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Können Tomaten träumen?: Von der Intelligenz der Erde - Aufbruch zu einem neuen Naturverständnis
Können Tomaten träumen?: Von der Intelligenz der Erde - Aufbruch zu einem neuen Naturverständnis
Können Tomaten träumen?: Von der Intelligenz der Erde - Aufbruch zu einem neuen Naturverständnis
eBook363 Seiten4 Stunden

Können Tomaten träumen?: Von der Intelligenz der Erde - Aufbruch zu einem neuen Naturverständnis

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Über dieses E-Book

Können Tomaten träumen?
Hat Wasser ein Gedächtnis?
Ist die Erde ein Lebewesen?
Bestsellerautor Mathias Bröckers nimmt Sie mit auf eine Reise zu den Grenzen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Es hinterfragt das übliche Naturverständnis und gelangt so zu erstaunlichen Ergebnissen aus den Bereichen der Kosmologie, Anthropologie und Evolutionsbiologie.
"Wunder geschehen nicht im Gegensatz zur Natur sondern im Gegensatz zu dem, was wir von der Natur wissen." Augustinus
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Sept. 2015
ISBN9783864896200
Können Tomaten träumen?: Von der Intelligenz der Erde - Aufbruch zu einem neuen Naturverständnis

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    Buchvorschau

    Können Tomaten träumen? - Mathias Bröckers

    Einleitung

    »Wunder geschehen nicht im Gegensatz zur Natur, sondern im Gegensatz zu dem, was wir von der Natur wissen«, verkündete der Kirchenlehrer Augustinus im 5. Jahrhundert. Seitdem hat sich diese Erkenntnis vielfach bestätigt. Ein Mensch der Frühzeit, der mit den technischen oder medizinischen Errungenschaften unserer Tage konfrontiert worden wäre, hätte wohl kaum eine andere Auffassung von Flugzeugen, Fernsehern oder Röntgengeräten gewinnen können, als dass es sich dabei um übernatürliche Wunder handelt. Doch nicht anders als wir heute das Unwissen und die Naivität vergangener Epochen belächeln, werden die Historiker der Zukunft dereinst auf das unsere Zeit zurückblicken. Dass sich der Wissensschatz der Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht hat und moderne Forschungsmethoden sowohl bei der Durchdringung des Allerkleinsten als auch der unendlichen Weiten des Universums große Erkenntnisfortschritte gebracht haben, hat nichts daran geändert, dass bis heute fundamentale Bereiche der Natur im Dunkeln liegen.

    Den Biologen ist es zwar gelungen, die Gen-Bausteine der Organismen zu identifizieren, doch auf die entscheidende Frage »Was ist Leben?« haben sie noch keine Antwort gefunden; den Physikern gerannen die immer kleineren Materie-Teilchen, deren geheimnisvolles Wechselspiel sie beobachteten, zu einer unfassbaren »Wahrscheinlichkeitswolke«; und die meisten Kosmologen geben offen zu, dass zu einem Urknall ein Knallgesetz gehört, dass also am Anfang des Universums eigentlich nicht der Urknall gestanden haben kann, sondern die physikalischen Gesetze, nach denen der Knall abläuft. Trotz allen Erkenntniszuwachses scheint ein allwissendes Physiklehrbuch als Anfang aller Dinge von jenem mysteriösen Schöpfergott, dem Augustinus die Sache noch zuschrieb, nicht allzu weit entfernt. Auch wenn Forscher wie der Astrophysiker Stephan Hawking die bevorstehende Entdeckung der alles erklärenden Weltformel so tollkühn annoncieren wie die Adepten früher Zeiten den quasi auf der Hand liegenden Stein der Weisen – von einem durchdringenden Verständnis des Universums, der Materie und des Lebens kann auch mit dem Anbruch des 21. Jahrhunderts keine Rede sein. Und so ereignet sich auch in unseren Tagen noch vieles im Gegensatz zu dem, was wir von der Natur wissen, beziehungsweise im Gegensatz zu dem, was die Wissenschaft als Naturtatsache gelten lässt.

    Dieses Buch stellt neue Denkansätze, Hypothesen, Theorien aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen vor, die das etablierte Naturverständnis überschreiten. Es berichtet über ihre Forschungsergebnisse und Diskussionen – darunter Kosmologie, Biologie, Geologie, Quantenphysik, Evolutionsgeschichte, Katastrophentheorie und Bewusstseinsforschung – die in den vergangenen Jahrzehnten in ihren Fachbereichen für Aufsehen und Umwälzungen sorgten. Aufregend sind dabei aber nicht allein diese Forschungsergebnisse, es sind vor allem die neuen Verbindungslinien, die sich dadurch ergeben und die eine erweiterte Perspektive unseres Naturverständnisses eröffnen. Ich habe mich über lange Zeit mit diesen Themen nicht als Fachmann einer dieser Disziplinen beschäftigt, sondern als Wissenschaftsjournalist und neugieriger Beobachter. In Zeiten, in denen Experten der Masse von Fachveröffentlichungen nur in einem Fachbereich kaum hinterherkommen, birgt diese Wahrnehmung von außen durchaus Beobachtungsvorteile – neue Verbindungen, Zusammenhänge, Konsequenzen geraten eher in den Blick.

    Was John Brockman als »Dritte Kultur« bezeichnet – dass die neuen Weltbilder weniger von der ersten Kultur der Staatsmänner und Theologen oder der zweiten der Intellektuellen und Künstler, sondern von den Naturwissenschaften vorgegeben werden – wird in diesen Verbindungslinien deutlich: Wenn wir die Konsequenzen dieser in Detailbereichen gewonnenen Erkenntnisse zusammendenken, zeichnet sich ein Wandel des Weltbilds ab, der sich in der Heftigkeit kaum von jenen Wissenschafts-Revolutionen unterscheidet, die wir heute mit Namen wie Kopernikus, Darwin oder Einstein in Verbindung bringen.

    Die neuen Theorien, die in diesem Buch vorgestellt werden, sind nicht esoterisch – sie halten den Anschluss an den allgemeinen wissenschaftlichen Konsens und die bestehende Orthodoxie, auch wenn sie auf eine Erweiterung der bekannten Naturgesetze hinauslaufen. Ebenso sind sie aber auch nicht reduktionistisch, das heißt, es wird im Folgenden nicht der Versuch unternommen, scheinbar Übernatürliches auf ein paar simple Fakten zu reduzieren und einfach weg zu »erklären«. Vielmehr wird ein neuer wissenschaftlicher Untergrund skizziert, auf dem weniger das sogenannte Übernatürliche als übernatürlich erscheint, sondern eher unsere bisherige Wahrnehmung als unternatürlich.

    Neue Werkzeuge gebären neue Weltbilder und Sichtweisen. Als Leeuwenhoek, der Erfinder des Mikroskops, behauptete, im Speichel jedes Menschen lebten Bakterien, erklärten seine Zeitgenossen ihn für verrückt; wenig besser erging es später Darwin, als er die Primaten als Vorfahren der Menschen installierte, oder Freud, als er erstmals von einem Bereich des Unbewussten sprach. Zu allen Zeiten hatten Pioniere gegen ein tiefes Bedürfnis der Wissenschaft und des Zeitgeists zu kämpfen: den Glauben, dass bereits alles entdeckt sei. dass vor der Angst, über gesichertes Terrain hinauszugehen, selbst große, offene Geister nicht gefeit sind, zeigte Albert Einstein, als er sich standhaft weigerte, die quantenmechanischen Schlussfolgerungen seiner Relativitätstheorie zu akzeptieren. Ähnlich wie eine der Speerspitzen der europäischen Aufklärung, die Académie Française, herabstürzende Meteore noch 1790 zu Phantasiegebilden erklärte, weil das Fallen von Steinen vom Himmel »physikalisch unmöglich« sei. Dass Naturforscher für ihre grundstürzenden Entdeckungen leibhaftig verbrannt werden wie Giordano Bruno, mag heute ein eher unwahrscheinlicher Vorgang sein, verketzert und aus den Hallen der wissenschaftlichen Kirche verbannt wie sein Kollege Galilei werden sie bis heute. Das hindert freilich neue Naturtatsachen nicht am Erscheinen, und irgendwann sorgt spätestens die »biologische Lösung«, das Wegsterben einiger Wissenschafts- und Sinngeber-Generationen, dann für allgemeine Akzeptanz. Wie schnell alte »Irrtümer« durch neue »Wahrheiten« ersetzt werden, hängt dabei nicht allein von deren Wahrheitsgehalt ab: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und lässt sich von eingeübten, liebgewordenen Ansichten nur schwer abbringen; die Einsicht, dass sie »nicht das Wahre« sind, hilft allein oft wenig. Richtungswechsel findet deshalb meist abrupt statt, durch den Anstoß äußerer Faktoren. Das gilt für die kleinen Verrichtungen des Alltags wie für die großen der Wissenschaft.

    In diesem Buch geht es um einige liebgewordene Gewohnheiten wissenschaftlicher Weltbetrachtung, über die seit geraumer Zeit die Einsicht gewonnen wurde, dass sie »nicht das Wahre« sein können. Und es geht um die Pioniere, die sich mit diesen Einsichten vorwagten und dafür den Bannstrahl der wissenschaftlichen Kirche riskierten. Der Mediziner und Klimaforscher James Lovelock etwa wurde in den 70er Jahren verlacht, als er vorschlug, die gesamte Erde als lebendes System, als Organismus, zu betrachten; das Werk des Biologen Rupert Sheldrake wurde von der Zeitschrift »Nature« als »bester Kandidat für eine Bücherverbrennung« bezeichnet, weil er das ungelöste Rätsel der Formenbildung in der Natur auf Informationsübertragungen durch »morphische Felder« zurückführte; der Forstmeister Viktor Schauberger wurde als ungebildeter Aufschneider abgetan, als er die »implodierende« innere Energie des Wassers entdeckte und begann, sie physikalisch zu nutzen; der Psychoanalytiker und Mythen-Forscher Immanuel Velikovsky wurde als »Scharlatan« denunziert, als er von einschlagenden Himmelskörpern ausgelöste Globalkatastrophen und die Historizität der Sintflut behauptete. Und der Bewusstseinsforscher Timothy Leary wurde als Staatsfeind Nummer eins verfolgt und ins Gefängnis geworfen, weil er an der Harvard-Universität die »eleusischen Mysterien« wiederauferstehen ließ und dazu aufrief, mit Hilfe von Pflanzendrogen die lebende Ganzheit von innerem Weltraum und äußerer Natur zu erkunden. Der Biochemiker Ilya Prigogine erhielt zwar 1977 für seinen experimentellen Nachweis des Selbstorganisationsprinzips – der »dissipativen Strukturen«, die Ordnung in scheinbarem Chaos stiften – einen Nobelpreis, wurde jedoch vom Mainstream der Wissenschaft seitdem mehr oder weniger ignoriert.

    Je tiefere Einblicke in die Bausteine und Funktionsweise der Materie neue Werkzeuge und Methoden in diesem Jahrhundert bescherten, je genauer das Wissen um die Details des Mikrokosmos der Quantenwelt wurde, desto heftiger wurden die Forscher in die Makrostrukturen der Ganzheit, die innere Verbundenheit des gesamten Kosmos zurückgeworfen. Von dem Skandal, den Heisenberg 1927 entdeckte – dass die Bausteine der Materie nur als eine Art Wahrscheinlichkeitswolke existieren und erst ihren Platz einnehmen, wenn das Bewusstsein eines Beobachters Maß nimmt –, haben sich die Physiker bis heute nicht erholt. Und die Biologen beginnen gerade, sich nach 150 Jahren neodarwinistischer Verblendung die Augen zu reiben und erstaunt die Kehrseite der Evolutionsmedaille des individuellen »Kampfs ums Dasein« zu entdecken: Kooperation, Koevolution und Symbiose als treibendes, selbstorganisierendes, stets zu höherer Komplexität strebendes Evolutionsgesetz. Die Rolle des Ungleichgewichts, des Chaos, des Kataklysmus beim Hervorbringen neuer Ordnungszustände gerät nach Jahrhunderten des Wegerklärens aus den mechanistischen Uhrmacherwerkstätten wieder in den Blick: nicht als subversives, sondern als kreatives, nicht als destruktives, sondern als dynamisches Prinzip. Ein Prinzip, das nicht in den Teilen angelegt ist, sondern erst in ihrer Wechselwirkung als vernetztes Ganzes entsteht, und das auf der molekularen Ebene, in Zellverbänden, oder bei den Milliarden vernetzter Neuronen des Gehirns ebenso wirksam ist wie in Vogelschwärmen, sozialen Gruppen oder galaktischen Sternenhaufen. Es tritt beim Aufbau von Sonnensystemen ebenso in Aktion wie im System unserer Sinne, den biochemischen, neuroelektrischen Reaktionen des Gehirns. Gemeinsam ist diesen selbstorganisierten Systemen des Makro- wie des Mikrokosmos, dass das Ganze immer mehr weiß als die Summe seiner Teile.

    Darwin und seine Nachfolger lehnten eine kataklystische, von Katastrophen und Massenausrottungen unterbrochene Evolutionsgeschichte ab, weil das plötzliche Entstehen neuer Arten ihrer Meinung nach eine magische Hand, eine religiöse Schöpfung oder sonstige übernatürliche Einflüsse implizierte. Tatsächlich ist es kein Schöpfergott, sondern das schöpferische Prinzip der Selbstorganisation, das spontan neue Ordnungszustände hervorbringt. Diese Kraft ganzheitlicher Organisation ist schon bei so banalen Strukturen wie tropfenden Wasserhähnen oder fliegenden Vogelschwärmen zu beobachten: An bestimmten Punkten bilden chaotisch fallende Tropfen ein regelmäßiges Muster, Zugvögel fliegen in ganz charakteristischen Formationen, von denen der einzelne Vogel aber gar kein Bild haben kann. Ob Wasserturbulenz oder Vogelschwarm, das Gedächtnis dieser Formationen ist nicht in den einzelnen Gliedern angelegt – das einzelne Wasser-Molekül weiß nichts von der Welle –, sondern emergiert erst aus der Vernetzung vieler Einzelteile. Das Phänomen der Emergenz, das tatsächlich wie von magischer Hand neue Ordnungszustände hervorbringt, erschien deshalb jahrhundertelang wie etwas Übernatürliches, weil die Wissenschaft sich in einer Art detaillistischem Tunnelblick angewöhnt hatte, nur auf die Rädchen und Einzelteile, nicht aber auf das Ganze zu achten.

    Mit der Quantenverbundenheit auf der physikalischen Ebene, der Koevolution und Symbiose im biologischen Bereich und dem universellen dynamischen Prinzip der Selbstorganisation ist eine Dimension in das Zentrum wissenschaftlicher Welterklärung gerückt, gegen die sich der bis heute weitverbreitete Bauklötzchen-Materialismus des 18. Jahrhunderts vehement abgeschottet hatte: Bewusstsein. Der gute alte Dualismus von einer aus atomaren Billardkügelchen wie ein Uhrwerk aufgebauten Materie auf der einen Seite und einer davon separierten Sphäre des Geistes auf der anderen Seite ist damit definitiv erledigt. Wenn auf der Quantenebene alles mit allem verbunden ist, wenn das Geschehen in der Biosphäre auf Symbiose und gegenseitiger Hilfe aufbaut und wenn in offenen selbstorganisierenden Systemen das Ganze stets mehr »weiß« als die Summe seiner Teile, dann ist Bewusstsein – Geist – konstituierend für das gesamte materielle Naturgeschehen.

    Die Wende, die diese neue naturwissenschaftliche Sichtweise fordert, ist radikal, und entsprechend skandalös können einem alten Gewohnheiten verhafteten Denken die in diesem Buch vorgestellten Theorien vorkommen. In der Tat hätten sie bis vor kurzem einfach dem Bereich des Humbugs zugeschlagen und ihre Vertreter als esoterische, unwissenschaftliche Wundergläubige abgetan werden können. Doch der Rahmen der neuen postmaterialistischen Wissenschaft liefert den Untergrund, auf dem dieses scheinbar Übernatürliche nicht

    länger wegerklärt werden muss. Der Geist im Atom, das Gedächtnis der Natur und das Bewusstsein des Planeten sind keine Wunder, sondern Naturtatsachen – und sie eröffnen ein neues, erweitertes Verständnis eines multidimensionalen Universums, in dem Ufos, Außerirdische und Engel ebenso existieren können wie gedankenlesende Gummibäume, träumende Tomaten oder die Fernwirkung von Gebeten. Dass unsere Welt, auch die brettharte, klotzmaterialistische der Schreibtische, Kaffeetassen und Wolkenkratzer, aus einem feinst verwobenen Netz pulsierender Energie besteht, dass sich selbst die Felsmassive des Himalaja (in einem Zeitraum von 50 Milliarden Jahren) verhalten wie eine Flüssigkeit, dass alles fließt und das Universum buchstäblich in jedem Augenblick neu erschaffen wird, dass dieser unglaubliche Netzwerkprozess sich nur manifestiert, wenn er von einem Bewusstsein wahrgenommen wird, dass das menschliche Bewusstsein eine Untereinheit eines alles Organische und Anorganische umfassenden Netzbewusstseins der Biosphäre darstellt, dass innere und äußere Welt über dieses Bewusstseinsfeld verbunden, Kosmos und Einzelseele miteinander vernetzt sind, dass es möglich ist, diese Ganzheit der Natur zu erkennen, und nur die Unkenntnis dieses Zusammenhangs die gewaltsamen und selbstzerstörerischen Einschnitte zulässt, die von der Menschheit derzeit angerichtet werden – all diese Tatbestände sind nicht länger dem Terrain des Glaubens und der Wunder zuzuordnen, sondern dem des Wissens und der Erfahrungsmöglichkeit.

    Zur Disposition steht damit nicht weniger als das Grundlagenverständnis der wichtigsten wissenschaftlichen Disziplinen. Newton und seine Lehre einer ewigen, gleichförmigen Himmelsmechanik, der Darwinismus und seine Vorstellung eines ewigen, gleichförmigen Mechanismus der Evolution, Einstein und sein Gesetz, dass sich Information in diesem Universum niemals schneller bewegen kann als Licht, Freud und seine Vorstellung eines abgeschlossenen Psychosystems Mensch – mittlerweile zeichnet sich ein Ende dieser großen alten Wahrheiten ab. Da es sich um tief eingeprägte Gewohnheiten, Sichtweisen, Wahrnehmungen handelt, muss der Anstoß zu einem Blickwechsel ein kräftiger sein. Als träge Gewohnheitstiere haben wir uns angewöhnt, erst dann zu reagieren, wenn es wirklich auf dem Pelz brennt – doch ebendies scheint auf globaler Ebene jetzt schmerzhaft fühlbar zu werden.

    Als ein riesiger Asteroid vor 65 Millionen Jahren auf der Erde einschlug, wurden durch die globale Klimakatastrophe mit den Dinosauriern in der Folgezeit auch zwei Drittel aller Lebewesen vernichtet – heute, so haben Naturforscher ausgerechnet, hat die Massenausrottung von Arten wieder dasselbe Tempo erreicht wie nach diesem kosmischen Unfall in der Kreidezeit. Doch diesmal heißt die Katastrophe Mensch. Deshalb sind wir um unserer selbst und unserer Nachkommen willen zum schnellen Lernen gezwungen. Nach dem jahrhundertelangen Irrglauben, dass sich die Menschheit als naturbeherrschende Krone der Schöpfung selbstverständlich auf dem aufsteigenden Ast befindet, setzt sich zunehmend das Wissen durch, dass die Gattung dabei ist, den Ast, auf dem sie sitzt, zu zerstören, sowie die Ahnung, dass diese krankhafte Selbstzerstörung mit einem weitgehenden Missverständnis der Erde, des Lebens, des Selbst zu tun hat.

    »Die Erde mag ohne den Menschen ein Krüppel sein, der Mensch ohne die Erde zerfiele in Nichts.«

    Gustav Theodor Fechner, »Das Unendliche Leben«

    »Auch ein Stein hat Liebe, und seine Liebe sucht den Boden.«

    Meister Eckhart, »Predigten«

    1 Die Intelligenz der Erde

    Über einen lebenden Planeten in einem selbst­organisierten Universum

    Wir sind die Erde. Wir sind der Rhythmus von Tag und Nacht, wir sind die Bewegung der Erde um sich selbst und um die Sonne. Wir sind auch das Gewicht der Erde – wäre sie nur etwas schwerer und die Gravitation stärker, hätte alles eine andere Gestalt, auch unsere Körper. Wir sind die Geschwindigkeit der Erde. Mit über 100 000 Kilometern pro Stunde rast sie um die Sonne, mit Überschallgeschwindigkeit dreht sie sich dabei um sich selbst – und die ganze Galaxie bewegt sich mit dem unglaublichen Tempo von 500 Kilometern pro Sekunde durchs Weltall. Ein kosmisches Karussell – und uns flattert dabei nicht einmal ein Haar. Denn wir sitzen nicht auf ihm – wir sind dieses Karussell.

    Wir sind auch die Geschichte der Erde, die Geschichte der Mineralstoffe, des Wassers und des Sonnenlichts. Und die aus ihnen hervorgehende Geschichte des Lebens. Die Geschichte des Chaos, aus dem die Ursuppe – plötzlich – in eine neue Ordnung sprang. Und den fortpflanzungsfähigen Einzeller gebar. Wir sind die ganze Evolution, von der Bakterie bis zum Blauwal, und die Milliarden Neuronen unseres Gehirns stellen vielleicht nichts anderes dar als eine hoch organisierte, symbiotische Kolonie von Mikroben. Wir sind auch die Pflanzen, ohne die wir gar nicht sein könnten: Sie vollbringen das dauernde Wunder und verwandeln Licht in Leben.

    Wir sind die Erde – so sehr, dass wir sie erst verlassen mussten, um ein Gespür dafür zu bekommen: Die Erde lebt.

    Ende der 60er Jahre wurde der britische Mediziner, Klimaforscher und Erfinder James Lovelock von der Weltraumagentur NASA aufgefordert, Methoden für die Entdeckung von Leben auf dem Mars zu erkunden. Dazu musste er den Blick zuerst einem Planeten zuwenden, auf dem es zweifelsfrei Leben gab – der Erde. Schon die Gaszusammensetzung der Erdatmosphäre war erstaunlich, etwa die gleichzeitige Anwesenheit von Sauerstoff und Methan, die unter normalen Umständen aufeinander reagieren wie Fuchs und Hase und eigentlich in Kohlendioxid und Wasser zerfallen müssten. Um den ständigen Methangehalt aufrechtzuerhalten, so Lovelocks Berechnungen, müssten jährlich eine Milliarde Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangen. Auch Kohlendioxid, so fand er bei der weiteren Untersuchung heraus, ist zehnmal mehr vorhanden, als es nach den chemischen Erwartungswerten der Fall sein dürfte – ähnlich ist es bei Schwefel, Methylchlorid und anderen Atmosphären-Bestandteilen. Trotz dieses Ungleichgewichts aber bleibt die explosive Gasmischung der Atmosphäre stabil. Das konnte kein Zufall sein, genauso wenig wie die Salzkonzentration der Ozeane, die konstant bleibt, obwohl den Meeren jedes Jahr Millionen von Tonnen Salz zugeführt werden. Oder die Temperatur der Erde: In den vier Milliarden Jahren, seit organisches Leben auf dem Planeten erschien, ist die Temperatur der Sonne um mehr als 30 Prozent gestiegen. Auf der frühen Erde hätte danach die mittlere Temperatur eigentlich unterhalb des Gefrierpunkts liegen müssen – Fossilien jedoch zeigen, dass dies nicht der Fall war. Für Lovelock ließ das alles nur eine Erklärung zu: Um diese dauerhaften Nichtgleichgewichtszustände aufrechtzuerhalten, muss die Atmosphäre der Erde von Beginn an und ununterbrochen gesteuert worden sein – durch einen bewussten, lebendigen Prozess.

    Die Erdoberfläche besteht zu drei Vierteln aus Wasser. Dass dieser Planet »Erde« und nicht »Ozean« genannt wurde, hat vermutlich nur mit der Unkenntnis seiner Festlandbewohner zu tun: Als die Menschen den Namen »Erde« prägten, wussten sie weder von den gewaltigen Meeren, noch dass es sich dabei, zusammen mit einigen Inseln, im Ganzen um einen Planeten handelt. Und so nannten sie den Garten, der sie hervorgebracht hatte und der sie umgab, einfach »Mutter Erde«.¹

    Einige Jahrhunderte lang hat eine gebildete Minderheit im Abendland geglaubt, unser Planet sei eine tote Steinkugel, die nach mechanischen Gesetzen durchs All wirbelt. Auf ihrer Oberfläche war ein Automatismus in Gang gekommen, der aus einem organischen Schimmel immer komplexere Formen des Lebens entstehen ließ, aus dem sich dann irgendwann erkennende Wesen – die Menschen – entwickelten. Nach dieser bis heute weitverbreiteten Auffassung hätten unsere Vorfahren die Natur nicht so sehen können, wie sie ist – als ein scheinbar unbelebtes, auf kein Ziel gerichtetes physikalisches System –, weil sie ihre Hoffnungen und Ängste auf sie projizierten: Sie statteten die unbelebten Teile des Kosmos mit den Eigenschaften von Lebewesen aus, beseelten die Materie und sprachen nicht nur den Menschen, sondern auch Pflanzen und Tieren, Steinen und Flüssen einen Geist zu. Und sie versuchten, mit diesem Geist durch Rituale, Ekstasen und Gebete in Kontakt zu kommen. Rationale Erkenntnisse und wissenschaftlicher Fortschritt sagen uns, dass sich die physikalischen Abläufe der Natur nicht mit Zaubersprüchen beeinflussen lassen – sie folgen, von einem Zufallsgenerator in Gang gesetzt, den unpersönlichen, ewigen Gesetzen eines Uhrwerks.

    In jüngster Zeit allerdings ist diese Uhrmachersicht des Universums ins Wanken geraten – je tiefer die Naturwissenschaftler zu den kleinsten Bausteinen vorstießen, desto heftiger wurden sie auf die Komplexität des Ganzen zurückgeworfen. Die Quantenphysiker entdeckten unter der scheinbaren Einfachheit der Atome eine vibrierende Landschaft von Wechselwirkungen: Die Vorgänge in der beobachteten subatomaren Mikrowelt waren untrennbar mit der Makrowelt des Beobachters verbunden. Diese Erkenntnis riss die Wissenschaftler aus einer lange gehegten Illusion: dem Glauben, Natur als eine separierte Außenwelt »objektiv« erforschen zu können. Die Bahn eines Teilchens, die Frequenz einer Welle entsteht erst dadurch, dass ein Beobachter nach ihr Ausschau hält – woher aber »weiß« das Quantensystem, nach was gerade Ausschau gehalten wird? Für dieses Rätsel hat die Physik bis heute keine Antwort gefunden – und wenig spricht dafür, dass eine einfache Lösung, gar eine »Weltformel«, auf der Suche nach noch kleineren Teilchen – den Quarks, Hadronen oder Superstrings – jemals gefunden wird. Die Fragen der mysteriösen Kommunikation der Quanten, davon sind immer mehr Wissenschaftler überzeugt, lösen sich nicht im Blick auf die Einzelteile, sondern nur im Blick auf das Ganze.

    Die merkwürdige Verbundenheit des Universums auf der subatomaren Ebene wurde lange Zeit leutselig vom Tisch gewischt: als sogenanntes »Beobachterproblem« sollte sie nur für den Mikrokosmos gelten, während auf der Makroebene unseres Alltags weiterhin alles in bester mechanischer Bauklötzchen-Ordnung sei. Die jüngsten Erkenntnisse in zahlreichen Wissenschaftsbereichen – von der Biochemie über die Plasma-Forschung bis zur Wetterkunde – deuten allerdings darauf hin, dass auch ganz alltägliche Naturprozesse sich nicht aus der Aktivität ihrer Einzelteile, sondern nur durch die aktive Kommunikation des Ganzen erklären lassen.

    Der Schleimpilz Dicyostelium ist kein Pilz, sondern ein amöbenähnliches, einzelliges Lebewesen, das in verwesender Vegetation auf Waldböden vorkommt. Er pflanzt sich durch einfache Teilung fort, so dass die Nachkommen einer einzigen Zelle sich nach gewisser Zeit über ein größeres Gebiet ausbreiten. Wenn irgendwann die Nahrung der Umgebung erschöpft ist, geschieht etwas Außergewöhnliches: Die einzelnen Schleimpilze beginnen sich nach innen zu bewegen, sie rücken immer näher zusammen und verklumpen schließlich zu einem komplexen Organismus. Wie eine kollektive »Schnecke« kriecht dieses Wesen dann in ein neues Nahrungsgebiet und verwandelt sich dort erneut: Es errichtet einen Stengel, an dessen Spitze sich ein Fruchtkörper bildet, von dem sich in großer Zahl Sporen lösen und im Waldboden eine Kolonie bilden. Woher »weiß« der individuelle Schleimpilz, wann es Zeit ist, die Individualität aufzugeben und einen kollektiven Organismus zu bilden? Die einfache Teilung, der sich der Schleimpilz zur Fortpflanzung bedient, bedeutet, dass wir es bis heute mit einem seit den Frühzeiten des Lebens praktisch unveränderten Exemplar zu tun haben – sein Verhalten repräsentiere ein ebenso altes wie fundamentales Prinzip der Natur: das Prinzip der Selbstorganisation.

    Selbstorganisation, auch Autopoiesis genannt, ist die Fähigkeit zur spontanen Strukturierung. In seiner reinsten Form ist dieses dynamische Prinzip in offenen, in ständigem Austausch mit ihrer Umwelt befindlichen Reaktionssystemen zu studieren. Der Physiker und Chemiker llya Prigogine entdeckte in den 1970er Jahren, dass bestimmte Chemikalien, wenn sie vermischt werden, einen Zustand größerer Ordnung und nicht Unordnung hervorbringen. Er nannte diese aus stetigem Ungleichgewicht spontan hervortretenden neuen Ordnungszustände »dissipative Strukturen« und erhielt für ihre Erforschung den Nobelpreis für Chemie. Ihm hätte eigentlich der Nobelpreis für Optimismus gebührt. Denn diese »dissipativen Strukturen« laufen einem äußerst unangenehmen Gesetz, dem »Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik« zuwider, demzufolge alle Dinge wachsender Unordnung zustreben und das Universum insgesamt irgendwann unausweichlich im Wärmetod endet. Diese Tendenz wird wissenschaftlich »Entropie« genannt und ist auch den meisten Laien bekannt – als das Prinzip von Murphys Gesetz: »Alles, was schiefgehen kann, geht schief.«

    Prigogine nun konnte zeigen, dass dieses fundamentale Gesetz von offenen stoffwechselnden Systemen im Zustand hohen Ungleichgewichts unterlaufen werden kann: Sie sind in der Lage, auch äußerst unwahrscheinliche, instabile Zustände über lange Zeit aufrechtzuerhalten und das vom Zweiten Hauptsatz treffend vorausgesagte Anwachsen von Chaos umzusetzen – nicht das Auseinanderfallen in totale Unordnung ist dann das Ergebnis, sondern die Herausbildung neuer Ordnungsstrukturen.²

    Schleimpilze ernähren sich am liebsten von Bakterien, und solange genügend vorhanden sind, frisst jede einzelne Zelle munter vor sich hin und vermehrt sich fleißig. Wenn die Nahrung knapp wird, scheiden die einzelnen Schleimpilzzellen in rhythmischen Pulsen eine Chemikalie aus, die den anderen Amöben das Signal gibt, ihre Einzelexistenz aufzugeben und einen gemeinsamen Körper zu bilden. Wie diese Formbildung im Detail funktioniert, ist nach wie vor ein Rätsel; was Prigogine fand, ist nur das biochemische Kommunikationssystem, das dazu benutzt wird. Der von Schrittmacherzellen abgesonderte Botenstoff veranlasst die Einzelzelle, ihrerseits Botenstoffe abzugeben; es entsteht ein Rückkopplungsprozess, in dem sich die Zellen zu pulsierenden Wellen aufschaukeln – und an einem kritischen Punkt in eine neue Ordnung springen. Prigogine und seine Kollegen sehen solche selbstorganisierten Strukturen überall auftauchen: in der Biologie, in Fließbewegungen und Wirbeln, im Wachstum von Termitenbauten oder von Städten, bei der Bildung von Sternen und Galaxien oder der chemoelektrischen Signalübertragung des menschlichen Gehirns.

    Das wundersame Wirken der Selbstorganisation lässt sich im Prinzip an jedem Wasserhahn beobachten: Beim ganz langsamen Öffnen geht das gleichmäßige Tropfen irgendwann in chaotisches Tröpfeln über, das an einem kritischen Punkt plötzlich wieder einem geordneten Zustand weicht. Dreht man etwas weiter auf, bilden sich Wirbel und bleiben stabil, um dann, wenn der Druck zu stark wird, wieder in eine Phase chaotischen Spritzens überzugehen. Ähnliches geschieht, wenn wir Wasser zum Kochen bringen: Chaotisches Brausen und Sprudeln geht irgendwann in eine regelmäßige Blasenbildung über. Woher »weiß« das einzelne Wasserpartikel, wann es Zeit ist, aus einer individuellen in eine kollektive Fließbewegung überzugehen? Es ist, meint Prigogine, als wäre jedes Molekül über den Zustand des gesamten Systems »informiert«; es ist, als wüssten die Teile, dass sie Teile sind, zugehörig zum Ganzen.

    In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen Emily vorstellen. Sie werden vielleicht noch nichts von ihr gehört haben, aber das macht nichts – Emily ist eine unserer ältesten Verwandten. Mit ihrer Familie, dem alten Adelsgeschlecht derer von Emiliana huxleyii – aus dem weitverbreiteten Stamm Phytoplankton, der Blaualgen –, entwickelte Emily vor mehr als drei Milliarden Jahren die Fertigkeit, ein schwefelhaltiges Gas, Äthan-Sulfid, zu produzieren. Es mag nicht weiter bemerkenswert erscheinen, wenn ein so winziges Pflänzchen plötzlich beginnt, noch viel winzigere Mengen Abgas zu emittieren – doch wie heutzutage bei den Autos macht es auch bei Emily die Masse. Verglichen mit der Verbreitung ihrer

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