenso rasten. Nachts regierten die Dämonen, auch sah man die Spuren nicht.

    Sardur hob die zernarbten Schultern und brummte. Er stammte aus Nairi, freilich aus einer entlegenen Provinz. Durch dies Land hatte man ihn als Sklaven nach Ninive getrieben. »Erst wenn die Felsen viel höher sind, sind wir in Sicherheit; übermorgen, denke ich. Hier ist bestimmt noch assyrisches Gebiet.«

    »Ob sie uns kriegen?«

    »Wenn Herrn Ilanis Leibwächter nicht gleich merken, dass wir einen Haken geschlagen haben, gewinnen wir genug Vorsprung. Ohne Hunde finden sie uns sowieso nicht. Höchstens dass wir einer Grenzstreife in die Arme laufen. Dann...«

    Unnötig den Satz zu beenden. Bark kannte das Dann. Trotzdem mussten sie ruhen, um morgen einen desto weiteren Weg zurückzulegen. Das unwirtliche Land bot Verstecke, es mochte die Verfolger in die Irre führen. Vielleicht.

    »Gehen wir bis zum Ausgang dieser Schlucht. Ich will wissen, wohin sie führt.«

    Sardur nickte stumm. Sie rafften sich auf. Der niedrigstehende Mond und Strecken voll groben Gerölls behinderten die beiden. Später verengte sich die Talsenke und sperrte das Mondlicht schließlich aus.

    »Ich kann nicht mehr.«

    »Noch hinter die Biegung.«

    Sie erreichten den Vorsprung und erstarrten. Nicht einmal fluchen oder schreien konnten die heiseren Kehlen, so sehr lähmte sie der Schreck.

    Wie zum Hohn schien der Mond geradewegs auf das abrupte Ende der Schlucht. Vor ihnen lag ein wohl hundert Schritt im Geviert messender Kessel, dessen einziger Zugang das Tal war.

    »Bei Assur, dem Herrn Assyriens!«

    »All ihr Götter, wohin habt ihr uns geführt?«

    Sardur erwies sich als der Nüchternere. Mit einem stummen Fluch zwang er die Bitternis nieder. »Es muss einen Weg bergauf geben, irgendwo. Morgen suchen wir.«

    Bark wimmerte leise. Eine Falle! Kämen die Verfolger jetzt, hätten sie leichtes Spiel.

    »Schluss! Wir schlafen!«

    In einer Nische streckten sie die schmerzenden Glieder aus.

    ***

    Ein merkwürdiger Laut ließ sie hochfahren. Keiner der beiden konnte ihn beschreiben, so laut und dennoch dermaßen kurz war er aufgeklungen.

    Wie lange hatten sie geschlafen? Zehn Atemzüge lang? Oder dämmerte bald der Morgen? Der Mond war jedenfalls untergegangen, nur der Schimmer der Sterne bedeckte alles.

    »Ein Stein hat sich gelöst«, murmelte Bark, um es selbst zu glauben.

    ‚Das wäre ein anderes Geräusch!‘

    Beide dachten es, keiner sprach es aus.

    Trotz des Argwohns wollten sie sich wieder hinlegen, da ließ ein jähes Licht sie herumfahren.

    »Sieh doch! Um der Götter willen, was ist das?«

    Am Knick der Schlucht leuchtete eine flimmernd hellgrüne Kugel. Sie schwebte wie ein Kugelblitz, war aber viel größer und erhellte steinwurfweit die Nacht.

    Der schreckensstarre Sardur blieb seinem Gefährten die Antwort schuldig. Erst nach manchem Atemzug keuchte er: »Dämonen, Geister, womöglich Götter - fort!«

    Bark drehte sich um. Hinter ihnen lag der Felsenkessel, aus dem kein Pfad führte. Außerdem vermochte er keinen klaren Gedanken zu fassen, wie viel weniger einen Entschluss.

    »Was ist das?!«

    Bark erhielt wieder keine Antwort. Entsetzt blickten beide das glimmende Etwas an.

    Die Kugel schwebte mannshoch über der Erde, erbebte unversehens, streckte Spinnenbeine aus und stand fest auf dem Boden. Das Leuchten verlosch zu Phosphoreszenz.

    Bark fürchtete sich zu bleiben; doch zehnmal ärger erschien ihm, sich zu regen, um in den Hintergrund des Kessels zu fliehen. Welchen Sinn hätte das auch! Etwas anderes begriff er desto genauer: Jetzt vergalten die Unnennbaren den Frevel. Nie hätte eine Hand gegen die gesetzmäßigen Gebieter erhoben werden dürfen. Und nicht genug, dass Sklaven gegen das Recht verstießen, nun versuchten sie gar der angemessenen Sühne zu entfliehen! Das schrie nach Strafe; und weil die Reiter der Leibwache nicht rasch kamen, schlugen Assyriens Götter eigenhändig zu.

    Aus der Kugel schoss ein rötlicher Lichtstrahl. Anfangs pendelte er wie ein Strohhalm im Wind, dann hatte er den reglos gebeugten Bark erfasst. Einen Augenblick später stand Sardur im zinnoberfarbenen Schimmer eines zweiten Kegels.

    »Kommt näher!«

    Wie das? Jemand sprach sie an, und doch schwor jeder im Stillen, keine Stimme gehört zu haben. Urplötzlich war der Befehl in ihnen.

    »Kommt!«

    Einem Gott widersprechen? Undenkbar. Verängstigt taten sie ein paar Schritte, bis die Furcht eine neue Grenze setzte.

    »Ich grüße euch.«

    Wahrlich, niemand redete; trotzdem hörten beide die Worte! Ein Schauer durchflog sie. Welchen Dialekt benutzte der Gott eigentlich? Assyrisch? Persisch?

    »Wer seid ihr?«

    »Bark heiße ich...« »Und ich Sardur.«

    »Wessen Vieh seid ihr?«

    »Wir gehören dem edlen Herrn Ilani.« Vieh war das rechte Wort. Sardur hatte bereits vergessen, dass sie entflohen waren. Vorbei!

    »So.« In der Antwort des Gottes schwebte Zweifel. »So.« Wie er das sagte... Wusste er etwa nichts vom Geschehenen? Konnte das sein?

    Die Kugel klaffte wie eine riesige Knospe. Blütenblättern gleich bogen sich die Seitenteile nach außen. Vor den Flüchtlingen stand eine Gestalt... Ein Alptraum! Umsonst bargen sie sogleich die Augen in den Händen. Allzu tief hatte sich das Schreckensbild bereits in ihr Gedächtnis gegraben.

    »Warum erzittert ihr vor meinem Anblick?«

    Endlich begriff Bark. Der Gott redete gar nicht - seine Worte erschienen in ihnen wie mit feuriger Schrift geschrieben. Ein Übermächtiger befahl ihnen, so zu denken.

    »Ist meine Gestalt euch unvertraut?«

    Welche Frage! Konnte ein Unsterblicher derart aussehen? Groß zwar von Gestalt, aber geformt wie eine riesige Eidechse, nur dass die nicht auf den Hinterbeinen zu stehen vermochten. Ein gezackter Rückenkamm bis hoch auf den Hinterkopf, kleine Arme mit geschmeidigen Fingern und stampfende, stumpfkrallige Beine, dazu der dicke Stützschwanz... Unvertraut? Mit seltsamer Sicherheit wusste Bark, dass erst der Tod diese grässliche Vision aus seinen Träumen streichen würde.

    »Habt ihr denn nie meinesgleichen gesehen?« Etwas wie Sorge färbte die stummen Worte. »Zu keiner Zeit?«

    »Nein«, erwiderte Sardur mit brüchiger Stimme. »Großer Gott, dessen Name uns unbekannt ist, vergib zwei dummen Sklaven!«

    »Das heißt, ich bin verloren!« So angstvoll klang der Ruf, dass die Flüchtlinge unsicher wurden. Wie denn - verloren? Ein höheres Wesen, ein Unsterblicher? Was meinte der Eidechsen-Gott?

    »Ich hielt euch für halbintelligente Haustiere im Dienst eines meiner fernen Nachkommen. - Da ihr aber vor meiner Gestalt zurückschreckt, muss sich eine Katastrophe ereignet haben.«

    »Wir verstehen dich nicht, Erhabener!«

    »Gleicht mir nichts auf Erden?«

    »Nein, das heißt...« Bark beendete den Satz nicht. Einen Gott mit den Sandechsen, den Waranen, zu vergleichen, das bedeutete, mit unfehlbarer Sicherheit seinen Zorn auf sich zu ziehen. Ihre Lage war bereits schlimm, weil die Verfolger bei Tagesanbruch aufsitzen und herreiten würden. Diesmal konnten sie nirgendwohin flüchten.

    »Sprich doch!« Statt eines Befehls färbte ängstliches Drängen die lautlose Stimme.

    »Verzeih uns gütig, großer Gott, aber... Es ist so unmöglich! Ich habe Angst, du könntest zürnen.«

    »Befürchte nichts, rede!«

    »Es gibt Sandechsen...« Zögernd und von Fragen angetrieben, schilderte Bark das bisschen, was er wusste.

    »Das ist nicht wahr! Das darf einfach nicht wahr sein!«

    Der stumme Schrei übermannte beide. Hatten sie etwas Kränkendes gesagt? Die Strafe würde rasch kommen. Mächtige zauderten selten damit. - Denn eine Klage... Es konnte nicht sein, dass ein Unsterblicher so trauerte.

    »Alles ist aus. Verspielt. Tot und vergessen sind sie alle!«

    Niemals würde Bark gefragt haben, wer sie waren. Doch da das rötliche Licht seine Miene erhellte, las der Gott wohl die unausgesprochene Frage vom Gesicht ab.

    »Wollt ihr wissen, was geschah?«

    Sie sagten weder ja noch nein. Zu beidem fehlte der Mut.

    »Ich weiß nur den Anfang. Grässliches muss gefolgt sein.

    Vor langer, langer Zeit lebten in diesem Landstrich die Meinen. Die, die so aussahen wie ich. Versteht ihr?«

    Gegen ihre Überzeugung nickten beide. Sich auszumalen, dass Unsterbliche eine derartige Zerrgestalt besaßen, war unmöglich. Die abscheulichste aller schrecklichen Gottesbeleidigungen war das.

    »Eine Gefahr bedrohte uns alle. Auf der Sonne spielten sich Prozesse ab, an denen wir zum großen Teil schuld waren...

    Ach, ich merke, ihr begreift nicht. Einfacher also: Die Sonne trübte sich, sie strahlte matter als sonst.

    Meine Brüder kämpften dagegen. Ich weiß keine Worte, um euch zu sagen, wie sie das taten. Doch je mehr sie taten, desto Schlimmeres geschah. Das Licht verfärbte sich, flackerte und drohte ganz zu verlöschen.

    Wir fochten ums Leben. Ich aber war feige. Heute gebe ich das zu. Abwarten wollte ich und später - wenn alles vorbei war - weiterleben. Kampf sagte mir nicht zu.«

    Bark spürte einen Stich. Was schmerzte ihn an dieser Feststellung? Da er keinen Ansatz fand, ergriff er das Motiv, das er verstand: Er fürchtete die Offenherzigkeit. Würde der Gott sie töten, damit niemand von dieser schwachen Stunde erfuhr?

    »Ich legte mich in diesen Apparat da«- eine Pranke des Wesens deutete auf die aufgefaltete spinnenbeinige Kugel -»und schlief viele, viele Sommer lang. Bedeutend länger, als ein Baum lebt. Seit ich die Augen schloss, mögen Berge entstanden und versunken sein.

    Ich meinte schlau zu sein, als ich den Sucher auf einen Mindestintellekt einstellte - ein Narr war ich. Ich verschlief den letzten Kampf der Meinen. Ihnen helfen musste ich! Doch das versteht ihr nicht. Ich hätte... Doch umsonst alles hätte und müsste!«

    »Herr, wir dienen dir. Was sollen wir tun?«

    »Ihr meint es gut, aber wir sind einander fremd. Ich bin so viele Menschenleben älter, als diese Wüste Sandkörner kennt. Die

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