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Religion und Strafe
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eBook346 Seiten4 Stunden

Religion und Strafe

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Über dieses E-Book

Diese Monographie beleuchtet den Themenkomplex »Verbrechen und Bestrafung« im Zusammenhang mit Religion. Der Autor untersucht die verschiedenen Ansätze und Ansichten der prominentesten Vertreter der Weltreligionen zum Problem der Bestrafung.
Das Buch ist für Studenten, Doktoranden und Lehrer der Rechtswissenschaften sowie für Philosophen, religiöse Führer und alle, die sich für die Problematik der Bestrafung interessieren.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Juni 2021
ISBN9783347332751
Religion und Strafe

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    Buchvorschau

    Religion und Strafe - I. M. Rahimov

    Kapitel I

    Allgemeine Grundsätze der Strafe Gottes in heiligen Schriften

    § 1. Biblische Geschichte der Strafenherkunft

    Jede Konzeption kann nur dann richtig verstanden werden, wenn deren Geschichte bekannt ist. Was ist die Entstehungsgeschichte der Strafe von den theologischen Positionen aus? Wie wird die biblische Geschichte von Herkunft und Evolution der Vorstellungen über die Strafe seitens der Wissenschaft aufgenommen? Es sei gleich vermerkt: obwohl wir nicht den Standpunkt vertreten, das die primäre Grundlage der Strafe in den heiligen Schriften zu suchen ist, dennoch können wir die Bedeutung der Religion sowie der Anschauungen von führenden Religionsvertreten nicht außer Acht lassen, weil sie mit den Volksansichten über Begriff und Wesen dieses historischen Phänomens eng verbunden sind.

    Oft haben wir keine klare Vorstellung über jene Schwierigkeiten, mit denen sowohl die Vertreter verschiedener wissenschaftlicher Richtungen als auch die Theologen konfrontiert werden bei ihren Versuchen, die Geschichte von Entstehung und Evolution der eigentlichen Idee der Institution Strafe genau zu beschreiben.

    Gerade deshalb entsteht völlig verständliche und berechtigte Frage: von welcher Periode an beginnen die biblischen Wurzeln von Verbrechen und Strafe? Diese Frage können nicht allein die Theologen, sondern auch die Kriminalwissenschaftler nicht eindeutig beantworten.

    Sowohl vor der Revolution als auch in der heutigen Zeit wird von manchen Forschern bei den Versuchen, göttliche Ursprünge von strafrechtlichen Verboten und entsprechenden Strafen nachzuweisen, gewöhnlich der im Alten Testament beschriebene Exodus von Juden aus dem Ägypten unter der Führung von Prophet Moses als zeitlicher Ausgangspunkt genommen.¹²

    Einige Autoren verweisen darauf, dass das Alte Testament (insbesondere das Buch Exodus), schützende strafrechtliche Normen mit deutlich ausgeprägter Struktur (Hypothese, Disposition, Sanktion) und Merkmalen (allgemeiner Charakter, formelle Zuordnung) enthält)¹³. Nach Ansicht von V.G. Bespalko sind die fünf Bücher Mose ein Fundus am rechtlichen und historischen Stoff, der zum Glück nicht in ferner Vergangenheit geblieben ist, sondern noch lange Zeit rechtliche Kultur von gewaltigen Menschenmassen, deren Einstellung gegenüber Obrigkeit und Gesetzen, Verbrechen und Strafen bestimmen wird¹⁴.

    In den Schriften von christlichen Rechtsgelehrten kann man die Behauptung treffen, das erste Wort Gottes über Verbrechen und Strafe wäre gerade im Gesetz des Propheten Moses gesprochen¹⁵. Dabei geht der Erzpriester Aleksander Sorokin davon aus, dass man das Gesetz des Moses „als das Wort Gottes aufnehmen muss, der im Gesetz selbst präsent ist¹⁶. Moses war tatsächlich nicht nur der erste unter den Propheten „Überbringer von Gottes Wort¹⁷, sondern auch dessen Ausleger gewesen: „…Die Leute kommen zu mir, um Gott zu befragen. Wenn sie einen Streitfall haben, kommen sie zu mir. Ich entscheide dann ihren Fall und teile ihnen die Gesetze und Weisungen Gottes mit. (Ex 18,15-16). Soll es aber heißen, dass vor dem Gesetz Moses der Allerhöchste seine Einstellung zum Begriff Strafe noch nicht bestimmt hatte und als dessen Entstehungsbeginn die Zehn Gebote gelten müssen, welche Gott auf dem Berg Sinai dem Volk Israel geschenkt und in denen über die Maßregelung nicht gesagt wird? Vielen hat das als Anlass für die Behauptung gedient, der Begriff „Strafe ebenso wie der Begriff „Verbrechen habe seine Wurzeln nicht im Dekalog, sondern im Sündenfall von Adam und Eva¹⁸. V.A. Nikonov meint: „das Gesetz, insbesondere das Strafgesetz, wird in der Heiligen Schrift von Anfang an als Vorrecht Gottes betrachtet"¹⁹. Um sich jedoch davon zu überzeugen, dass in der alttestamentlichen Menschheitsgeschichte als erste strafrechtliche Vorschrift – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – gerade ein biblisches Gebot gelten kann, welches Gott für Adam verordnet, nachdem sich dieser im Garten Eden angesiedelt hatte, muss man den kriminellen Charakter der Tat von Adam und Eva beweisen, für die sie bestraft worden sind. Sonst können wird die Entstehung und anschließende Entwicklung der Strafe Gottes sowie dessen Einstellung zum Begriff Verbrechen nicht nachvollziehen.

    „Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben." (Gen 2,16-17). Um also zu behaupten, die Strafe sei eben mit diesem Gebot Gottes entstanden, muss man nachweisen: ein Verbot, ein Verstoß gegen das Verbot, die Erklärung dieses Verbots zum Verbrechen bzw. zur Sünde, die Gefahr eines Verstoßes gegen das Verbot, Schadenszufügung durch den Verstoß sowie die entsprechende Maßregel. Eine Analyse des oben genannten Gebotes zeigt, dass die erste Norm, die in der Bibelgeschichte vom Allerhöchsten festgelegt wurde, zum Ziel hatte, die Verletzung der von Gott bestimmten Ordnung zu verhindern. Der dafür von Gott verwendete Begriff heißt: Du darfst nicht essen. Wir werden davon ausgehen, dass dies eben ein Verbot Gottes sei.

    Dabei hat als erster die von Ihm als Gott geschaffene und eingerichtete Welt der erste Mensch namens Adam gestört. Kann aber dessen Benehmen als Verbrechen gelten? W.G. Bespalko meint, dass der Begriff „Verbrechen" als einer der wichtigsten in der Kriminalwissenschaft im Sündenfall von Adam und Eva seine Wurzeln hat, denn das erste Verbrechen war nichts anderes als Verstoß gegen ein Gebot Gottes. Sie wurde zum Archetyp für alle nachfolgenden Verbrechen, die die Menschen begangen haben bzw. begehen.²⁰.

    Weswegen werden eigentlich Adam und Eva von W.G. Bespalko beschuldigt? Seiner Meinung nach liegt die Schwere deren Sündenfalls nicht so sehr in der Gefährlichkeit ihrer Tat nach außen hin, sondern vielmehr in deren Geistestrübung, welche ein für religiöse Gesellschaft unerhörte Dreistigkeitsniveau erreicht hat: Ungehorsam gegenüber dem Willen Gottes, d.h. dem Willen des liebevollen Schöpfers²¹. Der Autor meint, Adams Handlung diene „als Prototyp einer konkreten strafbaren Tat – eines rechtswidrigen Übergriffes auf beliebige legitime Macht"²².

    W.G. Bespalko vergleicht sogar das Verhalten von Adam und Eva mit gewaltsamer Machtergreifung oder Anmaßung der Befugnisse einer Amtsperson. Unverständlich ist: wie kann man überhaupt „sich an einer beliebigen legitimen Macht Gottes übergreifen, wenn Herr Gott der alleinige Herrscher und Schöpfer nicht nur von Adam und Eva selbst, sondern auch vom gesamten Weltall? Die Religionsvertreter gehen in ihren Beschuldigungen gegenüber Adam für sein Verhalten noch weiter. Hlg. Ignatius (Brenganinov) ist der Meinung, Adams Verhalten sei der Versuch eines Menschen gottgleich zu werden.²³. Loyaler äußerten sich G.P. CHistyakov, der in Adams Handlungen keinen Verstoß gegen ein Verbot, sondern „Verantwortungslosigkeit gesehen hat²⁴, sowie Alexander Men, der den Standpunkt vertritt: „der Sündenfall ist das erste Mal gewesen, wo der Machtwille beim Menschen triumphiert hat²⁵. Aus religiöser Sicht kann man sicherlich das Verhalten von Adam und Eva als Sünde betrachten. Aber wie Thomas Hobbes treffend beobachtet hat: „jedes Verbrechen ist eine Sünde, aber nicht jede Sünde ist ein Verbrechen²⁶. Worin besteht eigentlich die Gefährlichkeit der Tat von Adam und Eva für die Öffentlichkeit? Wem wurde schließlich Schaden zugefügt? Wie konnten überhaupt „geistig Nachlässige, wie sie in der Bibel dargestellt sind, den kriminellen Charakter der eigenen Taten erkennen? Und wie konnte schließlich Adam nach der Vorstellung vom Hlg. Ignatius „gottgleich werden, wenn der Allerhöchste ihn selber geschaffen hat?

    Noch unsinniger klingt die Äußerung des deutschen Bibelforschers B. Salzmann, der Adam und Eva beschuldigt, Gottes Eigentum geklaut zu haben.²⁷ Ist es denn nicht so, dass alles, was auf der Erde und im Himmel existiert, Gott gehört? Man kann G.P. CHistyakov Recht geben, der Adams Tat für „unverantwortlich, aber keineswegs für die Ursünde hält. Adams Benehmen lässt sich mit dem Benehmen eines Kindes vergleichen, dem die Mutter verboten hat, das Handy oder den PC zu benutzen. Der hat aber nicht gehorcht und musste sich deshalb zur Bestrafung für unbestimmte Zeit in eine Ecke mit dem Gesicht zur Wand hinstellen. Mehr nicht. Deswegen kann die Handlung von Adam und Eva wohl kaum als Prototyp für jedes Verbrechen und zugleich als allererstes Verbrechen gelten, das der erste Mensch begangen haben soll, wie B. Bespalko behauptet. Recht interessant ist die Tatsache, dass Allah im Koran Jesus Christus dem ersten Menschen Adam gleichstellt: „Wahrlich, Jesus ist vor Allah wie Adam. Er erschuf ihn aus Erde, dann sprach Er zu ihm: „Sei!, und er war." (Sure З, Vers 59). In diesem Vers erfährt die höchste Wertschätzung des Schöpfers nicht nur der Prophet Jesus Christus, sondern auch Adam als erster Mensch. Damit wird bestätigt, dass Adam für den Allerhöchsten nicht nur kein Verbrecher, sondern sogar kein Sünder ist.

    Gott zufolge, während die Menschheit im Adam den Beginn ihrer physischen Entwicklung erhalten hat, so handelt es sich bei Jesus um den Beginn deren Geistigkeit, quasi um eine Wiedergeburt. Die Gottes Warnung du wirst sterben gilt eigentlich auch als ursprüngliche Art von Strafe Gottes. Man muss feststellen, dass diese Episode von vielen Erforschern der Strafherkunft buchstäblich aufgefasst wird: als Zeichen von Ungehorsam und darauf folgende Endlichkeit des Lebens (im Eden waren die Menschen unsterblich).

    Versuchen wir zu klären, welchen Sinn der Allerhöchste in die Worte du wirst sterben sowie insgesamt in den Ausdruck „sobald du davon [vom Baum der Erkenntnis] isst, wirst du sterben" gelegt hat.

    An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass der religiöse, der gesamtphilosophische und der medizinische Ansatz zum Verstehen des Todes sich unterscheiden. Das religiöse Verständnis der Begriffe „Tod und „sterben bedeutet im Unterschied zu den philosophischen und medizinischen Definitionen das Lebensende eines Menschen, und zwar nicht als Gegenteil von der Geburt, sondern als unabdingbaren Teil der Auferstehung. Wenn man das Gebot du wirst sterben von rechtlicher oder genauer gesagt strafrechtlicher Position aus betrachtet, so kann man feststellen, dass der Allerhöchste in diese Wortverbindung Wesen und Zweck jener Strafe hineinlegt, die er gegenüber Adam verwendet. Gott verfolgt nicht das Ziel, ihn zu töten, denn sonst hätte er völlig andere Worte gebraucht: „ich werde dich hinrichten, „ich werde dich töten oder schließlich „du wirst hingerichtet. Solche Formulierungen werden jedoch in der Heiligen Schrift bezogen auf diese Situation nicht gebraucht. Gott hat Adam zu verstehen gegeben, dass der für seinen Ungehorsam in der Form von „du wirst sterben bestraft sein wird, was aus unserer Sicht bedeutet, sein Leben auf der sündhaften Erde zu beenden. Deshalb kann man schlussfolgern, dass die gesagten Worte keine Drohung oder gar Strafe beinhalten, sondern lediglich eine Warnung über unvermeidbare ungünstige Folgen für den Menschen sei – er vernichtet sich selber.

    Somit ist das Wesen der Strafe Gottes gegenüber Adam als Übergang von Unsterblichkeit ins sterbliche Leben zu verstehen. Das Besondere des Ausdrucks „du wirst sterben besteht nicht darin, dass es der primäre, allererste Begriff sei, sondern im Wesen und der Vorgehensweise bei der Ausführung dieser Warnung. Der Begriff „das Leben wird übrigens von jeder Religion viel breiter aufgefasst: als vollwertiges geistiges Sein, dass auf einem festen Glauben an den Weltschöpfer, auf der Ergebenheit Ihm gegenüber und auf einem ständigen Dialog mit Ihm beruht²⁸. Deshalb bedeutet der Ausdruck „du wirst sterben unseres Erachtens einen geistigen und keinen physischen Tod durch Gott und wird als „Tod für Gott, als geistiger Bruch des Menschen mit Gott sowie als Entziehung von Gottes Segen²⁹ aufgefasst und enthält keine Strafgrundlage. Genauso hat Gott mit Adam verfahren, indem er ihn in ein anderes, sterbliches Leben überführte, obwohl er ihn gleich töten konnte.

    In keiner Gottesbotschaft stößt man übrigens auf den Begriff „Todesstrafe oder „Hinrichtung, obwohl klar ist, dass der Ausdruck „du wirst sterben ebenso wie die von Gott gebrauchten aufgezählten Begriffe auf jeden Fall den Tod meinen und dieser Tod kommt von Gott, denn ausgerechnet Er hat als erster diesen Ausdruck gebraucht, als er Adam bezüglich des Verbots warnte. Deshalb hat V.A. Nikonov recht mit der Behauptung, dass die Worte „du wirst sterben gar keine Drohung enthalten, sondern lediglich eine Drohung über unvermeidbare Folgen³⁰.

    Eine derartige Beendigung von Adams Lebenstätigkeit lässt sich kaum als Todesstrafe oder umso mehr als Strafe durch Hinrichtung im modernen Wortsinn bezeichnen. Eine solche Strafe Gottes kann man eher als Alternative für die Todesstrafe betrachten. Indem Herr Gott Adam wie in eine Haftanstalt ins sterbliche Leben schickt, begrenzt er somit dessen Aufenthalt dort durch den physischen Tod. Möglicherweise ist es Ausdruck von Liebe und Barmherzigkeit gegenüber der eigenen Erstschöpfung ohne jeglichen Racheakt. Kann sein, dass Gott ursprünglich gar nicht vorhatte, Adam zu bestrafen. Er wollte lediglich prüfen, wie die dem Menschen, den er geschaffen hat, innerwohnenden Eigenschaften wie innere Freiheit, Stolz und Furchtlosigkeit zum Ausdruck kommen. Klar ist eins: der Allerhöchste war sehr hart zu Adam gewesen, denn die Strafe entsprach nicht der Schwere der Tat. Adams Benehmen ist im Grunde ein Zeugnis dafür, dass Gott ein ziemlich vollkommenes Wesen geschaffen hat, dass eine Willensentscheidung selbständig zu treffen vermag. G.W. Leibniz hat seinerzeit festgestellt: „…die Welt ist der beste Staat dessen Monarch mit Wahrheit und Recht Gott als der vollkommenste unter den Geistern sein wird; falls einmal fest vorgeschrieben wurde, dass alle glücklich sein dürfen, so kann keiner unglücklich sein, außer durch eigene Schuld"³¹ (Rückübersetzung aus dem Russischen Anm. des Übersetzers).

    Damit erscheint es uns, dass die Worte „du wirst sterben nicht buchstäblich als Strafe insgesamt bzw. als Todesstrafe insbesondere zu verstehen sind. Diesbezüglich hat Voltaire geschrieben: „Im Buch Genesis ist nicht mal gesagt, dass Gott Adam zum Tode verdammt habe, weil er den Apfel verschluckt hatte. Er hat zwar gesagt: „Du wirst unbedingt an dem Tag sterben, an dem du vom Baum der Erkenntnis gegessen hast. Aber laut demselben Buch Genesis soll Adam nach diesem sträflichen Frühstück 930 Jahre gelebt haben".³²

    Der Tod als Strafe, die in der Maßregel des Gebots „du wirst sterben angegeben ist, ist eben als geistiger Tod zu betrachten, dem von rechtlichen Standpunkt aus der Tod bedeutet, dass einem Menschen das physische Leben mittels Hinrichtung genommen wird; dabei ist die Hinrichtung ein strafrechtlicher und kein biblischer Begriff, der eine gerechte Vergeltung für das begangene Verbrechen im Namen der entsprechenden Einrichtung oder Amtsperson bedeutet. Gerade deshalb wird der Begriff „Hinrichtung nur im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Todesstrafe gebraucht.

    Apropos: im Alten Testament werden außer der Gottes Warnung „du wirst sterben auch andere Ausdrücke gebraucht: „Wer den Namen des Herrn schmäht, wird mit dem Tod bestraft; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. (Lev 24:16); „Ein Mann, der mit der Frau seines Nächsten die Ehe bricht, wird mit dem Tod bestraft, der Ehebrecher samt der Ehebrecherin." (Lev 20:10); „…wer aber einen Menschen erschlägt, wird mit dem Tod bestraft. (Lev 24:21); „… dann musst du geben: Leben für Leben." (Ex 21:23); «Jeder, der mit einem Tier verkehrt, soll mit dem Tod bestraft werden." (Ex 22:19); „… dann sollst du die Frau und das Tier töten. Sie werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen." (Lev 20:16); „Wer seinen Vater oder seine Mutter verflucht, wird mit dem Tod bestraft." (Ex 21:17).

    Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass der Allerhöchste im Koran, im Gegensatz zur Bibel, die Sterblichkeit des Menschen nicht mit seinem Ungehorsam im Paradies verbindet und überhaupt nirgends die Formel „du wirst sterben gebraucht. Mehr noch: im Koran wird die Sterblichkeit im ewigen Leben mehrfach verneint: „Den Tod werden sie dort nicht kosten, außer dem ersten Tod. (Sure 44, Vers 56); „Tod wird nicht über sie verhängt, dass sie sterben könnten. (Sure 35, Vers 36), „Dann wird er darinnen weder sterben noch leben. (Sure 87, Vers 13). Während in der Bibel Gott Adam verbietet, von diesem Baum zu essen, indem er sagt: «…sonst wirst du sterben», – beschränkt sich Allah in seiner Botschaft im Koran auf eine Warnung: „O Adam, weile du und dein Weib in dem Garten, und esset reichlich von dem Seinigen, wo immer ihr wollt; nur nahet nicht diesem Baume, auf dass ihr nicht Frevler seiet. (Sure 2, Vers 35). An einer anderen Stelle im Koran mahnt der Allerhöchste nochmal vor dem Ungehorsam: „O Adam, dieser ist dir ein Feind und deinem Weibe; dass er euch nicht beide aus dem Garten treibe! Sonst würdest du elend. (Sure 20, Vers 117). Der Allerhöchste erinnert Adam an jenes Leben, das ihn erwartet, falls er Ihm nicht gehorcht: „Sonst würdest du elend. Es ist [im Garten] für dich (gesorgt), dass du darin weder Hunger fühlen noch nackend sein sollst. Und dass du darin nicht dürsten noch der Sonnenhitze ausgesetzt sein sollst." (Sure 20, Verse 118-119).

    Die Beraubung des Lebens eines Menschen als Strafe existiert in der Heiligen Schrift der Moslems und in den Hadithen als Vergeltung unter anderen Namen: „Der Lohn derer, die Krieg führen gegen Allah und Seinen Gesandten und Unordnung im Lande zu erregen trachten, wäre der, dass sie getötet oder gekreuzigt werden sollten oder dass ihnen Hände und Füße abgeschlagen werden sollten für den Ungehorsam oder dass sie aus dem Lande vertrieben würden. Das würde eine Schmach für sie sein in dieser Welt; und im Jenseits wird ihnen schwere Strafe." (Koran. Sure 5, Vers 33).

    Der Gesandte Allahs gebraucht anstelle der Begriffe „Todesstrafe oder Hinrichtung auch den Begriff „Blut vergießen. Wie Abdullah ibn Masud erzählt, hat der Gesandte gesagt: „Das Blut eines Moslems, der bezeugt, dass es keinen Gott außer Allah gäbe, und dass ich Allahs Gesandter bin, darf nur in drei Fällen vergossen werden: falls er Ehebruch begangen hat; falls er einen Menschen getötet sowie falls er dem Glauben abgeschworen und von der Gemeinde gebrochen hat". Dieser Hadith wurde überliefert von Ahmad, al-Buchari, Muslim, at-Tirmizi, Abu Dawud, An-Nasai und Ibn Madscha. Als wahrheitsgetreu gelten auch die Worte von Aischi darüber, dass der Gesandter Allahs gesagt haben soll: „Ein Moslem kann getötet werden…"

    Es gibt auch einen Hadith, wo der Prophet Mohammed zur Bezeichnung der Strafe das Wort „hinrichten" gebraucht. Es wurde überliefert, dass Abu Bakr (Mohammed Amr Hazm) von seinem Vater und sein Vater seinerseits vom eigenen Vater erzählt bekam, dass der Prophet eine Botschaft nach Jemen geschickt hatte, wo geschrieben war: „Falls bewiesen ist, dass ein Mensch absichtlich und ungerecht einen Rechtgläubigen getötet hat, dann ist er hinzurichten".

    2. Wenn wir uns also auf den Bibeltext stützen, so kann als erste Strafe jene gelten, die Allerhöchster gegenüber Adam und Eva angewendet hat. Das ist jedoch keine Strafe im strafrechtlichen Sinne für eine kriminelle Tat, sondern eine geistige Strafe für das törichte und leichtsinnige Benehmen des ersten Menschen, welches dem Benehmen eines Kleinkindes ähnelt, welches Gott erschaffen und genauso geliebt hat, wie eine Mutter ihr unartiges Kind. Eine Tat, die in der Religion als Verbrechen bezeichnet wird, ist die Tötung durch Kain seines Bruders Abel. Falls diese Bibelgeschichte der Wahrheit entspricht, lässt sich Kains Tat als vorsätzlicher Mord definieren und damit auch als Verbrechen aus strafrechtlicher Sicht. Was war aber Gottes Strafe dafür? „Der Herr aber sprach zu ihm: Darum soll jeder, der Kain erschlägt, siebenfacher Rache verfallen. Darauf machte der Herr dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde. (Gen 4:15). Etwas später hat Kains Nachkomme Laschech denselben Gedanken in Versen geäußert, deren Sinn nebelhaft. aber der Zweck offensichtlich ist: der Tod von Kain wird sieben und der von Laschech siebzig Mal gerächt. A.P. Lopukhin hat völlig Recht: Gott hätte Kain mit Tod bestrafen können, aber er „musste als mahnendes Beispiel für die anderen dienen³³.

    Laut der jüdischen religiös-rechtlicher Tradition hat Gott Kain von der Strafe „du wirst sterben befreit, weil er ein Opfer gebracht und damit Gott begütigt und seinen Zorn gemildert hat (Josephus Flavius). Die christlichen Rechtsgelehrten vermuten, dass Kain seine Strafe als übermäßig und mit keiner anderen – selbst mit dem Tod – unvergleichbar empfunden hat. Eine Bestätigung dafür findet man in einem Zitat aus der Heiligen Schrift: „Kain antwortete dem Herrn: Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte. (Gen 4:13). Diese Strafe wird als härtere und außerordentliche wahrgenommen, weil Gott erstmals einen Menschen eben wegen Brudermordes mit einem Fluch belegt und damit zu verstehen gibt, Kains Verbrechen wäre schlimmer als die Erbsünde der Urahnen; deshalb fällt seine Strafe härter aus als die Vertreibung aus dem Paradies in das sterbliche Leben. Der Prediger John Chrysostom schildert die Verbüßung der göttlichen Strafe durch Kain wie folgt: „Und Kain ging überall herum wie lebendes Gesetz, wie ein sich bewegender Grundpfeiler, stumm, aber hörbarer als jede Posaune. Keiner sollte das tun, was ich getan habe, um nicht dasselbe erdulden zu müssen, was ich erdulde. So lautete seine Botschaft"³⁴. Wie auch immer wir versuchen würden, die Einstellung des Allerhöchsten zur Kains Bestrafungsart zu erklären, diese Strafe ist im Grunde nicht strafrechtlicher, sondern religiöser Art. Während wir in Adams Handlungen kein Verbrechen sehen, aber dennoch eine Strafe, ist es im Falle Kains ganz umgekehrt: ein Verbrechen ist da, aber keine Strafe aus strafrechtlicher Sicht.

    In vorsintflutigen Zeiten der Bibelgeschichte war also die Möglichkeit der Bestrafung eines Menschen durch einen anderen Menschen mit dem Tode nicht vorgesehen. Rache war verboten – selbst für begangenen Mord. Gott gewährt dem Menschen das Recht, einen Seinesgleichen mit Todesstrafe zu ahnden, erst nach der Sintflut, als durch die Strafe Gottes „alle Wesen auf dem Erdboden, Menschen, Vieh, Kriechtiere und die Vögel des Himmels [vertilgt waren]; sie alle wurden vom Erdboden vertilgt. Übrig blieb nur Noah und was mit ihm in der Arche war. (Gen 7:23); ähnlich wie in Sodom und Gomorra wurden gewaltige Mengen an Sündern mit dem Tode bestraft. Das war die nächste, dritte Strafe Gottes, diesmal wegen Verstoß gegen seinen

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