Über die Merkwürdigkeiten der Quantenmechanik
Von Josef Honerkamp
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Die Quantenmechanik ist eine physikalische Theorie für Objekte des Mikrokosmos, also z.B. für Atome oder Elektronen. Sie hat sich bisher bestens bewährt, führt aber dazu, dass wir diesen Objekten Eigenschaften und Relationen zubilligen müssen, die weder mit unserem gesunden Menschenverstand noch mit den Begriffen der klassischen Physik vereinbar sind. Diese Merkwürdigkeiten werden vorgestellt und ihre Bedeutung für unser Erkenntnisvermögen und für ein Weltbild wird diskutiert.
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Buchvorschau
Über die Merkwürdigkeiten der Quantenmechanik - Josef Honerkamp
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
J. HonerkampÜber die Merkwürdigkeiten der Quantenmechanikessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-31879-6_1
1. Einleitung
Josef Honerkamp¹
(1)
Fakultät für Mathematik und Physik, Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland
Josef Honerkamp
Email: JosefHonerkamp@web.de
Ende des 19. Jahrhunderts gab es zwei große etablierte physikalische Theorien: die klassische Mechanik Newtons und die Elektrodynamik Maxwells. Alle Phänomene, denen man zu dieser Zeit in der Lebenswelt begegnete, konnte man im Rahmen dieser Theorien verstehen: Bewegungen am Himmel und auf der Erde, elektrische und magnetische Effekte. Dieses Verständnis hatte mit der Zeit auch zu technischen Innovationen wie Telefon, Elektromotor und elektrischem Licht geführt. Die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz im Jahre 1886 sollte sogar zu einer neuen Ära, zum sogenannten Informationszeitalter, führen.
Mit der Physik der damaligen Zeit glaubten manche schon einen Überblick über die Dinge der Welt und ihre Beziehungen zueinander zu haben und damit zu wissen, wie sich die Natur im großen Ganzen verhält. Dieser Glaube wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts bald heftig bezweifelt und schließlich in den 20er-Jahren gründlich erschüttert. Die Experimentiertechnik war inzwischen so weit gediehen, dass man sich auch daranmachen konnte, die Struktur der Materie zu erforschen. Denn mehr als Vermutungen aus der Antike kannte man bis dahin nicht, z. B. die Hypothese von Demokrit, dass die Materie aus diskreten unteilbaren Konstituenten, sogenannten Atomen (atomos, gr.: unteilbar), bestehen soll. Akribische Experimente waren nötig, um heraus zu finden, dass es so etwas wie Atome wirklich geben musste. Diese konnten allerdings nur sehr viel kleiner sein als alles, was einem im täglichen Leben begegnet: Der Durchmesser eines Atoms erwies sich etwa 500.000-mal kleiner als der Durchmesser eines Haars.
Die Frage nach der Struktur der Materie zog so auch die Frage nach der Struktur eines Atoms nach sich und so entdeckte man weitere Objekte, die noch einmal um Größenordnungen kleiner sein mussten. Man kam sich vor wie ein Mensch, der aus einer Provinz, die er leidlich gut kennt, in ein neues Land kommt, in dem ganz andere Verhältnisse herrschen. Man sollte bald sehen, dass in diesem neuen „Land der kleinsten Dimensionen" viele gewohnte und für selbstverständlich gehaltene Vorstellungen von Dingen und Kräften der Natur über Bord geworfen werden mussten.
Es liegt nahe, hier eine Parallele zu der Zeit zu sehen, in der die Europäer die Seefahrt so weit beherrschten, dass sie auch zu entfernteren Gegenden der Erde segeln konnten. So entdeckten sie neue Länder und Gesellschaften, auch mit ganz anderen Sitten und Gebräuchen. Diese Erweiterung des Horizontes war aber für unser Bild vom Menschen und der Welt absolut harmlos gegenüber den Einsichten, die den Physikern bei der Entdeckung des Landes der kleinsten Dimensionen allmählich zu Bewusstsein kamen. Das zeigt sich an mindestens drei bedeutenden Unterschieden:
Erstens, die Exploration der Erde ist seit einiger Zeit im Wesentlichen abgeschlossen; man kennt heute jeden Fleck der Erde. Die Exploration der Welt – und hier ist wirklich die ganze Welt gemeint und nicht wie immer noch üblich allein die Erde – begann eigentlich erst mit der Wende zum 20. Jahrhundert und ein Ende ist auch heute nicht abzusehen. Wahrscheinlich wird es nie ein solches Ende geben können.
Zweitens, man kann heute vermuten, dass es sinnvoll ist, in einer Landschaft der Größenordnungen auch noch von einem „Land der größten Dimensionen zu reden, mit Objekten von unvorstellbarer Größe wie Galaxien, Galaxienclustern und noch weit größeren Strukturen. Unsere Welt, in der wir leben und alles ungefähr ein menschliches Maß hat, wäre dann als ein „Land der mittleren Dimensionen
zu bezeichnen. Man könnte diese drei „Länder" auch den Mikrokosmos, Mesokosmos und Makrokosmos nennen. Die Physik hatte bis Anfang des 20. Jahrhunderts nur den Mesokosmos erkundet; man nennt diese Physik heute auch die klassische Physik.
Mit dieser groben Einteilung betont man, dass es zwei Sorten von Neuland außerhalb unseres Landes der mittleren Dimensionen gibt (Abb. 1.1). Die Erforschung des Landes der größten Dimensionen scheint erst heute in eine dynamische Phase zu treten.
../images/504582_1_De_1_Chapter/504582_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Grobe Klassifizierung bestimmter Objekte nach Größe und Komplexität (grau hinterlegt: Bereiche der kleinsten bzw. der größten Dimensionen). Objekte wie Planeten (Erde) können dabei an verschiedenen Stellen auftreten, je nachdem, wie viele ihrer Eigenschaften man berücksichtigen will (R steht für Größenordnung in m, N für Anzahl der Freiheitsgrade = Maß für die Komplexität, nach (Honerkamp,