Burnout – auf einmal mittendrin: Logbuch einer seelischen Irrfahrt
Von Nora Knappe
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Über dieses E-Book
Dieses Buch ist kein Ratgeber – es ist eine authentische tagebuchartige Darlegung und zugleich der Versuch, zu verstehen, was da eigentlich mit einem geschieht. Die Leser:innen begegnen Verzweiflung, Schmerz und Traurigkeit – aber ebenso Wut, Kraft und Aufbruch. Und manchmal geht es sogar heiter und humorvoll zu. Die Autorin lässt die Leser:innen zudem auf angenehm leichte Weise an ihrem Erleben der Psychotherapie teilhaben.
Ein Buch, das sich geschickt zwischen Abstand und Involviertsein bewegt und vor allem so empathisch vermittelt, mit einem Burnout nicht alleine zu sein und immer einen Weg finden zu können.
Nora Knappe
Nora Knappe (geb. 1978) wuchs in Wernigerode auf. Nach ihrem Sinologie-Studium in Leipzig und Nanjing/China arbeitete sie 14 Jahre lang im Lokaljournalismus. Seit 2022 ist sie freiberufliche Autorin. Sie lebt in der Altmark, wo die Liebe sie Wurzeln schlagen ließ. Zu diesem Leben gehören viel Literatur, ein Garten und vier Fahrräder.
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Buchvorschau
Burnout – auf einmal mittendrin - Nora Knappe
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-95894-231-8 (Print) / 978-3-95894-232-5 (E-Book)
© Copyright: Omnino Verlag, Berlin / 2022
Cover/Illustrationen: Shutterstock.com/Mr. Rashad
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
Inhalt
Zur Orientierung
Burnout
Therapie I
Leben
Klarsichthülle
Selbstgespräch
Gekündigt
Aufwärts
Dysbalance
Therapie II
Mut
Der rote Faden
Selbstfindung
Still
Vergleiche
Doppel-Ich
Atmen
Aushalten
Paradox
Das Kind
Wut
Therapie III
Erwartungen
Systemfragen
Optimismus
Wege
Der innere Kritiker
Rücken
An den Vater (Kafka reloaded)
Innere Stärke
Angst
Dran arbeiten
Therapie IV
Grübeln
Erkenntnis
Empor
Treten
Wunden
Die Friedhofsbank
Wer?
Schreiben
Erfinderin
Therapie V
Mantra
Startblock
Meine Aufgabe
Frei
Fataler Sog
Therapie VI
Ganz normal
Teamfähig
Rückschau
Zehn-Punkte-Plan (für alle Fälle)
Dank
Das letzte Wort
„Schreiben heißt: sich selber lesen. Was selten ein reines Vergnügen ist."
Max Frisch, Tagebuch 1946-1949
Zur Orientierung
Dieses Buch ist durcheinander. Es schlingert. Es ist eine einzige Wirrnis – so wie der Zustand, in dem es entstand, eine einzige Wirrnis ist: Burnout mit Depression. Darum ist es ebenso Verzweiflung, Schmerz, Traurigkeit und Verzagtheit, wie es Wut, Tumult, Trotz und Aufbruch ist. Es ist voller quälender Fragen und Zweifel, aber es findet auch leise Antworten und zaghafte Gewissheiten. Bei aller Trübnis und allem Nebel hat es ebenso Helligkeit und Klarheit.
Es soll keine Abrechnung mit irgendjemandem sein, aber es stellt zur Rede, ist so offen und ehrlich wie nur möglich. Es ist eine authentische, unmittelbare Darlegung und zugleich der Versuch, zu verstehen, warum geschehen ist, was geschehen ist. Es ist kein Ratgeber und erst recht nicht verallgemeinerbar, aber es ist ein Buch für alle, die sich ebenso in sich selbst verirrt haben und daran verzweifeln.
Jede:r von Burnout Betroffene wird die Krise anders erleben – jede:r macht andere Dinge durch, trägt andere Lasten und Verwirrungen mit sich herum.
Dennoch ähneln sich Krankheitsphasen, Stimmungen und Emotionen sowie Denkmuster, Therapieerlebnisse und Erkenntnisse.
Daher versteht sich dieses Buch auch als Ermunterung an all jene, denen ähnliches widerfährt, sich dieser tiefen persönlichen Krise zu stellen, mit dem eigenen biografischen Ballast freundlich umzugehen und kleine Veränderungen zu wagen. Die Kraft dazu entsteht in einem selbst – man kann sie nicht erzwingen, aber ich schreibe diese Worte in der Gewissheit, dass diese Kraft da ist, dass sie sich zeigt, wenn es an der Zeit ist.
Burnout
Irgendwann im Leben kommt manche:r von uns an den Punkt, wo es ohne Hilfe nicht mehr geht. Man selbst merkt das meist gar nicht oder zu spät. Den vor einigen Jahren schon beiläufig von der Ärztin mitgegebenen Zettel mit Adressen von Psychotherapeutinnen hatte man sich zweimal angesehen und jedes Mal wieder weggelegt, dachte sich: Soo schlimm ist es doch nicht, das kriege ich schon alleine hin, das brauche ich doch nicht.
Bis es eines Tages eben doch schlimm ist, man es nicht mehr allein hinkriegt, es doch braucht.
Und man ist so froh, den ersten Termin ausgemacht und ihn doch nicht wieder abgesagt zu haben.
Jede Woche ist da diese Insel, dieser Raum, wo man Halt findet, wo man reden darf und sollte, über alles, was einen bedrückt, beschwert, erfreut und umtreibt; alles, was einen ausmacht, was man erlebt und erlitten hat, was man denkt und fühlt und wie man sich sieht; wo man weinen darf und auch schweigen; in Ruhe reflektieren oder ratlos sein; wo man immer wieder zu sich selbst geführt wird und sich wieder wertzuschätzen lernt; auch wenn es dafür mehrere Anläufe braucht und man manchmal das Gefühl hat, zu versagen, weil man immer wieder am selben Punkt, beim selben Problem landet, ja, manchmal sogar zum wiederholten Mal dieselbe Erkenntnis formuliert; wo man auf sachte Weise durch vorsichtige Nachfrage auf wichtige Worte, Gedanken, Gefühle aufmerksam gemacht wird und vom eigenen Irrweg weggeholt wird. Wo man nichts muss, aber alles darf. Wo man als Mensch wieder gehen lernt, aufrecht und offenen Blickes. Wie gut, dass es diese Geh-Hilfe gibt.
Und nach etlichen Sitzungen, die einen aufgewühlt, verstört, erstaunt, erschöpft, aber unmerklich auch wieder ein kleines bisschen stärker, selbstbewusster und zuversichtlicher gemacht und mit Erkenntnissen beschenkt haben, da schließlich fragt man sich: Wird es mir eines Tages wieder möglich sein, ohne diese Geh-Hilfe durch mein Leben zu gehen? Auch ohne dass jemand an der nächsten schwierigen Passage, vor dem nächsten Dunkel auf mich wartet, der mich begleitet und mir Mut zuspricht? Ich hoffe es sehr.
***
Burnout haben doch nur Manager und Geschäftsführerinnen. Nicht wahr? So Typen, die sich 28 Stunden am Tag abrackern, keinen Feierabend kennen, unersetzbar sind oder sich dafür halten, überall einspringen, wo gerade Not ist, und gern mal noch ein Projekt zusätzlich an sich reißen. Oder Ärzte und Pflegekräfte, die jedem gern helfen möchten; die Zeit und die Strukturen geben es zwar nicht her, aber sie rackern sich trotzdem ab für andere, für das Wohl der Menschen … Alle bis zum Anschlag, längst überlastet und überfordert, aber immer noch 120 Prozent, geht ja nicht anders, muss ja, wer soll’s denn sonst machen?
So denkt man sich das mit dem Burnout der anderen. Bis man selbst mittendrin ist. Und es noch nicht mal realisiert. Geschweige denn, eine Definition dafür hat.
Man hat nur auf einmal so eine Schwere in sich, eine Leere auch, eine Verzögertheit und Gelähmtheit. Kraftlosigkeit, Gefühl von Sinnlosigkeit. Keine Energie mehr, keine Ideen, keine Motivation, keine Lust. Überforderung. Dazu diese Reizbarkeit, Dünnhäutigkeit und Ungeduld. Zynismus, Missmut, Indifferenz. Alles negativ.
Und auf einmal braucht man für Handlungen und Routinen der Arbeit, die man sonst mit Freude und Elan angegangen ist, ewig. Alles ist so zäh, man selbst ist so zäh. Und kann einfach nicht mehr, nichts mehr. Alles ist zu viel, zu anstrengend, zu anspruchsvoll. Man ist perplex: Neulich hat man es doch noch gekonnt?!
Und jetzt: Diese große Müdigkeit, dieses Nichtsmehr-Können und Nichts-mehr-Wollen. Wozu auch? Diese Arbeit … alles immer schneller, immer oberflächlicher, immer anspruchsloser. Und was soll ich noch darin? Was ist mein Sinn?
„Geh mal zum Arzt", sagt eine Freundin. Glücklicherweise sagt sie das. Dieser Schubs ist der erste Schritt auf einen wichtigen Weg. Einen Weg, von dem ich nicht weiß, wie lang er sein wird und wohin er führt. Ob überhaupt irgendwohin. Es ist der Weg mitten in einer Krise tiefer in diese Krise hinein. Es gibt keinen Routenplaner, keine Landkarte dafür – dichter Nebel, und ich muss losgehen. Nicht hier stehenbleiben und mich noch tiefer in mich hineinziehen lassen von diesem unbegreiflichen Sog.
Ja, da schwebt auf einmal dieses Wort im Raum: Burnout. Die Freundin hat es gesagt, meine Ärztin nicht. Aber auch sie hat es erkannt und gesagt: „Ich schreibe Sie jetzt erst mal krank. Und eine Diagnose-Chiffre auf den gelben Schein getippt, die ich kurz darauf im Internet nachschaue: Neurasthenie. Was mir da auf Griechisch kredenzt wird, ist eine „Nervenschwäche
. Schon habe ich eine überspannte, ohnmächtig gewordene Dame des 18. Jahrhunderts im viel zu üppigen, viel zu eng geschnürten Kleid vor Augen, die per Riechfläschchen wieder ins Hier und Jetzt geholt wird und alsdann einige Wochen im Bett verbringen soll, um sich zu schonen.
Nervenschwäche – als ob man sich nur mal ein bisschen zusammenreißen müsste und dann geht das schon wieder. Burnout gibt es also gar nicht.
Es gibt Tage, da