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CSR und Sportmanagement: Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen
CSR und Sportmanagement: Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen
CSR und Sportmanagement: Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen
eBook1.061 Seiten11 Stunden

CSR und Sportmanagement: Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen

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Über dieses E-Book

Sport ist mehr als nur eine gesellschaftlich integrative Kraft und ein mediales Massenphänomen. Gewalt im Profi- und Amateurfußball, der demografische Wandel, illegale Spielmanipulation sowie die schwierige Finanzausstattung von Sportorganisationen sind nur einige gesellschaftliche Herausforderungen, auf die rechtzeitig reagiert werden muss. Dieses Buch zeigt anhand von zahlreichen Fachbeiträgen und Praxisbeispielen die Notwendigkeit von nachhaltigen Management- und Entscheidungsmodellen im Sport. Dabei geht es um eine konsistente Strategie, klare Identifikation der Wertebasis sowie Transparenz gegenüber allen beteiligten Akteuren. Im Buch werden fragmentierte Debatten, Sichtweisen und Interessenslagen zusammengeführt und dem Thema CSR durch unterschiedliche Ansätze und Perspektiven näher geführt. Genau wie in der Wirtschaft gewährleistet die Implementierung von CSR im Kerngeschäft auch im Sportmanagement langfristigen Erfolg.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum20. Juli 2014
ISBN9783642548840
CSR und Sportmanagement: Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen

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    Buchvorschau

    CSR und Sportmanagement - Alexandra Hildebrandt

    Teil I

    Sport im Zeitalter der Globalisierung – Chancen und Herausforderungen

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    Alexandra Hildebrandt (Hrsg.)CSR und SportmanagementManagement-Reihe Corporate Social Responsibility10.1007/978-3-642-54884-0_1

    Nachhaltigkeit im Sport für eine bessere Welt

    Wilfried Lemke¹ 

    (1)

    Bremen, Deutschland

    Es handelt sich hier um eine grundlegend überarbeitete und erweiterte Fassung des Beitrages Sport für eine bessere Welt in Kainz, F. (Hrsg.); Scherrer, U. (Hrsg.); Werner, C. (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten Reflexionen zu Phänomenen, Möglichkeiten und Gefahren im kommerziellen Sport. S. 25–31

    1 Einleitung

    Dem Sport wird ein positives, verbindendes und kraftvolles Potenzial zugesprochen, das es im Dienst von Entwicklung und Frieden zu nutzen gilt. Sport, der hier stellvertretend für jegliche strukturierte körperliche Betätigung, für Bewegung und Spiel genannt wird, kann einen Beitrag für eine bessere Welt leisten, wenn sportliche Maßnahmen verantwortungsbewusst angeleitet und mit Entwicklungszielen verknüpft werden. Sport vermag es, Völker, Gemeinschaften und Individuen zu verbinden, soziale Brücken zu schlagen, wo andere Mittel versagen, und einen fruchtbaren Boden für Entwicklung und Frieden weltweit zu bereiten.

    Als Bestandteil und Motor des gesellschaftlichen Zusammenlebens kann Sport sowohl positiv zur Entwicklung des Einzelnen als auch von ganzen Gesellschaften beitragen. Sport hat die Kraft, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und grundlegende menschliche Werte wie Respekt, Toleranz, Fairness und Gleichheit zu vermitteln. Neben diesen allgemeinen Werten, die das Zusammenleben einer breiten Masse fördern können, werden auch die persönlichen Kompetenzen jedes Einzelnen gestärkt. Die sportliche Interaktion ist für die Mitwirkenden zugleich auch ein Training für den Umgang mit Konflikten und Emotionen und übt darin, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. So können durch sportliche Aktivitäten soziale Fertigkeiten und Werte vermittelt und erlernt werden, die über den Sport hinaus in jeder Gesellschaft Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben sind.

    Diese Erkenntnisse und diese Rolle, die Sport einnehmen kann, sind so neu nicht und sie gelten nicht nur für die Arbeit in Entwicklungsländern. In Deutschland beispielsweise haben ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Arbeitersportvereine eine vergleichbare Funktion gehabt. Sie führten junge Menschen über den Sport zusammen, die unter elenden Bedingungen leben mussten und deren Eltern oft aus anderen Regionen Deutschlands oder aus anderen Ländern in die Industriestädte gekommen waren, um Arbeit zu finden. Auch nach dem zweiten Weltkrieg war der Wiederaufbau Deutschlands verbunden mit der Wiederbelebung und, insbesondere in Neubaugebieten, mit der Neugründung von Sportvereinen. Die Ziele waren überall die gleichen: jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu bieten, ihren Bewegungsdrang zu kanalisieren und ihnen eine Alternative zum Aufenthalt auf der Straße mit all ihren Gefahren zu bieten.

    In Belgien lässt sich ganz aktuell beobachten, welche verbindende Kraft der Sport ausüben kann. Das Land ist 2014 in Brasilien erstmals seit 12 Jahren wieder bei einer Fußball-Weltmeisterschaft vertreten. Die Begeisterung im Land ist groß; so groß, dass bei Spielen der Nationalmannschaft im Vorfeld der Weltmeisterschaft im König-Baudouin-Stadion von Brüssel die Zuschauer die Nationalhymne sangen, Flamen und Wallonen gemeinsam auf Französisch – ein in diesem sprachlich zerrissenen Land eine außerordentliche Seltenheit.¹

    Hinzu kommt, dass viele der Spieler, die in dem Land diesen so lange vermissten Erfolg möglich machten, oder deren Eltern und Großeltern aus früheren Kolonien Belgiens oder anderen Ländern der Dritten Welt stammen. Aufgewachsen sind viele von ihnen in den armen Vororten der Großstädte Brüssel, Lüttich, Anderlecht, Antwerpen oder der Industriestadt Genk; Orten, wo in einigen Schulen der Migrantenanteil bei 90 % und mehr liegt.²

    Das zeigt: Der Sport hat auch in den entwickelten Gesellschaften nach wie vor eine wichtige Rolle. Dies gilt insbesondere für Länder mit erheblicher Zuwanderung. Hier wird Sport zunehmend als wirksames Mittel für Integration erkannt und genutzt.

    Insbesondere für junge benachteiligte Menschen kann der Sport nicht nur ihrem natürlichen Drang nach Bewegung eine Plattform bieten, sondern zugleich auch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken, Zukunftshoffnung stiften und die Eingliederung des Einzelnen in die Gesellschaft erleichtern bzw. sichern helfen. Je besser dies gelingt, umso mehr erweist sich der Sport für die Jugend als eine erstrebenswerte Alternative beispielsweise zu kriminellem Verhalten und Drogenkonsum.

    Das gilt erst recht für die armen Regionen der Welt, für die jungen Menschen in den Ländern, in denen die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung ihnen wenige Chancen bietet. Sportprojekte können ihnen Hilfe und Anregung bieten und sie zu mehr Engagement fur die eigene Entwicklung und Bildung ermuntern.

    Sport ist eine universelle Sprache, die verbindend wirkt und über die Grenzen von Regionen, Ländern und Kontinenten verstanden werden kann. Gemeinsame sportliche Betätigung kann Menschen über kulturelle, nationale, religiöse, sprachliche, soziale und andere Barrieren hinweg zusammenführen. Es ist zugleich ein kostengünstiges Instrument, das vielfältig einsetzbar ist.

    Vor diesem Hintergrund wurde 2001 die Funktion des Sonderberaters des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (UN) für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden geschaffen. Sein Mandat umfasst drei Aufgabenbereiche:

    Als Repräsentant vertritt er die Vereinten Nationen und ihren Generalsekretär bei wichtigen globalen Sportereignissen und bedeutenden Veranstaltungen zum Thema Sport für Entwicklung und Frieden.

    In seiner Funktion als Anwalt und Förderer der Entwicklungszusammenarbeit durch Sport führt er die sportpolitischen Bemühungen des UN-Systems an, koordiniert diese und weckt bzw. stärkt unter den Mitgliedsstaaten und anderen relevanten Akteuren das Verständnis für Sport als Mittel zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele und des Friedens.

    In seiner Rolle als Vermittler zwischen den Vereinten Nationen, ihren Mitgliedsstaaten, internationalen Sportorganisationen, Vertretern aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft, der Privatwirtschaft und den Medien regt der Sonderberater Dialog, Zusammenarbeit und Partnerschaften an und bestärkt eine internationale Zusammenarbeit für Entwicklung.

    Die Dienststelle des Sonderberaters, das Büro der Vereinten Nationen für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden (United Nations Office on Sport for Development and Peace, UNOSDP), unterstützt den Sonderberater bei der Umsetzung seiner Aufgaben. Es organisiert und vermittelt bei der Initiierung und Unterstützung von Sportprogrammen und -projekten, die in Verantwortung verschiedener Fonds, Programme und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen sowie externer Akteure durchgeführt werden. Zu diesem Zweck unterhält das Büro mit Sitz in Genf und New York Verbindungen zu einer Vielzahl von Partnern in allen relevanten Sektoren.

    Im Rahmen meines Mandats als Sonderberater, das ich 2008 übernommen habe, bin ich bemüht, die positive Kraft des Sports für die Umsetzung der Ziele der Vereinten Nationen, insbesondere der Millennium-Entwicklungsziele, zu nutzen und den Sport als verbindendes und soziales Mittel für Entwicklung und Frieden einzusetzen. Dabei stehen folgende Schwerpunkte im Vordergrund:

    1.

    Initiativen in Sub-Sahara-Afrika

    2.

    Sport als Mittler in Konfliktregionen

    3.

    Stärkung von Menschen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung

    4.

    Stärkung der Rolle von Mädchen und Frauen

    5.

    Förderung von Vorbildern für junge Menschen in armen Regionen („Role Models")

    Das vorrangige Ziel dieser Arbeit ist nicht, die Weiterentwicklung des Sports zu bewirken, Sport-Infrastrukturen aufzubauen oder zu erweitern. Stattdessen geht es darum, Sportprojekte zu unterstützen, die zur Entwicklung von Individuen, Gruppen und Gesellschaften beitragen.

    2 Die Millenniums-Entwicklungsziele der UN und der Sport

    Obwohl Sport nicht als Allheilmittel für Entwicklung angesehen werden kann, ist es weithin anerkannt, dass Sport zur Erreichung von Entwicklungszielen beitragen kann. Deshalb orientiert sich die Arbeit des Sonderberaters auch ganz gezielt an den von den Vereinten Nationen vorgegebenen Millenniumszielen, die bis 2015 erreicht werden sollen. Diese Ziele sind:

    1.

    Bekämpfung von extremer Armut und Hunger

    2.

    Primärschulbildung für alle Kinder

    3.

    Gleichstellung der Geschlechter

    4.

    Senkung der Kindersterblichkeit

    5.

    Bessere Gesundheitsversorgung der Mütter

    6.

    Bekämpfung von HIV, AIDS, Malaria und anderen Krankheiten

    7.

    Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit

    8.

    Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung

    Zur Umsetzung der acht Ziele bis zum Jahr 2015 bedarf es einer fortgesetzten großen Anstrengung der internationalen Gemeinschaft. Sport kann als Mittel für Entwicklung und Frieden einen besonderen Beitrag auf dem Weg zur Erreichung der Millenniumsziele leisten.

    Es gibt in vielen Ländern engagierte Projekte, die ganz nah an den Menschen arbeiten und über den Sport versuchen, den in den Millenniumszielen formulierten Ansprüchen näher zu kommen, ohne dabei diese Ziele immer explizit im Blick zu haben. In bin bei meinen Reisen unglaublich engagierten Menschen begegnet, die oft mit geringen materiellen Mitteln Sportprojekte am Laufen halten, die für viele junge Leute zentrale Anlaufpunkte darstellen. Diese Projekte und Initiativen nutzen mit viel Kreativität den Sport, um die Gesundheitsvorsorge zu verbessern, die Gleichberechtigung von Frauen zu fördern oder den traumatischen Folgen von Gewalt und Bürgerkriegen entgegenzuwirken. Vor allem aber sind sie geeignet, angesichts des sozialen Elends und der Perspektivlosigkeit vieler junger Leute Selbstbewusstsein und Engagement für eigene Bildung und Ausbildung zu erzeugen.

    Etwa 15 km nördlich der südafrikanischen Stadt Durban liegt die Township Kwa Mashu. Dort gibt es ein Sportprojekt, in dem etwa 10.000 Jugendliche und junge Erwachsene betreut werden. Es ist ohne ausländische Hilfe, allein durch die Initiative der Distriktregierung entstanden. Man kann das Projekt etwa mit einem Sportverein vergleichen, die es sonst in Südafrika kaum gibt, und schon gar nicht in Townships. Ich erfuhr bei meinem Besuch, dass dort neun verschiedene Sportarten ausgeübt werden (z. B. Basketball, Volleyball, Tischtennis, Schwimmen und Fußball). Die besten und zuverlässigsten Teilnehmer werden zu Übungsleitern ausgebildet. Alles wirkt sehr improvisiert und vieles funktioniert durch learning by doing. Aber diese Initiative schafft es, mit ganz wenig Ausstattung und noch geringerer finanzieller Unterstützung den Spiel- und Sportbetrieb für so viele junge Leute am Laufen zu halten. Geleitet wird das Projekt von Bamuthi Denalane, einem Mittzwanziger, der durchaus den Eindruck machte, alles im Griff zu haben. Für seine Arbeit bekommt er eine geringe Aufwandsentschädigung. Die Übungsleiter erhalten kein Geld, allerdings kann die Tätigkeit durchaus lohnenswert für sie sein. Wie ich dort erfuhr, wird es als Privileg angesehen, zum Übungsleiter ernannt und ausgebildet zu werden. Ihre Chancen, später eine Arbeit oder einen besseren Job als die anderen jungen Leute aus der Township zu bekommen, würden mit dieser Aufgabe steigen, erklärte man mir (Lemke 2010, S. 97 f.).

    Im Norden Kenias hatte ein erfolgreicher deutscher Sportartikel-Manager ein Fußball-Turnier ausgeschrieben, an dem diverse Mannschaften der Region teilnehmen konnten. Alle Mannschaften repräsentierten ethnische Gruppen aus der Region; Gruppen, die sich im Alltag oft feindlich gegenüberstehen. Der Clou der Veranstaltung kam aber erst, nachdem der Turniersieger ermittelt worden war: Die Veranstalter wählten aus allen Mannschaften die besten Spieler aus und bildeten aus ihnen eine neue Mannschaft. Die durfte dann gegen eine professionelle Mannschaft aus der kenianischen Liga antreten. So wurden aus Gegnern Mannschaftskameraden, die gemeinsam den Erfolg suchten. Im gemeinsamen Training und Spiel lernten sie jetzt die bisherigen Fremden oder gar Feinde neu kennen und schätzen, sie lernten mit Menschen zusammenzuspielen und sich auf die zu verlassen, die sie zuvor abgelehnt hatten oder denen sie zumindest bisher mit Argwohn begegnet waren. Ihnen allen gemeinsam war der der Stolz, als die Besten gegen die Profis spielen zu dürfen. Dieser Stolz war stärker als alle bisherige Feindseligkeit.

    Sportprogramme werden oft auch erfolgreich eingesetzt, um Menschen, die mit HIV/AIDS leben, zu integrieren und die durch ihre Krankheit bedingte Stigmatisierung zu reduzieren. Nicht zu vernachlässigen sind dabei auch die Effekte, die durch die Verbesserung der körperlichen Fitness erzielt werden. Dazu gehören eine verstärkte Resistenz gegen Krankheiten und nicht zuletzt auch das Wohlbefinden von Menschen mit unheilbaren Krankheiten. Die Förderung des körperlichen Wohlbefindens hat nicht allein den Erhalt oder die Wiederherstellung von guter Gesundheit und Fitness zum Ziel. Ebenso wichtig ist es, eine positive, selbstbewusste und gesunde Lebenseinstellung zu erreichen. Deshalb werden in der Entwicklungszusammenarbeit Sportprojekte initiiert, um Menschen, die an HIV/AIDS erkrankt sind oder die durch unterschiedlichste Formen von Gewalt traumatisiert sind, körperlich und mental wieder aufzubauen, ihnen Kraft zu geben und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten ist es notwendig, das Interesse für Gesundheitsinformationen zu steigern und den Zugang zu Gesundheitsprogrammen zu verbessern. Das bedeutet eben auch, bei den Betroffenen Bereitschaft und Einsicht zu erwirken. Sport kann hier als Anlockmittel dienen; das heißt, die Begeisterung für den Sport kann genutzt werden, um die Beteiligung an Gesundheitsarbeit zu ermöglichen.

    Ein solches Projekt habe ich in Südafrika, in der Nähe von Durban kennengelernt. Hier wurde Fußball mit AIDS-Prävention direkt verknüpft. Im Verlauf eines Fußballtrainings wurde die sportliche Betätigung nach einer gewissen Zeit für Aufklärungsunterricht unterbrochen. Dabei ging es allgemein um Sexualität, aber ganz besonders auch um AIDS und um die Verhütung. Alle Spieler und Spielerinnen – gemischte Mannschaften sind in Afrika keine Seltenheit – saßen auf dem staubigen Boden des Spielfeldes und hörten tatsächlich aufmerksam zu. Die Aufmerksamkeit hatte ihren Grund: Beim nächsten Turnier zählen nicht nur die Tore. Bestandteil des Spiels ist auch ein Test der Mannschaften zu Fragen rund um AIDS und Verhütung. Jede richtige Antwort geht in das Endergebnis des Spiels ein. Es zählen also nicht nur die geschossenen Tore, sondern es zählt auch das Wissen zu den Gesundheitsthemen.

    Inzwischen gibt es in Afrika eine Vielzahl an Projekten, die Sport mit Präventionskampagnen gegen HIV/AIDS verbinden, um Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, über die Immunschwäche-Krankheit aufzuklären. Die Fragen, die bei diesen Tests gestellt werden, sind einfach, aber an den Alltag der jungen Menschen angepasst. So hörte ich bei einem Spiel von zwei Mädchenmannschaften in Afrika folgende Testfrage: „Du gehst abends mit deinem Freund aus und er will dich verführen. Was ist dann besonders wichtig?" Die richtige Antwort lautete: Du musst ein Kondom bei dir haben und den Freund davon überzeugen, dass er es benutzt und auch richtig handhabt. In den Kursräumen vieler Sportprojekte habe ich Mädchen und Jungen gesehen, die an Penismodellen aus Holz lernten, wie ein Kondom übergezogen wird. Die eine oder der andere wirkten etwas verschämt, wenn ich auftauchte, aber die meisten gingen sehr offen und locker mit der Übung um (Lemke 2010, S. 101 f.).

    In Ruanda wurde ein spezielles Programm entwickelt, das Frauen und Kindern durch Yoga hilft, die traumatischen Auswirkungen des Genozids im Jahr 1994 zu bewältigen. Sie haben die Folgen von extremer körperlicher Gewalt, von Vergewaltigungen und der Infizierung von HIV/AIDS zu verarbeiten.

    Wie Mädchen und Frauen durch den Sport die Möglichkeit zur beruflichen und persönlichen Weiterbildung erhalten können, zeigt das Beispiel der Gründung der ersten Palästinensischen Frauenfußballliga im muslimischen Westjordanland 2011. Zuvor hatten Mädchen und Frauen keine Chance professionell und in einer öffentlichen Liga Fußball zu spielen.

    In Afrika gibt es Fußballturniere, bei denen Frauen nicht nur gemeinsam mit Männern Fußball spielen. Bei diesen Spielen zählen nur die Tore, die von Frauen geschossen werden. Bei einem anderen Modell muss das erste Tor von einem Mädchen geschossen werden, sonst gelten alle weiteren nicht (Lemke 2010, S. 218).

    Neben diesen positiven Beispielen gibt es immer wieder auch bittere Enttäuschungen: Ein Volleyballprojekt für Mädchen in einem Flüchtlingslager in Dadaab in Kenia an der somalischen Grenze musste eingestellt werden, nachdem männliche Camp-Bewohner die Mädchen wiederholt daran hinderten, Volleyball zu spielen; sie bewarfen sie mit Steinen. Solche Erfahrungen verstärken aber nur unsere Bemühungen, für die Gleichstellung der Geschlechter in allen Teilen der Welt mit ganzer Kraft einzutreten.

    Auch die völkerverbindende Kraft des Sports stößt an ihre Grenzen, wenn die politischen Gegenkräfte zu groß sind. So ist es ungeheuer mühsam, im Nahen Osten Israelis und Palästinenser zu gemeinsamen Sportaktivitäten zusammenzuführen. Es gibt immer wieder Ansätze, aber auch immer wieder Enttäuschungen.

    Als Mittel zur Inklusion und Akzeptanz von Menschen mit Behinderung eignet sich Sport in ganz besonderer Weise. Wer wie ich einmal in Nairobi erlebt hat, mit welcher Begeisterung junge Afrikaner, denen ein Bein fehlt, mit Hilfe von einfachen Krücken Fußball spielen, wird das so schnell nicht vergessen. Auf den Fidschi-Inseln habe ich ein Projekt kennengelernt, bei dem junge geistig oder körperlich Beeinträchtigte lernen, Kricket zu spielen. All diese Projekte tragen dazu bei, dass diese jungen Leute aus ihrer Isolation geholt werden und neuen Lebensmut finden. Gerade in vielen Entwicklungsländern fristen behinderte Menschen oft ein unwürdiges Dasein und leben am Rand der Gesellschaft. Deswegen hilft es ihnen sehr, wenn der Sport ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Fähigkeit und ihre Lebendigkeit zu zeigen.

    Das haben in viel größerer Dimension die Paralympics in Peking gezeigt. Durch diese Spiele sind viele Familien mit behinderten Kindern in China ein wenig erleichtert worden. In dem Land waren behinderte Menschen vielfach ausgrenzt, sie wurden aus der Öffentlichkeit herausgehalten, von den Nachbarn ferngehalten (Lemke 2010, S. 134 f.). Bei den Paralympics nun waren Menschen mit Behinderung aus aller Welt auf offener Bühne zu erleben; konnten zeigen, zu welchen Leistungen sie fähig sind und zu welcher Freude. Nicht nur in China sind behinderte Kinder, insbesondere geistig behinderte, für die Familien mit Scham verbunden. Sie möchten sie am liebsten verheimlichen, lassen sie nur selten aus dem Haus, verstecken sie vor der Nachbarschaft. Und sie leiden darunter.

    Bei vielen kleinen Sportveranstaltungen mit Menschen mit Behinderung habe ich erlebt, wie dankbar die Angehörigen für diese Angebote waren. Sie hatten endlich eine allseits akzeptierte Gelegenheit, mit ihren Kindern aus dem Haus zu gehen, ihre Kinder ausgelassen und fröhlich zu erleben. Denn mehr noch als die Eltern genießen die Menschen mit Behinderung selbst die angebotenen Sportmöglichkeiten. Es ist immer wieder eine Freude, die Begeisterung zu erleben, wenn die beeinträchtigten Jungen und Mädchen ihre kleinen Erfolge beim Sport feiern.

    Damit sind nur ein paar wenige Schlaglichter auf Projekte und Initiativen geworfen, die über den Sport gegen die Trostlosigkeit des Elends, gegen Krankheit und Unterdrückung ankämpfen und das Leben für die Menschen lebenswerter machen wollen. In der Regel organisieren diese Aktivitäten die Menschen vor Ort selbst. Auch wenn der Anstoß dazu von außen kommt, so ist es doch wichtig für die Nachhaltigkeit dieser Projekte, dass sie von den Betroffenen selbst durchgeführt werden. Oft sind es einzelne junge Menschen, die den Betrieb am Laufen halten und oft nur gegen eine geringe Aufwandsentschädigung ihre Arbeit machen. Diese Menschen noch stärker zu fördern, ihnen die Chance zu bieten, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und ihnen damit weitere Lebensperspektiven zu eröffnen, ist inzwischen eine meiner wichtigsten Anstrengungen in meiner Rolle geworden. Diese erlaubt es mir, internationale Unterstützung zur Förderung dieser jungen Menschen zu suchen und Organisationen und Unternehmen in aller Welt dafür zu gewinnen, dass diese jungen Menschen nicht nur persönlich durch ihre Arbeit gewinnen, sondern dass ihr Vorbild auch anderen aufzeigt, dass Bildung und Engagement ihnen helfen können, ein besseres Leben zu führen.

    3 Peter N.: Vom Einzelfall zum Konzept

    In Nairobi lernte ich Peter N. kennen. Er war dort in einem der größten Slums aufgewachsen, in Mathare. Er hatte zwar acht Jahre die Schule besucht, aber danach droht ihm wie so vielen Jugendlichen in seinem Alter die Perspektivlosigkeit. Er hing herum, nahm Drogen, und um seine Drogen finanzieren zu können, verübte er Diebstähle. Vier Jahre lebte er so dahin. Vor dem endgültigen Abgleiten in eine kriminelle Karriere rette ihn die Mathare Youth Sports Association (MYSA). Das Sozialprojekt war 1987 von dem Kanadier Bob Munro, dem Geschäftsführer von XXCel Africa, dem Microsoft-Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent, eingerichtet worden. Es soll Kindern und Jugendlichen eine Perspektive geben und sie zugleich zu gemeinnützigem Engagement in ihrem Umfeld zu ermutigen. Zu den pädagogischen Aufgaben gehören die Aufklärung über gesundheitliche Fragen und Ernährung und die Vermittlung von Informationen zur Ausbildung; es finden Aufräumarbeiten zu Verbesserung der hygienischen Bedingungen im Slum statt. Durch die sportlichen Angebote werden die jungen Leute angelockt; dann erfahren sie, dass man auch an den inhaltlichen Kursen teilnehmen muss. Wer nicht mitmacht, darf auch nicht trainieren.

    Das Areal von MYSA ist von Mauern und Stacheldraht umgeben. Notwendig ist diese fast martialisch aussehende Umfriedung, weil ein einfacher Zaun nicht ausreicht, um die im Elend lebenden Jugendlichen vom Diebstahl der Sport- und anderen technischen Geräte abzuhalten.

    Etwa 20.000 Kinder aus dem Slum Mathare nehmen an den unterschiedlichen Sportangeboten teil. Dazu gehört natürlich auch Fußball. Bei der ersten Weltmeisterschaft im Straßenfußball, die 2006 in Berlin ausgetragen wurde, errang die Mannschaft aus MYSA den Weltmeistertitel. Aber bei MYSA kann man nicht nur Sport treiben, sondern auch Musizieren und beispielsweise an Foto- und Video-Kursen teilnehmen. Peter N. war Übungsleiter für Fotografie, Video und Internet.

    Über den Sport war er zu MYSA gekommen, spielte dort Fußball, ging regelmäßig zum Training und zeichnete sich durch soziales Engagement aus. Das brachte ihm ein Stipendium für eine weiterführende Schule ein, die seine Familie sonst nicht hätte bezahlen können. Es folgte die Anstellung als Übungsleiter, wofür er etwa 90 € im Monat bekam. Damit konnte er sich eine kleine Wohnung am Rande von Mathare leisten. Sein bisheriger Weg, seine Zielstrebigkeit und seine Zuverlässigkeit hatten mir sehr imponiert.

    Mit Hilfe der Jacobs-Stiftung habe ich Peter ein Praktikum in Bremen vermittelt. Er arbeitete dort drei Monate beim Fernsehen von Radio Bremen, durfte schließlich auch einen eigenen Fernsehbeitrag für die regionale Sportsendung senden. Bei dieser Vermittlung ging es mir darum, Peters Rolle als Vorbild für die jungen Menschen von Mathare zu stärken. Einer von ihnen hatte es trotz allen Elends geschafft, etwas aus sich zu machen. Ein Erfolg, der andere ermutigen kann. Das Praktikum in Deutschland sollte diese Rolle noch unterstreichen (Lemke 2010, S. 105 ff.).

    4 Youth Leadership Programme zur Förderung von Role Models

    Dieses Prinzip, Vorbilder für junge Menschen zu identifizieren und zu stärken, wurde vom UNOSDP inzwischen für die Entwicklungsarbeit konsequent ausgebaut. Dabei geht es ganz bewusst nicht darum, Vorbilder zu nutzen, die Außergewöhnliches erreicht haben. Fußballstars, die Millionen bei europäischen Vereinen verdienen, haben zwar auch eine enorme Ausstrahlungskraft auf die jungen Leute in den Elendsgebieten der Dritten Welt. Aber deren Vorbildfunktion ist irreal. Sie füllt zwar die Sport-Nachwuchscamps in vielen Ländern, aber das angestrebte Ziel bleibt für die meisten eine Illusion. Sie werden oft ausgenutzt und nur eine verschwindend geringe Minderheit schafft den Sprung ins Rampenlicht des Profi-Sports, die anderen fallen zurück ins Elend.

    Das Youth Leadership Programme (YLP) will in die Breite wirken. Das UNOSDP-Büro lässt sich von den verschiedenen NGOs junge Leute vorschlagen, die sie für die Weiterentwicklung zu Role Models geeignet halten. Dabei sind sie gehalten, immer jeweils einen weiblichen und einen männlichen Teilnehmer zu benennen; es dürfen mehrere sein, aber immer in gleicher Geschlechteranzahl. So sind die Camps ausgeglichen mit jungen Männern und Frauen besetzt. Außerdem achten wir darauf, dass mindestens zehn Prozent von ihnen Menschen mit Behinderung sind. Die Teilnehmer sind zwischen 18 und 25 Jahre alt und stammen aus townships, slums, favelas, Flüchtlingscamps und anderen armen Nachbarschaften und haben sich in der Regel bei Sportprojekten durch besonderes Engagement in und für ihr soziales Umfeld ausgezeichnet. Wir laden die jungen Leute dann zu Seminaren und Camps ein, in denen sie ihre sportlichen und sozialen Fähigkeiten und Kenntnisse ausbauen und vertiefen können. Zentrales Thema all dieser Veranstaltungen ist: Wie kann man den Sport nutzen für Entwicklung und Frieden?

    Konkret geht es neben dem Sport darum, wie man Konflikten begegnen kann, wie man Vorurteile abbaut oder mit Drogenabhängigen umgeht. Und jedes Mal wird unter Anleitung von gut ausgebildeten Trainerinnen und Trainern auch Sport getrieben, werden die persönlichen Fähigkeiten trainiert und ausgebaut. Dabei erweitern die Teilnehmer nicht nur ihre Sportkenntnisse, sondern vertiefen auch ihre persönlichen Beziehungen. Zum Camp-Programm gehört übrigens auch, dass beispielsweise an einem Vormittag alle Teilnehmer in einem Rollstuhl fahren müssen, damit sie die Lebenswirklichkeit von behinderten Menschen ein wenig besser nachempfinden können.

    Das erste Camp fand im Januar 2012 in Doha (Katar) statt. Daran nahmen 29 junge Leute teil, die in Projekten in der Sub-Sahara und in den palästinensischen Gebieten arbeiten. Ein Förderteam unter der Leitung der NGO Right to Play kümmerte sich um die inhaltliche Gestaltung des Camps. Dem Team gehörten Vertreter des englischen Fußballclubs FC Liverpool, der Internationalen Basketball Förderation (FIBA), der Internationalen Judo Föderation (IJF), des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), der Internationalen Lebensrettungs-Föderation (ILS), der Internationalen Tischtennis-Föderation (ITTF), der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), den Initiativen Kick4life, Inspira Sports, Women Win und dem Projekt Air Ruanda an (s. a. UNOSDP, Annual Report 2012).

    Die nächsten Camps fanden in Hennef (Deutschland), zweimal in Magglingen (Schweiz), in Stockholm (Schweden), Gwangju (Südkorea) und Tokio (Japan) statt. In 2014 sind weitere Camps in Berlin (Deutschland), Florida (USA) und erneut in Gwangju geplant. Die Organisationen, die die Mitglieder der Förderteams stellen, wechseln teilweise, andere sind öfter dabei. So hat sich bei dem Camp in Hennef der Fußball-Bundesligaclub Bayer Leverkusen beteiligt, in der Schweiz waren es Vertreter des FC Basel. In Hennef beteiligte sich auch die nahegelegene Sporthochschule Köln an der Ausbildung und Betreuung.

    Die ausrichtenden Städte übernehmen nicht nur die Unterbringung und Versorgung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern auch die Reisekosten. Das Interesse an der Durchführung dieser Veranstaltungen ist inzwischen sehr groß; wir haben schon mehr Angebote, als wir zurzeit planen können. Bis Ende 2013 haben bereits mehr als 200 junge Menschen an diesen Camps teilgenommen.

    Einzelne Teilnehmer erhalten durch diese Camps auch ganz direkte materielle Unterstützung für ihre Arbeit: So erhielten einige von der Internationalen Tischtennis-Föderation Ausrüstung und Anleitungen für ihre Tischtennisprojekte. Anderen bot sich eine ganz persönliche berufliche Perspektive. So wurden nach dem Doha-Camp zwei Teilnehmer als Botschafter des FC Liverpool angestellt (s. a. UNOSDP, Annual Report 2012).

    Ich habe inzwischen selbst erfahren können, wie der Sport das Leben von Einzelnen und auch von Gruppen bereichert hat. Ich konnte während der Camps die Fortschritte einzelner Teilnehmer erleben und ich konnte beobachten, wie sie ihre neuen Erfahrungen in der Heimat umsetzen. Manche der Teilnehmer habe ich bereits vor ihrer Camp-Teilnahme in ihrem Umfeld kennengelernt, ich konnte jetzt mit eigenen Augen sehen, wie sie die Camp-Erfahrungen anwenden in ihrer Arbeit für Frieden und Entwicklung vor Ort. Daher bin ich davon überzeugt, dass dieses Youth Leadership Programme dazu beiträgt, Vorbilder und Multiplikatoren in den Gemeinschaften vor Ort zu schaffen und nicht nur den Camp-Teilnehmern selbst, sondern auch vielen jungen Leuten in ihren Gemeinschaften Hoffnung und Kraft für eine eigene erfolgreiche Perspektive gibt.

    Die bisherigen Erfolge haben das Interesse von potentiellen Partnern und Sponsoren geweckt und ich bin zuversichtlich, dass wir die dringend notwendige Unterstützung für diese Arbeit weiter steigern können. Die Internationalität der an der Unterstützung und der Zusammenstellung der Trainerteams beteiligten Organisationen ist zugleich auch ein Beitrag zur Realisierung von globalen Partnerschaften, wie sie in den Millenniumszielen angestrebt wird. Ein anderes Beispiel einer solchen Partnerschaft sind die „Football for Hope Center, die in Kooperation zwischen dem Weltfußballverband FIFA, der NGO „streetfootballworld und lokalen Partnern aufgebaut werden. Sie nutzen den Fußball, um soziale Entwicklungen zu fördern und Familien bzw. Kindern die Möglichkeit zu geben, sich über Themen wie Umweltschutz, Friedensarbeit oder Kinderrechte zu informieren.

    Einerseits realisieren sich die Partnerschaften über die nationalen und internationalen Sportorganisationen. Aber darüber hinaus führen Sportprogramme Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Wissenschaft und Wirtschaft weltweit zusammen. Die Einbindung von nationalen und regionalen Regierungen sowie der lokalen Akteure ist dabei von großer Bedeutung. Die Vernetzung der einzelnen Akteure vor Ort sowie der beständige Austausch der beteiligten Organisationen sind wichtige Voraussetzungen, um die Partnerschaften zu bilden und die Bemühungen zur Umsetzung der gemeinsamen Ziele zu verbinden. An dieser Vernetzung mitzuwirken und sie durch praktische Beispiele zu fördern, ist ein zentrales Anliegen meines Amtes.

    Diesem Ziel dient auch die im Jahr 2012 geschlossene Partnerschaft des Sonderberaters und des UNOSDP mit dem Organisationskomitee für die Sommer-Universade 2015 in Gwangju. Die Universade, die olympischen Spiele der Studenten, ist eines der größten regelmäßigen Sportereignisse der Welt. Und für die jungen YLP-Teilnehmer ist es eine große Ehre, von den Organisatoren dieser Großveranstaltung eingeladen zu werden.

    Wir sind auf Partner, die unsere Aktivitäten unterstützen, dringend angewiesen. Dabei geht es nicht nur darum, dass sie uns helfen, unsere Projekte und Maßnahmen zu finanzieren. Es geht vor allem auch darum, Verbindungen und Kontakte herzustellen sowie Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln. Unsere Seminare und Camps sind eine hervorragende Weiterbildungsmöglichkeit für unsere „Role Models". Aber mehr noch kann ihnen nützen, wenn sie Praktika in Betrieben und Verbänden oder anderen Organisationen absolvieren, oder wenn sie sich gar eine Zeit lang als Mitarbeiter beweisen und neue Kenntnisse erwerben können, die sie in ihrer Heimat anwenden können. Dabei ist natürlich das Risiko zu bedenken, dass sie gar nicht zurückkehren wollen, sondern in dem neuen Beschäftigungsfeld oder am -ort bleiben wollen. Nach meinen Erfahrungen wollen jedoch die meisten in ihre Heimat zurückgehen, um weiter für ihre Gemeinschaft oder ihr Land zu arbeiten und ihren neu erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen anzuwenden.

    So breit die Vielfalt der Projekte, aus denen die Teilnehmer unseres YL-Programms stammen, so breit ist auch die mögliche Vielfalt von Unterstützern, die wir gebrauchen können.

    Literatur

    Lemke W (2010) Ein Bolzplatz für Bouaké: Wie der Sport die Weltverändert und warum ich mich stark mache für die Schwachen. Deutsche Verlags-Anstalt, München

    Lemke W (2012) Sport für eine bessere Welt. In: Kainz F, Scherrer U, Werner C (Hrsg) Sportfinanzierung und Sportwetten Reflexionen zu Phänomenen, Möglichkeiten und Gefahren im kommerziellen Sport. S 25–31

    United Nations, Office on Sport for Development and Peace (UNOSDP), Annual report (2012)

    Vogelsang L (5. Dezember 2013) Achtung die Belgier. Die Zeit, 50, 22

    Fußnoten

    1

    Die Zeit vom 5. Dez. 2013, Seite 22.

    2

    Die Zeit vom 5. Dez. 2013, Seite 22.

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    Alexandra Hildebrandt (Hrsg.)CSR und SportmanagementManagement-Reihe Corporate Social Responsibility10.1007/978-3-642-54884-0_2

    Der Sport muss sich beweisen – Beobachtungen zur Nachhaltigkeit

    Günther Bachmann¹  

    (1)

    RNE c/o GIZ, Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin, Deutschland

    Günther Bachmann

    Email: guenther.bachmann@nachhaltigkeitsrat.de

    Ich bin Handballer. Ich habe lange, intensiv und leistungsorientiert Handball gespielt. Bis mich mein linkes Knie stoppte. Dann habe ich Jugend- und Erwachsenenteams trainiert und geführt. Bis mich die berufliche Beanspruchung stoppte. Geblieben ist das sachliche und emotionale Wissen um die Kraft, die der Sport Menschen gibt. Seine Nützlichkeit erweist dieses Wissen auch heute noch. Wo gemeinsam Leistung vollbracht, Niederlagen verwunden und Neues eingeübt wird, da besteht eine große Chance, das menschliche Miteinander über alles Trennende der Herkunft und des Aussehens zu stellen. Außerdem ist es gesund (im Prinzip) und man lernt sich selbst und andere Menschen kennen. Im Sport engagieren sich Menschen abseits von sozialen Hierarchien und der Frage nach Geld und Honorar. Es gibt wenige Räume in unserer Gesellschaft, wo Gemeinschaftskultur so unmittelbar gelebt und weitergegeben wird, wo soziale Verantwortung gelernt wird, wo die Übernahme von Führung geübt wird und wo Vorurteile gegenüber Anderen, Andersaussehenden und -Sprechenden entkräftet werden, oder dies jedenfalls geschehen kann. Bezahlt kann das alles nicht werden. In Geld ist es nicht aufzuwiegen. Der Sport bietet eine Währung jenseits des Bruttosozialproduktes an. Wirklicher Wohlstand braucht diese Währung.

    Wäre damit alles gesagt? Ist Sport damit „nachhaltig", nur weil er unter Umständen von Dauer ist? Nein, denn wo die Rede auf das Positive beschränkt wird, da gibt das Ungesagte den Ausschlag. Gesprochen werden muss indessen auch von der großen Unordnung im organisierten Sport und davon, dass er eben nicht schon nachhaltig ist. Unlautere Verhaltensweisen bis hin zu Ausgrenzung und Korruption und Unsportlichkeit liegen wie Blei auf ihm, im Großen wie im Kleinen. Die Charta des IOC wird nicht ernstgenommen, wenn korrupte IOC-Mitglieder am Tisch sitzen und Länder an Olympischen Spielen teilnehmen, die die Grundsätze der Charta missachten. Diskriminierung von Andersdenkenden, Unterdrückung von Frauenrechten, Missbrauch von Macht, Doping sind im Sport-Ethos nicht vorgesehen. Dennoch scheint all dies einen festen Platz im System Sport zu behaupten. Nur von isolierten Einzelereignissen ist nicht auszugehen, zu oft kommen die Stichworte Armstrong, Katar und Sotchi vor. Und so weit weg ist das alles nicht. Aus den unteren Ligen hört man von Fußballspielen, dass Schiedsrichter verprügelt werden und man erzählt sich von unfairen Teams und unlauteren Vereinen. Da muss noch nicht einmal Korruption im Spiel sein, oft reicht die kleine Welt der großen Machos zur Erklärung der Missstände. Und noch immer ist es an der Tagesordnung, dass Schwule diskriminiert und Krankheiten wie Depression unterdrückt werden. Zudem treibt der größer werdende Markt an Sportgeräten mit den speziell verarbeiteten Metallen, Klebern und Kunststoffen die Umweltzerstörung weltweit an. Der fair und umweltgerecht hergestellte Fußball ist die rühmliche, aber auch recht allein stehende Ausnahme. Große Verkaufszahlen werden ihm, wie man hört, auch nicht zu Teil. Die Green Goal Aktivitäten des DFB sind gut und ausbaufähig, um das Mindeste zu sagen.

    Der organisierte Sport ist insofern ein Spiegel der Strömungen und Haltungen, die unsere Gesellschaft insgesamt ausmachen. Aber über seine organisierte Kraft und das Engagement der Ehrenamtlichen kann der Sport mehr als nur Teil der Gesellschaft sein. Er kann sie verändern. Das tut er ständig und wirkungsvoll wie der Umstand zeigt, dass jedes große Profi-Sportereignis in Deutschland oder jedes internationale Sportereignis mit prominenter deutscher Beteiligung einen deutlichen Anstieg der Nachfrage im Breitensport nach sich zieht. Die erfolgreiche Vermarktung von Sportartikeln und von Sportlern unterstreicht die Relevanz des Sports. Auch die positive und gemeinschaftsbildende Fan-Strategie mancher Profi-Klubs gehört zu diesem positiven Bild.

    Der Rat für Nachhaltige Entwicklung ist ein Gremium von ehrenamtlich tätigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, das die Bundesregierung zusammenstellt, um sich Rat und Anregung rund um das Thema Nachhaltigkeit zu holen. Der Rat wird alle drei Jahre berufen und meist neu zusammengesetzt. Prominente aus der Wirtschaft, den Umweltverbänden, den Gewerkschaften und Kirchen, aus der Wissenschaft und von der Kommunalpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit kommen hier seit 2001 zusammen. Bislang hat dem Rat noch kein Sportpolitiker oder prominenter Sportler angehört, ein Umstand, den viele Sektoren miteinander teilen und der auf die thematische Breite der Nachhaltigkeitsagenda zurückzuführen ist und sich im Übrigen auch durchaus ändern kann.

    Die Herausforderung, Deutschland auf den Weg in Richtung auf eine nachhaltige Entwicklung zu bringen, ist nicht mit Windrädern und fair gehandeltem Kaffee erschöpft. Klimaschutz und Energiewende sind nötige Voraussetzungen, ebenso wie der schonende und sparsame Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Einhaltung des Grundsatzes, fiskalische Schulden nicht zum Selbstzweck werden zu lassen. Aber darüber hinaus braucht die Konsumgesellschaft auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit die Ablösung der alleinigen Orientierung auf das rein materielle Immer-Mehr von dem, was uns immer neu erscheint und immer ungleich verteilt ist. Vielmehr kommt es auf die Solidarität der Generationen und mit den Menschen in anderen Regionen dieser Welt an. Nachhaltigkeit ist ein Leitbild mit kultureller Bedeutung.

    Wo von Kultur die Rede ist, soll man vom Sport nicht schweigen. Alle sozialen und politischen Prozesse, auch die des Sports, müssen in Zukunft und können jetzt schon danach beurteilt werden, ob sie langfristig möglich und tragfähig sind. Das sind die Kriterien der Nachhaltigkeit. Sie wirken innovativ und orientieren auf die Qualität des Lebens und ein qualitatives Wachstum.

    Erste Sportvereine haben Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt. Das ist gut und als ein Anfang zu sehen. Aber niemand „ist nachhaltig, wie es im DFB-Nachhaltigkeitsbericht so einfach steht. Nachhaltigkeit ist kein Zustand, sondern ein Prozess, mit dem ambitionierte Ziele aufgestellt und ihnen gefolgt wird. Und viele Sportvereine könnten noch viel wirkungsvollere eigene Wege gehen, indem sie zum Beispiel vorzugsweise nur noch Produkte mit Nachhaltigkeitszertifikaten erwerben, soweit dies möglich ist; oder das regionale Handwerk und Gewerbe bei ihrer Beschaffung bevorzugen. Denn „Fair Play endet nicht an der Rasengrenze. Es gibt Unternehmen, die für ihre Produkte die vollen ökologischen und sozialen Kosten ermitteln und nicht unter den Tisch fallen lassen. Man kann Kantinenkost umstellen, man kann nach T-Shirts und Schuhen aus fair gehandelten und ökologisch bewusst hergestellten Stoffen fragen. Bangladesh-typische Katastrophen einstürzender Nähereien oder von Ledergerbereien, die Menschen missachten und die Umwelt zerstören, kann man vermeiden.

    Bisher denkt der Sport die Zusammenarbeit mit Unternehmen häufig nur als Sponsorship und Förderung. Was, wenn in Zukunft hierüber weit hinausgegangen wird? Wenn strategische Konsum-Allianzen entlang von Sportgeräten und Sportkleidung mit nachgewiesenen Leistung für die Nachhaltigkeit aufgebaut werden? Wenn für die Sportheime und Vereinshäuser lokale Nachhaltigkeits-Allianzen entstehen, um sie energetisch zu sanieren und Klimagase zu vermeiden? Vielleicht in der Kombination mit Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben? In Deutschland steigen die Zahl und die Qualität der Unternehmen an, die sich glaubhaft für ein Umsteuern in Richtung auf Nachhaltigkeit einsetzen. Und vor allem: Die damit bei sich selbst anfangen. Der Nachhaltigkeitsrat unterstützt diesen Prozess nach Kräften. Hierzu dient der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, DNK. Mittels des Deutschen Nachhaltigkeitskodex können Institutionen Zeugnis darüber ablegen wie sie Nachhaltigkeit verstehen und was sie konkret tun. Die Anwendung ist freiwillig und läuft erst an. Unter den Anwendern sich Unternehmen der DAX-Klasse ebenso wie kleine Familienunternehmen und öffentliche Unternehmen. Sportvereine sind noch nicht darunter. Mit den Branchen der Wohnungswirtschaft und dem Deutschen Sparkassen– und Giroverband hat der Nachhaltigkeitsrat erste Branchenvereinbarungen zur Anwendung des DNK geschlossen. Im Vergleich zu der vielfältigen und aufwendigen Berichterstattung, die global aufgestellte Unternehmen oftmals entlang global gültiger Vorgaben machen, stellt der DNK auf das Einfachere und auf das Wesentliche ab. Für den organisierten Sport bietet er eine große Chance. Sie wird noch nicht gesehen, gleichwohl ist sie da. Der DNK liefert eine sinnvolle und greifbare Struktur, die Nachhaltigkeit vom wortgewaltigen, aber zunächst häufig leeren Symbol zu einem einfachen und nützlichen Navi zu machen.

    Die richtige Bewegung plus eine vielseitige Ernährung plus die Kunst der Entspannung – für viele Menschen ist das eine Leitformel, der sie nur zu gern folgen würden. Dass es allzu oft beim Vorsatz bleibt, belegt die Gesundheitsstatistik. Das wird auf Dauer nicht gut gehen. Wir leben zwar in einer Zeit der „Entgrenzungen", wo noch der Viert-Urlaub per Kurzreise mit dem Flugzeug möglich wird. Aber wir wissen auch, dass vor allem solche menschliche Kulturen einen längeren Bestand haben, die die Fähigkeit zu Selbstbegrenzung und Selbstreflektion sowie zum Fairplay entwickeln. Da ist viel Neuland. Lernprozesse sind notwendig. Entscheidend ist, dass wir die Notwendigkeit sehen und uns auf den Weg machen.

    Der Gigantismus so mancher Sportveranstaltungen scheint nicht mehr zeitgemäß. Das Ausliefern des Sports an die technischen Erfordernisse von TV und Quote an Licht, Uhrzeit und Hintergrund ist ebenfalls zwar noch gang und gäbe aber nicht zukunftsfähig. Beides sind Konzepte aus dem 20. Jahrhundert. Die abnehmende Zahl von Menschen, die sich zum Ehrenamt in Vereinen bereit erklären, steht der steigenden Erwartung der Menschen gegenüber, etwas Authentisches und „Wahres" zu erleben. Der schwindenden Bereitschaft zum Vereinssport steht die Zunahme von Sportangeboten ohne Vereinsbindung gegenüber. Das gibt zu denken.

    In den letzten Jahren hat sich die Diskussion und das Handeln rund um das Thema Nachhaltigkeit geändert. Chancen, Nutzen und Kultur treten heute mit viel Aufmerksamkeit neben die Aspekte von Technik und Politik. All dies sind Anfänge. Eigentlich wäre schon viel mehr möglich und von der deutschen Gesellschaft mit ihren Ansprüchen an aufgeklärte Debatten auch zu erwarten. Wie man Werte mit Wettbewerb kombiniert, wie man Solidarität mit Solidität paart und wie Gerechtigkeit mit Gewinn einhergeht – das sind große Herausforderungen. Im Grunde genommen finden wir sie oft als Basis aktueller politischer Streits um Autoabgase, Stromtrassen und Kinderarbeit von Importprodukten.

    Kann der Sport das ändern? Wohl kaum. Ich will auch nicht auf die Schultern des Sportes laden, was die Gesellschaft als Ganzes nicht schafft. Das wäre unfair. Aber es ist gerade ein Kern des sportlichen Wettbewerbes, dass Leistungsgrenzen im Wettbewerb überschritten werden. Insofern zählt immer der tatsächliche Versuch und nicht allein der Vorsatz. Die Komfortzone des „wir machen das ja schon auch; und wir ja per se nachhaltig zählt in der Realität und Politik nicht viel. Ein an Chancen („das hat noch keiner geschafft, aber wir versuchen es) orientiertes Management von Herausforderungen ist an der Zeit. Die verantwortliche Führung von Organisationen kann heute nicht auf ein ernsthaftes Konzept der Nachhaltigkeit verzichten. Möglichkeiten gibt es, wenn man sie sucht.

    Ich denke an meine ersten Trainer in der Leichtathletik. Herr Abel und Herr Blücher waren hochbetagte Rentner. Jeden Tag standen sie auf dem Sportplatz, der eine hatte die Marken, die wir jeden Monat im Gegenwert des Klub-Beitrages in unser Mitgliedsheftchen klebten, der andere stellte die Geräte auf. Sie stoppten und maßen, gaben Ratschläge und zählten die Liegestütze von uns Achtjährigen. Sie waren einfach da und kümmerten sich. Um Alles.

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    Alexandra Hildebrandt (Hrsg.)CSR und SportmanagementManagement-Reihe Corporate Social Responsibility10.1007/978-3-642-54884-0_3

    Fußball ist Politik – Fußball ist Gesellschaft

    Theo Zwanziger¹ 

    (1)

    Altendienz, Deutschland

    Wenn wir uns darauf beschränken, unseren Kindern den sauberen Spannstoß und den wuchtigen Kopfball zu lehren, machen wir einen immensen Fehler.

    Egidius Braun

    Bei all meinen Begegnungen und Erlebnissen in den letzten dreißig Jahren, bei all den Erfahrungen mit der Welt des Fußballs und ihren Persönlichkeiten hat mich oft die Frage beschäftigt, welche Rolle der Fußball in unserer Gesellschaft spielen kann, und wie wir die Popularität dieses wunderbaren Sports nutzen können, um jene Werte zu stärken, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktioniert: Gemeinsinn, Solidarität und Toleranz.

    Fußball ist Geschäft und Spektakel, Vergnügen und Zeitvertreib – und in diesem Sinne auch ein Spiegel unserer Zeit. Aber gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass der Fußball auch seiner sozialen und ethischen Verantwortung gerecht wird. Die Faszination des Fußballspiels ist in besonderer Weise geeignet, Akzente für eine mitmenschliche Gesellschaft zu setzen. Schließlich hat keine andere Sportart weltweit mehr Anhänger und somit eine größere gesellschaftspolitische und integrative Kraft. Nirgendwo anders sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich oder Schwarz und Weiß so verschwindend wie auf den Fußballfeldern.

    Der Fußball bindet die Menschen und ist bestens geeignet, einfache Botschaften über den Umgang miteinander zu transportieren. Der Fußball darf nie mehr in eine Situation kommen, in der er vor 1945 war. Er hat seine gesellschaftliche Kraft in dieser Zeit nicht eingesetzt. Viele unserer Vorgänger haben weggeschaut. Das dürfen wir nicht mehr machen. Das Spiel, die Leidenschaft, das Vergnügen ist das eine.

    Das andere ist, dass die Gestaltungskraft, die im Fußball steckt, uns die Chance gibt, das Trennende zwischen den Menschen zu minimieren. Sportverbände dürfen nicht mehr unpolitisch sein. Das bedeutet nicht, parteipolitisch zu sein, politisch in dem Sinne zu sein, dass Fußball der Würde des Menschen zu dienen hat. Antisemitismus, Homophobie, Rassismus und Fremdenhass haben nichts im Fußball zu suchen. Eine humane Gesellschaft entsteht dadurch, dass man Minderheiten ein Gesicht und eine Sprache gibt.

    Es war eines der wichtigsten Ziele meiner DFB-Präsidentschaft, das Bewusstsein für gesamtgesellschaftliches Engagement, für den Einsatz für Minderheiten und den Kampf gegen Diskriminierung zu schärfen und die Strukturen zu schaffen, dass der Fußball seinen Beitrag für eine menschliche Gesellschaft leistet. Ich bin 1945 geboren und ich hatte das Glück, von meiner Mutter – mein Vater war gefallen – und von meiner Großmutter – einer meiner Großväter ist auch kurz nach dem Krieg gestorben – so erzogen zu werden, dass sie erkannt hatten, wo die tieferen Ursachen für dieses schreckliche Geschehen nach 1933 gelegen haben können. Nämlich darin, dass der Respekt von Menschen für andere Menschen in anderen Lebenssituationen völlig verloren gegangen war und zu einer, ja, mörderischen und verbrecherischen Verhaltensweise geführt hat. Und auf dieser Basis habe ich sicherlich in meinem Leben auch sehr viele Fehler gemacht. Aber ich wusste auch, wenn du die Chance hast, ein Amt auszuüben, in dem Menschen Orientierung suchen, dann solltest du nicht Versteck spielen, sondern du solltest auch vielleicht gegen manche Anfeindungen dich klar und deutlich positionieren.

    Menschlichkeit, Mitmenschlichkeit, Verständnis und Verständigung, Toleranz und Akzeptanz, Rücksicht und Respekt. All das sind Werte, die der Fußball, die wir den Kindern genauso vermitteln müssen wie ein korrektes Zusammenspiel auf dem Rasen. Wir wollen sportlichen Wettbewerb, ja. Wir wollen den Leistungsgedanken fördern. Aber noch viel mehr als die Trophäen und Titel wollen wir ein menschliches Miteinander. Fair Play ist weit mehr als nur ein Sportbegriff. Fair Play muss eine Selbstverständlichkeit im Bewusstsein aller Menschen werden. Eine fest verankerte innere Grundüberzeugung, die an keinen geografischen, religiösen oder kulturellen Grenzen haltmacht.

    Junge Menschen brauchen keine heile Welt vor Augen, sie müssen Orientierung sehen. Zu dieser Wertorientierung gehört es, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen jede Form der Diskriminierung zu stehen. Ich glaube, dass an Schulen, wo viele benachteiligte Gruppen im Unterricht sind, über Sport und Fußball sehr zum Ausgleich und zum wechselseitigen Verständnis beigetragen werden kann. Es wird darüber besser gelingen als im normalen Unterricht.

    Ich glaube, dass uns Sport und Fußball, beispielsweise auch in den Pausen auf dem Schulhof, für unsere Weiter- und Persönlichkeitsentwicklung enorm geholfen haben. Manche Mathematikstunde habe ich längst vergessen. Aber was ich im Fußball gelernt habe, das hat bei mir zeitlebens nachgewirkt, weil dadurch Menschen zusammengeführt und nicht ausgegrenzt werden. Den Spielern kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Sie sind Idole für Millionen von Kindern. Für sie ist es unwichtig, ob ein Spieler viel oder wenig Geld verdient. Für sie ist es wichtig, dass ein Profi glänzend Fußball spielen kann, sich im Alltag normal und freundlich verhält und sie selbst so mal werden möchten.

    Unser Land braucht Zivilcourage, immer noch und manchmal mehr denn je. Daraus ergeben sich Vorbildfunktionen, die wir für alle sichtbar machen müssen. Wer aufsteht, darf nicht alleine dastehen. Vorbilder müssen allerdings glaubwürdig handeln, also sich ernsthaft bemühen, Wort und Tat in Einklang zu bringen. Wer zum Beispiel gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben eintritt, der darf nicht nur darüber reden, sondern sollte auch das eine oder andere Mal zu einer Veranstaltung oder einem CSD gehen.

    Wer die Förderung des Frauenfußballs wirklich will und nicht nur als Alibi begreift, der sollte sich auch regelmäßig Spiele der Frauenligen ansehen und sich nicht nur in den attraktiveren VIP-Logen der Männer-Bundesliga aufhalten. Macht zu haben in einer starken Sportorganisation sollte bedeuten, sie mit denen zu teilen, die Wertvolles tun, aber aus eigener Kraft nicht ausreichend sichtbar werden.

    Schön wäre es natürlich, wenn wir gar keine Vorbilder bräuchten. Leider gibt es diese heile Welt, gerade auch im Sport nicht. Deshalb muss auch eine intensive Präventionsarbeit ein wichtiger, ein wesentlicher Bestandteil der Verbandsarbeit sein.

    Für den Fußball wird immer der Leistungssport oberste Priorität behalten, weil er so wichtig für die Nachwuchsförderung ist. Aber für mich war und ist der Profifußball auch Mittel zum Zweck gewesen wegen seiner Ausstrahlung auf den Breitensport bis hin zum Behindertensport. Es ist nicht so, dass es nur den professionellen Fußball gibt und sonst nichts. Die Balance muss immer wieder hergestellt werden. Es sind die kleinen Leute, die mit ihrer Leidenschaft diesen Sport leben. Denen muss man die Chance geben, in die Stadien zu kommen.

    Auf der anderen Seite entwickelt sich die Gesellschaft weiter. Vor 30 Jahren habe ich den „kicker noch vorsichtig in die „Süddeutsche Zeitung eingewickelt. Heute kann man mit Intellektuellen über Fußball reden und viele Kulturschaffende nähern sich dem Phänomen Fußball an. Auch brauchen die Spieler vernünftige Begleitung. Ich weiß nicht, ob das heutige Beraterwesen den jungen Spielern auf diesem Weg eine Hilfe ist. Es wird fast ausschließlich auf der wirtschaftlichen Basis beraten. Was aber bei den Zuschauern als Erscheinungsbild haften bleibt, wird dabei oft übersehen. Ich würde mir schon wünschen, dass Spieler frühzeitig und gezielt darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie nach ihrer Karriere noch fünfzig Jahre Leben vor sich haben. Man muss immer auch an den Tag danach denken.

    Auch wenn die VIP-Bereiche nicht in den Mittelpunkt gestellt werden sollten, so darf man sich heute freuen, dass sich Menschen aus den VIP-Bereichen für den kommerzialisierten Fußball interessieren. Gemeinnützigkeit richtet sich nicht gegen kommerzielles Handeln und die Wirtschaft, sondern betont die gemeinnützige Verwendung der erwirtschafteten Mittel. Mit neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten begann der Sport auch, seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Der Kommerz hilft, im Ehrenamt Qualifizierungsmöglichkeiten zu nutzen. Hin und wieder, alle sechs, acht Wochen mit einer mobilen Maßnahme vor Ort zu sein, den Vereinen zu helfen, den Vereinen auch ein Stück Attraktivität zu vermitteln, könnte eine Chance sein, diese Brücke zwischen Kommerz und Professionalität und Ehrenamt stabil und fest in ihren Fundamenten zu halten. Dies ist wichtig für die Wertevermittlung. Seinen gesellschaftlichen Verpflichtung kann der Sport nur nachkommen, wenn er seine guten Produkte wirtschaftlich vermarktet und er sich auch seiner politischen Verantwortung bewusst wird.

    Egidius Braun hat früh die Entwicklungen der Neunzigerjahre erkannt, als dem DFB immer mehr Geld zufloss. Als kluger politischer Taktierer wusste er, dass das Ansehen des Verbands auch davon abhing, dass es neben dem Kommerz noch eine andere Säule geben musste, die das Image des DFB definierte. So war sein Einsatz für soziales und gesellschaftliches Engagement nicht nur reines Gutmenschentum. Er war sehr machtbewusst, aber er wusste die Macht auch klug anzuwenden.

    Fußball ist Politik, Fußball ist Gesellschaft, und der Fußball darf sich nicht einfach mit der Behauptung, er habe nichts mit Politik zu tun, aus der Verantwortung stehlen. Wenn Politik Gemeinschaftsgestaltung bedeutet, also für ein soziales und gerechtes Miteinander eintreten muss, dann gehört der Ball mitten hinein.

    Literatur

    Deutsche Presse-Agentur (4. September 2006) Die Philosophie von Klinsmann und jetzt von Joachim Löw wird die Menschen begeistern

    o. A. (3. Januar 2005) Nationalmannschaft gehört 40 Millionen Fans. kicker-sportmagazin

    o. A. (28. April 2005) Wir kappen ein Stück der sportlichen Gerechtigkeit. Frankfurter Allgemeine Zeitung

    o. A. (9. Mai 2005) Bei Rowdys mit Hakenkreuzfahnen wird mir übel. Der Tagesspiegel

    o. A. (2. Januar 2007) Unser Kapital sind die Menschen und die Fans. kicker-Sportmagazin

    o. A. (28. Juli 2007) Die Erkenntnis, dass Fußball die Gesellschaft verändern kann, ist gewachsen. Augsburger Allgemeine

    o. A. (16. Februar 2008) Keiner wird zur 4. Liga gezwungen. Neue Osnabrücker Zeitung

    o. A. (1. Dezember 2009) Manipulierter Fußball ist kein Fußball mehr. Sport-Informations-Dienst (sid)

    o. A. (29. Oktober 2009) Man darf sich nie beruhigt zurücklehnen. Jüdische Allgemeine

    o. A. (8. Februar 2009) Der Hass muss weniger werden im Fußball. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

    Zwanziger T (2004) Das Gemeinsame, nicht das Trennende wird sichtbar. Rede als Schatzmeister beim 38. DFB-Bundestag, Osnabrück

    Zwanziger T (Februar 2006a) Integration Fußball. Frau & Politik

    Zwanziger T (17. Mai 2006b) Thomas Bach wird klare gesellschaftspolitische Weichen stellen und mich an seiner Seite finden. Sport-Informations-Dienst (sid)

    Zwanziger T (August 2006c) Ein Verantwortungsbündnis für Deutschland ist entstanden. WM-Newsletter

    Zwanziger T (26. Oktober 2007) „Wer den Blick auf die Menschen vergisst und verliert, der wird scheitern", Grundsatzrede beim 39. DFB-Bundestag, Mainz

    Zwanziger T (4. November 2009a) Rede zur Verleihung des Leo-Baeck-Preises, Adlon-Palais Berlin

    Zwanziger T (15. November 2009b) Rede bei der Trauerfeier für Nationaltorwart Robert Enke in der AWD-Arena, Hannover

    Zwanziger T (2010a) Vision und Meinung. Edition ausgewählter Reden, Schriften und Interviews des DFB-Präsidenten. Deutscher Fußball-Bund e. V. (DFB), Frankfurt a. M.

    Zwanziger T (28. April 2010b) Wirtschaftliche Interessen mit der Tradition sportlicher Werte verbinden. Kölner Sportrede des DOSB, Köln

    Zwanziger T (4. Mai 2010c) Rede zur Eröffnung der „Gegen die Regeln-Ausstellung „Gegen Anfeindungen klar und deutlich positionieren, Rotes Rathaus in Berlin

    Zwanziger T (2012) Die Zwanziger Jahre. Die Autobiographie, Berlin

    Teil II

    Sport im Spiegel der Gesellschaft

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    Alexandra Hildebrandt (Hrsg.)CSR und SportmanagementManagement-Reihe Corporate Social Responsibility10.1007/978-3-642-54884-0_4

    Antidiskriminierung im Sport

    Christine Lüders¹  

    (1)

    Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Glinkastr. 24, 10117 Berlin, Deutschland

    Christine Lüders

    Email: poststelle@ads.bund.de

    1 Einleitung

    Sport, das ist zuallererst ein Wettkampf. Im Wettkampf geht es um Sieger und um Besiegte – ob in einer Mannschaft oder gegen die Zeit. Doch dieser Wettkampf gehorcht klaren Regeln. Er funktioniert nicht ohne Fairness und Zusammenhalt. Es ist dieser olympische Gedanke, der dem Sport eine einzigartige, integrative Wirkung verschafft und Millionen Menschen bewegt. Was hat Sport nun mit dem negativ besetzten Wort (und der Realität von) Diskriminierung oder, positiver gewendet, mit Antidiskriminierung zu tun?

    Sportvereine sind eine wichtige Institution in der Mitte unserer Gesellschaft. Ein Drittel der Männer und ein Fünftel der Frauen in Deutschland sind in Sportvereinen organisiert. Sie sind Orte, an denen Freundschaften und Beziehungen entstehen, Menschen ihre Grenzen testen und gemeinsam Spaß haben. Es sind auch Orte, an denen Werte vermittelt werden und an denen Inklusion und Integration gelingen kann, wenn der Wille da ist. Kein Zweifel: Sportvereine prägen unsere Gesellschaft und schaffen gesellschaftlichen Zusammenhalt.

    Doch sie sind eben auch Orte, an denen Ausgrenzung und Diskriminierung stattfindet. Leider sind Sportvereine in Deutschland auch heute nicht immer auf eine vielfältige Gesellschaft ausgerichtet. Oft werden überkommene Geschlechterrollen transportiert, rassistische und homophobe Beleidigungen geduldet und es wird noch zu wenig dafür getan, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu ermöglichen.

    Auch im Spitzensport tritt Diskriminierung verstärkt auf. Beispiele gibt es viele: So zeigt das späte Outing des ehemaligen Profis Hitzlsperger, dass es schwule Fußballprofis immer noch vorziehen, versteckt zu leben, als die Diskriminierung zu ertragen, die sie nach einem Coming-out erwartet. Der Spielabbruch, den Kevin-Prince Boateng erzwang, weil er rassistisch diskriminiert wurde, ist nur die Spitze eines Eisberges. All das sind nur einige Beispiele dafür, dass noch viel Arbeit nötig ist, um allen Menschen eine diskriminierungsfreie Teilhabe am Sport zu ermöglichen. Ermutigend ist die Tatsache, dass diskriminierende Vorfälle inzwischen immer öfter öffentlich diskutiert, kritisiert und auch geahndet werden. Darüber hinaus gibt es inzwischen auch bessere rechtliche Möglichkeiten, gegen Diskriminierung vorzugehen.

    Im Folgenden gebe ich einen Überblick über die rechtliche Situation, stelle Beispiele von Diskriminierung und gelungener Antidiskriminierungsarbeit im Breiten- und Leistungssport vor und gebe Empfehlungen zur Verbesserung der Situation.

    2 Diskriminierung und Diskriminierungsschutz

    Wir leben in einer alternden und diversifizierten Gesellschaft. „Unsere Gesellschaft" – das sind nicht nur heterosexuelle Männer und Frauen, sondern auch gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, kultureller Traditionen, Sprachen und Religionen, ältere und jüngere Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Diversity, die soziale Vielfalt von Menschen und ihren Lebensformen, ist zum Schlagwort geworden. Die Lebensrealitäten und die Erfahrungen in der Gesellschaft sind nicht weniger divers: An den Dimensionen, auf die sich Vielfalt nach einem internationalen, menschenrechtlichen Grundkonsens bezieht (Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Identität sowie Religion und Weltanschauung)¹, setzen auch vielfältige Benachteiligungen oder Diskriminierungen an (vgl. z. B. Heitmeyer 2012; Mahlmann und Rottleuthner 2011; Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2013; basis & woge e. V. 2013).

    Vielfalt ist somit nicht nur Bereicherung, sondern auch eine (gesellschaftliche) Herausforderung. Denn mit Blick auf die Menschenrechte² und weiteren rechtlichen Regelungen gilt es nicht nur, die Vielfalt von Menschen anzuerkennen und zu respektieren. Vielmehr geht es darum, auch sicherzustellen, dass jede_r³ Einzelne gleichberechtigt an zentralen Bereichen gesellschaftlichen Lebens wie Arbeit, Wohnen, Freizeitgestaltung etc. teilhaben kann.

    2.1 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

    Seit dem 18. August 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Es setzt vier europäische Antidiskriminierungsrichtlinien in deutsches Recht um. Ziel des Gesetzes ist es, rassistische Diskriminierungen oder jene, die wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt sind, zu verhindern oder zu beseitigen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach AGG vor, wenn eine Person wegen einem der genannten Gründe „eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen einem der genannten Diskriminierungsgründe „gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können". Unter Benachteiligung werden auch Belästigungen sowie sexuelle Belästigung gefasst. Anerkannt wird auch, dass Diskriminierung an mehreren Merkmalen ansetzen kann (Mehrfachdiskriminierung). Entscheidend ist, dass im Ergebnis eine Benachteiligung vorliegt und nicht, ob eine Benachteiligung absichtlich erfolgt ist. Diskriminierungen können somit vielfältige Erscheinungsformen haben, nicht immer leicht zu erkennen sein und auch unbeabsichtigt erfolgen.

    Das AGG regelt die Ansprüche und Rechtsfolgen bei Diskriminierungen sowohl für das Arbeitsleben als auch für das Zivilrecht:

    Arbeitgeber_innen müssen bei Stellenausschreibungen und während des Bewerbungsprozesses das Benachteiligungsverbot beachten. Aber auch bei bestehenden Arbeitsverhältnissen haben Arbeitnehmende Anspruch auf Schutz vor Benachteiligungen. Sie können Schadensersatz oder Entschädigung verlangen und sich bei den Arbeitgeber_innen über Benachteiligungen beschweren. Dafür muss in allen Betrieben eine entsprechende Beschwerdestelle eingerichtet werden, über deren Existenz alle Beschäftigten informiert sein müssen. Arbeitgeber_innen müssen dafür Sorge tragen, dass Diskriminierungen unterbleiben. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, gegen Mitarbeiter_innen vorzugehen, die andere Kolleg_innen diskriminieren. Die möglichen Maßnahmen reichen dabei von einer Versetzung über eine Abmahnung bis hin zur Kündigung.

    Es gibt aber auch Ausnahmen vom Benachteiligungsverbot: Eine evangelische Schule darf bspw. als Einstellungsvoraussetzung für eine Religionslehrkraft festlegen, dass diese Mitglied der evangelischen Kirche ist. Auch Einrichtungen oder Angebote für spezielle Zielgruppen wie bspw. jugendliche Mädchen oder muslimische ältere Männer können sachlich gerechtfertigt und damit zulässig sein.

    Der Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erstreckt sich im Zivilrecht auf Massengeschäfte und privatrechtliche Versicherungen. Massengeschäfte werden ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Konditionen und in einer Vielzahl von Fällen abgeschlossen. Dazu zählen alltägliche Dinge wie Einkaufen, Essen gehen, die Nutzung von Sport- und Freizeiteinrichtungen oder auch Wohnen. Bei Verstößen gegen das AGG können Benachteiligte Entschädigung und Schadensersatz verlangen.

    2.2 Bedeutung des AGG für den Sport

    Das Diskriminierungsverbot gilt grundsätzlich auch im Sport. In Bezug auf die Anwendung des AGG muss nach Arbeits- und Zivilrecht differenziert werden:

    Wenn es sich um Leistungssport handelt besteht zwischen Vereinen und Sportler_innen in der Regel ein Arbeitsverhältnis und daher gelten die arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbote des AGG (Weichselgärtner 2011, S. 82). Arbeitgebende im Bereich Sport sind somit verpflichtet, ihre Auszubildenden und Arbeitnehmer_innen (z. B. angestellte Profisportler_innen oder Trainer_innen, aber auch Beschäftigte, die Büroarbeiten o. ä. übernehmen) vor Diskriminierung zu schützen. Benachteiligungen können z. B. durch Trainer_innen, Sportkolleg_innen und Betreuer_innen aber auch durch Fans oder Vereinsregelungen erfolgen (ebd., S. 170 f.).

    Beim Zugang zu Sportveranstaltungen und zu Fitnessstudios handelt es sich dagegen überwiegend um Massengeschäfte, die unter den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz des AGG fallen. Auch hier darf nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden.

    Anders ist die Rechtslage beim Zugang zu Sportvereinen, da das Vereinsrecht nach überwiegender Rechtsauffassung nicht unter die im AGG enthaltenen Spezialregelungen für berufsständische Vereinigungen fällt. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn es sich um einen Verein mit überwiegender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich handelt und ein grundliegendes Interesse am Erwerb der Vereinsmitgliedschaft besteht. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn die Vereinsmitgliedschaft notwendig ist, um an nationalen oder internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Auch wenn für Sportvereine oder – verbände das AGG (außerhalb des Arbeitsrechts) mangels Anwendbarkeit auf vereinsrechtliche Fragen nicht gilt (s. o.), sind Vereine an die allgemeinen zivil-und grundrechtlichen Wertungen gebunden. Zulässig sind unterschiedliche Behandlungen nur dann, wenn sie sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Eine Rechtfertigung kann sich z. B. aus dem Vereinszweck und der Satzung ergeben. So darf es Sportangebote oder Vereine geben, die sich nur an bestimmte Zielgruppen wie bspw. Migrantinnen oder Jugendliche mit Behinderung oder auch ausschließlich an schwule Männer über 50 Jahre richten oder für diese offen sind.

    Im Sport geht es in der Regel darum, die Vergleichbarkeit von Leistungen oder die Wahrung der Chancengleichheit und der körperlichen Unversehrtheit zu gewährleisten. Daher kann im Leistungssport z. B. ein Ausschluss von zwischengeschlechtlichen Athlet_innen zulässig sein, wenn klare Vorteile aus der Zwischengeschlechtlichkeit gezogen werden und damit die Chancengleichheit nicht mehr gegeben ist. Allerdings kann der Ausschluss dieser Athlet_innen von Wettkämpfen oder ihre Sperrung bis zur Einholung von Gutachten oder Geschlechtstests als direkte Benachteiligung gelten, da die Betroffenen im Gegensatz zu ihren Konkurent_innen ihre Wettkampfform verlieren können und auch finanzielle Einbußen haben (Weichselgärtner 2011, S. 297 f.).

    3 Diskriminierung und Antidiskriminierung im Sport

    Sport gilt als wichtiger Teil der Alltagskultur, der zur Lebensqualität beiträgt und die Freizeitgestaltung prägt. Die Dachorganisation des deutschen Sports, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte im Jahr 2012 insgesamt 27,8 Mio. Mitglieder in 91 080 Sportvereinen. Der Frauenanteil in allen Sportverbänden lag im Jahr 2012 insgesamt bei rund 40 % (in den Fußballvereinen bei 16 %). Im Deutschen Behindertensportverband, dem Deutschen Gehörlosen-Sportverband und Special Olympics Deutschland waren mehr als 628 000 Menschen mit Behinderungen organisiert (Bundeszentrale für politische Bildung 2013, S. 335). Viele Menschen, die im Freizeit oder auch Spitzensport aktiv sind, haben einen Migrationshintergrund.

    Im Zusammenhang mit Diversity und gleichen Rechten wird oftmals betont, dass Sport – gerade gemeinsam betrieben – eine integrative Funktion habe und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen könne. Er leiste wichtige Beiträge zur Demokratie, zur Identifikation, zur Integration unterschiedlicher Gruppen und Schichten sowie zur Einübung sozialen Verhaltens (ebd.; vgl. auch Deutscher Bundestag 2010, S. 90 ff.). Die Potentiale, die Sport für das Erlernen und Leben eines respektvollen und gleichberechtigten Miteinanders von Menschen bietet, stehen außer Frage. Die Realität zeigt aber ein komplexeres Bild, in dem neben harmonischem Miteinander von Mädchen und Jungen oder Frauen und Männern unterschiedlicher ethnischer und auch sozialer Herkunft, unterschiedlichen Alters, sexueller Identität etc. auch Ausgrenzung, Gewalt und strukturelle Benachteiligungen stattfinden.

    3.1 Beispiele für Diskriminierungen im Bereich Sport

    3.1.1 Rassismus im Fußball

    Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass dunkelhäutige Fußballspieler von Fans rassistisch beschimpft werden und rassistische Sprechgesänge sowie das Nachahmen von Affenlauten an der Tagesordnung sind. „Mehrere Leute meinten, bei Einwürfen oder Ballkontakten Sachen wie ,Nigger‘ oder ,Schwarzes Schwein‘ in meine Richtung rufen zu müssen. Immer, wenn der Ball in meine Nähe kam, gab es auch Affenlaute, berichtete der 20-Jährige Danny da Costa, der im Zweitliga-Spiel gegen 1860 München im Sommer 2013 rassistisch beleidigt wurde. „Die Gegenspieler versuchen, dich auf dem Platz zu zerstören. Sie sagen dir ständig solche Sachen, weiß auch der aus dem Senegal stammende Hannover-Profi Mame Diouf (Thieringer 2013).

    Das Problem Rassismus im Fußball wird seit den 80er Jahren verstärkt wahrgenommen und bekämpft – von Verbänden, Medien und Institutionen (Degele und Janz 2011, S. 27). Dennoch behauptete 2011 Fifa-Chef Joseph „Sepp" Blatter, es gebe keinen Rassismus im Fußball (Kistner 2013). Und dennoch kann es geschehen, dass Spieler, die sich gegen rassistische Beleidigungen zur Wehr setzen, für sportwidriges Verhalten bestraft werden, ohne dass sie zum Thema Rassismus

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