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Markenpsychologie: Wie Marken wirken – Was Marken stark macht
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Markenpsychologie: Wie Marken wirken – Was Marken stark macht
eBook458 Seiten3 Stunden

Markenpsychologie: Wie Marken wirken – Was Marken stark macht

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Über dieses E-Book

Dieses Buch vermittelt die neuesten Erkenntnisse der Markenpsychologie

Was ist eine Marke? Wie wirkt eine Marke und was macht sie stark? Diese und viele weitere Fragen beantwortet Ihnen Gert Gutjahrs Buch über Markenpsychologie. Seine Erkenntnisse basieren auf neuropsychologischen und tiefenpsychologischen Ansätzen. Sein Fazit: Starke Marken entstehen durch Brain Branding. Das bedeutet, dass sie an neuronale Prozesse gekoppelt sind und so zu einem Brain Script im Gehirn führen.

Doch auch wenn die Consumer-Neuroscience-Forschung durch Markenwahl-Experimente mit funktioneller Magnetresonanztomografie schon erstaunliche Ergebnisse liefert, liegt vieles zur Wirkung von Marken noch immer im Dunkeln. Gert Gutjahr plädiert daher für eine interdisziplinäre und ganzheitliche Betrachtung des Phänomens Marke und wendet sich mit seinen Überlegungen an Markenmanager und -verantwortliche sowie Dozierende und Studierende mit dem Schwerpunkt Marketing. Sie alle erhalten in diesem Buch einen Überblick über die Auswirkungen, die Marken auf das Kaufverhalten von Konsumenten haben können.

Markenpsychologie auf dem aktuellsten Stand der Forschung 

Die vierte Auflage hält für den Leser einige Neuerungen bereit. Der Abschnitt „Celebrity-Marketing“ wurde vollständig überarbeitet und in „Influencer-Marketing“ umbenannt. Darüber hinaus ist das Kapitel „Innovative Marktpsychologie im IFM POS Lab“ komplett neu hinzugekommen.

Daneben erläutert das Buch vor allem die folgenden Bereiche der Markenpsychologie:

  • Psychologisches Markenmodell
  • Messung der Markenstärke
  • Markencontrolling
  • Psychologische Markenführung
  • Neuropsychologische Forschung

Neben den theoretischen Grundlagen der Markenpsychologie verliert Gert Gutjahr nie den Praxisbezug aus den Augen und macht sein Buch auf diese Weise zu einem unverzichtbaren Ratgeber  - ganz besonders für  Unternehmen im Bereich Consumer-Relationship-Management. 


SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum16. Apr. 2019
ISBN9783658242824
Markenpsychologie: Wie Marken wirken – Was Marken stark macht

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    Buchvorschau

    Markenpsychologie - Gert Gutjahr

    Teil IWie Marken wirken

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Gert GutjahrMarkenpsychologiehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-24282-4_1

    1. Ein neues Markenverständnis

    Gert Gutjahr¹ 

    (1)

    Mannheim, Deutschland

    Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen Marke erfolgte bislang nur aus dem Blickwinkel der einzelnen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Das hat eine ganzheitliche Betrachtung der Marke bis heute verhindert. Dies muss sich in Zukunft durch einen transdisziplinären Ansatz ändern, denn ein richtiges Markenverständnis konnte so nicht erreicht werden. Die Zahl der Publikationen zum Thema Marke aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven hat ein fast unüberschaubares Ausmaß angenommen. Ob dadurch das richtige Markenverständnis erreicht wurde, muss allerdings bezweifelt werden (Felser 2007).

    Im Jahr 2008 hat die GfK die Ergebnisse einer Markenstudie veröffentlicht. Untersucht wurde die Markenloyalität bei 160 Marken, die sich als überraschend gering erwies: In einem Zeitraum von nur drei Jahren haben diese Marken im Durchschnitt 90 % ihrer Stammkunden verloren. 43 % der Kunden, die zuvor die Marken auf dem ersten Platz im Relevant Set geführt hatten – First-Choice-Käufer – haben im Verlauf von drei Jahren ihre Marke verlassen. Marken, die zuvor an zweiter Stelle des Relevant Set von Second-Choice-Käufern geführt wurden, waren von 47 % ihrer Kunden verlassen worden.

    Die Zahlen sind Mittelwerte, die eine Zweiteilung der Marken erlauben: Die Mehrheit der Marken sind bloß „Märkchen", die von Wettbewerbern mit vergleichbaren Produkt- oder Dienstleistungsangeboten leicht verdrängt werden, oft mit nur geringen Preisvorteilen und oft ohne erkennbaren Produktvorteil.

    Der Kundenverlust ist nicht neuen, besseren Produkten der Wettbewerber geschuldet, denn ca. 80 % der neuen Produkte erweisen sich als Flop und sind schon nach einem Jahr wieder vom Markt verschwunden. Der Kundenverlust folgt der Markenschwäche. Gewinner sind die starken Marken.

    Nur starke Marken können ihre Kunden dauerhaft binden.

    Die für die Markenführung relevante Frage lautet also: Was macht Marken stark?

    Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, was eine Marke nach bisherigem Verständnis überhaupt ist. Was leisten hierzu die gängigen Theorien?

    a.

    Im traditionellen Markenverständnis ist die Marke „ein Name, ein Begriff, ein Zeichen, ein Symbol, ein Produktdesign oder eine denkbare Kombination aus diesen, die dazu verwendet werden, Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Gruppe von Anbietern zu identifizieren" (Kotler 1999).

    Marke leistet die Unterscheidbarkeit von Angeboten und beseitigt damit das Käufer-Dilemma: „Wenn nicht unterschieden werden kann, kann auch nicht entschieden werden."

    b.

    Die Frage, wie unterschieden werden muss, damit Markenpräferenzen möglich werden, will das merkmalsbezogene Markenverständnis beantworten. Es beruht auf der Annahme, dass eine Marke ein unterscheidbares Angebot mit kommunizierten Angebotsmerkmalen sei, ähnlich einer durch Eigenschaften identifizierbaren und unterscheidbaren Persönlichkeit (Bruhn 1994). Das kann schon als ein Hinweis auf die markenpsychologische Selbstkongruenztheorie verstanden werden.

    Die Neuroscience-Forschung hat allerdings entdeckt, dass die Wahrnehmung von Persönlichkeiten in anderen Hirnarealen verarbeitet wird als Marken, die als Objekte wahrgenommen werden. Das Persönlichkeits-Konstrukt ist auf Marken also nicht anwendbar.

    c.

    Ein heute in der Praxis gängiges Markenverständnis ist wirkungsbezogen. Marke wird als Vorstellung der Konsumenten definiert: „Eine Marke wird dann geboren, wenn sie ein positives, relevantes und unverwechselbares Image bei den Konsumenten aufbauen kann (Esch et al. 2005), oder: „Marken sind Vorstellungsbilder in den Köpfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen (Esch 2004).

    d.

    Der Identitätsansatz von Meffert und Burmann (2002) bietet schließlich das bisher umfassendste Markenverständnis. Die Marke wird als Markenphilosophie, als Unternehmen, als Personalisierung und als Produkt dargestellt. Unterschieden wird auch zwischen Selbstbild (Aussagenkonzept) und Fremdbild (Image als Akzeptanzkonzept).

    Die sozialpsychologische Image-Theorie ist alt (Gardner und Levy 1955). Sie baut auf der Annahme auf, dass Images dem potenziellen Käufer zeigen, was er von einem Angebot zu erwarten hat und ob diese Erwartungen seinen Bedürfnissen entsprechen und deshalb Befriedigung verschaffen (Kleining 1959; Spiegel 1961; Bergler 1963).

    Die Erwartungen beziehen sich hauptsächlich auf das mit dem Produkt assoziierte Nutzenbündel, das sowohl Sachnutzen, z. B. Qualität, als auch sogenannten psychologischen Nutzen, z. B. Prestige, umfasst.

    Wie viele verschiedene Erwartungen richten Konsumenten an Brot, Butter, Milch, Joghurt, damit diese mit unterscheidbaren Nutzenbündeln befriedigend erfüllt werden können? Bei mehr als etwa vier vergleichbaren Angeboten bleibt die Unterscheidung der Marke vorbehalten, weil nicht mehr verschiedene Bedürfnisse existieren.

    Literatur

    Bergler, R. (1963). Psychologie des Marken- und Firmenbildes. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

    Bruhn, M. (1994). Handbuch Markenartikel. Anforderungen an die Markenpolitik aus Sicht der Wissenschaft und Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

    Esch, F.-R. (2004). Strategie und Technik in der Markenführung. München: Vahlen.

    Felser, G. (2007). Vielschichtigkeit ist gefordert: Psychologie für den ganzen Konsumenten. Wirtschaftspsychologie aktuell, 4.

    Gardner, B. B., & Levy, S. J. (1955). The product and the brand. Harvard Business Review, 33(2), 33–39.

    Kleining, G. (1959). Zum gegenwärtigen Stand der Imageforschung. Psychologie und Praxis, A. 4.

    Kotler, P. (1999). Grundlagen des Marketing. München: Prentice Hall.

    Meffert, H., & Burmann, C. (2002). Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten Markenführung. In H. Meffert (Hrsg.), Markenmanagement. Wiesbaden: Gabler.Crossref

    Spiegel, B. (1961). Die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld. Bern: Huber.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Gert GutjahrMarkenpsychologiehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-24282-4_2

    2. Image ist nicht alles

    Gert Gutjahr¹ 

    (1)

    Mannheim, Deutschland

    Marlboro ist eine der erfolgreichsten Zigaretten-Marken. Ihr Image lässt eine kräftige Männerzigarette erwarten. Marktführer ist Marlboro aber nur deshalb, weil diese Marke auch von Raucherinnen bevorzugt wird. Welche Erklärung liefert hierzu das Image? Welche Bedürfnisse der Raucherinnen werden von einer kräftigen Männerzigarette befriedigt? Die Erklärung bleibt die Image-Theorie schuldig.

    Die mit der Marke assoziierten Vorstellungen entstammen der Welt der amerikanischen Cowboys, wie sie von den bekannten klassischen Western-Stories in Filmen kommuniziert wird. Da werden raue Burschen gezeigt, wie sie raufen und saufen, schießwütige Revolverhelden, terrorisierende Rancher, plündernde und mordende Outlaws, brutal herrschende Sheriffs und Marshalls. Über allem hängt ein Dunst von Whiskey, Kuh- und Pferdemist.

    Ein englischer Tourist schenkt einem Cowboy, der ihm ein Pferd gesattelt hat, ein Päckchen englischen Tabak zum Dank. Als er später das Pferd zurückbringt, fragt er den Cowboy, wie ihm der Tabak geschmeckt hat. Die Antwort im Film lautet: „Nachdem ich etwas Pferdemist untergemischt hatte, konnte man das Zeug auch rauchen." So ist die Markenpräferenz der Raucherinnen schwerlich zu erklären.

    Die Psychoanalyse allerdings entdeckt hinter der Coverstory „Cowboy" einen klassischen Heldenmythos. Stets taucht in Western-Klassikern ein einsamer Held auf, dem die Aufgabe zufällt, in einer Stadt für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Immer wieder gelingt es diesem Helden, wie ehemals Odysseus oder heute auch James Bond 007, alle lebensbedrohenden Gefahren zu überstehen und meist mit Hilfe eines unerwarteten Verbündeten – bei Odysseus die Göttin Athene, bei 007 die amerikanische CIA – die übermächtigen Gegner zur Strecke zu bringen. Diese Westernhelden haben ein typisches Persönlichkeitsprofil in den Augen des Publikums: Sie sind mutig und tapfer, ertragen klaglos Schmerzen, verantwortungsbewusst und loyal erledigen sie ihre Aufgabe, helfen Hilfsbedürftigen, sind ehrlich, offen, geradlinig, berechenbar, haben ein Herz für Kinder und Tiere, sind stets hilfsbereit und höflich gegenüber Frauen. Vor einer Lady nehmen sie sogar den Hut ab. Im Gegensatz zu ihren Widersachern wirken sie sauber und gepflegt, mit guten Manieren und Rücksicht ausgestattet, kurzum gefragte Ehekandidaten, vertrauenswürdig und sympathisch. Ihre Anziehungskraft auf Frauen ist genetisch programmiert und unwiderstehlich. Doch ist der Held ein unerreichbares Ideal, eine Fiktion nur und ein Mythos, an dem teilzuhaben die Marke Marlboro erlaubt, d. h. teilhaben an der unwiderstehlichen Gefühlswelt der Marke. Natürlich bleiben den Raucherinnen die Gründe für Sympathie und Vertrauen gegenüber der Marke und deren Faszination unbewusst.

    Das richtige Markenverständnis setzt die Unterscheidung von Produkt und Marke voraus.

    Die Image-Vorstellungen der Verbraucher umfassen nur die mit dem Produkt assoziierten Eigenschaften und Nutzenerwartungen. Häufig ist dieses Nutzenbündel emotional getönt und mit einem psychologischen Zusatznutzen verbunden. Ein Produkt kann als exklusiv, wertvoll, mit Prestige und Status etc. verbunden erlebt werden. So wird das Produkt zum Markenartikel, die Marke bleibt aber verborgen.

    Dass die Marke vom Produkt unabhängig gedacht werden muss, zeigt schon die Tatsache, dass Marken auch dann weiterleben, wenn ihre Produkte längst vom Markt verschwunden sind und diese Marken jederzeit wiederbelebt werden können. Schwer nachvollziehbar ist dieser Sachverhalt, weil solche Marken sich rasch aus unserem Bewusstsein verabschieden und hauptsächlich dort leben, wo die Gründe für ihre Markenstärke liegen: im impliziten Markengedächtnis.

    Das richtige Markenverständnis geht also von einer Marken-Doppelfunktion aus:

    Das bewusste Image zeigt, ob die Produkteigenschaften unseren expliziten Produkterwartungen entsprechen.

    Die unbewusste psychologische Markensubstanz, also das im impliziten Markengedächtnis gespeicherte Markenwissen, ist die entscheidende zweite neue Dimension. Dieses implizite Markenwissen begründet Sympathie, intuitives Vertrauen und den im Markenmythos wurzelnden Markenglauben.

    Freilich ließen früher solche psychoanalytischen und tiefenpsychologischen Erklärungen Zweifel aufkommen. Diese sind jetzt allerdings durch die Erkenntnisse der aktuellen Hirnforschung beseitigt. Ein großer Verdienst der Hirnforschung ist der objektive Nachweis von unbewussten Entscheidungsprozessen, gerade auch bei der Markenwahl (Priddat 2007).

    Literatur

    Priddat, B. P. (Hrsg.). (2007). Neuroökonomie. Neue Theorien zu Konsum, Marketing und emotionalem Verhalten in der Ökonomie. Marburg: Metropolis.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Gert GutjahrMarkenpsychologiehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-24282-4_3

    3. Consumer Neuroscience

    Gert Gutjahr¹ 

    (1)

    Mannheim, Deutschland

    Seit dem Beginn der Neuroscience, beschrieben auch als Neurobiology (Damasio 1995), hat sich Neuromarketing weltweit als Hoffnung und Hype geradezu flutartig rasch ausgebreitet (Ariely und Berns 2010). Kenning (2014) berichtet über den State of the Art. Inzwischen gibt es 17 Organisationen und Universitäten in Deutschland, England, USA, Holland, Frankreich, Österreich, Spanien, Japan und Kanada, die sich wissenschaftlich mit Neuroscience befassen. 2003 wurde erstmals mittels funktionaler Magnetresonanztomographie (fMRT) nachgewiesen, dass ökonomische Entscheidungen eine neurale Basis haben. Mit fMRT werden aktivierte Areale im Gehirn bildhaft dargestellt, was erheblich zur Faszination der Neuroscience beigetragen hat.

    Die Erwartungen, die an den Erkenntnisgewinn und an den praktischen ökonomischen Nutzen geknüpft werden, sind hoch. Der Nobelpreisträger Kandel (1995) schreibt: „Die vielleicht letzte wissenschaftliche Grenze – die ultimative Herausforderung – besteht darin, die biologische Basis des Bewusstseins und der geistigen Vorgänge durch die wir wahrnehmen, handeln, lernen und uns erinnern, zu verstehen."

    Von diesem Ziel ist Neuroscience noch weit entfernt. Eine gewisse Ernüchterung ist schon jetzt zu spüren, die aber den zu hohen euphorischen Erwartungen geschuldet ist. Consumer Neuroscience kann derzeit lediglich die Fragen beantworten, warum ein bestimmter Effekt eintritt, aber nicht, wie die Erkenntnis für betriebliche Ziele genutzt werden kann (Kenning 2014).

    3.1 Commercial Consumer Neuroscience

    Commercial Consumer Neuroscience will Fragen beantworten, die sich auf das Konsumentenverhalten beziehen in Abhängigkeit von Produktpolitik, Preispolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik und die Wirkung von Verpackungen und Marken. Die vergleichsweise wenigen Studien entdecken hauptsächlich neurale Korrelate (Aktivierungen) in verschiedenen Hirnarealen, die zur Rekonstruktion bekannter ökonomischer und psychologischer Modelle wie die erwartete Belohnung, der erwartete Nutzen etc. führen. Eine weiterführende Forschung mit Erkenntnisgewinnen fehlt noch.

    Bis zum heutigen Zeitpunkt sind nur wenige aufschlussreiche Studien im Bereich Consumer Neuroscience bekannt. Sie zeigen oft nur, dass das neurale Wechselspiel von Belohnung und Bestrafung den entscheidenden Treiber des Konsumentenverhaltens darstellt. Dieses Modell existiert schon seit langem in der Alltagspsychologie mit der Bezeichnung „Zuckerbrot und Peitsche".

    Habermas (2004) formuliert deshalb: „Die objektivierende Sprache der Neurobiologie mutet dem Gehirn die grammatische Rolle zu, die bisher das Ich gespielt hat … Die Provokation, die darin besteht, dass das Gehirn statt meiner selbst denken und handeln soll, ist gewiss nur eine grammatische Tatsache."

    3.2 Social Consumer Neuroscience

    Konsumentenverhalten ist nicht nur individuell bedingt, sondern auch vielfach durch Interaktionen zwischen verschiedenen Personen. Phänomene sozialen Verhaltens sind u. a. Vertrauen in Personen oder Organisationen, Fairness, Empathie und Kooperation.

    Vertrauen: In mehreren Studien wurden Korrelationen zwischen Vertrauen und neuralen Strukturen nachgewiesen. Aktivierungen zeigten sich im dorsalen Striatum.

    Fairness: Fairness wird in den studierten Fällen als Verteilungsgerechtigkeit beim Tausch von Gütern verstanden. Die Ablehnung von unfairen Angeboten führte zu Aktivierungen im präfrontalen Cortex. Die Akzeptanz von Tauschangeboten, die als fair erlebt wurden, ist vom Serotonin-Level im Gehirn abhängig.

    Empathie: Das Phänomen Empathie spielt in der client centered Psychotherapie von Rogers und Axline eine zentrale Rolle. Sie findet eine neurale Korrelation im präfrontalen Cortex.

    Kooperation oder Wettbewerb: Beides findet eine neurale Korrelation in bestimmten Bereichen des präfrontalen Cortex und der Insula.

    Interessant ist, dass Social Consumer Neuroscience mehr Studien aufweist als die individuelle Consumer Neuroscience. Dies ist wohl die Folge der in den USA geführten Diskussion um die Forschungsethik. Sie forderte schon, jegliche Hirnforschung zu verbieten, wenn sie nicht ausschließlich medizinischen Zwecken dient.

    Die Social Consumer Neuroscience ist übrigens schneller als die Neurosoziologie selbst. Baecker schreibt: „Es gibt keine soziologische Theorie des Gehirns. Soziologen genügt es zu wissen, dass Menschen mit einem intelligenzfähigen Organ ausgestattet sind, das es erlaubt die Anforderungen des Lebens zu bewältigen. Und weiter: „Das Gehirn ist kein soziologischer Forschungsgegenstand! (Baecker 2014).

    3.3 Neuropsychologie

    Die Hirnforschung, die Korrelate zwischen neuralen Aktivierungen und dem Verhalten der Konsumenten feststellt, zeigt lediglich, welche Gehirnareale stark durchblutet sind.

    Hirnaktivität benötigt Sauerstoff, der vom Blut transportiert wird. Der Sauerstoffgehalt verändert das Magnetfeld des aktivierten Areals und die Signalstärke, die gemessen werden kann. Der physiologische Befund bedarf also einer neuropsychologischen Interpretation.

    Den aktivierten Arealen werden Funktionen zugeordnet, soweit sie aus früheren neurowissenschaftlichen Forschungen bekannt sind. So weiß man z. B., dass die Amygdala im limbischen System für die Entstehung und Verarbeitung von Emotionen zuständig ist, die Insula für Belohnung, das Striatum für Bestrafung und der präfrontale Cortex für Vernunft und Kontrolle.

    Das Belohnungssystem ist komplex. Es ist verantwortlich für Ekstase und Sehnsucht und dafür, dass wir Sympathie für Menschen und Marken empfinden können.

    Die Psychologie ist bis heute die Leading Science, wenn es um die Erforschung des menschlichen Verhaltens geht. Dies trifft auch für das Konsumentenverhalten zu, wenngleich anzumerken ist, dass eine entscheidende Teildisziplin der Psychologie, nämlich die Tiefenpsychologie, bis heute hierbei nur eine bescheidene Rolle gespielt hat.

    Dies hat sich mit der modernen Hirnforschung geändert: Sie hat den naturwissenschaftlichen und objektiven Nachweis erbracht, dass das Verhalten der Konsumenten auch von unbewussten Entscheidungen geleitet wird.

    Das Unbewusste ist seit Sigmund Freud Gegenstand der Tiefenpsychologie. Sein Schüler C. G. Jung hat Denkmodelle entwickelt, die auch zum Verständnis des Konsumentenverhaltens beigetragen haben. Gemeint sind die Archetypen, die als kollektive Deutungsmuster auch unser Konsumverhalten bestimmen (Kap. 6).

    Wie die moderne Markenpsychologie theoretisch, methodisch und praktisch davon profitiert hat, ist in den folgenden Kapiteln zu lesen.

    Im Gefolge der Neuroökonomie hat auch die Psychologie mit der Neuropsychologie neue Ansätze entwickelt.

    Die Neuropsychologie bestätigt teilweise das, was bisher durch die psychologische Markenforschung entdeckt wurde. Darüber hinaus lässt sie Hypothesen zu, die in Zukunft das psychologische Markenwissen erweitern werden. Zu lesen sind diese neuropsychologischen Fortschritte bei Pöppel (2010).

    Die neuronale Repräsentation der Marken durch aktivierte Hirnareale reicht alleine zur Erklärung der Markenwirkungen nicht aus. Besonders wenn es um die Differenzierung von starken gegenüber schwachen Marken geht, ist die psychische Repräsentation der Marken im Gehirn von entscheidender Bedeutung.

    Consumer Neuroscience hat zum Verständnis der Markenwirkungen nur einen bescheidenen Beitrag geleistet. Sie hat festgestellt, dass lediglich die First-Choice-Brand an Position 1 im Relevant Set als Lieblingsmarke zu einer unüberwindbaren Präferenz bei der Kaufentscheidung der Konsumenten führt. Dass die First-Choice-Brand die Lieblingsmarke ist, wurde allerdings durch Befragungen ermittelt.

    1.

    Es gibt starke und schwache Marken.

    Ihre Markenstärke ist unabhängig von Produktkategorien und Dienstleistungsformen. Eine starke Automarke wie z. B. VW oder eine starke Dienstleistungsmarke wie z. B. Allianz unterscheidet sich in derselben Weise von der schwachen Automarke Opel oder der schwachen Dienstleistungsmarke Volksfürsorge.

    Eine Marke ist dann stark, wenn der Konsument beim Kauf nicht vor eine explizite Entscheidung gestellt wird, sondern schon vorher implizit weiß, was er will. Für die starke Marke gibt es keine Alternative.

    2.

    Die Marke existiert im Kopf der Konsumenten. Starke Marken bilden das ab, was im Gehirn als Markenbild vorhanden ist. Verschiedene Formen des Markenwissens sind dafür verantwortlich.

    Im Markenverständnis spielte bislang fälschlicherweise das explizite Wissen der Marken, z. B. ihre Bekanntheit oder ihr Image, die Hauptrolle. Viel wichtiger sind aber das bildliche Wissen und das implizite Wissen.

    Das bildliche implizite Wissen ist im episodischen Gedächtnis als Erinnerungsbild oder Brain Script gespeichert, und nur so ist eine Marke stark. Das episodische Gedächtnis ist aber begrenzt, so dass nicht alle Marken zu einer starken Marke werden können. Schon deswegen müssen weniger starke Marken immer wieder vom Markt verschwinden. Übereinstimmend damit hat die psychologische Markenforschung festgestellt, dass das Wissen der einzelnen Konsumenten und deren tatsächliche Markenverwendung nie mehr als 100 Marken umfasst. Die Mehrheit der angebotenen Marken sind deshalb notwendigerweise nur „Märkchen".

    In Bezug auf Marken heißt Wissen immer auch Abbilden, und deshalb setzt Markenstärke die Kommunikation klarer, wahrnehmbarer Inhalte voraus.

    3.

    Marken existieren nicht in einem abstrakten Raum einer Psyche, sondern verkörperlicht als Brain Script im Gehirn und an neuronale Prozesse gekoppelt.

    Eine meist implizite Entscheidung für eine Marke ist der Beginn der Kaufhandlung. Ist die Handlung ein Erfolg, z. B. durch Bedürfnisbefriedigung oder Belohnung, so wird dies zurückgemeldet und der gesamte Prozess als „Kopie" im Gedächtnis aufbewahrt. Auf dieses Brain Script wird später wieder zurückgegriffen.

    Die Verkörperung psychischer Prozesse ist die Ursache für unser evolutionäres Erbe und die Entstehung global und ewig wirksamer archetypischer Deutungs- und Verhaltensmuster. So werden Marken, die sich in unserer Kindheit einprägen, unauslöschbarer Teil unserer neuronalen Entscheidungsprozesse.

    4.

    Das Gehirn vermeidet anstrengende Informationsverarbeitung. Es herrscht dort ein strenges Ökonomiegesetz. Deswegen sind implizite Erwartungen und explizite Vorurteile so wirksam. Unser Gehirn handelt stets antizipativ und nur selten reaktiv. Eine Marke ist stark, wenn sie unser Gehirn entlastet und intuitive Entscheidungen ermöglicht.

    5.

    Dem Ökonomiegesetz entspricht auch, dass sich unser Gehirn nicht lange mit Entscheidungen aufhält: Intuitive Entscheidungen fallen innerhalb von drei Sekunden; nach drei Sekunden interessiert sich das Gehirn nur noch für Neues.

    Unser Gehirn ist unablässig damit befasst, informativen Müll zu beseitigen. Vergessen und nicht zur Kenntnis nehmen sind im Sinne des Ökonomiegesetzes positive Leistungen des Gehirns. Sie erlauben uns, schnell und effizient zu handeln.

    6.

    Im Gehirn wird unsere Identität konstruiert, so dass wir unser Selbst erleben können. Ohne Selbstwissen geht unser psychisches Gleichgewicht verloren, werden wir orientierungslos. Unsere Identität bestimmen wir durch den Bezug auf unser Selbst und gleichzeitig auf unsere materielle und soziale Umgebung. Unser Selbst erleben wir durch die Bilder in unserem episodischen Gedächtnis und durch den Bezug zu unserer dinglichen und menschlichen Umwelt.

    Starke Marken, die Teil unseres Selbst werden, tragen zur Stabilisierung unserer Identität bei und befriedigen Bedürfnisse, die nicht vom Produkt oder von der Dienstleistung alleine befriedigt werden könnten.

    Optimale Produkte oder Dienstleistungen, die der Erhaltung unseres psychischen Gleichgewichts dienen, nennt man Marken. Starke Marken entstehen durch Brain Branding.

    Unser Gehirn ist der eigentliche „Flaschenhals" für den Erfolg der Markenbildung. Erfolgreiche Markenbildung und Markenführung setzen deshalb valide Kenntnisse der Neuropsychologie und der Tiefenpsychologie voraus.

    Die Neuropsychologie ist wie die Neuroökonomie eine noch junge wissenschaftliche Disziplin. In Form eines hypothetischen Modells bietet sie erste Hinweise für eine erfolgreiche Markenentwicklung auf folgenden Ebenen:

    Die erste Ebene von markenorientiertem Verhalten ist die Reduktion von Komplexität. Dies geschieht durch die Bestimmung und Kommunikation von Inhalten. Eine Marke muss gegeben sein, damit es überhaupt zu einer Handlung kommt.

    Auf der nächsten Ebene erfolgt ein Vergleich der verschiedenen Inhalte, die im Wettbewerb um die Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse stehen. Dazu stehen drei Sekunden zur Verfügung; deshalb findet der Vergleich implizit statt.

    Erst danach finden kognitive Prozesse statt. Dabei werden die notwendigen Strategien für dauerhaft erfolgreiches Verhalten eingesetzt: Elementare Bedürfnisse haben Vorrang vor allen anderen. Stets sind wir deshalb in einem Konflikt, der nur von starken Marken gelöst werden kann; sie werden nur gewählt, wenn sie einer Zielerreichung nützen.

    Solange von Brain Script die Rede ist, haben wir den Hinweis auf ein Phänomen, das eine Begründung erfordert. Sie ergibt sich aus den derzeitigen Annahmen über die Verkörperung von psychischen unbewussten und bewussten Gedächtnisinhalten und über unbewusstes und bewusstes Lernen.

    Die neurologische Erklärung liefern die Synapsen (Adolphs 2009; Spitzer 2012; Hüther 2005). Informationen werden im Gehirn verarbeitet, indem elektrische Signale über Synapsen von Neuron zu Neuron geleitet werden. Wenn wir uns auf etwas Bestimmtes konzentrieren – wenn selektive Aufmerksamkeit stattfindet – so werden jeweils die dafür verantwortlichen Verarbeitungszentren aktiviert. Wenn wir also auf eine Marke achten, so wird dadurch ein Markenzentrum aktiviert und ein Brain Script gebildet, um das Gehirn als Informationssystem den wechselnden Anforderungen anzupassen. Häufig benutzte Synapsen werden stärker und dauerhafter, selten benutzt werden sie schließlich weggeräumt. So entsteht und vergeht implizites Markenwissen.

    Die Neuropsychologie verfügt über eigene Methoden, die wohl in der Lage sind, die Methoden der Neuroscience zu ergänzen. Sie bieten oft auch den Vorteil, dass ihre Anwendung kostengünstiger ist als z. B. fMRT, und auch, dass sie in biotischen Situationen eingesetzt werden können.

    Ein seit den 1960er-Jahren bekanntes Verfahren ist

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