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Zukunftsentwürfe des Leibes: Integrative Psychotherapiewissenschaft und kognitive Neurowissenschaften im 21. Jahrhundert
Zukunftsentwürfe des Leibes: Integrative Psychotherapiewissenschaft und kognitive Neurowissenschaften im 21. Jahrhundert
Zukunftsentwürfe des Leibes: Integrative Psychotherapiewissenschaft und kognitive Neurowissenschaften im 21. Jahrhundert
eBook345 Seiten3 Stunden

Zukunftsentwürfe des Leibes: Integrative Psychotherapiewissenschaft und kognitive Neurowissenschaften im 21. Jahrhundert

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Über dieses E-Book

​Ein wesentlicher Aspekt der Entwicklung von Psychotherapien ist die kontinuierliche Rezeption aktueller Forschungsergebnisse aus den angrenzenden Wissenschaften. Ausgehend vom Begriff des Leib-Subjekts in seinem ökologischen Kontext und Kontinuum stehen Erkenntnisse und zukunftsweisende Theoriebildungen aus den kognitiven und sozialen Neurowissenschaften zur Diskussion. Vorgestellt werden die 4E Kognitionsforschung und das Predictive Processing Modell. Eingängige wissenschaftsphilosophische Erläuterungen durchziehen die Studie und fördern ein fundiertes Verständnis der Verkörperung des Geistig-Psychischen im Bezugsrahmen der Integrativen Therapie.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum13. März 2020
ISBN9783658279240
Zukunftsentwürfe des Leibes: Integrative Psychotherapiewissenschaft und kognitive Neurowissenschaften im 21. Jahrhundert

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    Buchvorschau

    Zukunftsentwürfe des Leibes - Robert Stefan

    Integrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratung

    Reihe herausgegeben von

    Hilarion G. Petzold

    EAG – FPI, Hückeswagen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland

    Ute Antonia Lammel

    Abteilung Aachen, KatHO NRW, Aachen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland

    Anton Leitner

    Fakultät für Gesundheit und Medizin, Donau-Universität Krems, Krems, Österreich

    Sylvie Petitjean

    Ewachsenenpsychiatrie, Universitärische Psychiatrischen Klinike, Basel, Schweiz

    Psychotherapie, Beratung und Supervision sind Formen moderner, „biopsychosozialer Hilfeleistung, aber auch ressourcen- und potentialorientierter Entwicklungsförderung in komplexen und oft risikoreichen Lebenswelten. Letztere erfordern heute interdisziplinäre Ansätze und integrative Modelle, die Schuldenken überschreiten und neues Wissen in das Feld der Praxis transportieren. Die rasanten Fortschritte in der Psychologie und den klinischen Sozial- und Neurowissenschaften zeigen, dass der Polylog – der Austausch zwischen den Disziplinen und zwischen Praktikern, Th eoretikern, Forschern und Klienten bzw. Patienten – gefördert werden muss. Nur so wird eff ektive, nachhaltige und menschengerechte Hilfe und eine exzellente Professionalität möglich. Die Reihe sieht sich diesen Zielsetzungen und dem „neuen Integrationsparadigma in Psychotherapie, Beratung und Supervision verpfl ichtet. Herausgegeben von Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold, Europäische Akademie for biopsychosoziale Gesundheit, Hückeswagen, Deutschland. Prof. Dr. Antonia Lammel, Katholische FH NRW, Aachen, Deutschland. Prof. Dr. Anton Leitner, Donau-Universität Krems, Krems, Österreich Dr. phil. Sylvie Petitjean Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Basel, Schweiz.

    Weitere Bände in der Reihe http://​www.​springer.​com/​series/​12721

    Robert Stefan

    Zukunftsentwürfe des Leibes

    Integrative Psychotherapiewissenschaft und kognitive Neurowissenschaften im 21. Jahrhundert

    ../images/485249_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Robert Stefan

    Krems und Wien, Österreich

    ISSN 2626-1340e-ISSN 2626-1359

    Integrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratung

    ISBN 978-3-658-27923-3e-ISBN 978-3-658-27924-0

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-27924-0

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Planung/Lektorat: Eva Brechtel-Wahl

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Nicht ohne Niklas

    und Marlene

    Geleitwort von Claudia Höfner

    Das vorliegende Werk von Robert Stefan nimmt sich einer Frage an, die in den Wissenschaften vom Menschen – und somit auch in den Psychotherapiewissenschaften – von eminenter Bedeutung ist. Sie gilt zurecht als eine der ältesten und grundlegendsten Fragen der Wissenschaft. Gemeint ist das Leib-Seele-Problem, das uralte Rätsel, wie das Seelische mit dem Körperlichen zusammenhängt, wie wir uns selbst bewusst werden, wie wir unseren Leib, unsere Mitmenschen und die Dinge um uns herum wahrnehmen, erkennen und erleben. Diese Fragen haben gerade in der Psychotherapie besondere Bedeutsamkeit, geht es doch darum, das Psychische im Sinne des persönlichen, subjektiven Erlebens zu verstehen und zu entwickeln.

    Die Klärung solch fundamentaler Begriffe wie Geist, Seele, Leib, Körper oder Bewusstsein war lange Zeit Domäne der Philosophie bzw. der ab Ende des 19. Jahrhunderts aus ihr hervorgetretenen Psychologie. Allgemein akzeptierte Antworten und Definitionen sind bis dato nicht in Sicht. In den letzten Jahrzehnten haben sich diesbezügliche Debatten nicht zuletzt aufgrund der aufkeimenden neurowissenschaftlichen, insbesondere der bildgebenden Hirnforschung über die Grenzen der akademischen Philosophie und Psychologie hinaus in den öffentlichen Diskurs ausgebreitet. Neurowissenschaftliche Forschung und deren Postulate erreichten große Popularität und Breitenwirksamkeit, Bilder vom Gehirn suggerierten Objektivität und wissenschaftliche Evidenz. Dies führt bedauerlicherweise bis heute zu einer Frontstellung zwischen empirisch-experimentellen und philosophischen Forschungsprogrammen. Philosophische und introspektiv-psychologische Studien, das Verhältnis von Leib und Seele betreffend oder die Natur des Bewusstseins und des Mentalen erkundend, geraten vor diesem Hintergrund ins Hintertreffen.

    Die Psychotherapie, programmatisch zwischen beiden Frontlinien verortet, ist gefordert, ihren wissenschaftlichen Status darzulegen, ihre Theorien und Methodologien empirisch abzusichern. Es liegt in der Verantwortung moderner, wissenschaftlich fundierter Psychotherapie, diesen wie anderen polarisierenden Fallstricken zu entgehen und in integrierenden, breit gefassten Such- und Erkenntnisprozessen sämtliche relevante Wissensfelder zu durchqueren, um im Dienste leidender Menschen bestmögliche Angebote setzen zu können. Dieser Anspruch macht ein konstruktives, ein interdisziplinäres Vorgehen erforderlich, das nach allen Seiten für Polyloge und neue Einsichten offen ist, vor allem in der Theoriebildung.

    Robert Stefan stellt sich dieser Herausforderung. Es gelingt ihm, nicht eine Seite auf Kosten der anderen stark zu machen. Vielmehr prüft er verschiedene Wissensfelder auf das Potenzial wechselseitiger Befruchtung. In eingängigen, gut argumentierten Analysen bringt er die anspruchsvollen und oft schwer vermittelbaren Positionen in einen kreativen Diskurs.

    Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich anmuten, dass in einem Werk über Psychotherapie der Begriff des Leibes im Vordergrund steht. Dem TitelZukunftsentwürfe des Leibes liegt die Annahme zugrunde, dass das Seelische nicht ohne den Leib gedacht und verstanden werden kann. Blickt man auf die Debatten im kognitiven Feld, in den Neurowissenschaften oder in der Psychologie, zeigt sich, dass eine Hinwendung zu Fragen der Leiblichkeit allerorts vollzogen wird. Mentale Prozesse, Kognition und Bewusstsein werden nicht mehr als von Leib und Umwelt relativ unabhängige, gar auf isolierbare Gehirnstoffwechselprozesse reduzierbare Phänomene gesehen. Der phänomenologisch-hermeneutische Leibbegriff, im Englischenlived body, birgt den Vorteil, die Trennlinien zwischen Geist, Körper und Welt unterlaufen zu können. Dies ist für die Psychotherapiewissenschaften von äußerster Relevanz. Der Leibbegriff steht nicht zuletzt deshalb seit den ersten Entwürfen der Integrativen Therapie von Hilarion G. Petzold, Ilse Orth und Johanna Sieper im Zentrum von Theorie und Praxis dieses modernen methoden- und schulenübergreifenden Psychotherapieverfahrens.

    Robert Stefan lädt dazu ein, sich mit ihm auf einen multitheoretischen, wissenschaftshistorischen Quergang zu begeben, um der LeserInnenschaft den Leibbegriff transparent zu machen und diesen auf seine Zukunftsentwürfe hin zu befragen. Er verweist auf die Bedeutung und Entwicklung des Leibbegriffs, die Entwicklung und Systematik der Integrativen Therapie mitsamt ihrer zentralen theoretischen und praxeologischen Entwürfe im Konnex kognitiver und sozialer Neurowissenschaften, der Neurophilosophie sowie der phänomenologischen und hermeneutischen Philosophie. Dabei situiert er die wesentlichen Quellen und Begrifflichkeiten der Integrativen Therapie im Kontext historischer wie aktueller Theorieentwicklung zum Leib-Seele-Problem und schafft es, dies auf verständliche Art und Weise aufzubereiten und in eine fesselnde Theoriegeschichte zu verpacken. So gelingt es dem Autor differenziert und fachlich fundiert, die Aktualität, die Zukunftsfähigkeit und die integrative Kraft des Leibbegriffs sowie des daraus hervorgegangenen Psychotherapieverfahrens der Integrativen Therapie aufzuzeigen.

    ÖAGG Österreichischer Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik

    Claudia Höfner

    Vorwort

    Es scheint auf den ersten Blick ein wenig paradox, dass in der Integrativen Therapie, die in Österreich und jetzt auch in der Schweiz zu den anerkannten Psychotherapieverfahren zählt, das Psychische in seiner Bedeutung für Theorie und Praxis hinter das Leibliche zurücktritt. Ich hoffe, dass die Ausarbeitung des Leibbegriffs deutlich macht, dass es sich dabei um kein Paradoxon und um keinen Widerspruch handelt. Es ist die deutsche Sprache, die in besonderer Weise die Möglichkeit bietet, den Leib als lebendiges Medium zur Welt zu verstehen.

    Eine Psychotherapie vom Leibe als integrative Humantherapie drängt damit Perspektiven und Möglichkeiten auf, die zunächst phänomenologisch zu untersuchen und im Anschluss transversal und metahermeneutisch zu konnektivieren sind. In diesem Sinne möchte meine Arbeit über Zukunftsentwürfe des Leibes einen Beitrag leisten.

    Die Absicht dieses Buches ist es, vor dem Hintergrund gegenwärtiger Forschung einen kompakten Grundriss der Theorie der Integrativen Therapie zu zeichnen. Neben aktuellen Untersuchungsergebnissen aus den Kognitions- und Neurowissenschaften werden Theorien aus den angrenzenden Grundlagenwissenschaften dargestellt. Das biosychosozialökologische Modell in Medizin sowie in den Human- und Sozialwissenschaften erfährt damit Fundierung und Differenzierung.

    Das weitreichende Ziel der Abhandlung ist es, den Leibbegriff in verschiedenen Perspektiven und Dimensionen anschaulich zu machen, um diesen für Ausbildung, Forschung und Praxis einer allgemeinen, methodenübergreifenden Psychotherapie zugänglich zu machen.

    Robert Stefan

    Danksagung

    Werke wie dieses sind niemals die Leistung einer einzelnen Person. Danke sagen möchte ich den vielen, hier nicht genannten Menschen, die für das Zustandekommen dieses Buches mitverantwortlich sind. Namentlich möchte ich dennoch Erika Berger und Thomas Birkner erwähnen – es wäre ohne deren Einfluss nicht zu meiner philosophisch-psychotherapeutischen Laufbahn gekommen. Dem vorliegenden Buch liegen Studien am Institut für Philosophie der Universität Wien und eine Master-Thesis, die an der Donau Universität Krems eingereicht wurde, zugrunde. Besonderer Dank gilt Professor Hilarion G. Petzold, der meine Arbeit mit umsichtiger Diskussion und hilfreichen Ideen und Materialien von Anfang an sehr gefördert hat. Zudem möchte ich den Lehrenden und Studierenden jener Institutionen für den intellektuellen und kollegialen Austausch danken. Meine wissenschaftliche Tätigkeit zu einer Dissertation wird aktuell vom Fonds Niederösterreichische Forschung und Bildung finanziell unterstützt (Science Call [SC16-025]). In diesem Zusammenhang gilt mein besonderer Dank der Professorin für Psychotherapieforschung an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und wirklichem Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Patrizia Giampieri-Deutsch, die im Rahmen meiner Assistenz am von ihr geleiteten Fachbereich Psychodynamik meine Forschungsarbeit ermöglicht und fördert. Für das umsichtige Lektorat möchte ich mich bei Christiana Maria Edlhaimb-Hrubec sehr bedanken. Eva Brechtel-Wahl und Kolleginnen und Kollegen beim Springer Verlag möchte ich für die professionelle Umsetzung des Buchprojekts danken.

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 1

    Literatur 5

    2 Integrative Metatheorie – Kompakt 7

    2.​1 Wissenschaftsthe​orie und Methodenintegrat​ion 7

    2.​2 Ko-respondenz und Hermeneutik in der Integrativen Therapie 11

    2.​3 Weitere Prinzipien und Kernbegriffe der Integrativen Therapie 18

    2.​4 Klinische Philosophie und ihre Anwendung in der Praxis 21

    Literatur 25

    3 Leib und Lebenswelt – Der phänomenologisch​-hermeneutische Ansatz 29

    3.​1 Intentionalität und Bewusstsein 29

    3.​2 Die Erfahrung von Alterität.​ Grundlagen der Phänomenologie der Leiblichkeit 33

    3.​3 Merleau-Ponty – Die Phänomenologie der Leiblichkeit 36

    3.​4 Leibphänomenolog​ische Erkenntnis- und Wissenschaftsthe​orie 40

    3.​5 Motorische Intentionalität 42

    3.​6 Phänomenologie der Lebenswelt und die Kritik am Objektivismus 44

    3.​7 Zwischenleiblich​keit 48

    3.​8 Der informierte Leib in der Integrativen Therapie 51

    Literatur 53

    4 Geist – Gehirn – Natur:​ Exkurs in die Grundlagenwissen​schaften 57

    4.​1 Das reduktive naturalistische Paradigma der Neurowissenschaf​ten 57

    4.​2 Repräsentational​e Theorien des Mentalen und phänomenales Bewusstsein 60

    4.​3 Gehirn und Subjekt 63

    4.​4 Zum gegenwärtigen Stand des psychophysischen​ Problems 66

    4.​5 Die Physik des Mentalen 68

    4.​6 Autopoiese, Synergetik und die komplementäre Natur 73

    4.​7 Die Metastabilität des Mentalen 75

    4.​8 Die Emergenz des Mentalen in der Integrativen Therapie 80

    Literatur 81

    5 Zukunftsentwürfe​ in den Kognitions- und Neurowissenschaf​ten 87

    5.​1 Aktuelle Entwicklungen in den Kognitionswissen​schaften 87

    5.​2 4E Kognition 91

    5.​3 Das soziale Gehirn 93

    5.​4 Spiegelneurone und fremde mentale Prozesse 96

    5.​5 Sozialkognitive Neurowissenschaf​ten 99

    5.​6 Das Gehirn als Antizipationsorg​an – Das prädiktive Modell 103

    5.​7 Aktive Inferenz Modelle 106

    5.​8 Interozeptive Inferenz und subjektive Erfahrung 111

    Literatur 113

    6 Synopse mit Blick auf Praxis, Forschung und Lehre 121

    6.​1 Integratives Zwischenresümee 121

    6.​2 Implikationen für die Praxis 123

    6.​3 Anregungen und Fragen für weitergehende Forschung 128

    6.​4 Ethische Gesichtspunkte 133

    Literatur 134

    Nachwort von Hilarion G.​ Petzold, Ilse Orth und Johana Sieper 139

    Literatur 169

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    R. StefanZukunftsentwürfe des LeibesIntegrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratunghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27924-0_1

    1. Einleitung

    Robert Stefan¹  

    (1)

    Krems und Wien, Österreich

    Robert Stefan

    Email: robert.stefan@kl.ac.at

    Zusammenfassung

    Dieses einleitende Kapitel gibt eine ersten kursorischen Überblick zur Ideengeschichte und Entwicklung des Leibbegriffs. Es wird kurz auf die Quellen des Leibbegriffes eingegangen und erläutert, warum dieser in der Integrativen Therapie vor dem Hintergrund des Leib-Seele Problems im Zentrum der Theoriebildung steht. Darüber hinaus wird ein Überblick über die Methodik und den weiteren Gang der Untersuchung in den nachfolgenden Kapiteln gegeben.

    Wie der Titel dieses Buches bereits erahnen lässt, soll es im Folgenden um den Begriff des Leibes gehen. Warum, so könnte man fragen, soll es in einem Buch über Psychotherapie um den Leibbegriff gehen? Leib und Seele, Körper und Psyche – handelt es sich hierbei nicht um Gegensatzpaare?

    Im Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelten sich vor allem phänomenologische Theorien, die den Leibbegriff in den Fokus der wissenschaftlichen Theoriebildung rückten, allen voran durch den Begründer der Phänomenologie Edmund Husserl (2009). Der Begriff des Leibes ist nicht jenem des Körpers gleichzusetzen. In der subjektiven Erfahrung der Leiblichkeit verschränkt sich Körperliches und Geistig-Psychisches. Phänomenologisch betrachtet weist der Leib demnach eine Doppelstruktur auf. Er ist Mittelpunkt und Medium der subjektiven Erfahrung und zugleich Gegebenheit oder ein Objekt für die Erfahrung. Er ist ein welthaftes Ding unter anderen Dingen in der Welt und zugleich eine irreduzible, subjektive Voraussetzung für alle Erfahrung von Welt. Eine wesentliche Ausgangslage ist, mit Helmuth Plessner gesprochen: „Ein Mensch ist immer zugleich Leib […] und hat diesen Leib als diesen Körper." (Plessner 1970, S. 43) Im Leib verschränkt sich das Subjekt mit der materiellen, physikalischen Welt in einer kreuzweisen Verflechtung, einem Chiasmus, wie es der Pionier der Leibphänomenologie Maurice Merleau-Ponty (2011) bezeichnet.

    Mit Merleau-Ponty (1974, 1966) entwickelt sich eine Phänomenologie der Leiblichkeit, die sich an der Psychologie seiner Zeit abarbeitet und in diese seither hineinwirkt. Merleau-Pontys stark an Husserls seinerzeit unveröffentlichte Arbeiten angelehnte Phänomenologie ist bis heute Inspiration für leiborientierte Wissenschaften vom Menschen – so auch im Besonderen für die Integrative Therapie. Der französische Philosoph und Professor für Kinderpsychologie entwickelt sein richtungsweisendes Forschungsprogramm bezüglich der Leiblichkeit schon vor der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, wie etwa im Arbeitsentwurf über die Natur der Wahrnehmung von 1933 schon erkennbar ist:

    Mir scheint, dass es im gegenwärtigen Zustand der Neurologie, der experimentellen Psychologie (insbesondere der Psychopathologie) und der Philosophie von Nutzen wäre, das Problem der Wahrnehmung und insbesondere der Wahrnehmung des eigenen Leibes wieder aufzunehmen. (Merleau-Ponty 2012, S. 118)

    Das in der Neuzeit hauptsächlich als geistig gedachte Vernunft-Subjekt erfährt eine Wendung zu einem Leib-Subjekt, wie es nunmehr im Zentrum der Anthropologie der Integrativen Therapie verankert ist. Von den ersten Entwürfen in den 1960er-Jahren an wird mit einer Synthese des phänomenologischen Lebenswelt-Begriffs von Husserl (2012) und des Leibbegriffs von Merleau-Ponty vom Leib-Subjekt in der Lebenswelt gesprochen, um die Grunderfahrung von Subjekten zu begründen. Von da aus hat die Integrative Therapie in sukzessiver Weiterentwicklung und ständigem Austausch mit den angrenzenden Grundlagenwissenschaften den Begriff des biopsychosozialökologischen Wesens Mensch aufgenommen und mit den Begriffen des Kontexts und Kontinuums weiterentwickelt (Petzold 2003, 2019). Dieser integrative Entwurf soll in diesem Buch eine detaillierte Ausformulierung und Aktualisierung erfahren.

    Die kontinuierliche Rezeption aktueller Forschungsergebnisse ist ein integraler Teil der wissenschaftlichen Entwicklung der Integrativen Therapie. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausgehend vom Leib-Subjekt in der Lebenswelt in Kontext und Kontinuum vor allem mit der Bedeutung der neuesten Entwicklungen in den Kognitions- und Neurowissenschaften mit Blick auf die Metatheorie der Integrativen Therapie. Dazu wird auch das Wagnis einiger Exkurse in biologische und physikalische Theoriebildungen begangen.

    So ist der Titel dieser Arbeit – Zukunftsentwürfe des Leibes – als doppelter Genetiv zu verstehen. In der Abhandlung wird es einerseits um Zukunftsentwürfe gehen, die den Begriff des Leibes als solchen in theoretischer Hinsicht betreffen: Was kann der Leib begrifflich für die Wissenschaften jetzt und in Zukunft leisten? Andererseits wird es darum gehen, wie der Leib als Subjekt seine Zukunft entwirft und warum das für die Psychotherapie als integrative Humantherapie so bedeutsam ist: Wie entwirft sich das konkrete Leib-Subjekt auf seine existenziellen, zukünftigen Möglichkeiten?

    Was die Kognitionswissenschaften und vielfach auch die Psychologie betrifft, so lässt sich sagen, dass ein wirkmächtiges philosophisches Erbe, nämlich der Dualismus von Körper und Geist bzw. Leib und Seele, eine Art Orthodoxie darstellt. Das Leib-Seele Problem, auch als psychophysisches Problem bezeichnet, enthält die nach wie vor weitgehend ungelöste Frage, wie im Grunde Psychisches mit Physischem zusammenhängt. Die dualistische Vorannahme liegt durchwegs auch der neurowissenschaftlichen Forschung zugrunde, durch die der Begriff des Gehirn-Geist Problems entstanden ist, der eine Reformulierung des klassischen Leib-Seele Problems darstellt. Inwiefern psychische Krankheit, welche die Psychotherapie zu behandeln hat, als vom Körper abgetrenntes Phänomen zu betrachten ist, oder wie wir in der psychotherapeutischen Behandlung das psychophysische Problem verstehen sollen, sind eminent wichtige Fragen.

    Husserl und Merleau-Ponty haben versucht, durch das Primat der gelebten Erfahrung von Leiblichkeit den Dualismus von psychischem Innenraum und physikalischer Außenwelt zu unterlaufen. Daran anschließend spricht man in der Integrativen Therapie gegenwärtig von einem „Körper-Seele/Geist-Welt-Problem" (Petzold 2019, S. 7). Körperliches fällt in den Bereich des Materiellen, des Biologischen und Physikalischen. Seele/Geist, mit Querstrich geschrieben, zielt auf die Sphäre des emergenten Transmateriellen, wie zum Beispiel Gedanken, Gefühle oder Volitionen. Der integrative Leibbegriff in Form des informierten Leibes umfasst beides und bezieht außerdem die genealogisch-historische sowie ökologische Situiertheit des Leib-Subjekts mit ein (Hüther und Petzold 2012; Petzold 2009; Petzold und Sieper 2012; Stefan und Petzold 2019).

    Gelegentlich wird dem aufgeklärten Denken Europas eine Leib-Vergessenheit unterstellt. In diesem Zusammenhang fällt meist der Name Friedrich Nietzsche, der unter vielen kontroversen Thesen etwa im Jahr 1883 in seinem Also sprach Zarathustra (1999) behauptete, dass der Leib die große Vernunft des Menschen sei, zu welchem der Geist, das Kognitive und das Mentale nur als kleines Werk- und Spielzeug hinzukämen. Ich schließe mich nicht Nietzsches viel zitiertem Diktum vollumfänglich an, gleichwohl ich meine, dass es eine fruchtbare Provokation enthält. Dieses Buch wird die Frage behandeln, welche Rolle die große Vernunft des Leibes in der Wissenschaft heute spielen kann.

    Die nun folgenden Ausführungen sind ein Versuch, besonders wirkmächtige Theorien und Positionen systematisch nachzuvollziehen. Durch eine Relektüre von Maurice Merleau-Pontys leiblich gewendeter Phänomenologie und deren Weiterentwicklung zum informierten Leib der Integrativen Therapie soll gezeigt werden, welche Konsequenzen ein Denken und Handeln vom Leibe für Theorie und Praxeologie einer Humantherapie nach sich ziehen. Eingeleitet durch einige wissenschaftsphilosophische Erwägungen zu Fragen des Physikalismus und Reduktionismus werden dann Ansätze aus neuro- und kognitionswissenschaftlicher Forschung beleuchtet, die den Menschen oder respektive dessen Gehirn zunehmend als inhärent soziales und welthaftes Organ der Interaktion begreifen. Modelle der sozialen Neurowissenschaften und der sogenannten 4E Kognitionsforschung sind durch eine große Nähe zu phänomenologischen Theorien der Intersubjektivität, Zwischenleiblichkeit und damit zum informierten Leib der Integrativen Therapie gekennzeichnet. Ebenso wird eine Theoriebildung im Bereich der kognitiven Neurowissenschaften expliziert, die sich vor allem mit der antizipativen, zukunftsorientierten Dimension von lebenden Organismen und deren neuronaler Aktivität befasst. Es wird dabei gemäß der Methodik der Integrativen Therapie transversal und hermeneutisch vorgegangen, um verschiedene Theorien kritisch zu sichten, und um aus einer angemessenen Exzentrizität metahermeneutisch zu reflektieren. Auf diesem Weg sollen die verschiedenen Ansätze vernetzt oder konnektiviert werden, um Konvergenzen und Differenzen ausfindig zu machen (Petzold 2017; Sieper 2006). Die Arbeit folgt dabei programmatisch dem Diktum der ausdrücklichen Wertschätzung der Differenz, wie es für die kritische Kulturarbeit der Integrativen Therapie im Sinne eines konnektivierenden Polyloges nach mehreren Seiten kennzeichnend ist.

    Ich hoffe, damit einerseits einen weiteren Beitrag zum „System der Integrativen Therapie" (Petzold 2005; Petzold et al. 2009, S. 7) leisten zu können. Andererseits soll dieses Buch allen Interessierten eine Hilfe und Basis bieten, wesentliche Begriffe, Grundlagen, Modelle und Theorien der Integrativen Therapie und deren aktuelle wie historische Bezugspunkte zu den Grundlagenwissenschaften besser zu verstehen. Es handelt sich bei dieser Arbeit fraglos um eine sehr theoretische Abhandlung. Ich sehe sie aber durchwegs auch als praxisrelevant und praxisorientiert. Jede Person hat implizite Theorien, die sie unwillkürlich in ihr Tun miteinbezieht. Und je besser implizite Theorien bekannt und explizit gemacht werden, desto umsichtiger wird das Handeln, das Behandeln.

    Literatur

    Husserl, E. (2009). Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch. Allgemeine Einführung in die

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