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Evidenzbasierung in der Lehrkräftebildung
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eBook577 Seiten5 Stunden

Evidenzbasierung in der Lehrkräftebildung

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Über dieses E-Book

Das Buch nähert sich dem Thema ‚Datengestützte Lernformate‘ im Kontext der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern aus einer bilanzierenden Perspektive. Vorgestellt und zusammengefasst werden Rahmenbedingungen, theoretische Begründungen und Zielsetzungen des Reformansatzes. Erfahrungsberichte zur praktischen Umsetzung und der empirischen Überprüfung des innovativen Lernformats ergänzen die Darstellung.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer VS
Erscheinungsdatum31. Jan. 2020
ISBN9783658224608
Evidenzbasierung in der Lehrkräftebildung

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    Buchvorschau

    Evidenzbasierung in der Lehrkräftebildung - Ingrid Gogolin

    Band 4

    Edition ZfE

    Reihe herausgegeben von

    Ingrid Gogolin

    Fakultät für Erziehungswissenschaft, Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland

    Die Reihe ‚Edition ZfE‘ wird von den Herausgeber(inne)n der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft verantwortet. In der Reihe werden Originalbeiträge publiziert, die den strengen Qualitätsmaßstäben für die Publikation von Manuskripten in der Zeitschrift standhalten. Veröffentlicht werden von Expert(inn)en begutachtete erstklassige Beiträge zu aktuellen Befunden und Entwicklungen der Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung. Die Zahl solcher Beiträge übersteigt die Möglichkeiten der Publikation in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Mit der ‚Edition ZfE‘ wird hier Spielraum eröffnet. Durch die Auswahl von Herausgeber(inne)n und die Themenwahl stehen die Beiträge zur Buchreihe ebenso wie die ZfE selbst für den interdisziplinären Charakter einer umfassenden Erziehungswissenschaft, deren Gegenstand der gesamte Lebenslauf des Menschen ist. Die gezielte Aufnahme internationaler Beiträge gewährleistet den Anschluss an erziehungswissenschaftliche Entwicklungen außerhalb Deutschlands. Die Leser(innen) der ‚ZfE-Edition‘ verfügen somit über eine zusätzliche Informationsquelle, die ihnen die für Erziehung und Bildung wichtigen internationalen und interdisziplinären Entwicklungen in weiten Bereichen der Erziehungswissenschaft zuverlässig, nüchtern und nachvollziehbar präsentiert.

    Weitere Bände in der Reihe http://​www.​springer.​com/​series/​13862

    Hrsg.

    Ingrid Gogolin, Bettina Hannover und Annette Scheunpflug

    Evidenzbasierung in der Lehrkräftebildung

    ../images/463333_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Ingrid Gogolin

    Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland

    Bettina Hannover

    Freie Universität Berlin, Berlin, Deutschland

    Annette Scheunpflug

    Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Bamberg, Deutschland

    ISSN 2512-0778e-ISSN 2512-0786

    Edition ZfE

    ISBN 978-3-658-22459-2e-ISBN 978-3-658-22460-8

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-22460-8

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

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    Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Inhaltsverzeichnis

    Evidenzbasierung​ als leitendes Prinzip in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern – Editorial 1

    Ingrid Gogolin, Bettina Hannover und Annette Scheunpflug

    Kompetenzfacetten und ihre Messung

    Forschendes Lernen in der Lehrer*innenbildung 13

    Franca Cammann, Kerstin Darge, Kai Kaspar und Johannes König

    Förderung von Datennutzungskom​petenzen in der Lehramtsausbildu​ng:​ Konzeption und Evaluation dreier Seminare 39

    Katharina Thoren, Jacqueline Wißmann, Marvin Harks, Marina Wenger, Annette Kinder und Bettina Hannover

    Die Einschätzung des Nutzens von Forschung als Voraussetzung für die Entwicklung einer forschenden Haltung von Lehramtsstudiere​nden 73

    Christina Egger und Jana Groß Ophoff

    Entwicklung diagnostischer Kompetenz in der Lehramtsausbildu​ng – Effekte problemorientier​ten Lernens mit Textfällen 95

    Alexander Wedel, Christin R. Müller, Jan Pfetsch und Angela Ittel

    Kompetenzentwick​lung für den Umgang mit Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit​ im Fachunterricht:​ Universitäre Lerngelegenheite​n und Kompetenzmessung​ in der Lehrer(innen)bildung 123

    Ilse Stangen, Tobias Schroedler und Drorit Lengyel

    Professionalisie​rung von Lehramtsstudiere​nden im Bereich Inklusion durch den Einsatz forschenden Lernens im Praktikum in pädagogisch-psychologischen Handlungsfeldern​?​ 151

    Michel Knigge, Karsten Krauskopf, Christian Jäntsch und Scarlett Kobs

    Beratungskompete​nz von Lehramtsstudiere​nden im erziehungswissen​schaftlichen Studium evidenzbasiert fördern – Das Bamberger Peer-Beratungstrainin​g 193

    Barbara Drechsel, Daniela Sauer, Jennifer Paetsch, Josephin Fricke und Jörg Wolstein

    Ausbildungskonzepte und Ausbildungsmethoden

    Studentische Bewertungen von Lerngelegenheite​n im Praxissemester – eine Analyse unter Berücksichtigung​ individueller Lernziele und Kompetenzwerte 217

    Sarah Mertens, Judith Schellenbach-Zell und Cornelia Gräsel

    Forschend lernen und Schule entwickeln durch den Aufbau von Campusschulen-Netzwerken:​ Potenziale für die Lehrerbildung 243

    Katrin Kleemann und Julia Jennek

    Strukturtheoreti​scher Professionsansat​z und Evidenzbasierung​?​ – Ein neues Instrument zur Erfassung professionalisie​rungsrelevanter fachübergreifend​er Merkmale von Lehramtsstudiere​nden 265

    Doris Wittek, Edina Schneider und Rolf-Torsten Kramer

    Eine Unterrichtsseque​nz – unterschiedliche​ Einschätzungen.​ Analyse videografierter Unterrichtsseque​nzen als Bestandteil einer evidenzbasierten​ Lehrer/​innenausbildung 291

    Katrin Gabriel-Busse, Lena Groß-Mlynek, Tobias Feldhoff und Marius Harring

    Ein videobasiertes Lehr-Lernformat als innovativer hochschuldidakti​scher Ansatz in der wirtschaftspädag​ogischen Lehramtsausbildu​ng 315

    Hannes Saas, Christiane Kuhn und Olga Zlatkin-Troitschanskaia

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    I. Gogolin et al. (Hrsg.)Evidenzbasierung in der LehrkräftebildungEdition ZfE4https://doi.org/10.1007/978-3-658-22460-8_1

    Evidenzbasierung als leitendes Prinzip in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern – Editorial

    Ingrid Gogolin¹  , Bettina Hannover²   und Annette Scheunpflug³  

    (1)

    Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland

    (2)

    FU Berlin, Berlin, Deutschland

    (3)

    Universität Bamberg, Bamberg, Deutschland

    Ingrid Gogolin (Korrespondenzautor)

    Email: gogolin@uni-hamburg.de

    Bettina Hannover

    Email: bettina.hannover@fu-berlin.de

    Annette Scheunpflug

    Email: annette.scheunpflug@uni-bamberg.de

    Zusammenfassung

    Die Ausbildung, die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland erhalten, sollte zu den besten der Welt gehören. Dafür sprechen viele Gründe. Zu diesen gehört, dass ihre grundlegende Phase fest im akademischen Ausbildungssystem verankert ist. Zugleich aber wird viel Kritik an der Lehrkräftebildung geübt – insbesondere im Hinblick auf die Fähigkeiten der Ausgebildeten, mit neuen Herausforderungen an die Berufsausübung zurechtzukommen. Die in diesem Band versammelten Beiträge richten sich auf Analysen zur Lehrkräftebildung. Vorgestellt werden Studien über Vorschläge zur Verbesserung ihrer Qualität.

    Schlüsselwörter

    Phasen der Lehrerbildungerziehungs- und bildungswissenschaftliches WissenFachwissenfachdidaktisches Wissenprofessionelle HandlungskompetenzZentrum für LehrerbildungSchool of EducationQualitätsoffensive Lehrerbildung

    Die Ausbildung, die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland erhalten, sollte zu den besten der Welt gehören. Dafür sprechen viele Gründe. Zu diesen gehört, dass ihre grundlegende Phase fest im akademischen Ausbildungssystem verankert ist. Hier geht es, dem Anspruch nach, um die Vermittlung und Aneignung grundlegenden, forschungsbasierten Wissens über Bildung in der individuellen ebenso wie der institutionellen Dimension, einschließlich der normativen Rahmung und der historischen Tradition, in der Wissen über Bildung jeweils steht, sowie den methodologischen und methodischen Grundlagen der Generierung von Wissen. Weitere Säulen sind die Aneignung von fundiertem Wissen im Fach und über die Vermittlung seiner Inhalte, also fachdidaktisches Wissen. Zudem sollen in dieser Phase die ersten Schritte auf dem Weg in die professionelle Praxis gegangen werden – noch nicht mit dem Anspruch der formvollendeten Bewältigung von Praxis, sondern mit der Intention, das erlangte Wissen über Bildung, Fach und Fachdidaktik exemplarisch auf den Praxisfall anzuwenden, wobei es zu den Effekten der Übung gehören soll, die Eignung für die Ausübung des Berufs im Ernstfall selbst einschätzen zu können zu erlernen.

    In der zweiten Phase der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern verändert sich der Fokus. Hier steht die Perspektive der Professionalisierung im Mittelpunkt, also die Aneignung der Fähigkeiten, die erforderlich sind, um das erlangte Wissen über Bildung sowie fachliches und fachdidaktisches Wissen systematisch auf alltägliches Handeln in Unterricht und Schule zu transferieren. Auch dieser Prozess soll wissenschaftlich informiert begleitet werden. Die sogenannte Berufseingangsphase flankiert das professionelle Handeln zu Beginn der beruflichen Laufbahn. Hier geht es um erste Versuche der Anwendung wissenschaftlichen Wissens im eigenen praktischen Handeln. In der sich anschließenden Zeit der Berufs- und Weiterbildung wird das routinierte professionelle Handeln weiter begleitet durch Möglichkeiten der Auffrischung und Aktualisierung von wissenschaftlichem Wissen. Intendiert ist, dass das alltägliche Handeln kontinuierlich im Lichte neuer Erkenntnisse über Bildung, über das Fach und seine Vermittlung reflektiert wird, und dass auf dieser Grundlage, wenn nötig, Adaptionen des Routinehandelns vorgenommen werden.

    Damit ist das Konzept der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland skizziert. Es entspricht den Rahmenkonzepten, die für humanwissenschaftliche Disziplinen mit praktischem Anwendungsfeld generell gefunden wurden. Und es reflektiert nicht nur Antworten auf die Frage, welches Fähigkeitsprofil für erforderlich erkannt wurde, damit Unterricht und Bildung verlässlich möglich und von individuellen „Begabungen oder „Neigungen der (künftigen) Lehrinnen und Lehrer, soweit denkbar, unabhängig sind, sondern auch die Bedeutung, die der Ausübung des Lehrberufs beigemessen wird – schließlich ist eine solchermaßen durchdachte, gründliche Ausbildung langwierig und teuer.

    In der Realität jedoch erfüllt dieses ausgeklügelte System offenbar die Erwartungen nicht im erhofften Maße. Die Schwächen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrer werden öffentlich beklagt. So werden sie beispielsweise immer wieder als eine mögliche Ursache für das mittelmäßige Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler in den Large Scale Assessment-Studien der vergangenen beiden Jahrzehnte benannt. Deren Ergebnisse geben Anlass für die Vermutung, dass es Lehrkräften nicht in hinreichendem Maße gelingt, Unterricht so zu gestalten, dass die Lernenden beim systematischen Erwerb des für die Teilhabe an der Gesellschaft erforderlichen Grundwissens erfolgreich sein können – und zwar möglichst unabhängig von Merkmalen ihrer Herkunft. Dieses aber ist ein Versprechen, das mit dem System öffentlicher allgemeiner Bildung gegeben wird und zu dessen Einlösung professionelles Handeln von Lehrerinnen und Lehrern beitragen soll.

    Die Fähigkeit zur Gestaltung von Unterricht (und Schule) gehört aus einer „pragmatischen" Sicht auf das Lehramt (Baumert und Kunter 2006) zu den Kernfähigkeiten, über die eine Lehrkraft verfügen muss. Bereits in den 1990er Jahren wurde die Frage aufgeworfen, welche Komponenten das System der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern umfassen sollte, um diese Kernfähigkeiten zu vermitteln. In der von Ewald Terhart (2002) ausgearbeiteten Expertise für die Konferenz der Kultusminister der Länder wurden wesentliche Dimensionen der Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern differenziert beschrieben, auf die sich curriculare Komponenten der Ausbildung richten sollten. In der jüngeren Bildungsforschung pragmatischer Provenienz, zu deren meistzitierten Beispielen vermutlich das Forschungsprogramm COACTIV gehört (Kunter et al. 2011), wurden darüber hinausgehend metatheoretisch fundierte Modelle der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften vorgelegt und empirisch mit Blick auf die Effekte der entsprechenden Fähigkeiten auf das Lernen überprüft. Die theoretische Grundlage dieses Zugangs ergibt sich durch die „Verbindung von inhaltlichen, auf Anforderungsanalysen der beruflichen Tätigkeit beruhenden Wissensfacetten mit einem allgemeinen Professionsmodell" (Baumert und Kunter 2006, S. 480).

    Bei der Analyse der Zusammenhänge zwischen den beruflichen Fähigkeiten von Lehrkräften und der erfolgreichen Ausübung des Lehrberufs wird also seit geraumer Zeit der „empirische Weg" beschritten. Curriculare Konzeptionen oder Anforderungskataloge für die Ausbildung zu diesem Beruf ergaben sich dabei gleichsam als Beiprodukte. Für die empirische Überprüfung der Angemessenheit oder Wirksamkeit der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern liefern sie Grundlagen, die in einigen Studien zur Qualität der Ausbildung aufgegriffen wurden (beispielsweise König und Blömeke 2009). Insgesamt jedoch – von Ausnahmen wie der Studie von Oser und Oelkers (2001) über das schweizerische System abgesehen – waren die Aktivitäten, die die empirische Prüfung von Erträgen des Studiums von Lehrerinnen und Lehrern einschlossen, im deutschsprachigen Raum recht verhalten. Hascher (2011, S. 423) bescheinigt dem Feld eine schwach ausgeprägte Evaluationskultur, was unter anderem zurückzuführen sei auf die Komplexität der mit der Ausbildung verknüpften Ansprüche an die berufliche Handlungsfähigkeit.

    Dass auch im bildungspolitischen Raum ein hohes Interesse an der Frage besteht, was die Ausbildung für die Qualität der Ausübung des Lehrberufs leistet, ist unter anderem daran ersichtlich, dass beinahe alle Bundesländer ihre Ausbildungssysteme seit den 1990er Jahren durch eigens dafür eingerichtete Kommissionen unter die Lupe nehmen ließen (vgl. als ein Beispiel Keuffer und Oelkers 2001 für das hamburgische System). Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen dabei die Universitäten und die Pädagogischen Hochschulen (die nur in Baden-Württemberg noch existieren). Gegenüber deren Leistungen in der ersten Phase der Lehrkräftebildung bestanden stärkere Bedenken als gegenüber denen der zweiten und dritten Phase, die von den Kultusministerien selbst oder von freien Trägern verantwortet werden. Dafür mitverantwortlich war die Beobachtung, dass aus den neben Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik beteiligten Fächern heraus oft weniger Verantwortung für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern übernommen wurde, als es angesichts der Tatsache gerechtfertigt ist, dass viele dieser Fächer nur durch die Lehrkräftebildung überhaupt überlebensfähig sind – schließlich beruht die staatliche Alimentierung der Universitäten maßgeblich auf dem Faktor „Zahl der Studierenden".

    Eine wesentliche Folge der Begutachtungen durch die prüfenden Kommissionen waren Forderungen nach Reformen (vor allem des akademischen Teils) der Lehrkräftebildung, teilweise verbunden mit Vorschlägen für strukturelle Veränderungen. Ein Beispiel dafür ist die erwähnte Expertise über die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Hamburg (Keuffer und Oelkers 2001), zu deren weitreichendsten Ergebnissen gehörte, dass die Studierenden in der ersten Ausbildungsphase an der Universität nach der grundlegenden Einführung eine Schwerpunktbildung vornehmen sollten. Zur Wahl standen die „prioritären Themen Schulentwicklung, Medienbildung und Umgang mit sprachlicher, kultureller und sozialer Heterogenität in der Schülerschaft. Als eine Schwäche der bestehenden Ausbildung war im Gutachten des Weiteren das recht lose Verhältnis zwischen erster, zweiter und dritter Phase der Ausbildung hervorgehoben worden. Zur Behebung dieser Schwäche wurde ein neues Strukturelement eingeführt: Kommunikationsgemeinschaften aus Vertreter(inne)n der drei Bildungsphasen (sog. Sozietäten), die sich über Inhalte und Vorgehensweisen wechselseitig informieren und abstimmen sollten. Die Sozietäten bilden die Fächer bzw. Lernbereiche der Ausbildung sowie die oben genannten „prioritären Themen ab, in denen die Studierenden Schwerpunkte bilden sollten. Das ebenfalls neu etablierte „Zentrum für Lehrerbildung Hamburg (ZLH) war federführend für die Koordinierung dieser Aktivitäten. Zentren für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern mit unterschiedlichem Aufgaben- und Kompetenzzuschnitt (und mit unterschiedlicher Benennung) entstanden zwischenzeitlich in allen Bundesländern. An einigen Universitäten wurden sie als „School of Education gegründet, also mit dem Status der Fakultät.¹

    Diese bildungs- und wissenschaftspolitische Entwicklung führte zwar zu zahlreichen Reformen des Ausbildungsangebots in beinahe allen Bundesländern, nicht aber zu einer systematischen Etablierung von Verfahren der Prüfung von Qualität oder Wirksamkeit der Aktivitäten. Mit der Einführung von Akkreditierungen, die nach der Bologna-Reform auch für die Ausbildung zum Lehramt in den meisten Bundesländern erforderlich wurden, gerieten zwar sog. Lehrevaluationen zur Verpflichtung. Solche aber erlauben – für den Fall, dass ihnen vertrauenswürdige Verfahren unterliegen – lediglich eine Urteilsbildung über die Performanz der Person, die eine Lehrveranstaltung durchführt. Weder die Qualität eines Studiengangs, noch seine Effekte auf die teilnehmenden Studierenden können damit angezeigt werden.

    Mit der Vereinbarung über ein gemeinsames Programm zur Förderung der Qualität der Lehrkräftebildung (Bund-Länder-Vereinbarung über ein gemeinsames Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung" gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes. Fassung vom 12. April 2013) wurde dieser Aspekt aufgegriffen. Diese Aktivität ist bemerkenswert, weil sie in gemeinsamer Verantwortung von der Bundesregierung und allen Bundesländern getragen wird. Nicht zuletzt dies ermöglicht einen systemischen Zugang, bei dem alle Teile und Phasen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern einbezogen sein können – unabhängig von der Zuständigkeit in der Trägerschaft. Realisiert wird das Programm in der Obhut der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder (GWK) (vgl. https://​www.​gwk-bonn.​de/​themen/​foerderung-von-hochschulen/​qualitaetsoffens​ive-lehrerbildung/​; download am 10.08.2019). Finanziert wird die Maßnahme über einen Zeitraum von zehn Jahren (2013 bis 2023) mit bis zu 500 Mio. EUR aus Bundesmitteln.

    Anlass für diese Initiative war der bevorstehende Generationenwechsel bei Lehrkräften, verbunden mit Einsichten über veränderte Anforderungen an die Inhaber und Inhaberinnen des Lehrberufs, die sich auch in Ausbildung und berufsbegleitender Qualifizierung niederschlagen müssten. Ein weiteres Motiv für die Initiative war es, den Wechsel angehender Lehrkräfte zwischen den Bundesländern zu erleichtern – ein Motiv, das angesichts des Generationenwechsels im Lehrberuf und gleichzeitigem Ansteigen der Zahlen der Schülerinnen und Schüler nicht geringzuschätzen ist. In einem wettbewerblichen Verfahren konnten die Bundesländer und ihre lehrkraftbildenden Universitäten bzw. Hochschulen Aktivitäten vorschlagen, die den gesamten Prozess der Ausbildung – von der Einstiegsphase über den Eintritt in die Berufspraxis bis zur praxisbegleitenden Qualifizierung – nachhaltig verbessern sollten.

    In den inhaltlichen Anforderungen, die in der Ausschreibung an antragstellende Hochschulen bzw. Universitäten und ihre Sitzländer gerichtet werden, wird sichtbar, dass Desiderata vorheriger Reformansätze umfassend bearbeitet werden sollen. So wird beispielsweise die Zusammenarbeit von Fachwissenschaften, Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und schulpraktischen Lernorten ebenso eingefordert, wie eine stärkere Verzahnung der drei Phasen der Ausbildung (Bund-Länder-Vereinbarung 2013, § 3). Für das Thema dieses Bandes der Edition ZfE besonders bedeutsam ist es, dass zugleich die wissenschaftliche Überprüfung der Qualität und Wirksamkeit der geförderten Projekte zu den Voraussetzungen für die Förderung erklärt wurde. Die „Förderkriterien beinhalten, dass explizit darzulegen sei, „welche Ziele mit welchen Maßnahmen in den Handlungsfeldern nach § 1 überprüfbar in definierten Zeiträumen erreicht werden sollen (Bund-Länder-Vereinbarung 2013, § 4).

    Die zu diesem Band der Edition ZfE zusammengestellten Beiträge vermitteln einen Eindruck von der Vielfalt der Ansätze und Zugriffsweisen, die sich unter einer solchen Vorgabe versammeln lässt. Die Beiträge stammen vor allem aus Hochschulen, die in der bis 2019 laufenden ersten Förderphase der Initiative den Zuschlag erhalten hatten (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat Frühe und allgemeine Bildung 2018). Es handelt sich bei allen Beiträgen um Berichte aus der Forschungswerkstatt, denn zum Zeitpunkt der Textproduktion war noch keines der Projekte, über die informiert wird, an seinem Ende angelangt.

    Wir haben die Beiträge unter zwei Überschriften zusammengefasst.

    Die erste Überschrift „Kompetenzfacetten und ihre Messung betitelt jene Arbeiten, in deren Mittelpunkt ein spezifisches Element der Fähigkeiten steht, die Absolvierende der Lehrkräftebildung erworben haben sollten. In den Beiträgen wird begründet, warum gerade das Element der Ausbildung, dem sich das jeweilige Projekt zuwendet, besondere Aufmerksamkeit erfahren soll. Sodann wird – typischerweise in der Form der Darstellung des auf dieses Element gerichteten Lehrangebots – dargestellt, wie die gewünschten Fähigkeiten vermittelt und angeeignet werden sollen. Und schließlich werden die Ergebnisse der empirischen Prüfung der Frage vorgestellt, ob die ergriffenen Maßnahmen zu den Erfolgen führen, die man sich von ihnen erhofft. Versammelt sind in diesem Kapitel Beiträge zu den Kompetenzfacetten „Forschungskompetenz (Cammann, Darge, Kaspar und König, Universität zu Köln) und „Datennutzungskompetenz" (Thoren, Wißmann, Harks, Wenger, Kinder und Hannover, Freie Universität Berlin) – Kompetenzen also, die zunächst einmal grundlegend dafür sind, dass Studierende ein Lehramtsstudium angemessen gestalten. Auch der Beitrag von Egger und Groß Ophoff (Pädagogische Hochschule Freiburg) über die Fähigkeit Studierender zur Einschätzung des Nutzens von Forschung für das spätere berufliche Handeln zielt in diese Richtung.

    Die weiteren unter der ersten Überschrift zusammengefassten Beiträge befassen sich mit Grundlagen der Anbahnung von Fähigkeiten, die für die spätere Praxis im Beruf relevant sind. Im Beitrag von Wedel, Müller, Pfetsch und Ittel (Technische Universität Berlin) steht ein Interventionsprojekt zur Förderung der diagnostischen Kompetenz im Mittelpunkt. In der Studie von Stangen, Schroedler und Lengyel (Universität Hamburg) ist diagnostische Kompetenz ein Element der breiter gefassten Fähigkeit zum Unterrichten von sprachlich, kulturell und sozial heterogenen Lerngruppen. Die Autoren und Autorinnen haben das Augenmerk speziell auf die Gestaltung des sprachlichen Lernens in solchen Gruppen gerichtet. Im Beitrag von Knigge, Krauskopf, Jäntsch und Kobs (Universität Potsdam) wird über die Entwicklung professionsbezogener Überzeugungen bei Studierenden berichtet, die im Rahmen eines – in einem nicht-unterrichtsbezogenen Handlungsfeld zu absolvierenden – Praktikums systematisch forschendes Lernen betrieben haben. Noch weiter vom Aufgabenfeld der Unterrichtsgestaltung entfernt ist der Ansatz von Drechsel, Sauer, Paetsch, Fricke und Wolstein (Otto-Friedrich-Universität Bamberg), deren Vorschlag sich auf ein Seminarkonzept zur Stärkung der „Beratungskompetenz" angehender Lehrkräfte richtet.

    Unter der zweiten Überschrift sind Beiträge über „Ausbildungskonzepte und Ausbildungsmethoden versammelt. Im Beitrag von Mertens, Schellenbach-Zell und Gräsel (Bergische Universität Wuppertal) wird ein vieldiskutiertes Element von Reformkonzepten der Lehrkräftebildung unter die Lupe genommen: das Praxissemester. Die Autorinnen stellen exemplarisch die Form des Praxissemesters vor, die im Land Nordrhein-Westfalen obligatorisch ist. In ihrem Beitrag gehen sie der Frage nach der individuellen Wahrnehmung und Nutzung durch die Studierenden nach, und sie untersuchen, in welchem Verhältnis die Bewertung der Lerngelegenheiten im Praxissemester zu den bildungswissenschaftlichen Kompetenzen steht, die die Teilnehmenden nach Abschluss dieses Ausbildungselements aufweisen. Im von Kleemann und Jennek (Universität Potsdam) beigesteuerten Kapitel wird das Projekt „Campusschulen vorgestellt, in dem – mit dem Ziel der Stärkung von Kooperationen zwischen Universität und Schule – Lehrkräfte, wissenschaftlich Tätige und Lehramtsstudierende gemeinsam Netzwerke aufbauen, in denen schulpraktische Entwicklungsprojekte oder praxisrelevante Forschungsvorhaben realisiert werden. Der Text von Wittek, Schneider und Kramer (Martin-Luther-Universität Halle) greift weiter aus; präsentiert wird ein strukturtheoretischer Ansatz der Ausbildung, der auf einem strikt kasuistischen Vorgehen beruht. Intendiert ist hier zugleich, einen Beitrag zur grundlegenden Debatte über den Anspruch der „Evidenzbasierung" der Lehrkräftebildung zu leisten.

    In den beiden weiteren Beiträgen zu diesem Teil geht es um didaktisch-methodische Komponenten der Ausbildung. Die Frage ist hier namentlich, welche Leistungen von videogestützten Lehr-Lernformaten in der Ausbildung erwartet werden können. Gabriel-Busse, Groß-Mlynek, Feldhoff und Harring (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) stellen ein Projekt vor, in dem videographierte Unterrichtssequenzen zu den Themen „Klassenführung und „Kognitive Aktivierung von Studierenden, Lehrkräften und Expertinnen und Experten der Unterrichtsforschung beurteilt wurden. Der Vergleich der Urteile soll Grundlagen für die Einschätzung des Nutzens liefern, den Studierende – Novizinnen und Novizen bei dieser Aufgabe – aus videographiertem Unterricht für ihre Qualifizierung ziehen können. In ähnlicher Weise haben sich Saas, Kuhn und Zlatkin-Troitschanskaia (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) der Frage nach den potenziellen Leistungen videographierter Lehrformate zugewendet. Hier geht es um einen insgesamt in der Qualitätsoffensive eher weniger beachteten Ausbildungsgang: den für Studierende der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. In dem Beitrag, der den Band abrundet, wird gezeigt, dass die nahe an der späteren Praxis angesiedelte Auseinandersetzung mit berufstypischen Videobeispielen Chancen für die Lehrkräftebildung, aber auch Limitationen enthält.

    Der vorliegende Band der ZfE Edition illustriert das Spektrum der Aktivitäten, die sich darum drehen, die Potenziale besser zu nutzen, die mit dem eingangs angedeuteten Strukturmodell der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland verbunden sind. Es ist nicht intendiert, eine repräsentative Auswahl solcher Aktivitäten vorzustellen oder gar Bilanz über die (Miss-)Erfolge der Bemühungen zu ziehen. Dafür ist die Zeit noch nicht reif. Immerhin können die Beiträge Gesprächsstoff für die weiteren Entwicklungen liefern – durchaus auch zu der Frage, ob Evidenzbasierung nicht nur eine notwendige, sondern auch eine hinreichende Grundlage für die Qualitätsverbesserung der Lehrkräftebildung ist.

    Das Entstehen dieses Bandes ist ein Gemeinschaftswerk. Stellvertretend für die Personen, die das Zustandekommen unterstützt haben, möchten wir Christin Güldemund danken, ohne deren Expertise die Prozesse der Begutachtung und Aufbereitung der Beiträge nicht hätten gelingen können. Ein besonderer Dank gilt den Gutachterinnen und Gutachtern, deren sorgsame und konstruktive Auseinandersetzungen mit den für diesen Band eingereichten Beiträgen den Autoren und Autorinnen die Überarbeitung und den Herausgeberinnen die Auswahl der Texte erleichtert haben, die schlussendlich in den Band aufgenommen wurden. Den Beitragenden danken wir für die Geduld mit dem Produktionsprozess. Und nicht zuletzt sind wir Stefanie Laux ein lautes Dankeschön für die kundige verlegerische Begleitung dieses Bandes und unserer Reihe schuldig.

    Hamburg, Berlin und Bamberg, im August 2019

    Ingrid Gogolin, Bettina Hannover und Annette Scheunpflug

    Literatur

    Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (ZfE), 9(4), 469–520.

    Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat Frühe und allgemeine Bildung (2018). Eine Zwischenbilanz der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung". Erste Ergebnisse aus Forschung und Praxis. Berlin.

    Bund-Länder-Vereinbarung über ein gemeinsames Programm Qualitätsoffensive Lehrerbildung gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes. Fassung vom 12. April 2013.

    Hascher, T. (2011). Forschung zur Wirksamkeit der Lehrerbildung. In E. Terhart, H. Bennewitz, & M. Rothland (Hrsg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S. 418–440). Münster: Waxmann.

    Keuffer, J., & Oelkers, J. (Hrsg.) (2001). Reform der Lehrerbildung in Hamburg. Abschlussbericht der von der Senatorin für Schule, Jugend und Berufsbildung und der Senatorin für Wissenschaft und Forschung eingesetzten Hamburger Kommission Lehrerbildung. Weinheim: Beltz.

    König, J., & Blömeke, S. (2009). Pädagogisches Wissen von angehenden Lehrkräften. Erfassung und Struktur von Ergebnissen der fachübergreifenden Lehrerausbildung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 12(3), 499–527.

    Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss, S., & Neubrand, M. (Hrsg.) (2011). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster: Waxmann.

    Oser, F., & Oelkers, J. (Hrsg.) (2001). Die Wirksamkeit der Lehrerbildungssysteme. Von der Allrounderbildung zur Ausbildung professioneller Standards. Zürich: Ruegger.

    Terhart, E. (2002). Standards für die Lehrerbildung. Eine Expertise für die Kultusministerkonferenz (ZKL-Texte Nr. 24 der Universität Münster). Münster.

    Fußnoten

    1

    Vgl. Übersicht im Fachportal Pädagogik: https://​www.​fachportal-paedagogik.​de/​forschungsinform​ation/​Zentren-fuer-Lehrerbildung-in-Deutschland-12198-de.​html, download am 10.08.2019.

    Kompetenzfacetten und ihre Messung

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    I. Gogolin et al. (Hrsg.)Evidenzbasierung in der LehrkräftebildungEdition ZfE4https://doi.org/10.1007/978-3-658-22460-8_2

    Forschendes Lernen in der Lehrer*innenbildung

    Erfassung und Struktur von anwendungsbezogenem Methodenwissen als Aspekt studentischer Forschungskompetenz

    Franca Cammann¹  , Kerstin Darge¹  , Kai Kaspar²   und Johannes König¹  

    (1)

    Department Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln, Köln, Deutschland

    (2)

    Department Psychologie, Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln, Köln, Deutschland

    Franca Cammann (Korrespondenzautor)

    Email: franca.cammann@uni-koeln.de

    Kerstin Darge

    Email: kerstin.darge@uni-koeln.de

    Kai Kaspar

    Email: kkaspar@uni-koeln.de

    Johannes König

    Email: johannes.koenig@uni-koeln.de

    Zusammenfassung

    Obwohl Forschendes Lernen immer mehr Einzug in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung erhält, gibt es bislang kaum Befunde zur Struktur der Forschendem Lernen zugrunde liegenden Kompetenzen. Der vorliegende Beitrag setzt an diesem Desiderat an, indem er ein Testinstrument vorstellt, das anwendungsbezogenes Methodenwissen als Teil studentischer Forschungskompetenz erfasst. Auf Basis der Daten von 635 Lehramtsstudierenden erfolgt ein IRT-basierter Vergleich zwischen einem eindimensionalen Generalfaktormodell und einem theoriegeleitet entwickelten Modell, welches die Forschungskompetenz angehender Lehrkräfte anhand der fünf typischen Phasen eines studentischen Forschungsprozesses modelliert. Erwartungskonform weisen die Ergebnisse das fünfdimensionale Modell als das überlegene aus und bestätigen die curriculare, diskriminante und konvergente Validität der Testung. Unser Ansatz leistet somit einen Beitrag zur Messung und Strukturierung anwendungsbezogenen Methodenwissens. Die empirisch abgesicherte Dimensionierung ermöglicht eine differenzierte Erfassung des Konstrukts und bietet das Potenzial, auch Teilleistungen abzubilden, die bei einer eindimensionalen Modellierung verdeckt blieben.

    Schlüsselwörter

    Forschendes LernenLehrer*innenausbildungForschungskompetenzItem-Response-TheoryMehrdimensionales Rasch-Modell

    Abstract

    Although research-based learning more and more finds its way into teacher training, so far there are hardly any findings specifying the structure of competencies underlying research-based learning. This contribution faces this desideratum by presenting a test instrument which captures application-oriented methodical knowledge as a part of student’s research competence. Based on a sample of 635 student teachers we draw IRT-based comparisons between a one-dimensional general-factor-model and a theoretically based model, which specifies research competencies of future teachers by means of the five typical stages of a student’s research process. As expected, the five-dimensional model proves to be the superior one and the survey’s curricular, discriminant and convergent validity is confirmed. Our approach thus contributes to the measurement and dimensional structuring of application-oriented methodological knowledge. The empirically verified dimensioning allows a differentiated assessment of the construct and offers the potential to represent partial performances that might remain concealed in one-dimensional modelling.

    Keywords

    Item-Response-TheoryMulti-dimensional Rasch-ModelResearch-based learningResearch competenciesTeacher training

    1 Einleitung

    Die Fähigkeit, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen, gehört zu den wichtigsten Zielkompetenzen einer akademischen Ausbildung (KMK 2005). Entsprechend wird in zahlreichen für die Lehrer*innenbildung relevanten Dokumenten die Bedeutung hervorgehoben, angehende Lehrkräfte möglichst früh an wissenschaftliches Denken und Handeln heranzuführen (z. B. WR 2001). Damit wird insbesondere auf die Förderung einer forschenden kritisch-(selbst)reflexiven Grundhaltung gezielt (Helsper 2001), welche mit Blick auf die Anforderungen einer durch ständigen Wandel und Komplexität geprägten Berufspraxis als zentrales Element professioneller Handlungskompetenz im Lehrer*innenberuf definiert wird (Kullmann 2011).

    Forschendes Lernen gilt als besonders vielversprechendes Format, um geeignete Lerngelegenheiten zu schaffen und den Kompetenzerwerb der Studierenden effektiv zu fördern (Gess et al. 2017). Bislang liegt zwar noch kein einheitliches Begriffsverständnis vor. Dem in der Forschungslandschaft dominierenden Diskussionsstrang folgend orientiert sich dieser Beitrag jedoch an der insbesondere von Huber (2009) geprägten Definition, welche Forschendes Lernen als das aktive Durchlaufen eines vollständigen Forschungsprozesses versteht. Entsprechende Lehr-/Lernformate können vielfältig gestaltet sein und wurden an zahlreichen Hochschulstandorten bereits durch unterschiedliche Konzepte umgesetzt (z. B. Schneider und Wildt 2003). Bisher gibt es allerdings kaum empirische Befunde zur Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass kein Instrument vorliegt, welches die Forschendem Lernen zugrunde liegenden Kompetenzfacetten mit Blick auf die Lehrer*innenbildung zuverlässig und valide misst.

    Der vorliegende Beitrag setzt an diesem Desiderat an und stellt ein Testinstrument vor, das auf die standardisierte Erfassung von anwendungsbezogenem Methodenwissen bei Lehramtsstudierenden zielt. Dieses wird als wichtige kognitive Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung von typischen Anforderungen im Bereich des Forschenden Lernens betrachtet. In Anlehnung an die verbreitete Kompetenzdefinition von Weinert (2001) fassen wir anwendungsbezogenes Methodenwissen als einen zentralen Aspekt studentischer Forschungskompetenz auf. Anhand der Testdaten von 635 Studierenden soll daher die dimensionale Strukturierung des bisher recht unterschiedlich und teilweise unpräzise definierten Konstrukts der Forschungskompetenz vorangetrieben werden. Nach einer Skizzierung der empirischen Forschungslage wird ein exemplarischer Überblick über bisherige Modellierungsansätze gegeben. Auf Basis der theoriegeleiteten Konzeptualisierung wird die Hypothese aufgestellt, dass es sich beim anwendungsbezogen Methodenwissen von Lehramtsstudierenden nicht um ein homogenes Konstrukt handelt, sondern zwischen verschiedenen Anforderungsdimensionen differenziert werden muss. Diese Annahme wird über einen IRT-basierten Vergleich von theoretisch begründeten Modellen unterschiedlicher Dimensionalität empirisch überprüft.

    2 Ansätze zur Messung studentischer Forschungskompetenz

    Im Zuge der Bologna-Reform, der Exzellenzinitiative und der Diskussion über den Europäischen Qualifikationsrahmen hat die Kompetenzmodellierung im tertiären Bildungssektor eine enorme Bedeutungssteigerung erfahren (Blömeke und Zlatkin-Troitschanskaia 2015; Kuhn et al. 2016). Im Bereich der universitären Lehrer*innenbildung wurde dabei ein besonderer Fokus auf die Messung fachspezifischer kognitiver Kompetenzen gelegt, wobei insbesondere im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich sowie für die Unterrichtsfächer Deutsch und Englisch vielversprechende Instrumente entwickelt wurden (z. B. TEDS-M, Blömeke et al. 2010; TEDS-LT, Blömeke et al. 2011; PKE, König et al. 2016). Fächerübergreifende Kompetenzen wurden mit Blick auf das deutsche Lehramtsstudium bisher insbesondere in Zusammenhang mit pädagogischer Kompetenz untersucht (z. B. LEK, König und Seifert 2012). Die standardisierte Erfassung von anwendungsbezogenem Methodenwissen stellt – genau wie die Messung des übergeordneten Konstrukts der Forschungskompetenz – jedoch bislang ein Forschungsdesiderat dar.

    In der Fachliteratur lassen sich zwar verschiedene Ansätze zur Messung verwandter Konstrukte ausmachen. Diese fokussieren jedoch meist nur Teilaspekte eines empirischen Forschungsprozesses und/oder konzentrieren sich auf andere Fachdisziplinen. So erfolgt die Modellierung relevanter Teilkomponenten beispielsweise in Form der auf die Identifizierung von Informationsbedarfen/Forschungsfragen sowie die Informationsrecherche, -verarbeitung und -bewertung bezogenen Information Literacy (Catts und Lau 2008), der auf die Organisation und Analyse statistischer Informationen zielenden Statistical Literacy (Ben-Zvi und Garfield 2004) und dem unter anderem auf evidenzbasiertes Problemlösen, fachwissenschaftliches Argumentieren sowie die Interpretation und Reflexion wissenschaftlicher Ergebnisse fokussierten Critical Thinking (Dunn et al. 2008). Als Beispiele für Konzepte aus anderen Fachdisziplinen lassen sich exemplarisch die auf den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess konzentrierte Scientific Literacy (Chang et al. 2011) sowie die auf die Sozialwissenschaften bezogene Domänenspezifische Forschungskompetenz (Gess et al. 2015) anführen. Den gesamten Forschungsprozess fokussierende und (auch) für den bildungswissenschaftlichen Bereich konzipierte Instrumente beruhen überwiegend auf Selbsteinschätzungsfragebogen (z. B. Böttcher und Thiel 2016; Harazd et al. 2016). So misst etwa der von Böttcher und Thiel (2016) entwickelte „Fragebogen zur Erfassung studentischer Forschungskompetenzen" (F-Komp) anhand einer fünfstufigen Likert-Skala, wie Studierende ihre Recherche-, Methoden-, Reflexions- und Kommunikationskompetenzen sowie ihr forschungsbezogenes fachliches Wissens bewerten. Doch auch wenn entsprechende Selbstbeurteilungsverfahren ebenso in anderen Bereichen der Kompetenzmessung weit verbreitet sind (Rauin und Meier 2007), ist ihre Aussagekraft im Hinblick auf die tatsächlichen Kompetenzstände von Studierenden als begrenzt anzusehen. Hintergrund ist, dass individuelle Kompetenzeinschätzungen stets mit nicht kontrollierbaren Beurteilungsverzerrungen einhergehen und sich oft nur geringe Zusammenhänge zwischen subjektiven und objektiven Kompetenzmessungen nachweisen lassen

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