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Jagd mit Freunden
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eBook664 Seiten7 Stunden

Jagd mit Freunden

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Über dieses E-Book

Dieses Buch erzählt Geschichten aus einem Leben, das intensiv mit der Jagd und der Freundschaft verknüpft ist.

Die Verbindung dieser beiden Elemente spannt sich über einen Bogen von vierzig Jahren Erinnerungen, Erlebnissen, Tagebücher, Fotos und dem Wunsch, den Leser mitzunehmen in eine besondere Welt jagdlicher Vielfalt und emotionaler Beziehungen.

Aus einer umfangreichen Sammlung vieler Jagdalben ist ein ausgewähltes Mosaik unterhaltsamer Erzählungen entstanden, das vier Jahrzehnte ganz persönlicher Jagderfahrungen authentisch wiedergibt.

Jede Geschichte wurde unmittelbar geschrieben, nachdem sie erlebt wurde. Zusammen mit den Zeichnungen, Skizzen, Gedichten und den Ergänzungen der Jagdfreunde entstand daraus ein chronologisches Kaleidoskop, das alle Facetten jagdlicher Spannung und liebevoller Betrachtungen berührt.

Personen, Orte, Abenteuer und Anekdoten sind Bausteine eines sich ständig verändernden Beziehungsgeflechts, in der Jagd und Freundschaft die dominierenden Säulen sind.

Eine Jagd, die vor der Haustür begann, die geprägt wurde vom heimatlichen Mikrokosmos der niedersächsischen Landschaften, eine Jagd, die das alpine Hochgebirge berührte, aber auch eine Jagd mit dem Wagnis, auf anderen Kontinenten seine Grenzen zu erfahren.

Freundschaften, die diese Zeit geformt haben, die von der Jagd geprägt wurden und die nur dem natürlichen Schicksal unterlagen.

Die gemeinsame Klammer für alle Kapitel und der rote Faden ihres Inhalts sind die Liebe zur Natur, die einfache Hüttenromantik und die Nähe des Freundes.

Diese Kombination beschenkte alle mit den größten Glücksgefühlen, sie erhöhte das Kleine zum Großen und sie offenbarte das Elementare und Ehrliche.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Nov. 2020
ISBN9783347178809
Jagd mit Freunden
Autor

Udo Lau

Der Autor wurde 1944 geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe der damaligen Kreisstadt Alfeld/Leine auf. Nach einer lebhaften und erinnerungsreichen Kindheit und Jugend machte er dort sein Abitur. Nach zwei Jahren Bundeswehr begann er in Göttingen mit dem Studium für Geographie und Sport und wurde dann Lehrer an einem der Göttinger Gymnasien. Beruf, Familie, drei Kinder, Hund, Hobbies, eine gelungene dörfliche Integration – verbunden mit einem intensiven sozialen Engagement – ließen ihn wieder in die ländliche Idylle zurückkehren: in eine kleine Gemeinde südlich von Göttingen. Hier ging das kindliche Samenkorn seiner späten jagdlichen Berufung auf und findet sich in den Geschichten dieses Buchs wieder. Einige Erlebnisse seiner einjährigen Weltreise während des Millenniums (s. a. Udo Lau – „Ein Jahr um die Welt“) gehören sicherlich zu den abenteuerlichen Höhepunkten seiner jagdlichen Erzählungen. Der Rückblick auf diese Momente schenkt dem Autor eine glückliche Erinnerung und eine dankbare Freude.

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    Buchvorschau

    Jagd mit Freunden - Udo Lau

    PROLOG

    Dieses Buch erzählt Geschichten aus einem Leben, das intensiv mit der Jagd und der Freundschaft verknüpft ist.

    Die Verbindung dieser beiden Elemente spannt sich über einen Bogen von vierzig Jahren Erinnerungen, Erlebnissen, Tagebücher, Fotos und dem Wunsch, den Leser mitzunehmen in eine besondere Welt jagdlicher Vielfalt und emotionaler Beziehungen.

    Aus einer umfangreichen Sammlung vieler Jagdalben ist ein ausgewähltes Mosaik unterhaltsamer Erzählungen entstanden, das vier Jahrzehnte ganz persönlicher Jagderfahrungen authentisch wiedergibt.

    Jede Geschichte wurde unmittelbar geschrieben, nachdem sie erlebt wurde. Zusammen mit den Zeichnungen, Skizzen, Gedichten und den Ergänzungen der Jagdfreunde entstand daraus ein chronologisches Kaleidoskop, das alle Facetten jagdlicher Spannung und liebevoller Betrachtungen berührt.

    Personen, Orte, Abenteuer und Anekdoten sind Bausteine eines sich ständig verändernden Beziehungsgeflechts, in der Jagd und Freundschaft die dominierenden Säulen sind.

    Eine Jagd, die vor der Haustür begann, die geprägt wurde vom heimatlichen Mikrokosmos der niedersächsischen Landschaften, eine Jagd, die das alpine Hochgebirge berührte, aber auch eine Jagd mit dem Wagnis, auf anderen Kontinenten seine Grenzen zu erfahren.

    Freundschaften, die diese Zeit geformt haben, die von der Jagd geprägt wurden und die nur dem natürlichen Schicksal unterlagen.

    Die gemeinsame Klammer für alle Kapitel und der rote Faden ihres Inhalts, sind die Liebe zur Natur, die einfache Hüttenromantik und die Nähe des Freundes.

    Diese Kombination beschenkte alle mit den größten Glücksgefühlen, sie erhöhte das Kleine zum Großen und sie offenbarte das Elementare und Ehrliche.

    NEUJAHRSNACHT

    1. Januar 1985

    Die Silvesternacht ist mit 95 Millionen DM Knallergetöse und Feuerwerk vorbeigegangen. Der Neujahrstag empfängt uns mit weißer Winterpracht. Über Nacht ist der langersehnte Schnee gefallen und die Temperaturen sind unter 0° C gesunken.

    Ideale Voraussetzungen für unser großes Vorhaben: Ansitz auf Sauen, gemeinsam mit Rudi, und für ihn vielleicht sein erstes Stück Schwarzwild. Heute soll der begnadete Niederwildjäger endlich zum Hochwildjäger gekürt werden!

    Am Nachmittag beschicken wir noch einmal die Kirrung…nur der „Kübelwagen kann sich den Weg durch den inzwischen 15 cm hohen Schnee bahnen. Der „Sauenwächter zeigt uns 19: 30 Uhr an, zu der Zeit waren sie also gestern Abend da; vor lauter ungeduldiger Spannung auf das bevorstehende Ereignis schlagen wir uns freundschaftlich auf die Schultern und raunen uns leise zu:" 19: 30 Uhr…wenn`s heute auch so ist!?

    Zu Haus erledigt jeder für sich die letzten Vorbereitungen: warme Ansitzkleidung für vielleicht lange Stunden Wartezeit, Überprüfung der Ausrüstung und Waffen, ein heißer Tee und Magentröster darf nicht fehlen.

    Das traditionelle Bleigießen zu Silvester mit den Kindern ergab bei mir eine Gondel…die Deutung besagt: ein Abenteuer steht bevor! Mit Rudi eigentlich eine überflüssige Vorhersage!

    Endlich fahren wir kurz vor 18: 00 Uhr los. Rudi holt mich mit dem Kübelwagen zu Haus ab. Leichter Schneefall und Wind aus Süd begleiten uns aus dem Dorf hinauf in den Wald. Unterwegs besprechen wir die letzte Feinabstimmung… ein gewagtes Manöver: ein Doppelschuss…zwei Schüsse zur gleichen Zeit und zwei Sauen sollen liegen, eine mutige Herausforderung! Rudi soll leise zählen:…eins – und – zwei – und Schuss…So soll´s gehen.

    Der kultige Bundeswehrjeep spurt durch den unberührten Neuschnee. Rechts und links gleiten die Fichten an uns vorbei, deren schneebeladenen Zweige tief herunterhängen. Vor „Schrader Rott`s Wiese" halten wir rechts in einem Seitenweg an, stellen den Motor aus, die Scheinwerfer hatten wir schon vor dem Waldeingang gelöscht.

    Um uns herum ist nur noch wattige Stille, und lautlos fallen die letzten dicken Flocken vom Himmel, alles ist ein sanftes Weiß gehüllt, eine traumhafte Winterlandschaft.

    AUFBRUCH ZUR JAGD

    Wir schnallen Rucksäcke und Gläser um, schultern die Waffen, Rudi seine schwere 9,3 mal 62 und ich meinen bewährten Suhler Drilling 7-mal 65R.

    So stehen wir abmarschbereit am Kübel, schweigsam, aber wild entschlossen.

    Ruhig stapfen wir durch den pulvrigen Neuschnee, links die helle unberührte Wiese, dahinter das dunkle Altholz und rechts von uns die hohen Fichten. Nach etwa 10 Minuten erreichen wir die „Frank`sche Kanzel, die früher auch mal „Pornokanzel hieß…Diana mag wissen warum?

    SCHRADER-ROTTS-WIESE

    Die Kanzel liegt gut versteckt rechts vom Weg, perfekt eingebaut in eine kräftige Vierergruppe dicker Fichten und ist mit ihrer zwölfstufigen Leiter nichts für Rudi`s Höhenangst. Vorsichtig und leise baumen wir auf und richten uns in der offenen Kanzel geräuschlos ein. Die Sitzverteilung ist durch unseren Gewehranschlag vorgegeben: Rudi als Linksschütze sitzt rechts, ich links, jeder in seinem warmen Ansitzsack und dick eingemummelt mit Mütze, Schal und Handschuhen. Sofort umgibt uns eine vertraute und wohlige Atmosphäre, in der wir uns mit der Natur um uns herum wie eine Einheit fühlen. Die schneebedeckten Zweige hüllen uns wie ein schützendes Dach ein, der leichte Südwind kommt von vorn und bewegt sie nur ganz leise.

    Vor uns liegt die offene Jungfichtenböschung, der erst sanft und dann steiler werdend wie eine Kulisse vor uns aufsteigt und oben sogar in blanken Fels übergeht. Der lichte Bewuchs gewährt uns den freien Blick auf zwei offene Schneisen, die sich links und rechts den Hang hinaufziehen.

    Die Uhr zeigt viertel vor sieben. In Gedanken versunken sitzen wir eng nebeneinander und haben alle Sinne auf Empfang gestellt…würden sie kommen?

    So vergeht etwa eine dreiviertel Stunde, als plötzlich Bewegung in die Scene kommt…fast auf die Minute halb acht! Von rechts ziehen zwei Frischlinge auf die Lichtung und glich hinterher die ganze Rotte. Am Ende sind es sechs „Kleine" um die 15 kg und die Bache.

    Ich spüre wie uns beiden plötzlich der Puls den Atem verschlägt. Für Rudi ist es der erste Anblick dieser Art: sieben Sauen auf 30 Schritt vor der Mündung und alles völlig geräuschlos, wie kleine schwarze Schatten in weißer Watte.

    Wir sitzen wie in Stein gemeißelt, keiner bewegt sich. Erst als sich die ganze Bande schmatzend und quiekend auf die rechte Schneise verteilt hat, und jedes Stück sein Plätzchen gefunden hat, nehmen wir behutsam unsere Gläser hoch und schauen uns die Sache genauer an. Jawohl, es ist die gleiche Rotte, aus der ich vor drei Wochen den ersten Frischlingskeiler mit 12 kg geschossen habe.

    Inzwischen ist Leben in die Truppe gekommen. Ein Wuseln und Knacken, ein gieriges Hin und Her und dazwischen öfter das zufriedene Grunzen der Bache. Wir warten darauf, dass sie sich auch auf die linke Schneise verteilen, um ein besseres Schussfeld zu haben, da verändert sich die Situation schlagartig!

    Ein großer schwarzer Schatten löst sich aus den linken Fichten…der etwa dreijährige Keiler, den ich schon häufiger, aber nur kurz gesehen habe. Es ist Rauschzeit und die Bache duldet ihn nicht in der Nähe ihrer Rotte. Ein warnendes Blasen, dennoch sprengt der Keiler die kleinen Wutze auseinander und steht dann für einen Augenblick allein auf der Lichtung. Ein faszinierender Anblick für uns beide für wenige Sekunden, dann ist auch er verschwunden und die Bühne leer.

    Bestürzung bei uns. Banges Fragen, was jetzt, war`s das? Da hören wir ein erneutes Grunzen aus der Dickung…sie sind noch da. Und tatsächlich, wenig später treten sie wieder aus, diesmal auf der linken Schneise, fast genau in der gleichen Reihenfolge, nur deutlich unruhiger und nervöser. Dennoch sind wir wieder zuversichtlicher und voller Spannung.

    Wäre ich allein, hätte ich wohl längst geschossen – heute aber stehen höhere Ziele an: der Doppelschuss mit Rudi.

    Der hat inzwischen seine schwere Büchse neben meinen Drilling vor sich auf den Kanzelrand gelegt, bereit zum Angriff. Noch beobachten wir beide das aufregende Geschehen durch unsere Doppelgläser – 35 – Schritt entfernt. Die Uhr zeigt inzwischen viertel vor acht und die innere Unruhe steigt. Jetzt lassen wir die Gläser am Riemen baumeln und beobachten durch die Zielfernrohre unserer Waffen… jetzt muss es sein!

    „Los sagt Rudi, „jetzt! „Du links, ich rechts", antworte ich ihm. Jeder von uns nimmt sich einen Wutschelbruder auf den Zielstachel. Noch ist zu viel Bewegung drin, sie stehen nicht ruhig und breit, wir kommen nicht zum Zählen. Verdammt, da ist er wieder, der Keiler! Jetzt wagt er sich ganz weit nach unten, äugt zu uns hoch. Das gibt´s doch gar nicht!

    Warum ist er so misstrauisch? Wir sind mucksmäuschen still und der Wind steht gut, kein Küseln, nichts. Oben ist der Rest der Rotte schon wieder verschwunden und im nächsten Augenblick der Dicke auch! 15 Sekunden tanzte er auf unserem Zielstachel

    Verdammter Mist, die zweite Chance verpasst! Ob sie nochmal wiederkommen? Fünf, zehn, fünfzehn Minuten vergehen, doch nichts tut sich mehr…das war´s dann wohl!

    Enttäuscht entspannen wir unsere Waffen. Ein tiefer Frust macht sich in uns breit, soll´s das etwa gewesen sein, so dicht vor dem Ziel, so kurz vor dem Schuss? Wir sprechen kein Wort, jeder geht seinen eigenen Gedanken nach. Ich mache mir Vorwürfe, Rudi die Chance wegen des geplanten Doppelschusses vermasselt zu haben. Nun sitzen wir beide bedröppelt da und trauern der verpassten Gelegenheit nach.

    Die Uhr rückt gegen acht und ich wage nicht, den Vorschlag zum Aufbruch zu geben, denn was soll jetzt noch kommen? Die gleichen noch ein drittes Mal? Unmöglich! Und ob die andere von mir in den letzten Wochen bestätigte Rotte noch auftauchen würde, war ziemlich unwahrscheinlich.

    Und während ich darüber nachgrübele, warum die Stücken auf der linken Schneise so unruhig waren spüre ich, dass der Wind leise meine rechte Wange streift…er hat gedreht und kommt jetzt aus Nordwest und trägt unsere Witterung genau auf die linke Schneise. Das war also die Erklärung, und in meiner Aufregung hatte ich diese Veränderung gar nicht bemerkt.

    Wie aus einem Traum wache ich plötzlich aus meinen Gedanken auf und traue meinen Augen nicht. Spiegelten mir meine geheimen Wünsche ein Trugbild vor oder hatte Diana meine stillen Gebete erhört? Da stehen Sauen im Schnee, auf der rechten Schneise, wie hingezaubert. Erst zwei, dann vier und fast in der gleichen Reihenfolge wie vor einer knappen Stunde, nur diesmal in einer anderen Sortierung. Unglaublich! Doch wirklich – erst vier stärkere Frischlinge, dann zwei Überläufer und noch zwei Bachen, die dort auf dem Hang herumwuselten, oben, unten, rechts, links.

    „Jetzt putze ich einen weg, war Rudi`s spontane Reaktion und ging gleichzeitig in Anschlag. „Ja flüsterte ich leise „Du oben rechts, ich unten links, fang an zu zählen!"

    Wir nahmen jeder ein Stück ins Visier und achteten darauf, dass es nicht die Bachen waren. Dann begann Rudi leise, und kaum wahrnehmbar zu zählen… eins – und – zwei – und…laut dröhnte der Knall durch die lautlose Neujahrsnacht. Zwei Mündungsblitze blendeten unsere Augen.

    Und was wie ein Donner durch den Lichtenhagener Forst rollte waren zwei Schüsse, die sich nahezu gleichzeitig aus unseren Waffen entluden. Danach ein heftiges Klagen anschließend Totenstille. Nur in unseren Ohren hallte ein feines Sirren des Doppelschusses noch eine Weile nach.

    DER DOPPELSCHUSS

    Nach allen Seiten war die Rotte auseinander gesprengt. Zwei schwarze Flecken zeichneten sich im hellen Schnee ab, ein schwaches Schlägeln noch bei Rudi`s Anschuss. Den Drilling noch an der Wange sehe ich, wie sich mein Stück hochmacht und in den verschneiten Jungfichten verschwindet.

    Keine fünf Sekunden waren inzwischen vergangen, ehe ich meinem Freund flüsternd ins Ohr brülle: „Er liegt, deiner liegt!", und schlage ihm vor Freude auf seinen neuen Hut.

    Als hätten die beiden Schüsse eine Explosion der Gefühle in uns freigesetzt, so zerren wir uns gegenseitig an unseren Schultern und können das Erlebte noch gar nicht fassen. Unsere Kehlen sind furztrocken und brauchen erst einmal einen Schluck Tee mit Rum und sicherheitshalber einen Bittern hinterher.

    Was ist passiert? Einer liegt, der andere offensichtlich getroffen aber verschwunden. Wir packen zusammen, unsere Knie zittern vor lauter Aufregung. Als wir endlich alles sicher verstaut haben und vorsichtig abbaumen merken wir erst, wie groß die innere Anspannung war.

    Unten angekommen lassen wir die Rucksäcke und alles überflüssige Zeug an der Leiter und nehmen nur die schwere Büchse von Rudi mit, ehe wir durch den dicken Schnee den Hang hinaufstapfen. Die schwere 9,3 mal 62 hat ganze Arbeit geleistet und die Frischlingsbache auf den Platz gebannt. Sie ist im Schuss verendet. Ich breche den Bruch und überreiche ihn Rudi waidgerecht mit bewegten Worten. Dann stehen wir schweigsam aber nicht ohne innere Ergriffenheit vor seinem ersten Stück Schwarzwild und wissen, dass wir gerade eine Sternstunde unserer Freundschaft erlebt haben. Aber noch war dieses Kapitel nicht zu Ende.

    Jetzt galt alle Aufmerksamkeit meinem Stück. Der Anschuss war weiter unten und nicht zu übersehen. Hellroter Schweiß, nicht viel aber deutlich wie gesprenkelt im Schnee verteilt. Die Schweißfährte geht nach links weg, so wie von mir beobachtet. Sie verschwindet unter den tief hängenden Zweigen der jungen Fichten in einer auffällig wannenförmigen Rinne. Wir lassen den Anschuss unberührt und entschließen uns nach kurzem Zögern der Wundfährte zu folgen, wenigstens ein kurzes Stück und nur solange, wie es die Dickung und die Sicht zulassen.

    Im hellen Schein der Taschenlampe gehe – oder besser krieche ich voraus. Der Strahl der Lampe erfasst immer nur wenige Meter der deutlichen Fährte, eigentlich war sie überflüssig bei dem hellen Untergrund.

    Schnee rieselt uns in den Nacken und tief gebückt und fast auf allen Vieren kommen wir nur langsam vorwärts. Es ist ein komisches Gefühl durch eine nächtlich verschneite Dickung zu kriechen und nicht zu wissen, was einen hinter der nächsten Fichte erwartet. Und so ganz viel Erfahrung hatte ich mit derlei Nachsuchen in meiner kurzen Lehrzeit ohnehin nicht, und Rudi schon gar nicht. Mir wäre wohler zumute, wenn mein routinierter Mentor Klaus dabei wäre.

    So aber umschlagen wir ein besonders dichtes Gebüsch und erstarren im Strahl der Taschenlampe. Vor uns liegt ein kräftiger Überläufer schwer im Wundbett und blinzelt uns mit seinen kleinen Augen schwer gezeichnet an; kein leichtes Bild, zumal noch eine Menge Leben in ihm zu stecken scheint. Er hat den Schuss wohl durch die Keulen, das erklärt die wannenartige Rinne seiner Fluchtfährte.

    „Los, gib ihm den Fangschuss, raunt mir Rudi energisch zu. Doch ich will eine unnötige Ballerei vermeiden und schüttele den Kopf. „Dann fang sie ab! fügt er hinzu. „Das kann ich nicht, gebe ich kleinlaut zurück, ..habe ich noch nie gemacht! „Dann lass mich ran, stößt Rudi atemlos hervor.

    Unsere kurze Diskussion, der grelle Strahl der Taschenlampe, das nächtliche Szenario und zwei Grünschnäbel auf winterlicher Sauenjagd vor einem angeschweißten Schwarzkittel mitten in einer unübersichtlichen Dickung hatte etwas Surreales, etwas Einmaliges.

    Während ich einen Schritt zur Seite trete, um mit der Büchse zu sichern, wirft das kranke Stück sein massiges Haupt herum auf mich zu.

    ANGRIFF UND VERTEIDIGUNG

    In dem Augenblick ist Rudi auch schon über dem Borstenvieh, in der linken Hand das norwegische Jagdmesser und der rechte Arm umklammert den Nacken. Einmal, zweimal stößt er kräftig zu, ohne eine erkennbare Wirkung. Der wehrhafte Überläufer wirft ihn fast ab. Beide sind wie zwei gespenstische Schatten vereint, kaum kann man sie in dem Gewühl von aufstäubendem Schnee unter den tief hängenden Fichtenzweigen auseinanderhalten. Der Kampf geht hin und her, der Leichtsinn und meine Sorge um Rudi`s Gesundheit werden immer größer. Dann ein letzter Stoß ins Leben und hörbar entweicht dem Schwarzkittel unter Rudi´s Gewicht die letzte Luft aus den Lungen, ehe er endlich verendet vor uns liegt. Ein 45 kg schwerer Überläufer mit der Kraft eines hauendes Schweines. Erschöpft und schwer atmend kniet der Held über ihm. Zwei Sauen an einem Abend, und beide von ihm erlegt! Das ist für einen Schwarzwildneuling in der Tat ein starkes Stück und gleichzeitig seine Gesellenprüfung. Waidmannsheil, mein Freund!!!

    Die nächsten Minuten sind wir wie benommen und können das Geschehene noch gar nicht begreifen. Zwei Schüsse wie einer und zwei Sauen liegen auf der Strecke…ein denkwürdiges Jagderlebnis, das erst am Anfang einer jahrzehnte langen Freundschaft stehen sollte und dessen nachhaltige Wirkung wir in diesem Augenblick noch gar nicht ermessen konnten.

    Der Rest ist schnell berichtet: wir schleppen die beiden Stücke bis auf die Anhöhe zu „Schrader Rott`s Wiese", stapfen durch den Schnee bis zum Kübelwagen, der beim Wendemanöver noch hängen bleibt, verstauen die Sauen mit Stricken auf der Haube des Gefährts und fahren beschwingt und fröhlich lachend zurück ins Dorf. Zielpunkt: das Forstamt, sein Chef und unser Gönner und Freund Klaus Heipke.

    Dem verschlägt`s die Sprache als er uns beiden „Wilddiebe" mit der Doppelbeute in seinem Garten sieht. Erst nachdem er das Bubenstück ordnungsgemäß dokumentiert und fotografiert hat findet er seine Worte wieder und beglückwünscht uns mit einem kräftigen Waidmannsheil und einem dreifachen Horrido zu unserem Jagdglück.

    Was sich dann in der warmen und gemütlichen Försterstube anschließt ist den Traditionen des Deutschen Waidwerks geschuldet und schweißt drei Typen zusammen, deren Originalität und Freundschaft die Basis für viele Abenteuer sein sollte, die sie auf ihren gemeinsamen Fährten noch erleben sollten.

    DAS BEUTE-DUO

    HIMMELFAHRTSKOMMANDO

    16. Mai 1985

    Es sollte ein klassisches Bockaufgangswochenende werden, mit allen Abläufen, Ritualen und Besonderheiten, wie wir sie in Sulingen, im Bruch und unserer geliebten Jagdhütte dutzende Male erlebt und praktiziert haben. Allein das verwegene Quartett der Mannschaft mit Rudi, Fivos, Karl Heinz und mir versprach allerhöchste Jagdfreude.

    Das Wetter spielte mit, der vertraute Kübelwagen bewies sein enormes Transportvolumen und seine militärische Robustheit. Dazu die Aussicht auf fünf spannende Jagdtage in einer einmaligen Natur, romantischer Einsamkeit und gemütlicher Hüttenidylle ließen die Herzen höher schlagen.

    Das abendliche Eröffnungsmenü mit „Fivos Special": Spaghetti mit kretischer Tomaten-Hackfleischsoße, Knoblauchzaziki und Honigjoghurt machten seiner griechischen Abstammung alle Ehre und läuteten einen dionysischen Begrüßungsabend ein.

    Um 5: 00 Uhr klingelte am nächsten Morgen der Wecker und alle waren nach einer heißen Tasse Tee erwartungsgeil auf den Läufen und saßen munter im offenen Kübelwagen.

    Karl Heinz und ich steigen an der Lakeweide aus und pirschen uns durch das Eingangswäldchen leise bis zur Eichenleiter und baumen vorsichtig auf den geräumigen Natursitz auf. Rudi und Fivos wollen auf einen lahmenden „Krummen" waidwerken, den wir gestern bei der Anfahrt bereits gesehen hatten.

    Noch herrscht starker Frühnebel und die Sicht ist kaum 50 m. weit, von der typischen Topografie der Lakeweide ist noch nichts zu sehen. Die Sonne kämpft verzweifelt gegen den Dunst und nur langsam klart es auf; endlich zeichnet sich die rote Scheibe schemenhaft vor uns am Osthimmel ab und schiebt sich langsam über den Horizont. Ich weise Karl Heinz behutsam in das Gelände ein und freue mich, wie sich auf der satten Wiese der gelbe Löwenzahn mit dem zarten Wiesenschaumkraut die Vorherrschaft um die Farbenpracht der Natur streitig machen…ein wunderbares Bild. Nur mein hartnäckiger Husten und eine langwierige Erkältung stören die Idylle.

    Karl Heinz entdeckt das Spießerpärchen als Erster. Es tobt ungestört zwischen den kleinen Wäldchen umher, verhofft nur kurz, um dann immer wieder in den Büschen oder dem Restnebel zu verschwinden. Erst nach einer halben Stunde können wir sie weit hinten schwach durch die Gläser wieder entdecken. Sie stehen auf der entferntesten Äsungswiese im hohen Roggengras, dort, wo ein starker Sechser auch seinen Stammplatz hat.

    Aber alles ist zu weit entfernt und für einen sichern Schuss ausgeschlossen. Darum entschließen wir uns, den Eichensitz aufzugeben und uns trotz der ungünstigeren Windrichtung (SO.) anzupirschen. In der Deckung der kleinen Büsche kommen wir mühsam aber unbemerkt im taufeuchten Gras der Wiese bis an die untere Spitze des rechten Wäldchens (s. Skizze). Der flache Kriechgang war anstrengend und hatte uns die Sicht nach vorn genommen. Als ich den Kopf hebe, steht vor mir – keine 50 Schritt entfernt – ein weiterer Spießer und äst direkt an der Grabenkante zum Getreideschlag des Nachbarreviers.

    Jede Bewegung wäre jetzt verhängnisvoll. Und noch ehe ich den Gedanken zu Ende bringe, wirft der Bock auf und schaut misstrauisch in unsere Richtung, ich vor Karl Heinz. Der Entschluss war längst gefasst: der soll es sein, ein mickeriger „Zigarettenspießer", die Stangen nicht länger als eine Marlboro. In der nächsten kurzen Phase einer Scheinäsung des Bockes gehe ich in meiner unbequemen Bauchlage im Zeitlupentempo in Anschlag. Der Wind steht halb auf den Schwachen zu. Karl Heinz liegt hinter mir und beobachtet das Ganze mit angehaltenem Atem.

    Der Bock wirft auf. Zwischen ihm und uns bewegen sich die Halme des Roggengrases im sanften Morgenwind und jede Brise kann uns verraten und der Bock springt ab. Die Mündung des Drillings zeigt schon auf das Blatt, langsam steche ich ein und entsichere die Waffe. Es bleiben nur noch Sekunden, die Körpersprache des Bockes steht auf Absprung, sein Blick auf Flucht, da lasse ich die Kugel raus und kann den Bock durch den Schmauch des Schusses nicht mehre sehen. „ Er liegt, raunt Karl Heinz mir zu Waidmannsheil", seine Freude ist spürbar, meine Erleichterung auch.

    Langsam richten wir uns auf und ich deute meinem Kumpel an, leise zu sein und auf den hinteren Teil der Wiese zu achten, weil ich die beiden anderen Spießer dort noch vernute und auch ihn noch zu Schuss bringen will. Und richtig, der Sechser steht mit seinen weißgefegten Stangen neben seinen beiden Ricken, von den Spießern allerdings keine Spur.

    Nachdem wir die Scene lange beobachtet haben, springen aus unerfindlichen Gründen alle Stücke ab. Und jetzt sind auch die Zwillingsspießer dabei, die wir im hohen Gras wohl übersehen hatten.

    Nur ein Schmalreh zieht noch an der äußersten Wiesenkante entlang und lässt sich durch nichts stören. Wir nehmen es nur zur Kontrolle noch einmal genauer ins Glas und wundern uns über seine merkwürdige Färbung, besonders des Hauptes. Ich stelle die Optik noch schärfer und suche die Schürze…vergeblich.

    Da zeigt uns das Schmalreh seinen Rücken und durch die hochaufgestellten Lauscher erkenne ich zwei daumenlange Knubben: ein Bock! Der ideale Abschussbock für Karl Heinz…schwach im Wildbret und ein rechter Kümmerling, ein wirklicher Hegefall.

    Ich deute Karl Heinz an, sich bis zum Zaun vorzupirschen, von dort hat er nur noch die halbe Schussdistanz und eine sichere Auflage. Er nickt und macht sich auf den Weg. Tief geduckt durch eine flache Senke schafft er es bis zum Grabenrand und ab dort schützt ihn der höhere Bewuchs im Verlaufe der Zaunpfähle. Nach anstrengender Arbeit erreicht er 10 Minuten später den von ihm ausgewählten stabilen Eichenpfosten und ist jetzt nur noch 80 Schritt von seinem Ziel entfernt.

    Ich habe inzwischen den Drilling nachgeladen und beobachte die weitere Entwicklung durch das Zielfernrohr. Karl Heinz streicht ruhig am Pfosten an und jeden Augenblick erwarte ich seinen Schuss. Da endlich…aber es macht nur „pitsch"…die kleine Kugel, er hat die Waffe nicht umgestellt! Der Bock wirft auf und schaut sich irritiert um, kein sichtbares Schusszeichen, die Kugel hat ihn offensichtlich verfehlt. Verdammt! Sollte uns dieser Mickerling am Ende noch entkommen?

    Noch ehe er sich eines anderen besinnen kann, steche ich meinen Drilling ein und entsichere. Die Entfernung ist gewagt, die Situation auch, aber schon saugt sich der Zielstachel auf dem Blatt fest und kaum 10 Sekunden nach Karl Heinz unglücklichem Schuss ist die Hirtenberger 7 mal 65 aus dem Lauf des Drillings. Wie vom Blitz getroffen sackt der „Knubber" zusammen. Ich sehe nichts mehr von ihm.

    Entmutigt kommt mir Karl Heinz entgegen, er ist über sich selbst verärgert und kann seinen Fehlschuss kaum ertragen…verständlich.

    Als wir meinen ersten Grenzbock nach 15 Minuten Pause bergen wollen, kommt auf der gleichen Wiese noch ein Stück hoch. Es macht einen seltsamen Buckel und verhält sich auffallend merkwürdig. Ich denke sofort an den zweiten Zwillingsbock und sehe für Karl Heinz noch eine 2. Chance…er soll sich heranarbeiten.

    Aber da höre ich von der Eichenleiter einen lauten Pfiff. Rudi und Fivos waren inzwischen an der Eichenleiter angekommen und hatten offensichtlich einen Teil unserer jagdlichen Aktionen mitbekommen. Sie haben auch den seltsamen Bock gesehen und meinten, es sei ein krankes Stück.

    Nach einer kurzen Information und Absprache entscheiden wir, dass Karl Heinz doch an der Wiese bleiben soll, das Geschehen weiter beobachten und eventuell auf den Spießer warten soll.

    MANÖVER AUF DER LAKEWEIDE

    Rudi, Fivos und ich fahren zur Hütte zurück. Die beiden wollen nach dem Frühstück ihre Waffen auf einem nahegelegenen Schießstand einschießen. Ich bleibe in der Hütte zurück und mache mit meinem grundguten Rauhaardackel eine kleine Vormittagspürsch. Schon nach einem kurzen Weg sehe ich an der Eichenleiter nahe der Hütte den jungen Spießer, den Karl Heinz schon vorgestern im Visier hatte, aber aus den Augen verlor. Der Ahnungslose äst friedlich vor sich hin und tut sich dann satt und müde nieder zu einem kleinen Nickerchen, so wie es die Alten auch gern machen.

    Ich sehe dagegen eine weitere Chance für meinen enttäuschten Freund, schlage einen großen Bogen über den Lönsweg und hole den Guten von der Lakeweide ab. Das dauert zu Fuß fast eine halbe Stunde, erlöst aber Karl Heinz von seiner erfolglosen Warterei. Müde, hungrig und mutlos kommt mir der Jungjäger entgegen. Erst nach meinem Bericht über den Hüttenspießer hellen sich seine Gesichtszüge wieder auf.

    Über den Hof von Bauer Cordes schleichen wir uns gegen den Wind in einem notwendigen Umweg an die Eichenleiter ran. Die Mittagssonne meint es gut und der Schweiß läuft in Strömen über unsere Gesichter. Die Frage ist, liegt der Bock noch?

    Nicht weit von der ausgemachten Stelle setzt ein Landwirt Zaunpfähle und veranstaltet einen mächtigen Lärm. Ein langer blick durch das Glas bestätigt unsere Hoffnung: der Bock liegt noch im hohen Grase und beobachtet seelenruhig die Arbeit des Bäuerlein. Also los Karl Heinz, deine nächste Chance. Er pirscht sich vorsichtig durch den Topinambur Richtung Leiter, ganz geräuschlos geht das nicht, aber der Bock bleibt ruhig, der Pfostenlärm lenkt ihn von der drohenden Gefahr ab.

    Fussel lege ich ab und beobachte das weitere Geschehen mit dem Doppelglas aus der Ferne. Meine Wünsche sind bei dem Schützen, da bricht auch schon der Schuss. Im gleichen Moment kommt der Bock hoch und tippelt nervös hin und her. Ein unruhiger Blick und dann setzt er sich in Bewegung, kein Schusszeichen deutet auf eine Verletzung oder gar einen tödlichen Treffer hin…der Bock geht gesund ab…wieder vorbei!!

    VorbeiauchKarlHeinzruhigeZuversichtundGelassenheit.Schweißüberströmt kommt er mir wie ein Häufchen Unglück entgegen, Resignation und Enttäuschung stehen in seinem Gesicht, da helfen auch keine tröstenden Worte. Diana war ihm an diesem Tag nicht hold und ein Waidmannsheil war ihm nicht vergönnt. Was bleibt für ihn als Trost übrig? Eine eigene Waffe muss her, nur die gibt ihm Sicherheit und Vertrauen in den eigenen Schuss. Damit versuche ich ihn bei einem Herforder wieder aufzubauen und von seinen Grübeleien abzulenken.

    Nach einem verspäteten Frühstück und der Rückkehr unserer beiden Probeschützen Rudi und Fivos, machen wir uns zu viert auf das Einsammeln der Beute an der Lakeweide. Der erste Bock ist schnell gefunden, auch wenn er fünf Meter auf dem Nachbarrevier seinen letzten Schnaufer getan hat. Vom „Knopfer" aber fehlt jede Spur. Das gibt uns Rätsel auf.

    Nachdem ich vom Platz der Schussabgabe bis zum vermeintlichen Anschuss 210 Schritt zurückgelegt habe, suche ich den Platz vergeblich nach verwertbaren Schusszeichen ab. Das hohe Roggengras und die dichte Bodenvegetation erschwert die Suche ganz erheblich. Ich werde unsicher!

    Sollte der von Rudi und Fivos beobachtete Bock, dessen merkwürdiges Verhalten auch wir gesehen haben, vielleicht doch der Gesuchte sein? Sollte er tatsächlich noch einmal hochgekommen sein und sich ins Wundbett gelegt haben, ohne dass wir seinen Fluchtweg bemerkt hätten?

    Die Hunde sind durch die vielen Rehwildfährten und völlig verwirrt und geistern ziellos hin und her. Dennoch weisen sie uns ein Wundbett nach und wir finden den ersten Schweiß, ein gutes oder schlechtes Zeichen? Fivos findet sogar einen Knochensplitter, und nach allem was wir beobachtet haben, muss das Stück einen Laufschuss haben und krank abgegangen sein; deshalb auch der hohe Rücken.

    Erle wird geschnallt und bögelt die Wiese im kniehohem Roggengras ab, Fussel assistiert, ist aber gar nicht zu sehen… nichts! Wir suchen die Kanten ab und untersuchen noch einmal den Anschuss…nichts. Die Mittagssonne und die Hitze treiben uns nach drei Stunden zur Hütte zurück, kurze Pause und die Erkenntnis, ein brauchbarer Schweißhund muss her. Aber aktuell ist auf die Schnelle keiner zu finden.

    Also müssen wir nach einer kurzen Stärkung noch einmal ran. Alle Möglichkeiten werden erwogen: - 1. er ist über den Grenzbach ins Nachbarrevier gewechselt. – 2. er hat sich unbemerkt ins Gehölz geschlagen. – 3.er liegt noch weidwund auf der Wiese.

    Wir gehen alles noch einmal ab, jedes rote Fleckchen auf einem Grashalm kommt uns wie die langersehnte Schweißspur vor. Jedes ungewohnte Trittsiegel auf dem feindlichen Acker wie die Bestätigung des flüchtigen Dreibeiners. Stunden vergehen und uns verlassen langsam die Kraft und der Mut.

    Es bleibt noch die letzte Chance: wir müssen die Wiese mit dem Wundbett noch einmal systematisch durchkämmen – bei der Größe von zwei Fußballfeldern keine leichte Aufgabe. Die Schützenkette besteht aus drei Mann und zwei Hunden, Rudi verhandelt inzwischen mit dem Reviernachbarn Kannengießer.

    Nach der 4. Bahn nähern wir uns dem markierten ersten Wundbett und keine 20 Schritt davon entfernt sehe ich ein braunes Etwas. Sekunden später mein erlösender Ruf: Da liegt er!

    Drei Meter von mir entfernt schaut er mich an. Fivos ist heran und hebt die Waffe, langsam richtet er die Mündung auf den Weidwunden und jeder von uns erwartet den finalen Fangschuss. Nichts passiert. Wie paralysiert stehen sich der Grieche und der Bock Auge in Auge gegenüber…wer ist das Kaninchen, wer die Schlange?

    Da müdet der Bock auf und flüchtet mit hängendem Vorderlauf davon. Jetzt erwacht Fivos aus seiner Trance und reißt die Mannlicher an seine Schulter und wird seinem griechischen Naturell gerecht: in kurzen Abständen schickt er dem Flüchtenden ein Sperrfeuer hinterher, dreimal staubt der braune Ackerboden auf, ohne Treffer, dann hat der Bock den Grenzgraben überfallen und ist im nächsten Gehölz verschwunden. Welch eine schändliche Choreografie!

    Ich kann es gar nicht fassen und schaue Fivos entsetzt an, bevor ich mit entsicherter Waffe und Fussel an der Leine dem Bock hinterherstürze. Auch Erle hat die Fluchtfährte aufgenommen und hetzt dem armen Kerl mit lautem Jiff und Jaff nach. Dann Standlaut und Ruhe.

    Mit seinem norwegischen Jagdmesser hat Rudi der Qual ein Ende gesetzt.

    Das Stück hatte die daumenlangen Knubben noch nicht verfegt und wog aufgebrochen nur knappe 10 kg. Dennoch hätte man ihm ein solch dramatisches Ende gern erspart.

    Die abendliche Nachbesinnung dieses ungewöhnlichen Jagdtages, an dem am Ende alle vier Freunde und die Hunde beteiligt waren, hatte bei dem einen oder anderen doch manch stille und nachdenkliche Phase. Einig waren sich am Ende alle über den Titel dieser Dramaturgie: Das „Himmelfahrtskommando"

    STOLZE BEUTE

    DER BIRKHAHN RUFT

    Oktober 1985

    Aus den Erfahrungen der beiden letzten Tage haben wir gelernt und beschlossen, unseren Ansitz auf den Bereich zwischen „Spielhahnwiese und den „Elchkamm zu konzentrieren. Eine Strategie, die sowohl die Geländeformationen, Windrichtung und Deckungsbedingungen, als auch Sicht – und Sicherungsaspekte berücksichtigte.

    Wir – das sind fünf verwegene „Jagersmanen aus „Tüskeland, die sich zu einem verschworenen Quintett zusammengetan haben, um in der Einsamkeit Südnorwegens auf Birkwild zu jagen. Ein Vorhaben, das nach langer Planung und Vorbereitung nun endlich wahr wurde.

    Ausgangspunkt war – wie so häufig – Rudis Angebot und Einladung zu einer Jagdreise, deren Ziel ihm seit vielen Jahren schon vertraut und durch häufige Familienurlaube ans Herz gewachsen war…sozusagen seine zweite Heimat: ein einsam gelegener, alter Bauernhof mit einem traumhaften Panoramablick auf einen kristallklaren See, inmitten einer norwegischen Urlandschaft, die von der Eiszeit geformt und von der Sonne gemalt wird: geschliffene Felspartien durchsetzt von Birken – und Kieferwäldchen, in den Tälern liegen moorige Feuchtwiesen mit kniehohem Riedgras, hier und da plätschert ein silbernes Bächlein über Felskaskaden in kleine versteckte Seen, und die grünen Blaubeerbüsche wechseln sich mit dem lila Heidekraut ab. Eine Augenweide für den Betrachter und ein Genuss für die Sinne, eingebettet in eine unfassbare Ruhe.

    Und die fünf Jagdfreunde ? – eine Mannschaft der Verwegenen – jeder für sich ein Original. Sie und ihre Eigenarten zu beschreiben würde allein eine umfangreiche Charakterstudie füllen. Hier bleibt das Bild auf ihre jagdlichen Fähigkeiten und ihre outdoortüchtigen Qualitäten beschränkt, deren Herausforderungen ohnehin groß genug sind.

    Wir hatten schon drei erlebnisreiche Tage hinter uns und uns mit der Umgebung auf bewaffneten Spaziergängen vertraut gemacht. Dazu gehörte auch eine zünftige Fahrt mit dem Kanadier über den See zu dem einsamen Nachbarn Arne Bjorvatn, der uns mit seinen drei Hasenhunden freundlich empfing und sich mit Rudi auf Espestjölplatt „fließend" unterhielt.

    Im Haus hatten wir uns gemütlich eingerichtet und die Bettenverteilung nach Schnarchgewohnheiten berücksichtigt. Die herbstliche Kühle wurde durch die gewissenhafte Befeuerung des Kamins mit der Erfahrung unseres Oberförsters Klaus dauerhaft beherrscht…sogar nachts.

    Meine Aufgaben bestanden im Wesentlichen in der Organisation des Unterhaltungsprogramms und der notwendigen Ergänzungseinkäufe für die Sicherung der weiteren Nahrungs – und Verpflegungseinheiten.

    Fivos – unser Grieche – kam mir mit seinen kretischen Kochkünsten dabei zur Hilfe, sodass wir die Truppe auf`s Feinste verköstigten.

    W.P. – unser Feingeist, beschränkte sich hauptsächlich auf die Einhaltung seiner rituellen Waschungen und die telefonische Kontaktaufnahme mit seiner frischvermählten Verlobten.

    So war jeder eingespannt in den täglichen Ablauf unserer Abenteuer, deren Höhepunkte natürlich die gemeinsamen Jagdeinsätze waren, die dann unsere totale Konzentration erforderten.

    Rudi – unser Jagdherr und Revierkenner – hatte bereits vorgelegt und am Abend vorher seinen jagdlichen Instinkt unter Beweis gestellt: während wir anderen unsere Ansitze bei einbrechender Dämmerung bereits aufgegeben hatten, folgte er seinen über Jahre erworbenen Kenntnissen der südnorwegischen Birkhahngewohnheiten und harrte noch aus. Diese Geduld wurde belohnt, als er im letzten Flintenlicht liegend und blitzschnell aus einem Viererschoof einen Kullerjahn herauspickte, der ihm direkt vor die Füße fiel…alle Achtung und Waidmannsheil.

    Nun, heute Morgen sollten auch wir anderen die Gelegenheit bekommen, unsere Jagdtauglichkeit zu zeigen. In einem ausgeklügelten Schlachtplan gingen wir strategisch diszipliniert die „Fünferriegel " die 1.an.

    Fivos wird etwa 400 m. vorher abgesetzt und soll abstreichende Hähne abfangen. Klaus, Rudi und ich bilden einen Sperrriegel. W.P. sollte ab 9: 30 – nach seinen rituellen Waschungen - auf dem Felshügel warten, wenn wir beim Rückmarsch die östliche Seite des Weges durchdrücken würden.

    Klaus hält sich in der Nähe der Spielhahnwiese auf, ich auf einen schmalen Riegel mit Blick auf einen Kamm, der von einer markanter Kiefer gekrönt wird. Rudi bezieht rechts von mir eine geniale Stellung, die ihn in einer kleinen Wacholdergruppe vor den scharfäugigen Blicken der Hähne deckt.

    Gegen 8: 00 Uhr haben alle ihre Positionen bezogen. Langsam geht die Sonne auf und bescheint die Szene mit ihren wärmenden Strahlen. Es tut sich lange Zeit nichts, als plötzlich ca. 10 Birkhähne vom Elchkamm hinunterstreichen, direkt über Rudi hinweg den gegenüber liegenden Hang hinauf und sage und schreibe in die hohe Kiefer einfallen. Es sind genau die gleichen Vögel, die wir am ersten Tag der Anfahrt ins Revier gesehen haben: ein Einzelner, eine Dreiergruppe, die am Vorabend vor Rudis Meisterschuss noch aus vier bestand und ein Sechserschoof.

    Doch alles ging so schnell, dass selbst Klaus, der am dichtesten dran war nur noch einen Verzweiflungsschuss hinterher werfe konnte. Nun saßen sie alle verdeckt in der Kiefer, jeder konnte sie sehen, aber keiner kam ran, nicht zu fassen.

    Später berichtet Klaus, dass er mit seiner Bockbücksflinte 20 Minuten lang einen genau im Visier hatte, aber die Unsicherheit wegen der Treffgenauigkeit seiner Kugel hielt ihn vom Schuss ab.

    Ich lag ziemlich ungedeckt auf meinen Riegel und gab sofort jeden Gedanken an ein Heranpirschen auf. Allein der heranbrechende Tag, dessen Sonnenstrahlen die Landschaft jetzt zum Leben erweckte, das schlaue Verhalten des Birkwilds, die Freunde um mich herum, all das erfüllte mich mit einer inneren Zufriedenheit, die jede Jagdnervosität vergessen ließ.

    Inzwischen hatte Fivos seinen vereinbarten Platz aufgegeben und sich in seiner typischen Unruhe – neugierig gemacht von Klaus` Schuss – unerlaubter Weise in die Gefahrenzone begeben. Auf ein Zeichen von uns ließ er sich erschöpft und nassgeschwitzt wie ein Maikäfer auf den Rücken fallen und blieb bewegungslos im Heidekraut liegen.

    Da, plötzlich und völlig unvermittelt streicht der erste Hahn aus der Kiefer ab und zieht durch die Senke genau auf Rudi zu. Die anderen folgen ihm direkt hinterher, direkt über Rudi`s getarnten Platz. Jeden Augenblick erwarte ich seinen Schuss, und der Jagdfreund enttäuscht mich nicht! Schuss und hörbarer Aufschlag seines zweiten Hahns sind fast eins. Und wieder liegt die Beute keine 10 Meter in dem von ihm bevorzugten Radius.

    Welch ein Erfolg, welches Jagdglück, aber auch welche Treffsicherheit. Seine vor Stolz geschwellte Brust kann er bei aller Bescheidenheit kaum verbergen. Obwohl fast alle seine Heldentat gesehen haben, wird er nicht müde, bei einem ausgiebigen Frühstück jedes Detail noch einmal ausgiebig zu schildern und die anderen zu ermutigen, ihm diese Kleinigkeit nachzumachen.

    Um dieses Vorhaben für alle plastisch zu verinnerlichen, inszenierten Rudi und W.P.an dem feuchtfröhlichen Horridoabend den Ablauf der Erlegung vom Morgen noch einmal in schauspielerischer Vollendung: Rudi – rückseits auf dem Boden liegend – mit schnellem Griff zur Flinte in den Anschlag gehend, und W.P. mit beiden Armen wie mit Flügeln schlagend, hüpfend um ihn herum den Spielhahn imitierend und dann das „bum" aus Rudis Mund als Schuss und einen zusammenbrechenden W.P. der das Ende des Spielhahns vortrefflich wiedergab.

    Noch viele Fässchen Bier und mancher Bittern waren vonnöten, um diese Schauspielkunst zu würdigen.

    Noch einen vollen Jagdtag und einen Abschiedsvormittag hatten wir vor uns und schon so eine pralle Tüte schönster Erlebnisse und Stunden konserviert… mehr ging fast nicht, und dennoch gaben wir nicht auf, auch die Beutelosen noch zu Schuss kommen zu lassen. So verfeinerten wir den „Fünferriegel" ein weiteres Mal und bauten all unsere bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen ein. Das Ergebnis lässt sich auf der Skizze erkennen:

    Vier Eckschützen wurden auf die zwei Kämme verteilt, nördlich Fivos und Udo, südlich Rudi und Klaus, und W.P. wurde als zentraler Jagersmann im diagonalen Mittelkreuz postiert, sozusagen auf dem Kaiserplatz.

    Für den morgendlichen Ansitz müssen Fivos und ich zuerst auf die Läufe, weil wir den Elchkamm abriegeln sollen. Die Sonne versteckt sich noch hinter einem leichten Dunstschleier, als wir vorsichtig unsere Plätze einnehmen. Fivos 100 m. rechts von mir bei den 3 Espen, aber wegen des dichten Holzes nicht zu sehen. Ich wähle mir eine kleine Kieferngruppe aus, die mich nach links zum Tal hin und gegen einige Birken abschirmen, in die gestern nach Rudi`s 2. Schuss die restlichen 9 Hähne eingefallen sind. Nach vorn baue ich mir aus Kiefernzweigen einen provisorischen Schirm und bin so bestens gedeckt. Zufrieden werde ich eins mit der Natur und bereite mich auf einen schönen Sonnenaufgang und hoffentlich auf einen guten Anflug vor.

    DER FÜNFERRIEGEL

    Inzwischen mussten wohl auch die anderen ihre Plätze eingenommen haben: Klaus und Rudi gegenüber auf dem Kiefernriegel zwischen Moorwiese und Birkhahnwiese. W.P. im diagonalen Schnittpunkt in unserer Mitte.

    Leicht verträumt von der Lieblichkeit der Landschaft schaue ich routinemäßig in die Runde und traue meinen Augen nicht: links von mir durch einen Wachholderbusch entdecke ich auf den hellen Zweigen einer Birke einen Birkhahn! Sein schwarzes Gefieder und seine rote Haube glänzen in der Sonne. Dahinter der strahlendblaue Morgenhimmel gibt der Silhouette eine unwirkliche Schönheit. Die Faszination dieses Augenblicks lässt mich die wahre Absicht dahinter fast vergessen. Ich wage kaum zu atmen, geschweige denn mich zu bewegen, nur 60 m. von mir entfernt sitzt das Ziel meiner Wünsche…wirklich?

    Ich schiebe alle Zweifel beiseite und greife mit der rechten Hand im Zeitlupentempo zum Drilling. 60 Meter, für die Schrote zu weit, die große Kugel zu dick, es muss der kurze Einstecklauf schaffen. Er ist zwar mit dem kleinen Kaliber geladen, aber wann habe ich das letzte Mal damit geschossen?

    In eiserner Konzentration bringe ich den Schieber auf die richtige Position, steche den vorderen Abzug ein und gehe behutsam in Anschlag: sitzend auf meinem Dreibein, angestrichen am Zielstock suche ich ein winziges Loch im Wacholderbusch, durch das die Kugel muss.

    Der Hahn bewegt sich leicht auf dem schwankenden Birkenzweig. Ich muss eine ruhige Sekunde abwarten und kontrolliere noch einmal die Einstellung der Waffe, bevor ich entsichere. Es

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