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Client Value Generation: Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur
Client Value Generation: Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur
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eBook392 Seiten4 Stunden

Client Value Generation: Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur

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Über dieses E-Book

Client Value Generation

Die Geschäftsmodelle der Banken haben ein Verfallsdatum. Differenzierung, die über die Industrialisierung hinaus geht, wird nötig. Das Machtverhältnis zwischen Bank und Kunden hat sich verschoben - Qualität und Preis-/Leistungsverhältnis der Bankdienstleistungen werden transparenter und kundenseitig konsequenter eruiert. Innovative Geschäftsmodelle fördern die Margenerosion – der Kunde braucht die Bank immer weniger. Dieses Buch legt die Eckpfeiler – u. a. effektive Kundenzentrierung und ein „Win-Win“ zwischen Kunden und Bank - der zukünftigen Erfolgsmodelle im Banking dar und zeigt die heutigen Denkfallen und notwendige Schritte für Zukunftsfähigkeit - persönlich und für die Banken - auf. Das „Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur“ aggregiert die passgenauen Instrumente zu einer Roadmap für erfolgreiche Transformation.

Der Inhalt

· Denkfallen und neue Spielregeln

· Treiber des zukunftsfähigen Bankings und betriebswirtschaftliches Instrumentarium

· Erfolgreiche Transformation

· Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur

Die Autoren

Prof. Dr. Stefanie Auge-Dickhut ist Forschungsleiterin des Schweizer Instituts für Finanzausbildung (SIF) an der Kalaidos Fachhochschule in Zürich, Partnerin bei „Koye & Partner“ und verfügt über langjährige Finance-Beratungserfahrung.

Prof. Dr. Bernhard Koye ist Gründer und Institutsleiter des SIF, Gründer von Koye & Partner und Experte für Geschäftsmodelle & Transformations- und Changeprozesse.

Axel Liebetrau ist Dozent am SIF; er gilt als einflussreichster Experte für Innovationen und Trends in Banking und Insurance im deutschsprachigen Raum und ist Gründer der „Banking Innovation Group“ in Stuttgart.

Mit einem Gastbeitrag von Charlotte Götz, ebenfalls Dozentin am SIF und Gründerin von „CO13 für systemisches Veränderungsmanagement“.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum30. Sept. 2014
ISBN9783658015244
Client Value Generation: Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur

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    Buchvorschau

    Client Value Generation - Stefanie Auge-Dickhut

    Teil I

    Neue Spielregeln: Die Treiber des zukunftsfähigen Bankings

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

    Stefanie Auge-Dickhut, Bernhard Koye und Axel LiebetrauClient Value Generation10.1007/978-3-658-01524-4_1

    1. Die Kunden, die unbekannten Wesen!

    Stefanie Auge-Dickhut¹  , Bernhard Koye¹   und Axel Liebetrau²  

    (1)

    Kalaidos Fachhochschule Schweiz, Zürich, Schweiz

    (2)

    International Management Consulting, Wiesloch, Deutschland

    Stefanie Auge-Dickhut (Korrespondenzautor)

    Email: Stefanie.Auge-Dickhut@kalaidos-fh.ch

    Bernhard Koye

    Email: bernhard.koye@kalaidos-fh.ch

    Axel Liebetrau

    Email: axel@axel-liebetrau.de

    1.1 Einführung: Kunden und deren Wandel verstehen

    1.2 Denkfallen

    1.2.1 Denkfalle: Innovation geht ohne die Kunden

    1.2.2 Denkfalle: Die Kunden sind rational und informiert

    1.2.3 Denkfalle: Das Verständnis der Kunden ist hinreichend für Zukunftsfähigkeit

    1.2.4 Denkfalle: Die Kunden kommen in die Bank

    1.2.5 Denkfalle: Vertrieb findet entweder in der Filiale oder online statt

    1.2.6 Denkfalle: Die bankinterne IT gibt die Device-Nutzung vor

    1.3 Wrap up: Denkfallen

    1.4 Kernbotschaft

    Literatur

    Um die Frage nach der Bedeutung des Wandels vom Käufer- zum Verkäufermarkt zu analysieren, gilt es, die Leitlinien des Kundenverhaltens im digitalen Zeitalter zu verstehen. Dabei ist die Gefahr, dass die Erfahrungen der Vergangenheit fortgeschrieben werden. Doch selbst wenn es gelingt, innovativ auf die Kunden zuzugehen, ist keine Garantie gegeben, dass zukunftsfähige Lösungen entstehen. Man kann von den Kunden nicht erwarten, dass sie innovative Lösungen für ihre Bedürfnisse im Voraus kennen. So wünschten sich die Menschen vor Erfindung des Autos schnellere Pferde, vor der Einführung des PC flexiblere Datenverarbeitung und vor Erfindung des iPhones integrierte Nutzung aller Daten. Dieses Kapitel skizziert die Trends, die die Kunden beeinflussen (vgl. 1.1) und die „Fettnäpfchen" bei der Entwicklung modernen Kundenverständnisses (vgl. 1.2).

    1.1 Einführung: Kunden und deren Wandel verstehen

    Das richtige Verständnis des zukünftigen Kundenverhaltens und ihrer Bedürfnisse sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche strategische Ausrichtung der Bank. Oft wird das sich bereits grundlegend veränderte Kundenverhalten mit einen vorübergehen-den Trend verwechselt.

    Die Finanzindustrie hat sich in der Phase der Vertriebsorientierung in den Verkäufermärkten auf Konkurrenzanalysen fokussiert. Die Kunden waren deutlich weniger informiert und daher auch weniger anspruchsvoll, da sie ihre Handlungsoptionen zu wenig kannten. Im digitalen Zeitalter sind die informierteren Kunden hingegen immer weniger bereit, diese Vertriebslogik zu akzeptieren.

    Das gewandelte Kundenverhalten entsteht aus einer Fülle von soziokulturellen Trends sowie deren Wechselspiel unter- und miteinander. Nachfolgend werden einige soziokultureller Trends, welche das Kundenverhalten im Banking nachhaltig beeinflusst haben und noch beeinflussen, vorgestellt. Die Aufzählung ist exemplarisch und nicht vollständig:¹

    Mobiles Internet und Digitalisierung

    Die steigende mobile Vernetzung nimmt immer neue Formen an und dringt in alle Bereiche des privaten und geschäftlichen Lebens ein.

    Individualisierung

    Dies ist der fortschreitende Prozess von der Fremd- zur Selbstbestimmung des Individuums. Bezogen auf Wirtschaftsthemen sind dies die vielfaltigen Möglichkeiten für individuelle Entscheidungen, beispielsweise im Hinblick auf Lebensführung, Konsum oder Mediennutzung.

    Bildung

    Mit dem Übergang von der Industrie- zur Kreativ- und Wissensgesellschaft wurden Kreativität und Wissen zu Schlüsselressourcen. Gleichzeitig ist das kollektive Bildungsniveau der Menschen stark angestiegen.

    Neue Arbeitsformen

    Neue flexible, mobile und projektorientierte Formen der Arbeit haben starre Berufsbilder und Beschäftigungsarten aufgeweicht.

    Die Trend- und Zukunftsforschung hilft durch den Blick aus der Zukunft, die Kunden besser zu verstehen. So können auch mögliche Denkfallen erkannt werden, die aus der Fortschreibung bestehender Erklärungsmuster in die Zukunft resultieren.

    1.2 Denkfallen

    1.2.1 Denkfalle: Innovation geht ohne die Kunden

    Nach Gassmann und Sutter (2008) wachsen innovative Unternehmen überproportional und sind profitabler als ihre Wettbewerber. Vahs und Burmester (2005) sehen in Innovationen wesentliche Antriebskräfte für wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Fortschritt. Vor dem Hintergrund der gesättigten Märkte der Finanzdienstleistungsindustrie und der kritischeren Kunden gewinnt das Thema Innovation auch für Banken massiv an Bedeutung, auch wenn die Branche im Bereich der Kundenberatung bisher sehr erfolgreich mit der Fortschreibung der Vergangenheit war. Der Kundenwunsch nach integrierten Lösungen, das Bestreben der Banken nach Marktanteilsausdehnung und die wachsende internationale Konkurrenz – beispielsweise durch Direktanlagebanken in Deutschland – erhöhen in Verbindung mit dem Margendruck aufgrund der informierteren Kunden den Innovationsdruck (Gassmann und Sutter 2008).

    Erstaunlich ist, dass nur in den seltensten Fällen die Kunden als Innovationsquelle mit einbezogen wird. Banken tappen in die Denkfalle, alles selbst entwickeln zu wollen und die Kunden spät oder gar nicht in die Innovationsentwicklung einzubinden. Doch warum immer nur im eigenen Saft schmoren? Die Auslagerung von Ideen- und Innovationsentwicklung auf die Intelligenz und die Arbeitskraft der Kunden ist eine spannende Option. Der Zugriff auf Wissen und Wissensquellen ist für die Innovationsfähigkeit – nicht nur bei wissensintensiven Branchen – ein potenzieller Erfolgsfaktor. Viele Banken haben dies erkannt und daher in den letzten Jahren ihre internen Prozesse im Wissens- und Innovationsmanagement sowie in angrenzenden Themengebieten immer weiter optimiert. Einige Banken² binden dabei bereits externe Wissensquellen wie zum Beispiel Kunden, Partner oder Lieferanten ein. Dieses ist kein völlig neuer Ansatz, er zeigt allerdings die Tendenz der Abkehr von der Abschottung der Banken nach außen und die neue Rolle von externen Wissens- und Innovationsquellen.

    Die zentrale Frage in der Umsetzung ist dabei: Was treibt Kunden an, sich aktiv an der Innovationsentwicklungen bei Banken zu beteiligen? Die Meinungen hierüber sind vielfältig. In Fachartikeln und Diskussionen mit Experten kristallisieren sich die sogenannten „Vier F„s" der Online-Partizipation heraus, welche Marsden (2009) in einem Whitepaper zu Ideenplattformen zusammengefasst hat:

    fame (Ruhm),

    fortune (Reichtum),

    fulfillment (Erfüllung),

    fun (Spaß).

    Nur wenige Mitarbeitende oder Kunden ziehen ihre Motivation ausschließlich aus monetären Anreizen (Wilkesmann und Rascher 2005). Sie sind allerdings wichtig, um zu zeigen, dass die Ideen und Vorschläge ernst genommen und gewünscht werden. Die ungebremste Attraktivität von Reality- und Castingshows zeigt darüber hinaus, dass Menschen Ruhm und Status in der Öffentlichkeit suchen. Einige Banken motivieren ihr Personal daher nicht mit monetären Anreizen, sondern mit der Möglichkeit zur aktiven Mitarbeit bei der Ideen- und Innovationsentwicklung mit der Chance, sich in der Bank bekannt zu machen und ihr persönliches Netzwerk zu erweitern.

    Zu einem Großteil beruht die Bereitschaft, an Ideen- und Innovationsentwicklung teilzunehmen, auf der Möglichkeit zur persönlichen Erfüllung. Diese kann sich ausdrücken durch Hilfe bei der Entwicklung einer Lösung, den Kontakt zu interessanten Menschen oder dem Ausleben der eigenen Kreativität. Der wichtigste Beweggrund ist und bleibt sicherlich der Spaß und die Freude am gemeinsamen, spielerischen Arbeiten. Langweilige Fragestellungen oder die umständliche und zeitraubende Teilnahme sollten weitgehend vermieden werden (Eckstein und Liebetrau 2012).

    Co-Creation oder auch Open Innovation, die gemeinsame Innovationsentwicklung, begeistert Kunden, Partner und Mitarbeitende und setzt Wandel in Gang. Die Grenzen zwischen Bank und Kunden werden durchlässiger und weniger klar. Neues entsteht schon dadurch, dass Altes mit neuen Augen betrachtet wird (Reichwald und Piller 2009). Die Innovationsverantwortlichen in Banken sollten sich daher mit dem Phänomen genauer auseinandersetzen und sich nicht pauschal dafür oder dagegen entscheiden. Wie bei jedem neuem Managementinstrument findet sich auch bei Co-Creation Vorteile und Nachteilen, die einen bewussten Umgang erfordern. Ob man es nun Co-Creation, User-Innovation oder Open Source nennt, das neue, offene Innovations-Modell bedeutet auf jeden Fall eine drastische Veränderung des Umgangs einer Bank mit ihren Kunden.

    Die nachfolgenden drei Schlüsselthesen fassen die Chancen der Integration von Kunden und anderen Externen für das Ideen- und Innovationsmanagement in der Finanzindustrie zusammen:

    1.

    Zugang zum „ lebensnotwendigen Rohstoff" Kreativität

    Banken, die weiterhin ertragreich agieren wollen, müssen lernen, „kreatives Kapital zu gewinnen und zu nutzen. „In der Kreativ- und Wissensökonomie wird der Unternehmenswert danach beurteilt, in welchem Umfang es gelingt, ein Magnet für kreative Menschen zu sein und Strukturen zur Verfügung zu stellen, in denen sich das „kreative Kapital optimal entfalten und zum Innovationstreiber werden kann." (Liebetrau und Hirsig 2012). Ganz gleich, ob nun die Kreativität und die Ideen von eigenen Mitarbeitenden, von Externen oder von aus der gemeinsamen Interaktion kommen, Co-Creation kann ein sinnvoller Zugang zu externer Kreativität und Wissen sein.

    2.

    Magnetwirkung für High Potentials und Experten

    Attraktivität von Aufgabenstellungen oder Auftraggebern wird neu buchstabiert. Sie entsteht dort, wo kreative Köpfe ein inspirierendes Umfeld vorfinden: Bei innovativen Banken mit weiteren kreativen Köpfen in der eigenen Organisation und bei externen Partnern. Kreative ziehen Kreative an. Die gestellten Aufgaben und die vorhandene Innovationskultur sind ebenso entscheidend. Langweilige Aufgaben und Banken ziehen nur eines an: langweilige Ideen, langweilige Mitarbeitende und noch langweiligere Kunden und Partner.

    3.

    Kein Jungbrunnen für unkreative Banken

    Banken, die bereits heute als wenig kreativ und innovativ gelten, werden durch Co-Creation nicht besser. Eine Verlängerung einer unzureichenden Innovationskultur oder -strategie mittels Co-Creation wird in seltenen Fällen erfolgreich sein (Liebetrau und Hirsig 2012). Um die Potenziale von Co-Creation heben zu können, gilt es, sich zunächst ein Bild über die eigenen Stärken und Kompetenzen zu machen. Was ist meine Innovationsstrategie? Wie ist meine Innovationskultur? Wie gehe ich mit Ideen und Know-how um? Was treibt mich/uns an? Erst wenn die Bank ihr Wissens- und Innovationsmanagement im Griff hat und Innovationen und Kreativität selbst ohne Hilfe von außen umsetzt, kann die Bank mit Erfolg Kreativaufgaben an ihre Kunden auslagern. Wird Co-Creation gut gemacht, so werden die überlebenswichtige Innovationskraft und das Image nachhaltig gesteigert. Die Bank ist dann offen für Neues und „hört" nicht nur auf ihre Kunden, sondern startet einen echten Dialog auf Augenhöhe. Der Umgang mit der zunehmenden Unsicherheit in der Produkt- und Prozessgestaltung mit bisher unbeachteten Touchpoints³, den kurzfristigen Entscheidungsdruck in der Umsetzungsgeschwindigkeit (Time-to-Market Ausrichtung) und die erhöhte Fließgeschwindigkeit der Märkte und Prozesse bedingen eine neue, offene Organisationsform für frische Innovationen mit frühzeitiger Einbindung der Kunden und weiterer Partner. Der Ruf in der Finanzindustrie, klarer, kreativer, mutiger, schneller, entschlossener zu werden, wird lauter. Die Integration der Kunden in die Ideen- und Innovationsentwicklung ist ein deutlicher Schritt hin zur flexiblen Bank. Banker und Kunden, alle können zusammen an der gleichen Frage- und Problemstellung arbeiten. Grenzen zu Kunden, Partnern – und teilweise sogar zur Konkurrenz – werden durchlässiger.

    1.2.2 Denkfalle: Die Kunden sind rational und informiert

    In den Medien und in der Bankbetriebswirtschaft trifft man immer wieder auf die beiden Begriffe des Homo oeconomicus⁴ und der informierten Kunden.⁵ Verbindet man beide Begriffe entsteht leicht der Eindruck rein rational denkender Kunden, welche all umfassend informiert sind. Beide Begriffe sind Denkmodelle, welche helfen, das Verhalten von Kunden besser zu verstehen und in Teilen zu prognostizieren. Beide Denkmodelle können in Bezug auf die Banken allerdings durch die Annahme, dass sich Kunden genauso verhalten wie angenommen und dass somit ihr Verhalten berechenbar und planbar sei, zu einer gefährlichen Denkfalle werden. Sie beruht auf der weitverbreiteten Annahme, dass Kunden sich beim Thema Finanzen rational und informiert verhalten. Mit diesen Phänomenen und Verhaltensmustern beschäftigt sich auch die Verhaltensökonomik (engl. Behavioral Economics) als ein Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft. Sie analysiert und interpretiert das menschliche Verhalten in wirtschaftlichen Situationen. Es werden Situationen betrachtet, in welchen sich Menschen im Widerspruch zum Homo oeconomicus verhalten. Das Teilgebiet der verhaltensorientierte Finanzierungslehre (engl. Behavioral Finance), beschäftigt sich mit vernunftwidrigem Verhalten auf Finanz- und Kapitalmärkten. Zusätzlich werden Anomalien im Kundenverhalten beobachtet, aufgezeichnet und interpretiert, welche durch das irrationale Zusammenspiel beispielsweise zwischen Bank und Kunden, entstehen können (Rapp 2000). Die Verhaltensökonomik beschäftigt sich auch mit den Fehlern, die Kunden bei der Entscheidungsfindung systematisch begehen (Fuller 1998). Ziel ist nicht nur das Erkennen solcher Anomalien, sondern auch der Systematik des daraus resultierenden Handelns der Kunden.

    In der Finanzmarkttheorie hatte bis Ende des letzten Jahrhunderts die Theorie effizienter Märkte eine klare Dominanz. Durch die Publikation der Forschungsergebnisse von Kahneman und Tversky (1979) und Thaler (1991) wurde eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit und Praxistauglichkeit dieser Theorie angestoßen. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde dann belegt, dass Menschen teils entgegen der Theorie rationaler Entscheidungen handeln Kahneman und Tversky (1979) zeigten, wie Marktteilnehmer mit Unsicherheiten und Informationen in der Praxis systematisch umgehen und mit welchen Techniken sich der Mensch die komplexen Problemstellungen handhabbar machen möchte. Bemerkenswert ist, dass der Mensch die bisher postulierten Gesetze der Ökonomie teilweise ignoriert und meist nicht nach objektiven Kriterien agiert. Muss beispielsweise der Wert einer Sache bestimmt werden, lässt sich der Mensch meist von selbst gewählten Kriterien und „Faust- oder Daumenregeln" (Heuristiken⁶) leiten. Er ist immer auf der Suche nach bestimmten Handlungsmustern und Rettungsankern (Jurczyk 2006). Kunden haben beispielsweise eine generelle Abneigung gegenüber Verlusten und bewerten diese oft vergleichbar stärker als die erzielten Gewinne. Die Entscheidungsmuster der Kunden sind somit oft weit weg von dem, was man als rational bezeichnen würde. Nach der Erkenntnis von Kahneman und Tversky (1979) und Thaler (1991) ist der rational und effizient handelnde Homo oeconomicus eher ein Trugbild oder eine Denkfalle, die mit der wahren Realität nur wenig gemeinsam hat.

    Überträgt man die Erkenntnisse aus der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie auf das Verhalten der Kunden einer Bank, so ergeben sich neue Erkenntnisse und mögliche Denkfallen können erkannt und umgangen werden. Nach Shleifer (2000), Shefrin (2002), Kahneman (2003) sowie Kahneman und Tversky (1973) können die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik in die vier Hauptthemen

    Heuristiken (Faust- oder Daumenregeln),

    Framing-Effekte (deutsch etwa: Einrahmungseffekt),

    Verlustaversionen und

    Kognitive Dissonanz

    untergliedert werden. Die Forscher stellen den Menschen beziehungsweise den Kunden als Individuum in den Mittelpunkt ihrer Forschung.

    Aus Sicht der Verhaltenstheorie können die Kunden die vorliegenden relevanten Faktoren nicht vollständig verarbeiten. Aufgrund der Menge der Informationen, aber auch weil ständig neue generiert werden, ist es schwierig alle zu erfassen. Die Kunden versuchen daher, die Informationsinhalte und deren möglichen Auswirkungen so gut wie möglich zu vereinfachen. Zur Bewältigung der hohen Komplexität ist er gezwungen, regelmäßig Heuristiken anzuwenden. Unter dem Begriff Heuristik versteht man nach Goldberg und von Nitzsch (2004, S. 42) „Regeln oder Strategien der Informationsverarbeitung, die mit geringem Aufwand zu einem schnellen, aber nicht garantiert optimalen Ergebnis kommen, kurz: Faustregel". Solche Faust- oder Daumenregeln werden von den Kunden bewusst oder unbewusst angewendet.

    Kahneman und Tversky (1972, 1973) zeigen des Weiteren auch das Phänomen des Framing auf. Die alleinige Veränderung der Formulierungsweise von Optionen beeinflusst bereits die Wahrnehmung des Sachverhalts und kann völlig andere Entscheidungen hervorrufen. Verständlicher wird der Framing-Effekt anhand eines Beispiels. Bei Gesundheitsvorsorge-Kampagnen wird häufig auf die schädlichen Langzeitfolgen von Rauchen oder Übergewicht mit einem Furchtappell hingewiesen. Hier spricht man von Verlust-Framing (engl. Loss Frame). Bei Präventionsmaßnahmen sind aber Botschaften, die in einen Gewinnrahmen eingebettet sind (engl. Gain Frame), erfolgreicher. Die positiven Folgen der gewünschten Verhaltensänderung werden hervorgehoben (Rothman et al. 2003, Jones et al. 2003, Meyerowitz und Chaiken 1987).

    Bei Verlustaversionen zeigt sich die bereits genannte Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. Beispielsweise ärgern sich Kunden über den Verlust von x EUR oftmals mehr, als sie sich über den Gewinn des gleichen Betrags freuen. Auch diese Entdeckung des nicht rationalen Kundenverhaltens geht auf Kahneman und Tversky (1979)

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