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Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen
Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen
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eBook881 Seiten8 Stunden

Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen

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Über dieses E-Book

Dieses Buch liefert einen Einblick in neue Methoden für das Management von Bauprojekten. Gerade bei Großprojekten besteht Gefahr, dass Termine, Kosten und Qualität nicht eingehalten werden. Komplexe Bauvorhaben gehören zu dieser Projektkategorie und bedürfen einer speziellen Steuerung. Dieses Buch gibt durch Beispiele aus Großprojekten und unternehmensweiten Einführungen von Lean Management im Bauwesen einen tieferen Einblick in die Thematik. Lean Construction verspricht allen Beteiligten eines Bauprojektes, dass in der Planung und während der Bauphase definierte Parameter eingehalten werden. Dieses Buch wendet sich insbesondere an Bauabteilungen der Industrie, Bauträger und private Bauherren sowie Beteiligte eines Bauprojektes wie Architekten, Ingenieure und Projektverantwortliche, die mit Lean Construction eine nachhaltige Verbesserung der Planungs- und Umsetzungsphase erreichen wollen.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum29. Nov. 2017
ISBN9783662553374
Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen

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    Buchvorschau

    Lean Construction – Das Managementhandbuch - Martin Fiedler

    Hrsg.

    Martin Fiedler

    Lean Construction – Das ManagementhandbuchAgile Methoden und Lean Management im Bauwesen

    ../images/416998_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Martin Fiedler

    München, Deutschland

    ISBN 978-3-662-55336-7e-ISBN 978-3-662-55337-4

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-55337-4

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.

    Lektorat: Tatjana Strasser

    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Geleitwort

    Helden und Methoden – wie managen Sie Ihre Projekte?

    Staatliche Grenzen und kulturelle Muster diffundieren, transnationale Institutionen werden immer wichtiger. Länderübergreifende Transaktionen dynamisieren den Handel mit Gütern und Dienstleistungen und bewegen Kapital und Technologie. Seit Jahren nun prägt die Globalisierung unser wirtschaftliches Handeln.

    Und man könnte meinen, die Welt wolle immer noch näher zusammenrücken. Die Welt – ein Taschentuch, wie die Spanier zu sagen pflegen.

    Fulminantes Wachstum war und ist weiterhin ein weltweiter Trend. Automatisierung, Digitalisierung und Robotics sind derzeit in aller Munde und beschleunigen diese Entwicklung weiter.

    Doch schon stottert mancher Motor. Die zunehmende Volatilität der Märkte fordert ihren Tribut. Abgrenzungstendenzen werden fühlbar. Bewährte Allianzen weichen auf, neue Bündnisse zeichnen sich ab. Wird die Welt weniger verlässlich? Gelten die alten Wahrheiten nicht mehr? Wie lange können wir uns auf die neuen Wahrheiten verlassen? Unsicherheit macht sich breit.

    In den Unternehmen gilt die Maxime: Wer gewinnen will, muss vorne mitspielen. Jetzt erst recht!

    Deshalb sind unsere „Road Warriors" unterwegs, die Globalisierung in unserem Sinn voranzutreiben, auf dass das eigene Unternehmen daran teilhabe. Voranschreiten, Wege bereiten, Neues erschließen, Innovationskraft entfalten: Das ist der Stoff, aus dem heute Erfolgsgeschichten geschrieben werden. Projekte haben ihren Anteil daran, denn sie entfalten Symbolkraft. Projekte demonstrieren Erfolg und Fortschritt, zumindest dann, wenn sie gelingen.

    Doch wann gilt ein Projekt als gelungen? Und was ist für dessen Gelingen ausschlaggebend?

    Nehmen wir an, die Erfüllung der vereinbarten Ziele, gemessen an den vereinbarten Kosten, Terminen und Qualitäten, sei ein ausreichendes Kriterium, um den Erfolg eines Projekts zu messen. Dann sollten wir uns ernsthaft Sorgen machen um die Bauwirtschaft.

    Ich frage mich, was ist passiert? Sind unsere Helden müde geworden? Oder reichen schlicht unsere bewährten Methoden nicht mehr aus?

    Stimmt denn die Ausrichtung unserer Projektteams? Passt ihr Antrieb noch in die Zeit? Orientiert sich ihre Projektarbeit kontinuierlich und konsequent am Kundenwert, den es zu erzeugen gilt? Bestimmt also die Erfüllung des gewünschten Kundenwerts das Ergebnis jedes Bauprojekts? Definiert der Kundenwert überhaupt die zu erreichenden Ziele?

    Ich erlebe Bauprojekte häufig als Einzelplanungen mit hoher Arbeitsteilung und höchster Produktkomplexität. Jedes Bauprojekt ein Original, ein Unikat und daher nicht vergleichbar oder gar wiederholbar. Standardisierungen gelten unter Architekten meist als einfallslos und daher als zu vermeiden. Die Chance auf kontinuierliches Lernen und Verbessern wird hier bereits vertan.

    Und in der Errichtungsphase? Nicht wirklich besser:

    Lange Bauzeiten sind die Regel, geringe Transparenz zu Fortschritt und Zieleinhaltung inzwischen üblich. Probleme werden oft erst erkannt, wenn die Folgewirkungen eintreten. Doch wenn das Bauvorhaben stockt, sind die erfahrenen Retter gefragt. Dann treten die „Macher" auf den Plan: Ärmel hochkrempeln, mitten hinein in das darbende Projekt, Steuer herumreißen und schnellstens zurück in die verlorene Spur. Rigoros und kompromisslos. Dann Mund abputzen und weiter geht’s.

    Doch nachhaltig beseitigt sind die Ursachen der Probleme selten. Die Fokussierung auf ein einzelnes Ziel fordert denn auch ihren Tribut. Explodierende Nachtragszahlen und Abnahmen mit endlosen Mängellisten sind häufig die Folge. Prominente Beispiele kennen wir genug.

    Lassen Sie uns nun ein Bauprojekt einmal aus der Perspektive von Fertigungsprozessen beleuchten: Das individuelle Projekt folgt einem immer wiederkehrenden, standardisierten Ablauf. Das Projektmanagement erfolgt nach einem erprobten und definierten methodischen Ansatz. Planung besteht nicht nur aus Visionen und Entwürfen, sondern ist konkrete Arbeitsvorbereitung, die den Bau produktionsgerecht aus dem Blickwinkel der nachfolgenden Errichtungsabläufe gestaltet. Gleiche Bauteile erscheinen immer wieder in identischer Einbausituation und werden planerisch lediglich individuell in die Umgebungssituation integriert. Lieferketten und logistische Abläufe folgen bekannten Strukturen und wiederholen sich. Besondere projektspezifische Risiken und Inhalte werden individuell geplant und speziell berücksichtigt.

    Das Bauprojekt unterscheidet sich damit aus meiner Sicht in weiten Teilen nicht von einem modernen Serienprozess, wie er z. B. in der Automobilwirtschaft zu finden ist. Aber wie kann die Bauwirtschaft diese aus der Seriennähe entstehenden Potenziale nutzen?

    Tradierte Verhaltensweisen und eingefahrene Muster müssen dazu konsequent infrage gestellt und nötigenfalls aufgegeben werden. Denn der Verzicht auf den Maßanzug bedeutet nicht automatisch den Standard von der Stange. Individualität, Kundenzufriedenheit und schnelle Errichtung sind über Baukastensysteme sogar besser erreichbar.

    In Serienfertigungen wird der Produktentstehungsprozess konsequent verschlankt, optimal getaktet und stets im Fluss gehalten. Nachfolgende Prozessschritte ziehen aus vorgelagerten Abläufen. Controlling hat das Ziel, nicht nur zu verwalten und zu kontrollieren, sondern die Steuerungsqualität sukzessive zu steigern und Abweichungen früher erkennbar zu machen. Nahezu null Fehler gilt in der Produktion als anzustrebendes Ziel. Warum sollte dies nicht auch bei Bauprojekten machbar sein?

    Die Chancen sind durchaus vielversprechend: Wir erkennen Fehler und Abweichungen zukünftig sehr viel früher im Prozess und können deren Vervielfältigung und Wiederholung verhindern. Mängel werden bereits frühzeitig erkannt oder komplett vermieden, anstatt sie später aufwendig zu beseitigen oder gar dem Kunden in Rechnung zu stellen. Wird die Planung produktionsgerecht erstellt, reduzieren sich Störungen, Nachträge und Mehrkostenforderungen signifikant. Verzögerungen bleiben beherrschbar, wenn nicht erst das gesamte Projekt aus dem Ruder läuft, bevor gegengesteuert wird. Termine, Kosten und Qualitäten bleiben mit höherer Sicherheit im vereinbarten Rahmen.

    Wir brauchen also nicht noch mehr und mutigere Helden, die unsere festgefahrenen Projekte wieder flottmachen. Damit unsere Mitarbeiter in den Projekten effizienter arbeiten können, gilt es vielmehr, die eingesetzten Methoden in Bauprojekten deutlich und nachhaltig zu verbessern. Sorgfältige Projektvorbereitung dient vor allem einem besseren Management über den gesamten Projektverlauf. Planung muss auch dazu genutzt werden, Komplexität zu verringern und Fehleranfälligkeit bei der Erstellung zu reduzieren. Das erprobte und bewährte Qualitätsmanagement, wie wir es aus der Serienplanung und -fertigung kennen, dient nicht nur der mangelfreien Produkterstellung, sondern auch der Sicherstellung von Terminen und Kostentreue. Aus technischer und methodischer Sicht lässt sich das auf Bauprojekte problemlos übertragen und anwenden. Was also hindert uns?

    Um einmal erlernte Verhaltensweisen aufzugeben, ist es notwendig, diese zu erlernen und durch neue gewünschte Verhaltensmuster zu ersetzen. Die Bereitschaft und Fähigkeit, eine derart einschneidende Veränderung auf breiter Front herzustellen und zu befördern, ist die große Herausforderung, vor der wir stehen.

    Gemeinsam gilt es, ein neues Denken in der Baubranche mit all ihren Akteuren, Vordenkern und handelnden Personen zu verankern.

    Die Lean Philosophie und Kultur kann die Petrischale bieten, in der das Gedankengut für neue wirkungsvolle Methoden wächst. Der Baubranche eröffnet sich damit jetzt die Chance, durch Kultivierung des Lean Managements aus eigener Kraft einen Entwicklungssprung zu generieren. Damit könnte es gelingen, die öffentliche Wahrnehmung von Bauprojekten grundsätzlich positiv zu verändern und die Baubranche mit ihren spannenden Berufsperspektiven auch für junge Talente wieder attraktiver zu gestalten.

    Das vorliegende Buch soll Ihnen einen Überblick über den aktuellen Stand des Lean Managements im Bauwesen, also über Lean Construction bieten. Es soll Ihnen ermöglichen, sich der Lean Construction-Philosophie aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern und dabei den Betrachtungshorizont zu erweitern.

    Diese Lektüre will Ihnen gängige Methoden und Werkzeuge vorstellen und deren Anwendung erläutern. Doch geben Sie sich bitte nicht nur mit bloßer Ausübung zufrieden. Ich möchte Sie ermutigen, die Methoden und Werkzeuge konsequent weiterzuentwickeln, indem Sie Ihre eigenen Erfahrungen einbringen und Gleichgesinnte an Ihrer Entwicklung teilhaben lassen.

    So kann es gelingen, die Lean Construction Community auszudehnen und weiter zu stärken. So kann Lean Management im Bauwesen so unverzichtbar werden, wie wir es aus erfolgreichen Produktionsbereichen bereits seit langer Zeit kennen. Und diese Kultur will täglich gelebt werden, um ihre nachhaltige Wirkung voll zu entfalten.

    In diesem Geist wünsche ich Ihnen eine aufregende Reise in die Welt des Lean Managements im Bauwesen, eine aufschlussreiche Lektüre und dabei nicht zuletzt viel Vergnügen.

    Klaus HauserVice President der BMW AG

    München, Deutschland

    Vorwort

    Mit dem Einzug von Lean Management in der europäischen Industrie hat sich zu Beginn der 1990er- Jahre ein Wandel vollzogen, dem sich kaum eine Industrie verschließen wollte. Die Erfolge in amerikanischen und japanischen Unternehmen waren verlockend und verblüffend zugleich. Auch in Europa führten die ersten Projekte zu schnellen Erfolgen und zeigten den für einen Wandel offenen Branchen und ihren Unternehmen das enorme Potenzial auf. Dabei lernten alle Beteiligten, dass sie zu Anfang über Quick-Wins enorme Verbesserungen erreichen konnten, deren Potenziale dann aber erschöpft waren. Mit allen weiteren Anstrengungen werden die Erfolge einzeln betrachtet kleiner, aber mit dem Effekt, dass eine Verstetigung einsetzte, dass Prozesse stabiler wurden und sich die Qualität beständig verbesserte. Erst mit der langfristigen Auslegung von Lean Management in der Unternehmenskultur werden die Anstrengungen zu einem kontinuierlichen Prozess, der auf ein klares Ziel hinarbeitet, das aber nicht starr ist, sondern in einem dynamischen Prozess den jeweiligen Anforderungen angepasst wird. Somit bleibt Lean Management immer ein Konzept im steten Wandel, um mit höchstmöglicher Effizienz die Vorhaben zu optimieren.

    Eine Umfrage unter mehr als 1500 Führungskräften der Industrie im deutschsprachigen Raum (Staufen 2016) ¹ aus dem Jahr 2016 belegt: Die Automobilindustrie ist mit dem Einsatz von Lean Management nach wie vor in Führung. 92 % der befragten Führungskräfte aus der Automobilindustrie gaben an, mit Methoden des Lean Managements zu arbeiten. Beim im In- und Ausland hoch geschätzten Maschinen- und Anlagenbau sind es immerhin 71 % und in der Elektroindustrie 67 %.

    Nur eine Branche schneidet noch schlechter als der Dienstleistungssektor mit seinen 21% ab, und das ist die Baubranche. Magere 7 % der befragten Führungskräfte aus der Bauwirtschaft gaben an, Lean Methoden einzusetzen. Nach über 25 Jahren Lean Management-Erfahrung in Europa ist diese Zahl durchaus mit Kopfschütteln zur Kenntnis zu nehmen. Geht es der Baubranche wirklich so gut, dass Optimierungspotenziale übergangen und ignoriert werden können? Ist der Kunde eines Bauwerks immer noch bereit, für Nebentätigkeiten ohne direkten Mehrwert für ihn zu bezahlen, obwohl er sonst bei Discountern einkauft oder den günstigsten Flugtarif sucht?

    Es macht den Anschein, dass die Anwendung von Lean Management im Bauwesen vom Kunden nicht genügend eingefordert wird, oft, weil es ihm vielleicht gar nicht bekannt ist. Hier sollte die Bauwirtschaft die aktive Rolle übernehmen und Lean Construction den Kunden proaktiv anbieten. Einen Vorteil aus der Optimierung ziehen schließlich beide Seiten, der Kunde über Termintreue und Qualität, die Bauwirtschaft aus klaren und berechenbaren Projektlaufzeiten und einer verlässlichen Kapazitätsplanung. Der Kunde ist im Bauprojekt selten Fachmann, Bauprozesse sind ihm meist fremd, und selbst in der Industrie wird der interne Kunde einer Bauabteilung selten in den Prozess eingreifen. Mit einer Ausnahme: Wer für die Industriezweige baut, die Lean Management erfolgreich einsetzen, der wird oft auf Unverständnis für die sperrigen Prozesse des Bauwesens stoßen. Genau hier und genau in den Branchen der Automobilindustrie und des Maschinen- und Anlagenbaus wurden die Forderungen nach einem Umdenken in der Bauabwicklung laut. Für diese Branchen zählt die Termintreue der Flächenbereitstellung eines Bauwerks zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Der Termin der Flächenübergabe ist die Ausgangsbasis für den Terminplan des Anlagenbaus und schließlich für den Produktionsstart.

    Termintreue ist ein seltenes Gut in Großprojekten geworden, das zeigen insbesondere Projekte der öffentlichen Hand in den vergangenen Jahren leider nur zu deutlich. Dabei kommt es zudem zu einer Kostenexplosion über nachträglich umzusetzende Wünsche oder Umplanungen, da sich der Projektauftrag über die Bauzeit hinweg gravierend verändert. Lean Construction zielt hier auf eine realistische Erfassung des Bauumfangs, als Summe aus dem vom Kunden bestellten aber auch dem vom Kunden eigentlich gewünschten oder tatsächlich benötigten Bauumfang ab. Diese Umfänge unterscheiden sich oft deutlich. Aufgabe von Lean Construction ist zusammen mit dem Kunden so früh wie möglich im Projekt einen gesicherten Planungs- und Baustand zu definieren. Dazu muss der Kunde über die Konsequenzen seiner Wünsche aufgeklärt werden. Hier ist die Fachexpertise der Planer gefragt, die den Kunden beraten und gemeinsam mit dem späteren Nutzer ein Bauwerk planen, das auch dem tatsächlichen Bedarf gerecht wird.

    Im Kostenrahmen die benötigte Qualität und den vom Kunden gewünschten und bestellten Umfang zu liefern, ist zentrale Aufgabe eines Bauprojektes. In der Tat kommt es bei vielen Projekten sogar zu einer Unterschreitung der angesetzten Bauzeit über die konsequente Anwendung von Lean Methoden. Es sollte aber realistisch ergänzt werden, dass diese Reduzierung der Bauzeit oft nur theoretischer Natur ist. Allzu oft wird dieser Zeitpuffer von zahlreichen Änderungen im Bauumfang wieder aufgebraucht, sodass die Bauzeit unterm Strich dieselbe bleibt. Worauf es aber ankommt, ist eine Stabilisierung der Bauprozesse als verlässliche Ausgangsbasis für eine Prognose über den Fertigstellungstermin.

    In jedem Fall wird der Leser schnell erkennen, dass der Schlüssel zu einem erfolgreichen Lean Projekt und einer erfolgreichen Lean Organisation in der Unternehmenskultur, dem Team und dem einzelnen Menschen liegt. Hier werden die Weichen sowohl für Planung als auch für die Bauausführung gestellt. Die Kultur eines Projektes oder eines Unternehmens spiegelt sich in seiner Organisation wider.

    Traditionelle Organisationsformen tendieren dazu, in Problemen zu denken. Diese Probleme werden konsequent weitergetragen, sie müssen fortbestehen, denn sie sind oft der Quell einer Daseinsberechtigung. Sie überdauern damit gerne mehrere Mitarbeiter in einer Position und durchziehen ein Projekt von Anfang bis zu seinem Ende. In Baubesprechungen werden diese „Probleme" dann in Listen gewälzt und immer wieder zur Sprache gebracht. Lösungen werden über Listen freilich nicht erarbeitet, aber sie machen einen professionellen Eindruck. Die Verwaltung von Problemen ist eine Mammutaufgabe, die Lösung dagegen wird seltener bedacht.

    Zu dieser ausgesprochen ausgeprägten Problemkultur kommen in herkömmlichen Bauprojekten noch die „Wissenshüter" hinzu. Meist handelt es sich dabei um Personen in Schlüsselrollen eines Bauprojektes, oft erfahrene Bauleiter und Objektüberwacher. Jeder dieser Hüter hat ein spezielles Wissen um die Historie eines Projektes, um Besonderheiten, eventuell sogar Lösungsansätze, deren Zeit aber noch nicht gekommen ist. Diese Mitarbeiter halten alle Fäden in der Hand und lenken das Projekt. Sie sind es, die die Projekte vorwärtsbringen und aktiv steuern.

    Fällt nun aber solch ein Wissenshüter aus, verlässt er das Projekt, so nimmt er sein Wissen unwiederbringlich mit. Damit verschwinden ein Teil der Lösung, Hintergrundwissen und wertvolle Informationen. Das führt im Projekt paradoxerweise oft zu der Situation, dass diese Personen im Nachhinein mystifiziert werden. Unter ihrer Regie schien alles besser zu sein, da gab es noch einen nennenswerten Fortschritt. In Wahrheit aber schützen diese Personen nur ihr Wissen. Sie dulden keine anderen Wissenshüter neben sich, das Wissen ist exklusiv nur für sie selbst bestimmt. Diese Personen sehen sich als Knotenpunkt eines Informationssterns. Bei ihnen laufen alle Fäden zusammen, hier ist das Zentrum aller Entscheidungen. Genau daran kranken herkömmliche Projekte, denn dieser Personenkreis hindert in Wahrheit das Projekt an einer eigenständigen Entwicklung. Wissen ist eines der wenigen Güter, das sich vermehrt, wenn man es teilt. Teilen von Information führt dazu, dass mehrere Kollegen daraus ihre Schlüsse ziehen können. Einen echten Mehrwert erzielt das Projekt, das Information für alle Entscheider offen zur Verfügung stellt. Ein Team ist dabei immer genau so stark wie sein schwächstes Mitglied, also sein am schlechtesten informiertes Mitglied.

    Die Komplexität von Projekten wird über eine Schwarmintelligenz erst richtig beherrschbar. Das steht im klaren Gegensatz zur traditionellen Organisationskultur, die über eine Erhöhung der Komplexität in der Organisation selbst besser werden will. Je komplexer aber die Organisation, desto unbeweglicher und schwerfälliger wird sie. Das führt dann oft zu einer Ablehnungshaltung, in der die Beteiligten jede Herausforderung als unbezwingbar wahrnehmen. Allein der Planungsaufwand für die Bewältigung der Aufgabe erscheint zu groß.

    Wie aber geht ein Lean Projekt mit solchen Herausforderungen um?

    Lösungsorientiert und nach dem Minimalprinzip:

    Merke

    Alle sagten das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat’s einfach gemacht. (Volksmund)

    Manchmal erscheinen Aufgaben nur unmöglich, oft ist der Verwaltungsaufwand größer als die Lösung der Aufgabe selbst. Bei Lean Management und letztlich bei Lean Construction geht es weniger um Werkzeuge und Methoden, es ist die Einstellung der Beteiligten, die den Ausschlag zur Verbesserung gibt. Sie alle eint eine kundenzentrische Betrachtung von Prozessen, das Streben nach Qualität und einem optimalen, reibungslosen Ablauf aller Teilprozesse bis zum fertigen Produkt. Dabei werden alle Nebenarbeiten, nicht wertschöpfende Tätigkeiten und auch die Verwaltung auf ein absolutes Minimum reduziert, um alle Anstrengungen in den Baufortschritt stecken zu können. Mehrwert für den Kunden wird immer an Funktionalität, Qualität und dem Baufortschritt gemessen. Alle Nebenhandlungen nimmt der Kunde – bei genauerer Betrachtung – als eine Verschwendung von Ressourcen und damit seiner finanziellen Mittel wahr. Lean Construction optimiert daher das Zusammenwirken von allen an einem Bauprojekt beteiligten Personen, Funktionen und Ressourcen.

    Zu den Teilprozessen bei der Erstellung eines Bauwerks zählt neben der Bauausführung vor allem die Planung des Gebäudes. Hier bestehen Synergien zwischen Lean Construction und anderen Arbeitsbereichen, insbesondere zur Planung im Building Information Modeling (BIM) und der Planung von ganzheitlichen Produktionssystemen.

    Lean, also schlank in den Abläufen und Strukturen zu werden, ist eine Aufgabe, die sich nicht in einem Projekt allein vollkommen umsetzen lässt. Dazu müssen Denkmuster geändert werden, die lange eingefahren sind und verinnerlicht wurden. Die Änderung der Kultur ist eine Langzeitaufgabe.

    In diesem Buch geben zahlreiche Autoren einen Einblick in die Arbeit mit Lean Construction. Es werden unterschiedliche Aspekte aus dem Management von Projekten beleuchtet, die den Leser dabei unterstützen können, sein eigenes Projekt oder gleich eine ganze Organisation dahingehend umzugestalten oder aufzusetzen. Für ein tieferes Verständnis leitet das Buch über den Hintergrund von Lean Management, aus dessen Umfeld Lean Construction erwächst, ein. Hier werden der historische Kontext und die Gründe für den Wandel hin zum Lean Ansatz erläutert. Die Grundlagen von Lean Management werden anschließend als Basis für die folgenden Kapitel über Lean Management im Bauwesen beschrieben. Der Begriff Lean Construction wird in diesem Buch als gängiges Synonym zu Lean Management im Bauwesen verwendet. Dieses Buch zeigt auf, mit welchen Elementen im Bauwesen gearbeitet werden kann. Dabei werden einzelne Bausteine von Fachleuten erklärt, die zusammen einen Setzkasten für die Gestaltung eines individuellen Lean Construction-Ansatzes bilden. Die individuelle Auswahl der einzelnen Elemente führt zu einem auf ein Unternehmen oder Projekt passenden Lean Construction-System. Daher werden hier bewusst Ansätze gezeigt, die sich gegenseitig teilweise ersetzen oder je nach Verwendung ergänzen können. Alle Bausteine unterstützen den Leser dabei, seine eigenen Projekte und deren Prozesse zu analysieren und Schnittstellen für eine Optimierung zu erkennen. Das Praxiswissen der Autoren stellt einen Mehrwert für den Leser dar. Aus den Erfahrungen der Praxis, beschrieben in zahlreichen Beispielen, erwächst ein tieferes Verständnis für die Materie Lean Construction und hoffentlich eine Initialzündung für den ersten Einsatz oder eine Optimierung bestehender Lean Prozesse in den Projekten.

    Mein Dank gilt an dieser Stelle Marco Binninger und Janosch Dlouhy, die mich redaktionell über das Projekt hinweg begleitet haben. Für ihre Arbeit an Texten und in der Übersetzung bedanke ich mich bei Carina Schlabach und Gedeon Klein sowie bei Tatjana Strasser und Janina Tschech für die kompetente Begleitung von Seiten des Verlages. Durch ihre Mühe, und eine stets unkomplizierte und produktive Kommunikation, entstand ein rundes Werk aus zahlreichen Einzelbeiträgen.

    Nicht zu Letzt danke ich den Autoren, die über ihr Praxiswissen einen Einblick in das Thema Lean Construction vermitteln und dem Leser das weite Themenfeld all in seinen Facetten anschaulich beschreiben.

    Nun wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine spannende und informative Zeit beim Studium der einzelnen Beiträge.

    Dr.Martin Fiedler

    München

    Juli 2017

    Vorwort

    Lean Construction ist die Übertragung von Lean Management auf das Bauwesen. Dabei handelt es sich um einen Managementansatz, der aus dem sogenannten Toyota-Production-System abgeleitet wurde und auf mehreren Grundprinzipien basiert. Im Fokus steht der Grundsatz, den Wert für den Kunden zu maximieren, indem durch die kontinuierliche Verbesserung von Prozessen jegliche Verschwendung, also alles, was keinen Wert für den Kunden schafft, sukzessive eliminiert wird. Wesentliche Grundsätze für die Gestaltung von Produktionssystemen im Rahmen des Lean Managementansatzes sind dabei das Fluss- und das Pull-Prinzip.

    Seit Beginn der 1990er-Jahre wird Lean Management auch im Bauwesen eingesetzt. Bereits 1993 formierte sich mit der International Group of Lean Construction (IGLC) ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern, die maßgeblich dazu beigetragen haben, die Grundsätze von Lean Management auf das Bauwesen zu übertragen und spezielle, auf das Bauwesen ausgerichtete Methoden zu entwickeln. In zahlreichen Ländern wurden seitdem Methoden des Lean Construction in Bauprojekten erfolgreich eingesetzt. Seit 1997 entstanden, beginnend mit dem Lean Construction Institute (LCI) in den USA, zudem nationale Vereinigungen und Netzwerke, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Anwendung der Grundsätze und Methoden des Lean Construction in der Praxis zu fördern und hierdurch den Transformationsprozess im Bauwesen voranzutreiben. In Deutschland wurde das German Lean Construction Institute (GLCI) 2014 mit derselben Zielsetzung gegründet und leistet seitdem einen Beitrag dazu, der „Lean Construction Community" in Deutschland eine Stimme sowie eine Plattform zur Vernetzung und zum Erfahrungsaustausch zu geben. Dabei ist festzustellen, dass das Interesse aus der Praxis stetig steigt. Die Erkenntnis, dass es im Bauwesen eines grundsätzlichen Wandels in der Art der Zusammenarbeit der Beteiligten bedarf, nimmt zu, und viele erkennen das Potenzial, das Lean Construction bietet, den notwendigen Kulturwandel herbeizuführen.

    Es ist daher sehr erfreulich, dass mit diesem Werk ein weiterer Baustein entstanden ist, der dazu beitragen kann, die Verbreitung von Lean Construction in Deutschland zu fördern. Die Autoren haben es sich in diesem Buch zum Ziel gesetzt, dem Leser einen breiten Überblick über die unterschiedlichen Methoden, die in der Praxis zum Einsatz kommen, zu geben. Sie richten sich dabei ausdrücklich an Anwender und Führungskräfte aus der Praxis und vermitteln die große Breite an Einsatzmöglichkeiten.

    Ich wünsche diesem Werk eine weite Verbreitung und danke den Autoren für ihr Engagement und ihre Bereitschaft, ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit uns allen zu teilen. Gerade diese Transparenz und Offenheit ist es, was den Austausch unter den Mitgliedern der „Lean Construction Community" auszeichnet.

    Geschäftsführender Direktor des Instituts für Technologie und Management im Baubetrieb am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

    Vorsitzender des Vorstands des German Lean Construction Institute (GLCI)

    Prof. Dr.Shervin Haghsheno

    Karlsruhe, Deutschland

    Vorwort

    Im Jahr 2003 konnte ich schon auf 30 Jahre Berufserfahrung zurückblicken, davon 15 Jahre als Bauleiter, Oberbauleiter, Leiter einer Auslandsniederlassung und danach einer Auslandsabteilung. Weitere 15 Jahre als Leiter des Institutes für Technologie und Management im Baubetrieb an der Universität Karlsruhe (KIT) und als internationaler Berater in der Bauausführung auf vier Kontinenten waren hinzugekommen. Ich fühlte mich sicher in der Lehre und im Projektmanagement, das ich vollkommen zu beherrschen und durchdrungen zu haben glaubte. Dann kam ich eher zufällig zu einem Kongress in Brasilien. Der Hauptvortrag dort fesselte mich, insbesondere die folgende Folie: „Es kommt darauf an, was du lernst, nachdem du schon alles weißt". Viel war die Rede von Kommunikation, von neuen Arten der Zusammenarbeit, von der Stabilisierung der Planungs- und Ausführungsprozesse durch verlässliche Zusagen und Transparenz. Ich war fasziniert von diesem Vortrag. Er änderte meine Auffassung vom Projektmanagement, er eröffnete mir neue Türen, und ich sah, dass mein nicht unerhebliches Wissen unzulänglich war. Es war einer der glücklichsten Momente in meinem Berufsleben. Alles änderte sich. Meine Lehre wurde bereichert und meine Beratung durch wesentliche neue Elemente ergänzt. Und das kam so:

    Ich hatte in Brasilien ein Buch über Construction-Management geschrieben. Der Herausgeber entschied, es in Fortaleza, Brasilien, zu präsentieren und hat meinen Vortrag dazu in einen internationalen Kongress über Lean Construction eingebettet. Mein Buch war im Wesentlichen auf die klassischen Rationalisierungsprozesse ausgerichtet. Mein Vortrag war im selben Block wie der Hauptvortrag zu Lean. Ich saß in der Diskussion neben seinem Autor. Noch auf dem Podium und die nachfolgende Pause nutzend, sagte der Autor zu mir: „Fritz, Deine Art Projekte zu planen und zu leiten, ist sehr gut, aber letztlich altmodisch". Ich war nicht schockiert, weil ich aus seinem Vortrag schon genügend erfahren hatte, was mich faszinierte. Danach gab er mir eine zehnminütige Einführung in Lean Construction – Minuten, die mein Berufsleben veränderten.

    Zu lernen, nachdem du schon alles weißt, ist ein schwieriger Prozess; die Schwierigkeit ist in der menschlichen Psyche begründet. Erleichtert wurde mir mein Weg dadurch, dass der erwähnte Vortragende der Mitbegründer der Lean Construction in USA war, einer der Vordenker mit eindeutigem Praxisbezug, Gregory Howell. Die Kommunikation fördernd kam hinzu, dass wir feststellten, in den 1970er-Jahren gleichzeitig im Construction-Management-Programm der Stanford University für den Masterabschluss studiert zu haben. Die erwähnten zehn Minuten waren ausreichend für meine Entscheidung, Gregory noch im selben Jahr nach Karlsruhe einzuladen, um einen Kurs über Lean Construction zu geben, der erste in Deutschland. Einige meiner Assistenten haben damals schon Themen für ihre Dissertation in diese Richtung gelenkt. Ich selbst habe 2004 dann in Seattle zum ersten Mal an einem Kongress des Lean Construction Institutes USA teilgenommen. Die Philosophie und die Methoden habe ich zu verstehen begonnen, obwohl noch viele Kurse notwendig waren, um das ganze Potenzial zu verinnerlichen. Wenig später haben wir das Lean Construction-Institut Deutschland geründet. Es ist heute unter dem Namen GLCI (German Lean Construction Institute) aktiv und wird 2017 seinen dritten Kongress abhalten.

    Im Jahr 2006 haben wir das erste Projekt in Deutschland begleitet, in dem Lean Gedanken und Methoden angewendet wurden. Es war klein, aber hoch komplex und stand unter höchstem Termindruck. Der öffentliche Bauherr suchte Hilfe bei mir. Vom Lean Gedanken überzeugt, habe ich das, was ich von Lean verstanden hatte, eingebracht: frühzeitige Einbeziehung von Unternehmen, offene und ehrliche Kommunikation zwischen Architekten, Fachplanern und Ausführenden, die Anwendung des Last Planner® Systems (Ballard 1994). Das Ergebnis: Das Projekt wurde einen Monat vor dem für unmöglich gehaltenen Termin übergeben.

    Im Jahr 2008 haben wir den Kongress der EGLC (European Group of Lean Construction) zum ersten Mal nach Deutschland eingeladen. Unter den Teilnehmern war auch ein großer deutscher öffentlicher Bauherr. Vom Erfolg des oben erwähnten Projektes beeindruckt, hat er ein Testprojekt im eigenen Hause vorgeschlagen: ein Projekt mit Terminen, die für unmöglich gehalten, aber zwingend einzuhalten waren. In den Sitzungen zur Ausführungsplanung haben wir die Informations-, Entwurfs- und Genehmigungsabläufe mit den Lean Methoden dermaßen transparent und kooperativ gestalten können, dass am Ende noch Pufferzeiten übrig blieben. Die Termine wurden eingehalten.

    Im Jahr 2009 haben wir zu einem Kongress nach Karlsruhe eingeladen, der speziell das Thema Lean bei öffentlichen Bauherren in den Mittelpunkt stellte. Das Besondere war, dass wir die Lean Welt – mit Ursprung in USA – mit der Alliancing-Welt aus Australien zusammenbrachten, zum ersten Mal weltweit. Der Hintergrund soll erklärt werden:

    Lean Construction bietet einige Methoden, die zur Umsetzung der Lean Philosophie (Vermeidung von Verschwendung, kontinuierlicher Fluss der Produktion von Plänen und Bauwerken, Schaffung von Kundennutzen etc.) den Arbeitsteams zur Verfügung gestellt werden. Ein Prinzip betrifft die frühzeitige Einbeziehung aller Steakholder, um ein optimales Projekt zu gestalten und dabei Win-win-Situationen zu ermöglichen und Interessensausgleich zu fördern. Lean hat auch Vertragsmodelle entwickelt, die genau das beinhalten (Integrated Project Delivery, IPD). Die Australier hatten seit etwa 1992 den sogenannten Alliancing-Vertrag entwickelt, mit genau diesen Zielen. Letztere wurden in vielen Projekten umgesetzt, zum Vorteil von Bauherren und Unternehmen. Was dort noch fehlte, waren die Methoden von Lean. Ausgehend von diesem Kongress wurden in Australien Lean Construction-Gruppen gegründet und das Alliancing damit befruchtet.

    In Deutschland wurden die Potenziale, die in der frühzeitigen und ehrlichen Kooperation liegen, noch nicht voll erkannt. Man setzt weiter auf das Prinzip: „Das Bausoll muss möglichst zweifelsfrei beschrieben werden, dann sind vergleichbare und eindeutige kompetitive Angebote die Folge". Nichts könnte falscher sein, jedenfalls in komplexen Projekten. Wer dieses sogenannte kompetitive Prinzip zum alleinigen Handlungsraum erklärt, lädt Streit und Nachträge geradezu ein. Komplexität beinhaltet immer einen großen Anteil an Ungewissheit. Lean und Alliancing erkennen genau das an und bieten Kooperationsmodelle an, die ein Team zusammenbringen, das in der Lage ist, mit diesen Ungewissheiten umzugehen. In diesen Modellen werden die Unternehmen ermutigt, ihr Wissen für das Projekt zur Verfügung zu stellen, statt es für Nachträge zu horten. Der Bauherr muss dafür ein Bonussystem, das dieses positive Verhalten belohnt, anerkennen.

    In dem erwähnten Kongress im Jahr 2009 waren einige deutsche öffentliche Bauherren anwesend. Sie fanden das wohl sehr interessant, sind aber dann zu ihrer Tagesordnung übergegangen. Anders die Finnen. Noch im Zug zum Frankfurter Flughafen haben zwei öffentliche Bauherren einen Entwurf für Lean und Alliancing für Finnland skizziert. Sie haben dann internationale Consultants eingeschaltet. Mittlerweile werden fast alle komplexen öffentlichen Projekte unter Allianzverträgen abgewickelt. Natürlich gibt es auch dort Widerstand vonseiten derer, die von der Verschwendung leben. Ihre Klage wurde vom europäischen Gerichtshof abgewiesen, der das Alliancing-Modell für konform mit den europäischen Vergaberegeln erklärte.

    Es ist schön zu sehen, dass im vorliegenden Buch Lauri Mericallio das finnische Modell erklärt. Für seine Beiträge zum finnischen Alliancing wurde er dort 2016 als Ingenieur des Jahres geehrt. Ein weiterer herausragender Beitrag kommt von William Lichtig, ein Rechtsanwalt in USA, der frühzeitig, schon in den 1990er-Jahren, die Potenziale von Lean erkannt hat und als Konsequenz neue Vertragsmodelle für die USA entwickelt hat, zunächst die IFOA (Integrated Form of Agreement), dann die IPD (Integrated Project Delivery), alle in Kooperation mit Bauingenieuren aus der Lean Construction-Gemeinschaft. In Deutschland ist noch kein Projekt unter einem vollen IPD- oder Alliancing-Vertrag zu verzeichnen. Fortschritte sind bei den Versuchen erkennbar, das Lean Takten und den kontinuierlichen Produktionsfluss umzusetzen, wie auch der Buchbeitrag von Patrick Theiss erläutert.

    Das schon erwähnte und im Buch dann erklärte Last Planner® System wird ebenfalls in Deutschland angewendet. Es wurde von Glenn Ballard entwickelt. Kein Besserer hätte für den Beitrag zu diesem Thema gefunden werden können. Er ist einer der Vordenker und praktischen Anwender von Lean weltweit.

    Lean ist eine Reise. Sie kann auch lang und beschwerlich sein, wenn viele Denkmuster und Regularien überwunden werden müssen. Aber sie bietet von Anfang an die Möglichkeit, Verbesserungen in kleinen Schritten zu verwirklichen. Das gilt gleichermaßen für Bauherren, Planer und Bauunternehmen. Der Weg zu neuen Formen der Zusammenarbeit wird von den ersten Erfolgen im Projektablauf erleichtert. Es muss nicht alles am ersten Tag verändert werden. Aber es gibt auch Stolpersteine. Der erste hatte mich beinahe von der Hinwendung zu Lean abgehalten. Ich hatte vor dem oben erwähnten einschneidenden Ereignis schon einige Artikel zu Lean gelesen. Ich fand das interessant, war aber zu dem Schluss gekommen, dass auch in meinem traditionellen Vorgehen auf die Vermeidung von Verschwendung geachtet wurde, dass Zusammenarbeit gesucht und gefunden wurde, dass gemeinsam nach vorne geschaut wurde. „Das mache ich doch schon immer", ist ein naheliegender Fehlschluss. Erst bei der vertieften Beschäftigung mit Lean und, besser noch, im ersten Projekt wird klar, dass Lean eben mehr bietet, nämlich wirkliche Zusammenarbeit und systematische Methoden, diese auch zu erreichen, zum Vorteil des Projektes. Und wenn das Projekt gut läuft, profitieren alle.

    Der Beginn kann in einem Unternehmen oder beim Bauherrn liegen, mit dem Ziel, die eigenen Abläufe zu stabilisieren. Die großen Potenziale werden aber erst dann geschöpft, wenn beide Seiten sich in einem Lean Projekt zusammenfinden. Eine besondere Rolle kommt den Bauherren zu. In den USA, wo Lean Construction am Weitesten verbreitet ist, war der Wandel zunächst vom Bauherrn getrieben. Das Gleiche gilt für die Allianzen in Australien.

    Lieber Leser, alle Beitragenden zu diesem Buch sind in ihren Aktivitäten zu Lean voll ausgelastet. Keiner hat ein Interesse, durch dieses Buch zu mehr Aufmerksamkeit zu gelangen. Unser Interesse liegt allein darin, das Lean Management im Bauwesen zu fördern, weil die Vorteile schon in vielen Projekten nachgewiesen sind und weil wir überzeugt sind, dass darin die bessere Zukunft des Bauwesens liegt. Das Buch wird hierzu nur ein Ideengeber sein. Ich lade Sie dazu ein, die Ideen umzusetzen, ein erstes Projekt zu beginnen.

    Prof. Dr. Fritz Gehbauer

    KIT, Karlsruhe, Mai 2017

    Literatur

    Ballard, G. (1994) „ The last planner ." Northern California Construction Institute, Monterey, California

    Die Darstellung von manchen Formeln und Strukturelementen war in einigen elektronischen Ausgaben nicht korrekt, dies ist nun korrigiert. Wir bitten damit verbundene Unannehmlichkeiten zu entschuldigen und danken den Lesern für Hinweise.

    Inhaltsverzeichnis

    Einleitung

    Einleitung 3

    Martin Fiedler, Janosch Dlouhy und Marco Binninger

    I. Grundlagen

    Lean Thinking – Eine Einführung 13

    Martin Fiedler

    Das Toyota-Production-System – TPS 39

    Martin Fiedler

    Lean Culture – Der Schlüssel zum Erfolg 65

    Claus Nesensohn und Martin Fiedler

    Entwicklung von Lean Management hin zu Lean Construction 79

    Quirin Kitzmann und William Brenk

    II. Bau

    Der Lean Ansatz im Hinblick auf die Baubranche 95

    Martin Fiedler, Janosch Dlouhy und Marco Binninger

    Kundenperspektive

    Lean Construction in Bauherrenorganis​ationen 105

    Janosch Dlouhy und Jochen Wagner

    Methoden

    Das Last Planner System 121

    Glenn Ballard

    Lean Construction Management (LCM®) 137

    Selim-Tuğra Demir und Patrick Theis

    Taktplanung und Taktsteuerung bei weisenburger 163

    Marco Binninger und Oliver Wolfbeiß

    Das Location-Based Management-System 179

    Olli Seppänen

    Werkzeuge

    Die Wahl der richtigen Visualisierung für Baustellenabläuf​e 201

    Svenja Oprach, Dominik Steuer, Marco Binninger und Janosch Dlouhy

    Lean Berichtswesen in der Bauabwicklung 219

    Marco Binninger und Oliver Wolfbeiß

    Scrum 229

    Martin Fiedler

    Phasenübergreife​ndes Projektmanagemen​twerkzeug zur Steuerung von Lean Projekten 241

    Oliver Wolfbeiß und Marco Binninger

    Vertragsgestaltung

    Projektallianz als kooperationsorie​ntiertes Partnerschaftsmo​dell und ihr Partnerauswahlpr​ozess 251

    Carina Schlabach und Martin Fiedler

    Vertragliche Umsetzung von Lean Construction in Deutschland 277

    Gerolf Sonntag und Gernot Hickethier

    Alliancing in Finnland 293

    Lauri Merikallio

    Integrated Project Delivery – Angleichen der Ziele einer Projektorganisat​ion, des operationalen Systems und der Commercial Terms 309

    Joel Darrington und William Lichtig

    Planungsphase

    Lean Construction in der Planung 325

    Claus Nesensohn

    Kennzahlen – Key Performance Indicator (KPI)

    Stets eine Handbreit Wasser unterm Kiel – Kennzahlen als Erfolgstreiber im Schlanken Kreuzfahrtschiff​bau 343

    Felix Lootz

    Key Performance Indicators zur Steuerung des Tagesgeschäfts in der Baubranche 363

    Carina Schlabach

    Anwendung von Lean Key Performance-Indikatoren in Bauprojekten 377

    Selim-Tuğra Demir und Patrick Theis

    Implementierung

    Akzeptanz von Lean Construction auf Baustellen 399

    Martin Fiedler

    Praxiserfahrung aus der Implementierung von Lean Construction 425

    Samy Kröger und Martin Fiedler

    „Game Plans" im Three Mile Island-Projekt – ein Erfahrungsberich​t zur Unsicherheit in Projekten 447

    Greg Howell

    Entwicklung einer Lean Kultur im Bauwesen 453

    Alexander Faber

    Lean Leadership 465

    Christoph Marquardt

    III. Lessons-Learned und Ausblick

    Lessons-Learned und Ausblick 489

    Martin Fiedler

    Nachwort 495

    Fritz Gehbauer

    Fußnoten

    1

    25 Jahre Lean Management, Staufen AG und Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Technische Universität Darmstadt, Februar 2016

    Einleitung

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Martin Fiedler (Hrsg.)Lean Construction – Das Managementhandbuchhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-55337-4_1

    Einleitung

    Martin Fiedler¹  , Janosch Dlouhy²   und Marco Binninger³  

    (1)

    Berater Lean Construction, München, Deutschland

    (2)

    BMW Group, München, Deutschland

    (3)

    Lean Construction, weisenburger bau, Rastatt, Deutschland

    Martin Fiedler (Korrespondenzautor)

    Email: publication@fiedler-online.net

    Janosch Dlouhy

    Email: janosch.dlouhy@bmw.de

    Marco Binninger

    Email: m.binninger@weisenburger.de

    Zusammenfassung

    Genauso, wie ein Handwerker seine Utensilien auswählt, müssen bei der Implementierung von Lean Construction einzelne Bausteine ausgewählt und ein zentraler Anker für den Start eines Lean Projektes gesetzt werden. Dabei stellt sich dem interessierten Anwender die Frage, welche Möglichkeiten für eine Lean Construction-Einführung überhaupt bestehen. Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es im deutschsprachigen Raum kein Fachbuch, das einen Überblick zu den einzelnen Bausteinen des Lean Construction aus verschiedenen Perspektiven, sowohl thematisch als auch aus Sicht der Autorenschaft, gibt. Dieser Ansatz ist umso wichtiger, als auch gerade am Bau nicht eine Person allein, sondern das Zusammenwirken aller Handwerker in einer kollaborativen Arbeit erst ein Gebäude entstehen lässt. Nicht eine Person, sondern ein Team eröffnet vielfältige Wege und erschließt differenzierte und unterschiedliche Lösungsansätze. Das gilt für den Bauablauf genauso wie für den Einsatz von Lean Elementen, um diesen Bauprozess zu optimieren. Zudem bedingt ein Lean Thinking das kontinuierliche Arbeiten an den eigenen Abläufen und den intrinsischen Antrieb zur ständingen Verbesserung von Abläufen, Qualitäten und Wegen.

    Dr. Martin Fiedler

    leitet die Einführung von Lean Construction Projekten und betreut diese für Kunden aus der Automobilindustrie und dem Anlagenbau. In Projekten übernimmt er dabei die Leitung der Lean Construction Aufgaben auf der Baustelle und führt die Projekte bis zur Übergabe an den Kunden. Dazu übernimmt Dr. Fiedler regelmäßig die Leitung von Teambesprechungen und Koordinationstreffen auf der Baustelle, sowie Reviews der Ablaufplanung um veränderte Anforderungen des Kunden in das Bauprojekt einzuarbeiten. Auftraggeber ist dabei der Kunde der Industrie oder des Anlagenbaus, oder aber Generalunternehmer sowie Nachunternehmer die ihre eigenen Prozesse und damit ihre Effizienz verbessern wollen.

    In Kontakt kam Dr. Fiedler mit der Lean Philosophie in IT Projekten in Form des Scrum Ansatzes. Als kaufmännischer Leiter eines Ingenieurbüros der Technischen Gebäudeausstattung bekam er erste Einblicke in Großprojekte der Industrie aus der Sicht eines Auftragnehmers. Das Potenzial zur Verbesserung in den Planungsprozessen, der Entscheidungsfindung und Zusammenarbeit auf den Baustellen wurde ihm hier deutlich. In zahlreichen Bauvorhaben aus der Industrie führte er Lean Construction Projekte zum Erfolg, der sich bei Lieferanten, Kunden und Nutzern gleichermaßen zeigt.

    Als Lean Lean Six Sigma Black Belt und Trainer für Lean Construction gibt er heute sein Wissen an Auftraggeber und Projektteams weiter. Er führt heute zahlreiche Lean Construction Bauprojekte und arbeitet an Softwareprodukten aus dem Bauumfeld die in der täglichen Kommunikation und Planung bei der täglichen Arbeit unterstützen.

    Janosch Dlouhy M.Eng

    Seit seinem Studium des „Energieeffizienz Designs an der Hochschule Augsburg und seiner Masterarbeit zum Thema Lean Construction arbeitet Herr Dlouhy bis heute an der Implementierung von Lean Construction bei der BMW Group. In einer Kooperation mit dem Lehrstuhl Technologie und Management im Baubetrieb am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) promoviert Herr Dlouhy aktuell im Bereich Lean Construction. Er ist Leiter der Forschungsgruppe „Team Lean und Leiter der Praxisgruppe München des German Lean Construction Institutes (GLCI). Für seine Masterarbeit „Anwendung und Umsetzung von Lean Management Methoden im Planungs- und Bauprozess der BMW AG" wurde er mit dem AGI-Preis (Arbeitsgemeinschaft Industriebau) ausgezeichnet.

    Dipl.-Ing. Marco Binninger

    hat nach seinem Bauingenieurstudium am Karlsruher Institut für Technologie die ersten Erfahrungen mit der Lean Philosophie bei Porsche Consulting gesammelt. 2012 hat er begonnen die Lean Prinzipien bei weisenburger bau zu implementieren. Zwischendurch war er zwei Jahre für die Optimierung der Produktion und Montage in einem Fertighausunternehmen verantwortlich. Seit 2014 leitet Marco Binninger die Regionale Praxisgruppe des GLCI – Karlsruhe und promoviert berufsbegleitend im Themenschwerpunkt Lean Construction. Er hat sich auf die Methode Taktplanung und Taktsteuerung fokussiert und bereits zahlreiche Projekte mit dieser Methode begleitet.

    In der heutigen Lean Construction-Landschaft in Deutschland lässt sich eine Vielzahl unterschiedlicher, scheinbar auch gegenläufiger Ansätze rund um das Themengebiet finden. Unterschiedliche Aussagen von Experten führen daher, oft verbunden mit gegenläufigen Interpretationen, zu Verwirrung und im Extremfall auch zu einer Dogmatisierung in Form einzelner Auslegungen. In der Konsequenz erreichen einen wissbegierigen Neueinsteiger Aussagen oft als alleingültigen Lösungsansatz formuliert. Als Folge daraus werden vom Anwender einzelne Methoden oder Werkzeuge unter dem Oberbegriff des Lean Construction verallgemeinert. Die aufkommende Gefahr einer Abwehrhaltung aufgrund singulärer Anwendungen einzelner Methoden, losgelöst von anderen Bausteinen des Lean Construction als Ergänzung, ist in der Praxis zu beobachten. Ähnliche Ansätze werden häufig bunt durcheinandergewürfelt, und die ursprüngliche Intention jedes einzelnen Bausteins geht dabei verloren. Konfrontiert mit scheinbar in Stein gemeißelten Aussagen wird es schwer, einen neutralen Einblick in andere Ausprägungsformen von Lean Construction zu erhalten, da bisher kein Fachbuch vorhanden ist, das diesen Überblick vermitteln kann. Das Wissen um Lean Construction ist noch nicht allgemein gültig, das bedeutet, dass einzelne Wissensträger sich ausschließlich auf individuelle Schwerpunkte konzentrieren und nur diese Fachinhalte vermitteln.

    In diesem Fachbuch steht der Ansatz „aus der Praxis für die Praxis" zusammen mit dem holistischen Bild des Lean Gedankens in der Baubranche im Vordergrund. Dieser erste Band befasst sich mit dem Blickwinkel des Managements, bestehend aus Kunde, Architekt, Ingenieur, Projektsteuerer und allen Stakeholdern eines Bauprojektes. Ein zweiter Band soll später den Blickwinkel der Baustelle und der tatsächlichen Umsetzung enthalten.

    Erst der Überblick über alle Bausteine des Lean Construction-Themas führt zu einem gesamtheitlichen Verständnis des Themengebietes. Lean Construction wirkt dann erst effektiv, wenn der Leser die Summe der einzelnen Aspekte sieht und für sich einen optimalen Mix aus den Bausteinen zusammenstellt. Die systemische Anwendung des Themenkomplexes stellt eine Abweichung von der klassischen Einzelbetrachtung dar, ist aber gleichzeitig ihr größtes Potenzial.

    Folgendes Beispiel zeigt die Auswahl von Bausteinen aus dem Lean Construction-Portfolio im übertragenen Sinne.

    Merke

    Der Besitz einer Bohrmaschine macht noch keinen Handwerker. Die Entscheidung, ob vielleicht ein Hammer als Utensil vorzuziehen wäre, kann nur dann getroffen werden, wenn dem Handwerker alternative Utensilien und deren Wirkungsweisen auch bekannt sind.

    Ein erfahrener Handwerker ist leidenschaftslos bei der Wahl seiner Utensilien, er wechselt sie schnell und situationsbedingt, um sich die Arbeit zu erleichtern und zum optimalen Ergebnis zu kommen. In diesem Beispiel wird der Begriff „Werkzeug bewusst nicht verwendet und auf den neutralen Terminus „Utensil zurückgegriffen, da das Werkzeug in diesem Buch später eine eigene Bedeutung im Lean Construction-Kontext bekommen wird.

    Dieses Fachbuch greift den griffigen Gedanken des Arbeitsutensils als Element eines Werkzeugkastens im übertragenen Sinne auf. Es hat die Intension, die Breite der vorhandenen Fachutensilien aus dem Lean Umfeld praxisnah aufzuzeigen. Die Tiefe bringen die einzelnen, von Experten geschriebenen Kapitel je nach ihrem Schwerpunkt ein. Der Detailierungslevel in der Auswahl der Kapitel und der Formulierung der Beiträge ist auf die Zielgruppe Kunde, Management und Führungskraft auf Entscheidungsebene ausgelegt. Diese Zielgruppe kann von der Breite des angebotenen Inhalts im Überblick des Themengebietes profitieren. Das breite Spektrum in diesem Buch vermittelt einen multiperspektivischen Einblick in das Thema Lean Construction. Hierfür werden sowohl verschiedene Projektphasen als auch verschiedene Sichtweisen von Beteiligten aufgegriffen, von der Definition der Anforderung bis hin zur späteren Realisierung des Projektes. Die direkte Abwicklung eines Projektes wird um Aspekte der Vertragsgestaltung und der Kultur in Projekten ergänzt, und damit wird eine Klammer um den Themenkomplex zum gesamtheitlichen Einblick gesetzt. In der Beschreibung des Ist-Zustandes der gelebten Praxis bietet das Buch die Basis für ein allgemeines Verständnis und dient als Diskussionsgrundlage für Experten ebenso wie als Startpunkt für Neueinsteiger und Interessierte. Als Diskussionsgrundlage kann nur ein vielfältiges Meinungsbild dienen, sicher auch mit polarisierenden Ansätzen einzelner Experten, wie es der Leser in diesem Buch vorfinden wird. Nicht jeder Beitrag mag den eigenen Projekten entsprechen, er mag aber für andere Leser von Bedeutung sein.

    Das Buzz-Word „Lean Construction ist neben anderen Fachbegriffen wie „Building Information Modelling (BIM) und „Digitalisierung" ein Magnet für die Aufmerksamkeit, der von Marketingabteilungen aus der Baubranche und seinen umgebenden Zulieferern schnell aufgegriffen und aktiv in der Vermarktung eingesetzt wurde. In diesem Boom des Themas liegt ein großes Potenzial für die Verbreitung, aber auch eine Gefahr. Diese besteht darin, dass der Begriff rein über die Vermarktung mit verkaufsfördernden Adjektiven geschmückt und durch das Marketing definiert wird. Dann könnte die Situation eintreten, dass das Thema nicht ausreichend mit Wissen aus den Fachabteilungen hinterlegt und lediglich durch den Vertrieb bestimmt ist. Lean Construction würde damit zu einem Vermarktungsargument, das später im Bauablauf nicht ausreichend umgesetzt und vorangetrieben wird. Die Folge wären enttäuschte Kunden und ein Verbrennen des Themas, das vielen Experten und Fachkräften so am Herzen liegt.

    Lean Construction wird auf wissenschaftlichen Konferenzen und Vorträgen oft im Zusammenhang mit attraktivem, kundenorientiertem, effizientem und erfolgreichem Bauen gebraucht. Diese Nutzung des Begriffs zeigt die Sehnsucht der Branche nach diesen Eigenschaften. Das Momentum aus der Notwendigkeit zu einem tatsächlichen Umdenken und der intrinsischen Bereitschaft dazu eröffnet die Chance, nachhaltige Änderungen in der Baubranche auf den Weg zu bringen.

    Die Vielfalt an Beiträgen und verwendeten Begrifflichkeiten auf Konferenzen zeigt, dass aktuell im Bauwesen noch kein einheitliches Verständnis für Inhalte des Lean Construction vorhanden ist. Der daraus entstehende Interpretationsspielraum fordert den Neueinsteiger immer wieder mit der Frage „Was ist Lean Construction genau?" heraus und erschwert ihm den Zugang zu diesem Themengebiet. In der aktuellen Phase bietet dieses breite Spektrum der Baubranche eine Chance, in Breite und Tiefe das Themengebiet zu erforschen. Eine Konsolidierung auf diesem Themengebiet wird hier, wie auch in anderen Branchen, mit der Zeit automatisch stattfinden und zu einer Reglementierung führen.

    Dieses Fachbuch hat nicht den Anspruch, ein wissenschaftliches Grundlagenwerk zu sein, Begriffe zu definieren und festzuschreiben. Es lässt den Autoren die Freiheit, Begriffe nach ihrem Verständnis zu verwenden. Mit einer Arbeitsgruppe des 2015 gegründeten German Lean Construction Institutes (GLCI), einer Arbeitsgruppe im Verband Deutscher Ingenieure (VDI) und in zahlreichen weiteren Instituten gibt es bereits eine Vielzahl von Initiativen, um allgemeingültige Grundlagen in diesem Themengebiet zu schaffen. Zur weiteren Lektüre seien dem Leser hier die entsprechenden Veröffentlichungen des VDI und GLCI im deutschsprachigen Raum und des IGLC auf internationaler Ebene empfohlen. Beim VDI ist das entsprechende Dokument in der Richtlinie 2553 zusammengefasst.

    An Hochschulen und Universitäten gewinnt Lean Construction zunehmend an Bedeutung, erkennbar an der steigenden Anzahl von Abschlussarbeiten und Lehrangeboten zu diesem Thema. War 2010 das Lehrangebot noch lediglich auf eine Universität in Deutschland beschränkt, haben 2017 mehr als ein Dutzend Institutionen hierzu Angebote in ihren Vorlesungsverzeichnissen. Dennoch ist die Nachfrage an gut ausgebildeten Nachwuchskräften auf diesem Fachgebiet aktuell höher als das vorhandene Angebot. Auffällig ist, dass viele junge und gut ausgebildete Nachwuchskräfte mit einem theoretischen Lean Construction-Wissen, aber noch fehlender Praxiserfahrung auf dem Markt vertreten sind. Viele dieser jungen Fachkräfte fragen aktiv in Bewerbungsgesprächen nach dem Engagement des Arbeitgebers, und es ist bereits heute abzusehen, dass in den kommenden Jahren ein Wettbewerb um gut ausgebildete Fachkräfte mit diesem Spezialwissen einsetzt. Lean Ansätze sind nicht nur in der internen Verbesserung oder hinsichtlich des Kunden, sondern vielmehr auch im Personalmarketing ein gewichtiges Argument in der Werbung nach gut ausgebildeten Arbeitskräften. Das Signal auf dem Arbeitsmarkt ist: In unserem Unternehmen muss kein Mitarbeiter mit einer 60-Stundenwoche rechnen, wir planen unsere Prozesse sauber und schaffen in der regulären Arbeitszeit unser Pensum. Für Mitarbeiter sind gerade diese Unternehmen von Interesse. Die Generation Y, also die jungen und gut ausgebildeten Arbeitskräfte, legen

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