Mediatoren in der Hauptrolle – Mediation verstehen und aktiv steuern
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Buchvorschau
Mediatoren in der Hauptrolle – Mediation verstehen und aktiv steuern - Andrea Hartmann-Piraudeau
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
A. Hartmann-PiraudeauMediatoren in der Hauptrolle – Mediation verstehen und aktiv steuernhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-31038-7_1
1. Mediation
Andrea Hartmann-Piraudeau¹
(1)
CONSENSUS GmbH, Stuttgart, Deutschland
Andrea Hartmann-Piraudeau
Email: hartmann@consensus-group.de
Am 21. Juli 2012 ist das Mediationsgesetz in Deutschland in Kraft getreten und gibt der Mediation damit einen rechtlichen Rahmen als festen Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Im Gesetz sind unter § 1 die Wesensmerkmale der Mediation definiert:
die Verfahrensqualität
das Ziel einer einvernehmlichen Konfliktbeilegung
die Freiwilligkeit der Beteiligung am Verfahren
die Eigenverantwortlichkeit bei der Erzielung von Lösungen
die Verfahrensleitung durch einen neutralen Dritten ohne Entscheidungsbefugnis.
Vergleicht man die gesetzliche Beschreibung der Mediation mit der Definition des Bundesverband Mediation fällt auf, dass hier weitere Kriterien genannt werden. Mediation ist ein Verfahren zur außergerichtlichen, konstruktiven Bearbeitung von Konflikten. Mediation ist:
vertraulich
strukturiert
freiwillig
ergebnisoffen.
Mediatoren sind:
allparteilich
unabhängig
qualifiziert
professionell.
Konfliktparteien sind:
eigenverantwortlich
an einer konstruktiven Konfliktbearbeitung interessiert
erarbeiten eigene Lösungen.
In einer Untersuchung über die „Elemente der Mediation" legt Tröndel (Tröndel 2015, S. 211) in einer qualitativen sozialwissenschaftlichen Studie eine Bandbreite vorhandener deutscher Literatur über Mediation zugrunde und untersucht, welche Elemente die Beschreibung der Mediation in der Darstellung dieser Texte umfasst.
Aus den gewonnenen Elementen erstellt er Kategorien. Konsens erzielen alle deutschsprachigen Texte über Mediation hinsichtlich folgender Elemente:
Vertraulichkeit des Mediators und der Konfliktparteien
Selbstverantwortung bzw. Selbstbestimmung der Konfliktparteien
Ziel der Mediation ist, eine einvernehmliche Lösung zu erreichen
Ziel ist es, die Beziehung der Konfliktparteien zu verbessern
Ziel ist es, eine win-win Situation herzustellen
Mediator strukturiert den Konflikt
Mediator unterstützt die Selbstklärung
Mediator nimmt eine wertschätzende Haltung ein
Mediator managt Emotionen
Mediation hat einen Zukunftsfokus.
Legt man diese drei Definitionen bzw. Beschreibungen der Mediation übereinander, dann ergibt sich folgendes Bild: Mediation ist ein strukturiertes, in die Zukunft gerichtetes, von einem neutralen/allparteilichen Dritten moderiertes Verfahren zur außergerichtlichen Konfliktklärung mit dem Prinzipien: Neutralität, Selbstbestimmtheit, Freiwilligkeit, Informiertheit, Vertraulichkeit das zum Ziel hat, eine einvernehmliche Konfliktbeilegung zu erreichen.
Die Felder der Mediation sind vielfältig und reichen von Konfliktklärungen in der Wirtschaft über Beteiligungsverfahren z. B. bei Infrastrukturprojekten. Von Täter-Opfer-Ausgleich zum Ausgleich nach Gewalttaten bis zur Nachbarschaftsmediation, Familienmediation, Erbmediation, innerbetriebliche Mediation, Arbeitsplatzmediation bis hin zu Eldermediation unter Senioren, Friedensmediation und Nachfolgemediation z. B. bei Betriebsübergaben. Je nach Feld der Mediation, unterscheidet sich das Setting. Von zwei Personen über mehrere Personen mit anwaltlichen Vertretern, Teams, Gruppen von Interessensvertretern, Menschen mit Entscheidungsbefugnis und ohne, Kindern und alten Menschen, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Teilnehmenden aus verschiedenen betrieblichen Hierarchiestufen sind viele unterschiedliche Konstellationen denkbar. Die Grundsätze und der prinzipielle Ablauf jedoch bilden eine Konstante zwischen den unterschiedlichen Anwendungsgebieten und Konstellationen.
Ein strukturiertes Verfahren erfordert einen Verfahrensablauf. Dieser wird in der Mediation in Phasen unterteilt. Die „Phasen der Mediation" ist ein Fachbegriff, der kulturübergreifend zur Beschreibung des Verfahrens verwendet wird.
Es existieren in der jüngeren Mediationsliteratur unterschiedliche Darstellungen der Phasen des Mediationsverfahrens. Populärer ist die Aufteilung in fünf Phasen. Die Phasen folgen i. d. R. chronologisch aufeinander und zeigen eine „Dramaturgie" des Verfahrens.
Erste Phase: Eröffnungsphase
In dieser Phase macht sich der Mediator ein erstes, grobes Bild vom zu behandelndem Konflikt und den Parteien, um zu beurteilen, ob der Gegenstand und die Parteien überhaupt „mediationstauglich" sind. Die gegenseitigen Erwartungen werden geklärt. Der Mediator betont seine allparteiliche Rolle, um dem häufigen Missverständnis, der Mediator fungiere als Schlichter oder bilde am Ende einen Schiedsspruch, entgegenzutreten. Weitere Grundsätze der Mediation – Vertraulichkeit, Selbstverantwortlichkeit, Informiertheit und Freiwilligkeit (s. u.) – werden erläutert. Sind alle Beteiligten mit den Verfahrensprinzipien einverstanden und hat der Mediator den Konflikt als mediationsgeeignet bewertet, beginnt die organisatorische Vorarbeit: Terminvereinbarungen, Aufklärung über die Kosten des Verfahrens, Abschluss des Mediationsvertrags und der Gebührenvereinbarung.
Zweite Phase: Sachverhalts- und Problemdarstellung
Mit der Bestandsaufnahme beginnt die eigentliche Konfliktbearbeitung. Die Medianten nennen die Themen, die ihnen wichtig sind und die sie gerne im Verfahren bearbeiten möchten. Es folgt die Informationssammlung. Die Aufgabe des Mediators besteht darin, unter Zuhilfenahme verschiedener (Frage-) Techniken, möglichst alle zur Konfliktklärung relevanten Informationen zu sammeln. Er hat dabei u. a. die Möglichkeit, Einzelgespräche zu führen, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind. Nach Abschluss der Themen- und Informationssammlung folgt die gemeinsame Festlegung der Reihenfolge der genannten Punkte. Mit diesem Schritt ist die thematische Reihenfolge der weiteren Mediation festgelegt.
Dritte Phase: Konflikterhellung
Ein Grundgedanke der Mediation ist, dass hinter jeder geäußerten Position Interessen liegen. Die Interessen sind es, die die Bedürfnisse der Parteien am Tisch ausdrücken und die mit Emotionen verbunden sind. In dieser Phase ist die Aufgabe des Mediators, mit den Medianten diese Interessen und Bedürfnisse herauszuarbeiten. Solche Interessen können z. B. sein: Sicherheit, Freiheit, Anerkennung, Erfüllung der wirtschaftlichen Grundbedürfnisse, Harmonie. Oft ist den Parteien nicht bewusst, welche Interessen hinter ihren Positionen stehen. Das Aufspüren dieser kann zur Selbstreflektion beitragen und für die anderen Partei den Konfliktgegenstand greifbarer machen. Es geht in dieser Phase darum, ein gegenseitiges Verständnis herzustellen und das Bezugs- und Wertesystem der Beteiligten zu identifizieren und für alle Beteiligten verständlich zu machen. Diese Phase wird häufig als das Kernstück der Mediation angesehen und von den Parteien als intensiv und anstrengend wahrgenommen. Gelingt es, die Interessen für alle transparent und verständlich herauszuarbeiten, ist an dieser Stelle häufig ein Wendepunkt der Konfliktklärung zu erleben: Die Kooperation und die gegenseitige Empathie nehmen