Digitalisierung in der Praxis: So schaffen KMU den Weg in die Zukunft
Von Axel Uhl
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Buchvorschau
Digitalisierung in der Praxis - Axel Uhl
Hrsg.
Axel Uhl und Stephan Loretan
Digitalisierung in der Praxis
So schaffen KMU den Weg in die Zukunft
../images/473002_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngHrsg.
Axel Uhl
Luzern University of Applied Sciences, Luzern, Schweiz
Stephan Loretan
Zurich University of Applied Sciences, Winterthur, Schweiz
ISBN 978-3-658-26136-8e-ISBN 978-3-658-26137-5
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26137-5
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../images/473002_1_De_BookFrontmatter_Figb_HTML.pngVorwort
Die wachsende Bedeutung der Digitalisierung stellt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Hochschulen im Allgemeinen und die Departemente für Wirtschaft im Besonderen vor neue Herausforderungen. Dies hat uns als School of Management and Law der Zürcher Hochschule motiviert das vorliegende Buche zu verfassen.
Niemals zuvor wurde das traditionelle Verständnis von Geschäftsmodellen und Unternehmensprozessen so revolutioniert, wie in den letzten Jahren. Jeder Dozent und Mitarbeiter an einer Hochschule ist gefordert, sich intensiv damit zu befassen, welche Rolle die Digitalisierung und Technologie in seinem Fach- und Forschungsgebiet spielt.
Technologie wird zu einer Kernkompetenz der Unternehmen, die aber nur im Zusammenspiel mit der Betriebswirtschaft ihre Wirkung entfalten kann. Und gerade an der Schnittstelle zwischen Technologie und Betriebswirtschaft müssen die Forschenden und Lehrenden der Hochschulen für angewandte Wissenschaft agieren. Sie müssen Modelle, Vorgehensweisen, Methoden und Werkzeuge bereitstellen, die es den Unternehmen ermöglichen ihr produktorientiertes Geschäftsmodell in ein digitales, daten- und informationsgetriebenes Unternehmen zu transformieren und damit für die Zukunft zu rüsten.
Mit dem hier vorliegenden Fallstudienbuch wird eine sehr gute Basis geschaffen, Unternehmen und Studierenden auf dem Weg in die Digitalisierung die notwendige Orientierung zu geben. Die beteiligten Praxisvertreter, Professoren, Dozierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern haben mit grossem Fleiss dazu beigetragen, eine Vielzahl an hilfreichen Fallstudien aus unterschiedlichen Branchen zusammenzutragen.
Besonderer Dank gilt den Professoren Dr. Jan vom Brocke, Dr. Wolfgang Riedl und Dr. Beat Birkenmeier, die durch Ihr sehr kompetentes Feedback wesentlich zur Qualität der einzelnen Fallstudien beigetragen haben.
Darüber hinaus gilt unser Dank Frau Dr. Seyhan Bayraktar für die Koordination der Vorarbeiten mit dem Verlag.
Last but not least gilt unser Dank allen Autorinnen und Autoren für die jederzeit sehr kooperative Zusammenarbeit.
Wir wünschen allen Lesern, dass sie einen grossen Nutzen für sich und ihre Organisationen aus den Fallstudien ziehen und die Erkenntnisse in die Praxis umsetzen können. Unabhängig davon, sind wir uns aber bewusst, dass die Digitalisierung weiter voranschreitet. Wir wissen, dass die Digitalisierung noch am Anfang steht und wir versichern Ihnen, dass wir mit unserer Forschung, Lehre und Weiterbildung weiter am „Ball bleiben" werden.
Axel Uhl
Stephan Loretan
Inhaltsverzeichnis
1 Die Bedeutung der digitalen Transformation für Schweizer KMUs 1
Axel Uhl und Stephan Loretan
1.1 Die Menschen sind entscheidend bei der Digitalisierung 2
1.2 Zusammenfassung 14
Literatur 16
2 Strategische Analyse und organisatorische Lösungen für die digitale Transformation eines mittelständischen Unternehmens 17
Peter Domma, Thomas Ochs und Axel Uhl
2.1 Unternehmensdarstellung 17
2.2 Treiber der Unternehmenstransformation 18
2.3 Auswirkungen der globalen Trends auf Villeroy & Boch 24
2.4 Bewertung und Priorisierung der digitalen Initiativen 30
2.5 Organisatorische Umsetzung der digitalen Initiativen 32
2.6 Zusammenfassung 33
Literatur 34
3 Die digitale Reise des FC Bayern: Im globalen Wettbewerb und außerhalb des Platzes 37
Axel Uhl und Raimond Zenhäusern
3.1 Metatrends und ihr Einfluss auf den Profi Fußball 37
3.2 Das Erfolgsmodell FC Bayern München 39
3.3 Ein riskantes Geschäftsmodell 39
3.4 Digitale Strategie FCB 4.0 40
3.5 Das Digital Capability Framework als strategisches Führungsinstrument für den Weg in eine digitale Zukunft 41
3.6 Innovationsfähigkeit 43
3.7 Transformationsfähigkeit 43
3.8 IT Excellence 44
3.9 Customer Centricity 44
3.10 Operational Excellence 45
3.11 Effective Knowledge Worker 46
3.12 Bei der Digitalisierung ist der FC Bayern also gut aufgestellt – bei der Internationalisierung muss man noch aufholen 48
3.13 Die amerikanische Herausforderung 48
3.14 Die chinesische Herausforderung 49
3.15 Mit Digitalisierung gegen internationale Konzerne 50
3.16 China ist das schwerste Auswärtsspiel 50
3.17 Zusammenfassung 51
Key Learnings 51
Literatur 51
4 Veränderungen der Ertragsmodelle durch digitale Produkt-Service-Systeme am Beispiel dormakaba 53
Angela Beckenbauer, Carmen Kobe, Jacques Hefti und Anja Meyer-Jürgens
4.1 Digitalisierung auch für produzierende Unternehmen 54
4.2 Das Unternehmen dormakaba 54
4.3 Digitalisierung der Gebäude- & Sicherheitsbranche 55
4.4 Digitalisierung @ dormakaba 57
4.5 Vernetzte Kunden und Partner 57
4.6 Vernetzte Produkte 57
4.7 Vernetztes Unternehmen 58
4.8 Zusammenspiel der digitalen Möglichkeiten: Vernetzte Services durch vernetzte Plattformen 59
4.9 Innovationspotenzial dank digitaler Ökosysteme 59
4.10 Produkt-Service-System, Geschäftsmodell und Business Model Profit Schema 61
4.11 Beispiel: Mobile Zutrittslösung für Hotelzimmer 64
4.12 Beispiel SportsNow 66
4.13 Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 70
Literatur 71
5 Der Logistikmarktplatz Saloodo! digitalisiert das Transportgewerbe 73
Axel Uhl und Daniel Mahnken
5.1 Das zweitälteste Gewerbe der Welt ist eine boomende Branche 73
5.2 Wie die Digitalisierung die Transportindustrie verändert 75
Key Learnings 83
6 Digitale Transformation eines Traditionshauses im Luxusmodesegment 85
Fabio Duma, Florence Labati und Gianluca Brunetti
6.1 Zusammenfassung (Langfassung) 86
6.2 Einleitung: Die Luxusmodebranche im Wandel 87
6.3 Methodik 89
6.4 Theoretische Grundlagen 89
6.5 Fallstudie: Die digitale Transformation von Zimmerli of Switzerland 95
6.6 Auf dem Weg in die Zukunft der Luxusmode: Die Digitalisierung von Zimmerli of Switzerland 97
6.7 Allgemeine Handlungsempfehlungen 104
Literatur 106
7 IoT-basierte Geschäftsmodelle für den Schweizer Mittelstand – Konzepte für die digitale Zukunft 109
Axel Uhl, Peter Heinrich und Ralf Günthner
7.1 Einleitung 110
7.2 Hintergrund 111
7.3 Fallstudie der Walter Meier AG 112
7.4 Diskussion 115
7.5 Ausblick 119
Literatur 119
8 Alter schützt vor Digitalisierung nicht 121
Stefan Koruna
8.1 Digitalisierung bei Schindler: Strategischer Fokus 123
8.2 Grundlagen und Phasen der Digitalisierung bei Schindler 124
8.3 Säulen der Digitalisierung 128
8.4 Erkenntnisse zur digitalen Transformation bei Schindler und Ausblick 135
Literatur 139
9 Digitalisierung der Anlageberatung am Beispiel der Zürcher Kantonalbank 143
Johannes Höllerich und Robert Fehr
9.1 Einleitung 144
9.2 Fallstudie: Digitalisierung der Anlageberatung 144
9.3 Ausblick 156
Literatur 157
10 Fallstudie 8: China ermöglicht solide Finanzierungen für KMUs – die Rolle von Alibaba und Alipay 159
Juan Wu, Martin Schnauss und Christoph de Montrichard
10.1 Einleitung 159
10.2 Vertrauen als entscheidender Faktor: Fall P2P-Krise 160
10.3 Vertrauen hat Wert und ist ein zentrales Element für den Unternehmenserfolg 161
10.4 Beispiel: Vertrauen und P2P-Finanzierung 162
10.5 Wie wird in China Vertrauen geschaffen 162
10.6 Fallstudie: Alibaba und Alipay und deren Kreditvergabe-Technologie 163
10.7 Die Rolle des Staates – Vertrauen und Kontrolle 165
10.8 Scenarization und die Kooperation mit Banken bei der Kreditprüfung 166
10.9 Lessons Learned 168
Literatur 168
11 Transformation zum digitalen Versicherungsbroker – das Beispiel Optimatis 171
Angela Zeier Röschmann und Matthias Erny
11.1 Einleitung 172
11.2 Hintergrund 172
11.3 Ausgangslage und Problemstellung 174
11.4 Fragen und Erfolgsfaktoren der Digitalisierung der Versicherungsberatung 177
11.5 Schlussfolgerung 179
Literatur 181
12 Augmented Reality und Virtual Reality im Premium- und Luxus-Retail 183
Benjamin Harren, Roger Seiler und Steffen Müller
12.1 Einleitung 184
12.2 Kundennutzen und E-Commerce 185
12.3 Methodik und Datengrundlage 186
12.4 Ergebnisse der Experteninterviews 186
12.5 Ergebnisse der Online-Befragung 188
12.6 Chancen und Risiken 191
12.7 Handlungsempfehlungen und Limitationen 192
Literatur 194
13 3D-Druck im Schweizer Mittelstand 197
Florian Keller und Yannic Egli
13.1 Key Takeaways 198
13.2 Einleitung 198
13.3 Hintergrund 199
13.4 Fallstudie 200
13.5 Erkenntnisse 200
13.6 Szenarien der zukünftigen Entwicklung 203
Literatur 207
14 Optimierung des Supply Chain Informationsaustauschs mit Blockchain-Startups 209
Michael Lustenberger, Florian Spychiger und Michael Taylor
14.1 Einleitung 210
14.2 Theoretischer Hintergrund 210
14.3 Umsetzung in der Praxis 213
14.4 Analyse der Praxisansätze 215
14.5 Diskussion 218
Literatur 220
15 Vorgehensmodell und Handlungsempfehlungen zur Einführung von BYOD (Bring Your Own Device) in Schweizer Krankenhäusern 223
Roger Seiler und Mike Krey
15.1 Einleitung 223
15.2 BYOD im Krankenhaus 225
15.3 Vorgehensmodell und Handlungsebenen zur Einführung von BYOD 228
15.4 Anwendungsbeispiele 233
15.5 Handlungsempfehlungen 235
15.6 Zusammenfassung und Ausblick 235
Literatur 238
16 Der digitale Arbeitsplatz – Management der Team-Kommunikation von Wissensarbeitern bei Evernote Europe 241
Nicoline Scheidegger und Beat Bühlmann
16.1 Einleitung 242
16.2 Hintergrund 243
16.3 Fallstudie Evernote 246
16.4 Empfehlungen für Ihr Unternehmen 250
16.5 Schlusswort 252
Literatur 252
17 Digital Health als Enabler für eine integrierte Health-Value-Chain 255
Alfred Angerer, Sarah Schmelzer und Franziska Hubmann
17.1 Digital Health in den Kinderschuhen 256
17.2 Der Weg zur echten Kollaboration in der Health-Value-Chain 257
17.3 Die Umsetzungshebel bei der Transformation zur Health-Value-Chain 259
17.4 Fallstudie der BlueCare AG 260
17.5 Diskussion 264
17.6 Ausblick 265
Literatur 266
18 Digitalisierung in der Finanzbranche – Chancen für innovative Startups 267
Nicolas Cepeda, Oliver Bachmann, Thomas Gramespacher und Norbert Hilber
18.1 Einleitung 267
18.2 Hintergrund 268
18.3 Fallstudie: Contovista AG 270
18.4 Konklusion 274
Literatur 275
19 Agile Hochschulbildung für eine agile Arbeitswelt 277
Lukas Scherer, Michael Czarniecki und Oliver Christ
19.1 Einleitung 278
19.2 Kritik eindimensionaler Wissensvermittlung in angewandten Ausbildungsmodellen 279
19.3 Flexibilisierung der Ausbildung durch Umkehrung der traditionellen Lernzieltaxonomie 280
19.4 Neue Lernziele für eine digitalisierte Gesellschaft 283
19.5 Die Real Life and Real Time Case Study (R2CS) 285
19.6 BeeUp – ein Crowdsourcing basierter Ansatz zur Entwicklung von Unternehmen 285
19.7 Diskussion 288
19.8 Ausblick 291
19.9 Kernaussagen der Fallstudie 292
Literatur 293
20 STRATEGILITY – agile Strategieprozesse für digitale Transformationen 295
Kerstin Pichel und Andrea Müller
20.1 Einleitung 295
20.2 Fallstudie Software-Unternehmen 298
20.3 Diskussion: Wiederkehrende Herausforderungen und erste Gestaltungstipps für agile Strategieprozesse 304
Literatur 308
21 Holacracy bei Labster 311
Santhosh Kaduthanam und Edgar Heim
21.1 Einleitung 312
21.2 Innovative Ansätze in der Unternehmensführung 312
21.3 Holacracy bei Labster 316
21.4 Würdigung von Holacracy bei Labster 318
21.5 Diskussion 319
21.6 Fazit und Ausblick 322
Literatur 323
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
A. Uhl, S. Loretan (Hrsg.)Digitalisierung in der Praxishttps://doi.org/10.1007/978-3-658-26137-5_1
1. Die Bedeutung der digitalen Transformation für Schweizer KMUs
Axel Uhl¹ und Stephan Loretan²
(1)
Hochschule für Wirtschaft, HSLU, Luzern, Schweiz
(2)
Hochschule für Wirtschaft und Recht, ZHAW, Winterthur, Schweiz
Axel Uhl (Korrespondenzautor)
Email: uhlx@zhaw.ch
Stephan Loretan
Email: stephan.loretan@zhaw.ch
Zusammenfassung
Von einer Transformation spricht man bei komplexen und fundamentalen Organisationsveränderungen. Folglich steht die digitale Transformation für komplexe Organisationsveränderungen durch die Nutzung digitaler Technologien mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile zu generieren (eigene Definition). Digitale Technologien können die Geschäftsprozesse, die Produkte, Services oder auch die Geschäftsmodelle betreffen.
Die digitale Transformation ist derzeit ein viel diskutierter Begriff. Es gibt keinen Mangel an relevanten Veröffentlichungen zu diesem Thema. Allerdings gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen dem Hype um die digitale Transformation und deren tatsächlicher Umsetzung. Insbesondere bei den für den Arbeitsmarkt so wichtigen KMUs in der Schweiz scheint die Digitalisierung sehr viel langsamer voranzukommen, als man vermutet hätte.
Als Gründe für die schleppende Umsetzung werden fehlendes Wissen über die betriebswirtschaftlichen und technologischen Möglichkeiten, technische Probleme, fehlende Standards, mangelnde Datensicherheit und hohe Kosten genannt. Häufig fehlt auch der konkrete Veränderungsdruck bei den Unternehmen, weil die Umsätze aktuell noch stabil sind (vgl. Saam et al. (2016)).
Die Literatur beschäftigt sich generell lieber mit den technologischen Möglichkeiten als mit den Hindernissen der digitalen Transformation. Zweifelsfrei ist die Technologie ein nicht zu unterschätzendes Element der digitalen Transformation. Aber Technologie allein reicht für eine digitale Transformation eben nicht aus. Sie spielt nur eine unterstützende Rolle. Technologie ist nur der Ermöglicher der digitalen Transformation, das Werkzeug, mit dem Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit, ihr Geschäftsmodell, ihre Produkte oder Prozesse verbessern können.
Schlüsselwörter
Digitale TransformationGeschäftsmodelleSchwierigkeiten bei der UmsetzungPraxisbeispieleMethoden
1.1 Die Menschen sind entscheidend bei der Digitalisierung
Aber ein „Fool with a tool, is still a fool". Deshalb ist für den Erfolg der digitalen Transformation entscheidend, dass die Menschen in den Unternehmen wissen, wie sie die Technologien bestmöglich nutzen können. Menschen und Technologie müssen kompetent und harmonisch zusammenarbeiten.
Viele Führungskräfte haben erkannt, dass die Digitalisierung die Art und Weise für immer verändert hat, wie ihre Kunden ihre Produkte und Dienstleistungen kaufen und sie sind sich darüber bewusst, dass ihre Organisationen mehr tun müssten, um die Möglichkeiten der Digitalisierung effektiv zu nutzen.
Trotzdem bleibt für viele Unternehmen die Digitalisierung eher ein Nebenkriegs-Schauplatz und nicht das Hauptereignis ihrer Aktivitäten. Häufig wird nur das gemacht, was alle anderen scheinbar auch machen: Online Präsenz, Social Media Auftritt, Online Marketing.
Aber um in Zukunft erfolgreich zu sein, braucht es mehr, als nur diese Online-Grundlagen zu schaffen. Es wird nicht ausreichen, lediglich mehr Werbung online zu schalten oder eine für Mobilgeräte optimierte Website zu erstellen.
Es geht um viel mehr. Neue Kernkompetenzen wie Innovationsfähigkeit, Agilität und Transformationsfähigkeit sind in Ergänzung zu den bisherigen Geschäftsfunktionen zu entwickeln. Nur mit Hilfe von neuen Fähigkeiten können die KMUs ihr Geschäftsmodell so weiterentwickeln, dass sie die immer besser vernetzten und gut informierten Kunden von heute auch zukünftig begeistern können. Die KMUs müssen sich dazu zahlreiche Fragen stellen: Wie geht man bei der digitalen Transformation vor? Welche neuen Fähigkeiten, Werkzeuge, Prozesse, Geschäftstätigkeiten und Technologien benötigen wir? Welche neuen Geschäftsmodelle zeichnen sich ab? Treten neue Mitbewerber im angestammten Markt auf, indem sie die neuen Technologien disruptiv anwenden? Wie schaffen wir das, wenn die Ressourcen begrenzt sind und der operative Druck des Business bestehen bleibt?
Eine der großen Herausforderungen bei der digitalen Transformation ist, dass komplexe Veränderungen umgesetzt werden müssen, während das Geschäft gleichzeitig weiterläuft. Man könnte das mit einer Operation am offenen Herzen vergleichen. Ein gravierender Fehler und der Patient ist tot.
Hinzu kommt, dass sich die digitalen Technologien immer schneller entwickeln und die Menschen am Arbeitsplatz große Schwierigkeiten haben, damit Schritt zu halten. Die Entwicklung der menschlichen Verarbeitungsfähigkeit dauert nun einmal länger als die Schaffung von immer leistungsfähigeren Siliziumchips, deren Rechnergeschwindigkeit sich alle 12–24 Monate verdoppelt. Nein, da können die Menschen nicht mithalten. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Es geht vielmehr darum, wie die Menschen die neuen Technologien nutzen und wie sie sich auf die digitalen Trends einstellen.
1.1.1 Die digitalen Trends verändern alle Branchen
Die digitalen Trends (siehe Abb. 1.1) sind für alle Branchen gültig, wirken sich jedoch mit unterschiedlichem Tempo aus. Die Trends verstärken sich z. T. gegenseitig und beschleunigen die Veränderungen noch zusätzlich. Deshalb wird zukünftig alles digitalisiert, was digitalisiert werden kann und alles wird automatisiert, was automatisiert werden kann. Online Informationen, online Musik, online Filme, online Dienstleistungen – all das war erst der Anfang. Auch die „Selbst Check-ins" an den Flughäfen, die Selbstbezahlkassen oder selbstfahrende Autos sind nur erste Beispiele für die voranschreitende Automatisierung. In allen Unternehmen findet diese Entwicklung früher oder später statt: Lagerhäuser, in denen Waren automatisch ein- oder ausgeräumt, Paletten automatisch beladen oder Fabriken, in denen voll automatisiert produziert wird. In den Banken und Versicherungen bearbeiten heute Computerprogramme Dokumente, legen diese systematisch ab, holen Versicherungsangebote ein, entscheiden über die Bezahlung von Rechnungen, Bestellungen, Regulierungen von Schäden etc.. Der Börsenhandel wird weitgehend automatisiert von Software Bots ausgeführt, die Wertpapiere sekundenschnell kaufen, verkaufen und neue Kurse berechnen. All diese Entwicklungen werden immer wieder als disruptiv bezeichnet. Was negativ als zerstörend, positiv jedoch als zukunftsweisend und fortschrittlich umschrieben werden kann.
../images/473002_1_De_1_Chapter/473002_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Übersicht digitale Trends
Durch die zunehmende Vernetzung und Nutzung von Rechnern, Datenbanken und Software-Programmen in der Cloud entstehen praktisch unbegrenzte Rechenkapazitäten und die Kosten für die Nutzung von Rechenleistungen sinken immer weiter. Damit wird die Digitalisierung noch effizienter und attraktiver.
Die Digitalisierung hat die Grundlagen für die zunehmende Verschmelzung von realer und virtueller Welt geschaffen. Hatte die IT früher zum Ziel, einfache Modelle von Unternehmen zu entwerfen und einige grundlegende Prozesse digital abzubilden, um eine effizientere Abwicklung zu gewährleisten, findet heute eine Verschmelzung von realer und virtueller Welt statt. So nutzt der Industriekonzern ABB Virtual Reality (VR), um neue Kontrollräume von Industrieanlagen virtuell zu testen, wie zum Beispiel den Antrieb einer gigantischen Mühle in einer Kupfermine.¹ Bei der Swiss wird die Pilotenausbildung inzwischen nahezu vollständig virtuell durchgeführt. Die angehenden Piloten absolvieren einen großen Teil ihrer Flugstunden im Flugsimulator. Dort können sie alle Routinetätigkeiten lernen, aber auch gefahrlos schwierige Manöver oder Situationen üben. Eine ähnliche Technologie ist Augmented Reality (AR), also das Überlagern von realer Welt durch digitale Informationen. Zuerst waren es einfache Anwendungsfälle, wie z. B. das zur Verfügung stellen von Reparaturanleitungen für Service Mitarbeiter oder die Informationen für Lagermitarbeiter, welche Waren sie als nächstes aus den Regalen holen sollen. Inzwischen haben Luxusgüterhersteller, wie die Uhrenindustrie, Modelabels etc. die Möglichkeiten der virtuellen Welten für sich entdeckt. Sie verschaffen den Kunden neuartige Kundenerlebnisse durch das Verschmelzen von realer und virtueller Welt in ihren Flagship Shops und stärken damit ihr Markenimage.
Disintermediation ist ein weiterer digitaler Trend. Dies bedeutet, dass durch digitale Technologien Zwischen-, Groß- und Einzelhandel eliminiert werden. Der Nutzen der physischen, ortsgebundenen Handelsunternehmen bestand lange Zeit darin, Produkte in den Verfügungsbereich der Endkonsumenten zu bringen, eine Sortimentsauswahl vorzunehmen und die Endkonsumenten zu beraten. Diese Aufgaben entfallen aufgrund digitaler Technologien zunehmend. Online Marktplätze, Suchmaschinen, Videos zur Produktbeschreibung, „same day Delivery" bringen die Produkte ortsungebunden in den Verfügungsbereich der Endkunden – mit größerer Auswahl, geringeren Kosten und häufig auch besserer Beratung. Dies bewirkt einen Umsatzrückgang beim stationären Einzelhandel zu Gunsten des Online-Handels.
Unterstützt in vielen Fällen aber auch ergänzt wird der Trend zur Disintermediation durch einen weiteren Trend: Der Sharing-Ökonomie, diese Entwicklung basiert auf dem gegenwärtig stattfindenden Wertewandel in der Gesellschaft, der das Besitzen von Gebrauchsgütern zu Gunsten eines Teilens/Ausleihens weniger wichtig erscheinen lässt. Durch das Teilen werden die Kosten unter vielen Nutzern aufgeteilt bei gleichzeitig höherer Nutzung des Gebrauchsguts. Vermittelt werden die Güter über Online-Marktplätze. Prominente und wohlbekannte Beispiele für diese Entwicklung sind allseits bekannte Unternehmen wie airbnb und Uber.
Der wohl radikalste, aber momentan noch schwierig abschätzbare Angriff auf den Zwischenhandel kommt jedoch durch den 3-Druck. Die Technologie ist nicht neu. Schon seit Ende der 90er-Jahre setzen Unternehmen den 3-Druck ein, um Prototypen für Designstudien herzustellen. Waren es zu Beginn hauptsächlich Kunststoffe, die im 3-Druck verarbeitet werden konnten, sind es heute auch verschiedene Metalle, Keramik, Beton uvm..
Mit 3-Druck kann der stationäre Handel fast vollständig ersetzt werden. Die Produkte werden direkt beim Endkunden oder in den Amazon Printing Trucks auf dem Weg dorthin gedruckt. Besonders effizient ist der Druck von Ersatzteilen bei Gebrauchsgütern. Häufig sind die Produzenten verpflichtet, auch Jahre nach Beendigung der Produktion Ersatzteile liefern zu müssen. Dies erfordert, dass die Produktionsmaschinen weiterhin aufgestellt und gewartet werden müssen und dass man – um lange Lieferzeiten zu vermeiden – große Ersatzteillager vorhalten muss. Beides entfällt, wenn man bei Bedarf ein Ersatzteil drucken kann. In diesem Fall spricht man auch von der „Zero Length Supply Chain".
Mobility ist ein weiterer digitaler Trend. Das Smartphone wird zum Lebensmittelpunkt und Cockpit der meisten Menschen. Wir kommunizieren damit, beschaffen uns Informationen, hören Musik oder schauen Filme, bezahlen, steuern unsere Geräte im „Connected Home oder unser selbstfahrendes Fahrzeug. Die Menschen in der ganzen Welt verbringen eine großen Teil ihrer Zeit mit den mobilen Endgeräten. Sie stehen morgens damit auf und gehen abends damit zu Bett. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen, wenn sie ihre Kunden auch zukünftig erreichen wollen. „Mobile first
bedeutet, dass jede Kommunikation und Interaktion mit den Kunden zuerst und primär über das mobile Endgerät läuft. Wie groß das mobile Veränderungspotenzial ist, sieht man auch daran, dass Apple inzwischen von seiner „smart Watch" mehr Einheiten verkauft, als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie zusammen.² Den nächsten großen Boom werden die mobilen Alleskönner durch Anwendungen im Gesundheitsbereich erleben, wenn Herzschlag, Blutdruck, Nahrungsaufnahme, Bewegungsdaten etc. mobil gespeichert und übertragen werden.
Aber es wird nicht nur alles mobiler, sondern auch alles intelligenter. Artificial Intelligence (AI) hält Einzug in fast alle Lebens- und Geschäftsbereiche und ist das Zauberwort für viele Probleme, die wir gerne mittels dieser neuartigen, „künstlichen" Intelligenz lösen würden. Von der intelligenten Verarbeitung von Bild, Sprache und Schriftzeichen, über die Entstehung neuartiger Expertensysteme bis zur Entwicklung neuronaler Netze entstehen parallel unzählige neue digitale Anwendungen. In der Kombination mit Big-Data-Analysen und den unerschöpflichen Rechenkapazitäten in der Cloud entsteht eine Art Super-Intelligenz.
Diese hält auch Einzug in die Robotertechnologie. Waren die Roboter der ersten Generation noch „dumme Maschinen, die meist nur eine einzige Aufgabe mittels eines festgelegten Programm-Codes ausüben konnten, wird die nächste Generation von Robotern selbstständig lernen und unterschiedliche Aufgaben erledigen können. Diese sogenannten „Multi Purpose
Roboter werden sich AI in Form von Spracherkennung und Wiedergabe, Bildverarbeitung, Lagebeurteilung, Bewegungsausführungen und Mobilität zu Nutze machen. Sie werden sich somit immer mehr dem menschlichen Wesen nähern, was dazu führt, dass sich der Mensch auf seine nicht so leicht nachzubildenden Fähigkeiten wie Kreativität und Emotionalität (zurück)besinnen muss.
1.1.2 Rahmenbedingungen für die digitale Transformation
Doch trotz dieser unübersehbaren digitalen Trends, agieren viele Schweizer Unternehmen viel zu zögerlich und überlassen die Zukunft ähnlich wie zuvor schon die Musik-, die Informations- oder die Transportindustrie den digitalen Giganten wie Apple, Uber, Amazon etc., die diese Märkte schnell in sogenannte Quasi-Monopole verwandeln.
Dabei ist es nicht so, dass die KMUs keine neuen Technologien ausprobieren würden. Aber sie passen die organisatorischen Rahmenbedingungen nicht an die neuen Aufgaben an, sondern belassen ihre Mitarbeiter in den engen Richtlinien überholter Denkweisen, traditioneller Strukturen und veralteter Legacy-Systemen.
Die gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeiter, die man dringend für die digitale Transformation benötigt, wollen ihre Zeit aber nicht damit verbringen, interne Schlachten gegen veraltete Regeln zu führen oder mit überalterten technischen Systemen zu kämpfen.
Vielmehr sind die Unternehmen jetzt „always on" und das bedeutet, dass verschiedene funktionale Teams täglich zusammenarbeiten müssen, um gemeinsam Produkte und Kundenerfahrungen zu optimieren. Dies erfordert eine große Lernkurve bei allen Beteiligten und führt während der Transformation zu einer höheren Arbeitsbelastung.
Häufig sind größere Veränderungen aufgrund der neuen digitalen Geschäftsmodelle von starken Widerständen bei einem Teil der Mitarbeiter begleitet. Diese ignorieren, leugnen, bekämpfen die neuen Möglichkeiten zunächst, bevor es schließlich zu einer Akzeptanz und Annahme kommen kann.
Die Unternehmen müssen deshalb erkennen, dass die Technologie der einfachere Teil der Aufgabe ist. Schwieriger ist die Gestaltung der Veränderungsprozesse in der Organisation und der Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen. Dafür müssen neue, flexiblere Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sich die Transformatoren freier entfalten können.
Viele Organisationen haben neue Rollen für die digitale Transformation geschaffen. Die Verantwortlichen, häufig Chief Digital Officer genannt, werden bewusst an die Schnittstelle zwischen IT und Fachbereiche gesetzt – als sogenannte Brückenbauer. Dort angekommen, werden sie zunächst von den etablierten Platzhirschen in der Organisation neugierig beobachtet und für ihre innovativen Ideen belächelt. Aber meist dauert es nicht lange, bis die etablierten Führungskräfte erkennen, dass die Digitalisierung ihre bisherigen Arbeitsweisen dramatisch verändern könnte. Sie versuchen dann häufig, ihre Einflusssphären und Machtbereiche zu schützen und die Digitalisierung endet in unproduktiven Machtkämpfen.
Zweifelsfrei erfordert die Digitalisierung sowohl die Mitarbeit der Fachbereiche als auch der IT. In einigen Unternehmen werden deshalb zusätzlich Change-Agenten eingestellt, die die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit sicherstellen sollen. Diese Leute müssen bereit sein, ein hohes Risiko einzugehen, weil sie den bequemen und bewährten Status in der Organisation stören.
Doch das sind nur Versuche, den Symptomen der mangelnden Akzeptanz für die Digitalisierung zu begegnen. Die eigentlichen Ursachen werden damit nicht angegangen. Diese sind die zu geringen digitalen Kompetenzen beim Management und den Mitarbeitern, hierarchische statt netzwerkartige Entscheidungsstrukturen, ein zu starker Fokus des Managements auf das „Hier und Jetzt" und nicht auf die Zukunft.
Eine Ursachenbekämpfung müsste also viel früher beginnen – nämlich in der Schule, in den Ausbildungsberufen und an den Hochschulen. Dort müssen die digitalen Grundlagen und Kompetenzen erworben werden, die es benötigt, damit die Führungskräfte und Mitarbeiter in allen Branchen und Funktionen die Fähigkeiten und Motivation haben, die digitale Transformation voranzutreiben. Es wird nicht ausreichen, diese Kompetenzen nur einzelnen Mitarbeitern mit Informatik-Studium zu überlassen. Das Thema Digitalisierung gehört als Schwerpunkt in jede Ausbildung – vom Medizinstudium bis zum Jurastudium.
1.1.3 Der Einfluss der Digitalisierung auf die Beschäftigung: Prognosen sind schwierig
Zu einer erfolgreichen digitalen Transformation gehört aber auch, sich intensiv mit den möglicherweise negativen Auswirkungen zu beschäftigen. Eine dieser negativen Auswirkungen könnte die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Technologie sein. Zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte werden Werkzeuge nicht mehr nur benutzt, sondern nahtlos mit dem menschlichen Körper verschmolzen. Ein Beispiel sind Netzhautimplantate, die die Fähigkeit bei Erblindeten wiederherstellen, Bewegungen und Formen zu sehen. Zukünftige Versionen dieser Implantate könnten den Menschen die Nachtsichtfähigkeit einer Eule verleihen.
Anhand dieses Beispiels, das noch am Anfang seiner Entwicklung steht, wird deutlich, dass das Verschmelzen von Menschen und Technologie eine neue Art von „Super-Humanoiden" erzeugen könnte, die dem heutigen Menschen um ein Vielfaches überlegen wäre.
Die Digitalisierung wird auch einen Einfluss auf die Beschäftigung haben. Unklar ist aber, was für einen Einfluss die Digitalisierung haben wird. Kritiker fürchten, dass die Digitalisierung womöglich einen Prozess der Arbeitsplatzvernichtung in Gang setzen könnte, an dessen Ende sinkende Kaufkraft, geringerer Konsum, weniger Nachfrage und eine insgesamt schrumpfende Wirtschaft stehen könnten. Völlig ausschließen lässt sich das nicht – vielleicht hat sich schlicht unser gegenwärtiges, auf permanentes Wirtschaftswachstum ausgerichtetes Wirtschaftsmodell selbst überholt.
Aber Prognosen bezüglich der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung sind schwierig und diesbezügliche Studien kommen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Das World Economic Forum (WEF) etwa zeichnet in einer aktuellen Studie eine alles andere als rosige Zukunft und sieht Arbeitsplätze durch die Digitalisierung in Gefahr. Bis 2020, so die Prognose, entfallen netto circa 5,1 Millionen Jobs weltweit. Sollte diese Entwicklung schneller verlaufen, hätten wir schon in 15 Jahren apokalyptische Jobverluste zu verzeichnen.
Die ING DIBA sieht 18 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland durch die Digitalisierung bedroht.³
Der ZEW Forschungsbericht aus dem gleichen Jahr sieht 9 % der heutigen US Jobs in Gefahr und 12 % der deutschen Jobs.⁴
Das Beratungshaus McKinsey geht in seiner Studie zur Zukunft der Arbeit in der Schweiz bis zum Jahr 2030 davon aus, dass Digitalisierung, Automatisierung und KI zu einem Produktivitätsschub von etwa 1 Prozentpunkt pro Jahr führen können. Hinsichtlich der zahlenmäßigen Veränderung von Arbeitsplätzen werden in etwa so viele Arbeitsplätze verdrängt wie neue geschaffen werden.⁵
Das WEF geht weltweit von einem Nettoverlust von 5 Millionen Jobs bis 2020⁶ aus und auch Diginomics prognostiziert in einem Artikel in der FAZ den Wegfall von 3,4 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland.⁷
Betrachtet man die Auswirkungen der Digitalisierung auf die verschiedenen Branchen, dann geht eine Studie von Deloitte davon aus, dass kurzfristig insbesondere die IKT & Medien, Banken, Versicherungen, Bildung, Professional Services und Immobilien stark von disruptiven Kräften der Digitalisierung betroffen sind.⁸ Etwas später, aber mit ähnlicher Wucht, wird es die Produktion, das Gesundheitswesen, die Energieversorgung, den Transport und die Landwirtschaft treffen.
Um einschätzen zu können, welche Jobs/Aufgaben besonders gefährdet sind, dient ein Modell von Davenport als Grundlage.⁹ Das Modell unterscheidet den Grad an Abhängigkeit in der Zusammenarbeit (individuelle Arbeit vs. Teamarbeit) und die Komplexität der Arbeit (Routine vs. Interpretation/Bewertung). Mit Hilfe dieses Modells lassen sich vier Felder identifizieren, siehe Abb. 1.2.
../images/473002_1_De_1_Chapter/473002_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
Ersetzbarkeit von Aufgaben durch Digitalisierung. In Anlehnung an Davenport, T. 2010: Process Management for Knowledge Work a.a.O. (Davenport 2010)
Das erste Feld ist das transaktionelle Modell. Berufe, die dem transaktionellen Modell entsprechen sind durch Routinearbeiten, eindeutige Regelwerke, Abläufe und Schulung gekennzeichnet und werden am stärksten von der Digitalisierung und Automation betroffen sein.
Berufe, die in das Feld des Integrations-Modells fallen, zeichnen sich durch systematische, sich wiederholende Arbeiten aus, beruhen auf formalen Prozessen, Methoden oder Standards und sind von einer engen Zusammenarbeit zwischen mehreren Beteiligten geprägt. Auch diese Berufe sind stark von der Digitalisierung bedroht, weil die formalisierten Prozesse eine gute Grundlage z. B. für digitale Workflows bilden.
Berufe im Bereich des Experten Modells zeichnen sich durch Analyse-Tätigkeiten, Bewertungen, Expertise und Erfahrung, sowie das Vorhandensein von Top Performern aus. Doch auch diese Berufe sind durch die Digitalisierung bedroht, weil vernetzte Computer schneller lernen, Informationen unbegrenzt auswerten können und völlig objektiv in ihren Analysen/Bewertungen sind.
Das Zusammenarbeitsmodell beschreibt Berufe, die viel mit Improvisation zu tun haben, die eine hohe Expertise über verschiedene Themenbereiche verlangen und die von der Arbeit in flexiblen Teams gekennzeichnet sind. Diese Tätigkeiten sind am wenigsten durch Digitalisierung gefährdet, weil eindeutige Regelwerke oder Abläufe fehlen. Allerdings muss man feststellen, dass die zuletzt genannten Berufe zwar tendenziell zunehmen könnten, aber heute noch nicht die Mehrzahl der Jobs ausmachen.
Mit großer Sicherheit kann man jedoch festhalten, dass bestimmte Jobs in naher Zukunft wegfallen werden, weil die Technologien schon heute in der Lage sind, diese Jobs besser als die Menschen auszuführen. Alle Arten von Fahrzeugführern, viele Kassier/-innen, Produktionsmitarbeiter, Buchhalter, Verwaltungsmitarbeiter und Telefonisten/-innen, Übersetzer/-innen werden durch moderne Informations- und Kommunikationssysteme und Sprach- und Übersetzungssysteme ersetzt.
Bei der Beurteilung, welche Tätigkeiten durch Technologien wegfallen werden, macht es auch Sinn, zu analysieren, was spezifische Stärken von Software oder Robotern im Vergleich mit den Menschen sind.
Besser ist die Technologie bei der Verarbeitung von Daten, die durch Sensoren, IT Systeme oder durch Vernetzung mit anderen Rechnern gewonnen werden. Hierzu zählt auch die Verarbeitung riesiger Datenmengen (Big Data), die Objektivität und Unparteilichkeit mit der die Analyse durchgeführt wird, das Messen von physikalischen Größen und das ermüdungsfreie Ausführen eindeutiger Reaktionsmuster bei genau definierten Aufgaben. Darüber hinaus sind Computerprogramme und Roboter anders als Menschen „multitasking" fähig. Bei all diesen Tätigkeiten ist Technologie den Menschen überlegen. Die Unternehmen müssen daher überlegen, wie sie die Arbeit gestalten müssen, um durch die Technologie die menschlichen Fähigkeiten bestmöglich zu ergänzen.
Andererseits haben die Menschen Fähigkeiten, bei denen sie der Technologie überlegen sind. Menschen haben Gefühle, Emotionen und Empfindungen. Sie verfügen über Erfahrung und haben ein Verhaltensgedächtnis, sowie eine hohe Lösungskompetenz auch bei neuen Aufgabenstellungen. Menschen können komplexe Sachverhalte beurteilen und in schwierigen Situationen Entscheidungen treffen. Menschen haben Fantasie und sind flexibel. Sie können sich auf neue Situationen oder Umwelteinflüsse anpassen, verfügen über Willensstärke und können auf unterschiedliche Weise kommunizieren. Die Technologie kann diese Fähigkeiten unterstützen, aber nicht ersetzen. Es ist die Aufgabe der Unternehmen, die Arbeit der Menschen so zu gestalten, dass diese Fähigkeiten gefordert und gefördert werden.