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Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise und alternative Antriebssysteme Verbrennung, Messtechnik und Simulation
Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise und alternative Antriebssysteme Verbrennung, Messtechnik und Simulation
Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise und alternative Antriebssysteme Verbrennung, Messtechnik und Simulation
eBook2.810 Seiten18 Stunden

Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise und alternative Antriebssysteme Verbrennung, Messtechnik und Simulation

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Über dieses E-Book

Für die vorliegende 9. Auflage wurde der Inhalt vollständig neu strukturiert und in kürzere und in sich abgeschlossene Kapitel aufgeteilt. Einleitend beschreibt das Werk die Funktionsweise von Verbrennungsmotoren für Fahrzeuge und stationäre Anwendungen sowie diejenige für alternative Antriebssysteme. Daran anschließend spannen die Autoren einen Bogen von einfachen thermodynamischen Grundlagen des Verbrennungsmotors hin zu komplexen Modellansätzen zur Beschreibung der Gemischbildung, Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung unter Beachtung der Motorperipherie von Otto- und Dieselmotoren. Damit liegt der inhaltliche Schwerpunkt dieses Bandes auf den Simulationsmodellen und deren strömungstechnischen, thermodynamischen und verbrennungschemischen Grundlagen sowie der Messtechnik zur Verifikation dieser Modelle, wie sie für die Entwicklung moderner Verbrennungsmotoren unentbehrlich sind. Für die aktuelle Auflage wurde vor allem das Thema alternative Antriebssysteme durch die Behandlung von Brennstoffzellen und elektrischen Antriebssystemen stark erweitert. Alle Kapitel wurden vollständig überarbeitet und aktualisiert.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum4. März 2019
ISBN9783658235574
Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise und alternative Antriebssysteme Verbrennung, Messtechnik und Simulation

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    Buchvorschau

    Grundlagen Verbrennungsmotoren - Günter P. Merker

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Günter P. Merker und Rüdiger Teichmann (Hrsg.)Grundlagen VerbrennungsmotorenATZ/MTZ-Fachbuchhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23557-4_2

    2. PKW-Ottomotoren

    Wolfram Gottschalk¹  

    (1)

    IAV GmbH, Berlin, Deutschland

    Wolfram Gottschalk

    Email: Wolfram.Gottschalk@iav.de

    URL: http://www.iav.de

    2.1 Gesetzgebung und technologische Meilensteine

    2.1.1 Emissionsgrenzwerte und Prüfzyklen

    Aktuelle Ottomotoren sowohl mit Saugrohr‑ als auch mit Direkteinspritzung sind in der Lage, die schärfsten internationalen Emissionsvorschriften zu erfüllen. Vor dem Hintergrund aktueller Kraftstoffverbrauch‑ bzw. Kohlendioxid(CO2)‐Anforderungen gilt es, bei Erhaltung des hohen Emissionspotenzials des Ottomotors seine Wirkungsgradpotenziale auszubauen.

    Die wesentlichen gesetzgeberischen Vorgaben hinsichtlich des Emissionsverhaltens von PKW‐Ottomotoren stellen die Normen aus der Europäischen Union (EU), den USA (US) und der Volksrepublik China (PRC) dar. Sämtliche Gesetzgeber entwickeln ihre Vorgaben ständig weiter, verschärfen i. d. R. die Grenzwerte für bereits limitierte Abgaskomponenten und führen erstmalig Grenzwerte für bisher nicht limitierte Komponenten ein. Somit können Angaben zu jeweiligen Grenzwerten nur im Rahmen ihrer zeitlichen Gültigkeit und im Zusammenhang mit der dafür zugeordneten Testprozedur (Fahrzyklus, Konditionierungsregularien, Fahrzeugklassen etc.) betrachtet werden. Die folgenden Darstellungen (Abb. 2.1, 2.2, 2.3 und 2.4) dienen somit vorrangig dem Hinweis auf die Größenordnungen von Emissionsgrenzwerten und dem Spektrum der gesetzesrelevanten Emissionen.

    ../images/297982_9_De_2_Chapter/297982_9_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    Emissionsgrenzwerte für PKW in der Europäischen Union (Stufe EU 6d)

    ../images/297982_9_De_2_Chapter/297982_9_De_2_Fig2_HTML.png

    Abb. 2.2

    Emissionsgrenzwerte für PKW in den USA (EPA Tier III)

    ../images/297982_9_De_2_Chapter/297982_9_De_2_Fig3_HTML.png

    Abb. 2.3

    Emissionsgrenzwerte für PKW in den USA (CARB LEV III)

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    Abb. 2.4

    Emissionsgrenzwerte für PKW in der Volksrepublik China (Stufe Beijing 5/China 5)

    Zur prinzipiellen Verdeutlichung des Emissionsverhaltens eines typischen aufgeladenen Ottomotors mit Direkteinspritzung dient Abb. 2.5. Als Fallbeispiel wurde die sog. Worldwide‐Harmonized‐Light‐Duty‐Vehicles‐Test‐Cycle(WLTC)‐Fahrkurve von 1800 s zeitlicher Dauer und 23,25 km Streckenlänge gewählt. Die dargestellten Emissionskomponenten entsprechen dem für die EU6‐Norm geltenden Katalog. Hier wurden die relativen Rohemissionen herangezogen, um die folgende Aufgabe der Abgasnachbehandlung zu verdeutlichen. Die Bewertung von Kraftstoffverbrauch und CO2‐Emissionen durch die Gesetzgeber erfolgte erst in den letzten Jahren. Die Fahrzeug‑ und Motorenhersteller verfolgen erwartungsgemäß diese Fragestellungen kontinuierlich mit einer sich ständig erweiternden Technologiepalette. An dieser Stelle sollen einige wesentliche Beispiele für wirkungsgrad‑ und emissionsoptimierende Technologiemeilensteine betrachtet werden.

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    Abb. 2.5

    Relativer Rohemissionsverlauf eines aufgeladenen DI‐Ottomotors im WLTC‐Testprofil

    2.1.2 Entwicklungsschwerpunkte

    Für den PKW‐Ottomotor steht das Down‑ bzw. Rightsizing erwartungsgemäß im Vordergrund. Diese Technologie wird in Kap. 4 gesondert beschrieben. Sie zeigt den besonderen Schwerpunkt bei der Optimierung des ottomotorischen Wirkungsgrads in Form der Entdrosselung des Ladungswechsels bei Einhaltung der homogen‐stöchiometrischen Betriebsweise. In vergleichbarer Weise und oft in Kombination werden variable Ventiltriebe (VVT) in Ottomotoren angewendet. Mit variablen Ventilöffnungsdauern, ‑hüben und ‑phasenlagen können die zwei wesentlichen Entdrosselungstechniken für den homogen‐stöchiometrischen Betrieb geeignet kombiniert werden: die stoffliche bzw. zylinderfüllungsrelevante Entdrosselung durch interne Abgasrückführung und die volumetrische Entdrosselung durch Verringerung des effektiven Hubvolumens (d. h. Nutzung von Miller‑ oder Atkinson‐Effekten).

    Als Beispiel für die Möglichkeiten bzw. die Freiheitsgrade von VVT dient Abb. 2.6. Die dargestellten Ventilhubkurven werden mithilfe eines mechanisch‐elektrisch‐hydraulischen Ventiltriebs (UniAir® bzw. MultiAir® der Schaeffler Technologies AG) in Abhängigkeit der projektspezifischen Auslegung erzeugt. Diese Lösung bietet neben den dargestellten Möglichkeiten für den Ladungswechsel zusätzlich eine beliebige Veränderung der Ventilhubkurve von Zyklus zu Zyklus an, womit im dynamischen Betrieb zusätzliche Potenziale für Kraftstoffverbrauch, Emissionsverhalten und Fahrdynamik gegeben sind. Die Anwendung von Ventiltriebvariabilitäten bzw. deren Nutzeffekte soll an einigen Fallbeispielen betrachtet werden. Wie bereits genannt werden für einen maximalen Nutzeffekt die Entdrosselung mithilfe intern zurückgeführten Restgases einerseits und der Verringerung des effektiven Hubvolumens andererseits sinnvollerweise kombiniert. In Abb. 2.7 und 2.8 (Maxima bzw. Minima hervorgehoben) werden experimentelle Ergebnisse einer entsprechenden Untersuchung betrachtet. Neben der betriebspunktspezifischen Verschiebung der optimalen Parameter ist als wesentlicher Trend für den indizierten spezifischen Kraftstoffverbrauch das Zusammenspiel von VVT und Abgasturbolader (ATL) zu erkennen. Beim niedrigsten der drei Lastpunkte werden beide genannten Entdrosselungstechniken nahezu voll ausgeschöpft; die Optima von einlassseitiger Ventilüberschneidung und Miller‐Effekt liegen am Kennfeldrand. Sobald dieser durch Erhöhung des Lastpunkts und damit des Abgasmassenstroms durch den ATL einen erkennbaren Lade‑ bzw. Saugrohrdruck aufbauen kann, führt eine deutlich geringere Nutzung intern rückgeführten Restgases durch minimale Ventilüberschneidung und eine gleichzeitige weitere Absenkung des effektiven Hubvolumens durch Verstärkung der Miller‑ bzw. Atkinson‐Effekte zu optimalen Ergebnissen des indizierten spezifischen Kraftstoffverbrauchs. Ebenso ist erkennbar, dass trotz der großen Ventiltriebsvariabilitäten weiterhin Zielkonflikte zu anderen wichtigen motorischen Ergebnissen bestehen. Die Kennfeldgröße in Abb. 2.7 und 2.8 wird auf der einen Seite vom maximal verfügbaren Lade‑ bzw. Saugrohrdruck geformt. Andererseits ist insbesondere für den niedrigsten der drei Lastpunkte erkennbar, dass das Optimum des indizierten spezifischen Kraftstoffverbrauchs nicht mit dem maximal möglichen Miller‐Effekt, d. h. nicht mit dem maximal verfügbaren Saugrohrdruck, herbeigeführt wird. Es muss beachtet werden, dass infolge der Verknüpfung von effektivem Hubvolumen, das mit Vergrößerung der Miller‑ bzw. Atkinson‐Effekte sinkt, und effektivem Verdichtungsverhältnis ein zwangsläufiger Zusammenhang besteht, der sich somit in immer weiter sinkenden Zylinderdrücken und ‑temperaturen zum Zündzeitpunkt (ZZP) bzw. im Zünd‐Oberen‐Totpunkt (ZOT) äußert.

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    Abb. 2.6

    Beispielhafte Ventilhubkurven eines variablen Ventiltriebsystems. (Quelle: UniAir® bzw. MultiAir® der Schaeffler Technologies AG)

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    Abb. 2.7

    Variation von Einlassöffnungsdauer und Steuerzeit Einlass‐Öffnen im Teillastbetrieb: Einfluss auf relativen indizierten spezifischen Kraftstoffverbrauch und Saugrohrdruck

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    Abb. 2.8

    Variation von Einlassöffnungsdauer und Steuerzeit Einlass‐Öffnen im Teillastbetrieb: Einfluss auf relativen indizierten spezifischen Kraftstoffverbrauch (Niederdruck) und indizierte spezifische Stickoxid(NOx)‐Rohemissionen

    Dieser Zielkonflikt führt zu sinkenden indizierten Hochdruck(HD)‐Wirkungsgraden und zum Anstieg der zyklischen Schwankungen und von Kohlenwasserstoff(HC)‐ und Kohlenmonoxid(CO)‐Emissionen. In Abb. 2.9 ist diese Problematik veranschaulicht. Es ist ersichtlich, dass der insbesondere auf der Miller‐Seite liegende Dissipationsverlust an turbulenter kinetischer Energie durch gezielte Ladungsbewegungsmaßnahmen zugunsten erheblicher Wirkungsgradsteigerungen ausgeglichen werden muss.

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    Abb. 2.9

    Einfluss von Steuerzeitenstrategien und Ladungsbewegungsmaßnahmen auf den effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch. (Quelle: Scheidt et al. 2014)

    Eine Verdeutlichung der Effekte von Ladungsbewegungsmaßnahmen im Zusammenspiel mit Steuerzeitenstrategien wie Miller‑ oder Atkinson‐Verfahren zeigt Abb. 2.10.

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    Abb. 2.10

    Vergleich von Ladungsbewegungsmaßnahmen hinsichtlich der Entwicklung der turbulenten kinetischen Energie. (Quelle: Riess et al. 2013)

    Die lange Verweildauer der Ladung im geschlossenen Zylinder bei teilweiser Volumenvergrößerung durch das vorverlagerte Schließen der Einlassventile beim Miller‐Verfahren führt ohne Kompensation zu verlängerten Brennverzügen und Brenndauern. Es ist in dieser detaillierten Bewertung verschiedener Ladungsbewegungsmaßnahmen erkennbar, dass unterschiedliche Maßnahmen zur Turbulenzerzeugung und Verbrennungsstabilisierung geeignet sind. Diese müssen im Entwicklungsprozess abgewogen werden gegen die mögliche Steigerung der Ladungswechselarbeit und den Aufwand z. B. bei schaltbaren Systemen wie Drall‑ und Tumbleklappen im Einlasskanal. Die sinnvolle Anwendung von Miller‑ und Atkinson‐Verfahren ist erwartungsgemäß nicht auf den Teillastbetrieb des Ottomotors beschränkt.

    In Abb. 2.11 werden zwei anspruchsvolle Hochlastbetriebspunkte in der Wirkung der genannten Steuerzeitenstrategien betrachtet. Es wird erkennbar, dass die Bereitstellung von Ladedruck die entscheidende Frage für die wirkungsgradförderliche Verringerung des effektiven Verdichtungsverhältnisses ist. Demzufolge ist die abgestimmte Weiterentwicklung von Variabler‐Ventiltrieb(VVT)‐ und Aufladungssystemen für zukünftige Ottomotoren notwendig.

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    Abb. 2.11

    Miller‑ und Atkinson‐Verfahren bei Hochlastpunkten im Hinblick auf Ladedruckbedarf. (Quelle: Scheidt et al. 2014)

    VVT‐Systeme haben ebenso ihre Bedeutung in besonderen Betriebszuständen des Ottomotors, wie z. B. in der Aufheizphase des Katalysators nach Motorstart. Die multikriterielle Optimierungsaufgabe, die diese Betriebspunkte bedeuten, ist erwartungsgemäß bei Vermehrung der Freiheitsgrade besser lösbar. Ein Fallbeispiel ist in Abb. 2.12 und 2.13 (Minima bzw. Maxima hervorgehoben) enthalten. Die hier untersuchte Strategie nutzt u. a. eine stark variable Steuerzeit „Auslass Schließen" mit dem Ziel, erkennbare Anteile heißen Restgases im Zylinder einzuschließen oder aus dem Abgaskrümmer zurück zu fördern. Dieser Restgasanteil dient u. a. der Verbesserung der Gemischbildung und der Zündbedingungen durch Anhebung der Zylindertemperatur. Es ist erkennbar, dass auch für den fremdgezündeten ottomotorischen Betrieb heißes, intern rückgeführtes Restgas eine positive duale Wirkung sowohl auf die HC‐ als auch auf die NOx‐Emissionen haben kann.

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    Abb. 2.12

    Miller/Atkinson und variables „Auslass‐Schließen": indizierte spezifische Gesamtkohlenwasserstoff(THC)‐Rohemissionen

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    Abb. 2.13

    Miller/Atkinson und variables „Auslass‐Schließen": indizierte spezifische Stickoxid(NOx)‐Rohemissionen

    Auch im Warmlaufbetrieb von Ottomotoren kann mithilfe von VVT eine geeignete Kombination von interner Restgasrückführung und Anpassung des effektiven Hubvolumens bzw. Verdichtungsverhältnisses gefunden werden.

    Wie Abb. 2.14 zeigt, liegen die Optima des indizierten spezifischen Kraftstoffverbrauchs nahezu unabhängig von der jeweils genutzten Einlassöffnungsdauer bei sehr späten Steuerzeiten „Auslass‐Schließen", d. h. bei intensiver Rückförderung heißen Restgases aus dem Abgaskrümmer, und geringen Ventilüberschneidungen durch späte Steuerzeiten Einlass‐Öffnen.

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    Abb. 2.14

    Miller/Atkinson und variables „Auslass‐Schließen": indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch

    Eines der exponiertesten Anwendungsgebiete von VVT für PKW‐Ottomotoren ist die Überführung des fremdgezündeten Betriebs homogenisierter Gemische in den selbstzündenden Betrieb homogenisierter Gemische. Die Darstellung solcher Brennverfahren auf der Basis der homogenen Selbstzündung (Controlled Auto‐Ignition [CAI] oder gegebenenfalls Gasoline Homogeneous Charge Compression Ignition [gasoline HCCI] ) beruht auf der bereits diskutierten betriebspunktoptimalen Zumessung von heißem Restgas zur Herbeiführung von Kompressionsendtemperaturen oberhalb der Zündtemperatur des jeweils verwendeten Kraftstoffs (Kap. 21 und 23). Zusätzliche Optimierungspotenziale bestehen in der ebenfalls als Parameter genannten Anpassung des effektiven Verdichtungsverhältnisses zur Beeinflussung von Verbrennungsbeginn und Verbrennungsgeschwindigkeit.

    Sämtliche bisher diskutierten Anwendungen von Ventiltriebvariabilitäten arbeiten auf der Basis des festen funktionalen Zusammenhangs von relativem effektivem Hubvolumen und effektivem relativem Verdichtungsverhältnis (Abb. 2.15), der von der Geometrie des jeweilig ausgeführten Kurbeltriebs vorgegeben wird.

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    Abb. 2.15

    Auswirkung von Miller‑ und Atkinson‐Verfahren auf relatives effektives Hubvolumen und relatives effektives Verdichtungsverhältnis bei fester Kurbeltriebgeometrie

    Der Zielkonflikt hinsichtlich einer betriebspunktoptimierten Einstellung von Restgasrückführung und effektivem Hubvolumen bzw. effektivem Verdichtungsverhältnis ist somit offensichtlich: Im Teillastbetrieb kann die sinnvolle Verringerung des effektiven Hubvolumens zur Entdrosselung nur unter Inkaufnahme eines Verlusts an effektivem Verdichtungsverhältnis herbeigeführt werden; im Hochlastbetrieb wird die klopfbegrenzende Verringerung des effektiven Verdichtungsverhältnisses von einem unerwünschten Verlust beim effektiven Hubvolumen begleitet.

    Konsequenterweise leitet sich hieraus die Forderung nach einer ebenso variablen Geometrie des Kurbeltriebs ab, um zusätzliche Optimierungsmöglichkeiten im Zusammenspiel mit Ventiltriebvariabilitäten zu schaffen (Abb. 2.16 und 2.17).

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    Abb. 2.16

    Konstruktive Prinziplösungen zur Darstellung eines variablen geometrischen Verdichtungsverhältnisses. (Quelle: Pischinger et al. 2009)

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    Abb. 2.17

    Bewertung ausgewählter Lösungen zur Darstellung eines variablen geometrischen Verdichtungsverhältnisses. (Quelle: Pischinger et al. 2009)

    Die Darstellung eines variablen geometrischen Verdichtungsverhältnisses, das bestmöglich vom effektiven Hubvolumen entkoppelt ist, bedeutet selbstverständlich einen tiefen Eingriff in die konstruktive Gestaltung des Kurbeltriebs. Einen Überblick über die prinzipiellen Möglichkeiten hierzu und eine Bewertung von Vor‑ und Nachteilen ausgewählter Lösungen bieten Abb. 2.16 und 2.17.

    Eine sehr aufwendige, aber in Serie umgesetzte Lösung (Abb. 2.18), arbeitet mit einem Schwenkmechanismus , der den Zylinderkopf und den Zylinderliner gemeinsam zur Kurbelwellenachse bewegt. Wie ebenfalls dargestellt, betreffen solche Lösungen i. d. R. aufgeladene Ottomotoren, deren große Betriebspunktspreizung die Variabilität des geometrischen Verdichtungsverhältnisses rechtfertigt.

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    Abb. 2.18

    Serienlösung mit einem Schwenkmechanismus für Zylinderkopf und ‑liner. (Quelle: Bergsten 2001)

    Die Nutzeffekte eines variablen geometrischen Verdichtungsverhältnisses zeigen sich dann am deutlichsten, wenn eine große Betriebspunktspanne in die Bewertung eingeht. Klassische Fahrzyklen mit moderaten Leistungsanforderungen zeigen den Wert von derartigen Lösungen gegebenenfalls nur unvollkommen. Aber auch in solchen Fällen können Wirkungsgradvorteile erreicht werden, wenn die genannten Variabilitäten durch große Getriebespreizungen begleitet werden (Abb. 2.19). Ergänzend stellt sich hinsichtlich des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen die Frage nach einer kontinuierlichen oder diskreten Variabilität.

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    Abb. 2.19

    Motorkennfeld und Fahrwiderstandslinien bei kontinuierlich und diskret variablem geometrischem Verdichtungsverhältnis. (Quelle: Weinowski et al. 2012)

    Es kann davon ausgegangen werden, dass bereits eine zweistufige Veränderlichkeit erkennbare Wirkungsgradpotenziale bietet (Abb. 2.19). Zusätzlich bietet eine Veränderlichkeit des geometrischen Verdichtungsverhältnisses ab einer gewissen Spanne erwartungsgemäß die Möglichkeit, geeignete Kennfeldbereiche im Betriebsmodus der homogenen Selbstzündung darzustellen (Abb. 2.20).

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    Abb. 2.20

    Diskret variables geometrisches Verdichtungsverhältnis und die Möglichkeit zur homogenen Selbstzündung (Gasoline Controlled Auto‐Ignition, GCAI). (Quelle: Weinowski et al. 2012)

    Die Interaktion von Variabilitäten im Ventiltrieb mit denen im Kurbeltrieb führt zu einer Vielfalt an Parametrierungsmöglichkeiten, die nur mithilfe von geeigneten Simulationswerkzeugen bewertet und ausgewählt werden können. In Abb. 2.21 wird das Spannungsfeld von effektivem Kompressions‑ und Expansionsverhältnis einerseits und Ladedruckbedarf und Auswirkungen auf den effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch andererseits für einen Betriebspunkt n = 2000 rpm/pe = 24 bar dargestellt.

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    Abb. 2.21

    Spannungsfeld von effektivem Kompressions‑ und Expansionsverhältnis, Ladedruckbedarf und effektivem spezifischem Kraftstoffverbrauch. (Quelle: Sens et al. 2016)

    Wie im Zusammenhang mit Ventiltriebvariabilitäten für Miller‑ und Atkinson‐Verfahren bereits diskutiert, darf die Auswirkung solcher Maßnahmen auf die Ladungsbewegungsentwicklung und das Niveau der turbulenten kinetischen Energie im Brennraum nicht unbeachtet bleiben (Abb. 2.22).

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    Abb. 2.22

    Kritischer Einfluss hoher effektiver Verdichtungsverhältnisse auf die Turbulenz bei Zündzeitpunkt. (Quelle: Kapus et al. 2012)

    Es besteht ein Zielkonflikt dahingehend, dass ein hohes effektives Verdichtungsverhältnis durch das geringe Kompressionsvolumen beim Zerfall des Tumblewirbels zu erhöhter Wandreibung und damit zu einem Verlust an Turbulenz bei ZZP führt. Somit stellt sich auch hier die Frage nach der Anwendung geeigneter Kompensationsmaßnahmen.

    Die Veränderlichkeit des geometrischen Verdichtungsverhältnisses und ihre geeignete Kombination mit Ventiltriebvariabilitäten haben erwartungsgemäß Einfluss auf die brennrauminternen Strömungs‑ und Gemischbildungsbedingungen. Somit müssen neben brennrauminternen Ladungsbewegungsmaßnahmen wie Ventilmaskierungen auch die Einflussmöglichkeiten der Kolbenbodengeometrie genutzt werden, um möglichst optimale Bedingungen für die hauptsächlich genutzten Betriebspunkte, d. h. die Kombination aus geometrischem und effektivem Verdichtungsverhältnis einerseits und dem effektiven Hubvolumen andererseits, zu schaffen. In Abb. 2.23 ist beispielhaft dargestellt, wie sich die Kolbenbodengeometrie zur Darstellung unterschiedlicher geometrischer Verdichtungsverhältnisse entwickeln kann.

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    Abb. 2.23

    Einfluss des variablen geometrischen Verdichtungsverhältnisses auf die notwendige Kolbenbodengeometrie. (Quelle: Cordier et al. 2016)

    Zusammenfassend bleibt für die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Variabilität des geometrischen Verdichtungsverhältnisses festzuhalten, dass mit einem hohen konstruktiven Aufwand an möglichst allen Betriebspunkten eine optimale Phasenlage der Energieumsetzung im Arbeitsspiel eingehalten werden soll. Somit erfährt der praktisch umgesetzte Otto‐Prozess mit isochorer Wärmezufuhr und einphasiger Energieumsetzung aus thermodynamischer Sicht eine weitere erkennbare Optimierung.

    Es sollen an dieser Stelle zwei weitere wesentliche Strategien zur Erreichung dieses Ziels diskutiert werden, die bei der Bewertung des konstruktiven bzw. apparativen Aufwands konzeptspezifisch gegenüber einer Variabilität des geometrischen Verdichtungsverhältnisses bevorzugt werden könnten. Die Darstellung einer optimalen Phasenlage der Energieumsetzung insbesondere bei hohen Lastpunkten ist alternativ auch mit der Wahl eines besser geeigneten Kraftstoffs möglich. Der Schlüssel bei den Kraftstoffeigenschaften liegt erwartungsgemäß in einer Steigerung der Klopffestigkeit in Form der Oktanzahl (ROZ). Begleitend kann diskutiert werden, ob eine Alternative zum flüssigen Aggregatzustand der zugeführten Energie und dem damit verbundenen Zwang zum Phasenübergang durch Verdampfung wünschenswert ist, da die Gemischbildungssysteme insbesondere aufgeladener Downsizing‐Ottomotoren nennenswerte spezifische Kraftstoffmassen aufbereiten müssen, was von bekannten kritischen Phänomenen wie Wandbenetzung und Injektorverkokung begleitet wird. Eine Alternative, die diese beiden genannten Hauptpunkte klar erfüllen kann, ist die Nutzung von im Einbringungszustand gasförmigen Kraftstoffen. Hier soll exemplarisch die Nutzung von methanbasierendem Erdgas in Form von Compressed Natural Gas (CNG) betrachtet werden. In Abb. 2.24 soll durch Vergleich des CNG‐ und Benzinhochlastbetriebs eines aufgeladenen Ottomotors, der als bivalenter Antrieb konzipiert wurde, ein erster Überblick zu den Potenzialen des CNG‐Betriebs für aufgeladene Ottomotoren gegeben werden.

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    Abb. 2.24

    Vergleich von CNG‐ und Benzin‐(ROZ95E10)‐Betrieb bei Hochlast: Optimierung der Phasenlage der Energieumsetzung und Steigerung der Spitzendrücke bei CNG‐Einsatz

    Wie erkennbar sind insbesondere auf der Vollastkurve erhebliche Verbesserungen für den effektiven Wirkungsgrad erreichbar. Eine Zunahme des effektiven Wirkungsgrads von etwa 6–7 % bedeutet unter Korrektur des unteren Heizwerts eine Minderung des effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauchs um etwa 20 %. Allein damit sei unterstrichen, dass der Einsatz von CNG ein wesentlicher Bestandteil bei der weiteren Entwicklung des Downsizings von Ottomotoren sein sollte. Eine begleitende Herausforderung wird in Abb. 2.25 noch einmal hervorgehoben. Für den Ottomotor werden Optimierungen der Phasenlage der Energieumsetzung immer von steigenden Spitzendrücken begleitet. Somit wird deutlich, dass auch der CNG‐Einsatz nicht frei von gewissen konstruktiven Anpassungen ist, deren Aufwand aber nicht den Umfang der oben genannten Maßnahmen für ein variables geometrisches Verdichtungsverhältnis haben wird.

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    Abb. 2.25

    Vergleich von CNG‐ und Benzin‐(ROZ95E10)‐Betrieb im Volllastbetriebspunkt bei 4500 rpm: erhebliche Zunahme des Spitzendrucks bei Verbesserung im Heizverlauf

    Die dargestellten Potenziale durch den Einsatz von CNG für aufgeladene Ottomotoren verlangen nicht nur die Optimierung der Spitzendruckfestigkeit. Die Füllungsverdrängung im Saugrohr durch die CNG‐Einblasung erfordert auch eine Verbesserung des Aufladevermögens. Hier eröffnen sich aber durch die sinkenden Abgastemperaturen durch günstigere Phasenlagen der Energieumsetzung neue Auslegungsmöglichkeiten für die ATL. In Abb. 2.26 wird gezeigt, dass sinnvollerweise ATL mit variabler Turbinengeometrie eingesetzt werden können, was für benzinbetriebene aufgeladene Ottomotoren auch in nächster Zeit nicht flächendeckend zu erwarten ist.

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    Abb. 2.26

    Optimierungsmöglichkeiten für den CNG‐Betrieb mithilfe geeigneter Abgasturbolader. (Quelle: Hall et al. 2016)

    Der daraus folgende, wesentliche Entwicklungsschwerpunkt für die CNG‐Brennverfahren liegt erwartungsgemäß in der Darstellung einer geeigneten Direkteinblasung. Als wesentliche Vorteile sind einerseits die Vermeidung der Füllungsverdrängung im Saugrohr bei CNG‐MPI‐Systemen und andererseits die Verhinderung des Methanschlupfs bei Anwendung interner Restgasrückführung oder eines Scavenging‐Betriebs im Low‐End‐Torque(LET) ‐Bereich zu nennen. In Abb. 2.27 ist das Prinzip einer füllungsneutralen CNG‐DI‐Einblasung nach UTH bei Teil- und Hochlast dargestellt. Vergleichend dazu wird gezeigt, dass im Teillastbereich eine Füllungsverdrängung bewusst als Optimierungsparameter eingesetzt werden kann. Bei geeignetem Einblasetiming während der Öffnungsphase der Einlassventile führt die notwendige Anhebung des Saugrohrdrucks zur Entdrosselung des Ladungswechsels und somit zur Steigerung des indizierten Wirkungsgrads.

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    Abb. 2.27

    Gezielter Einsatz des Einblasetimings bei CNG‐DI in Teil‑ und Hochlast. (Quelle: Seboldt et al. 2016)

    Erwartungsgemäß sind thermischer, indizierter und effektiver Wirkungsgrad auch bei einem hochwertigen CNG‐DI‐Betrieb durch die geeignete Wahl des Verdichtungsverhältnisses beeinflussbar. In Abb. 2.28 wird ersichtlich, inwieweit diese Optimierung am Beispiel des LET‐Betriebs erfolgreich ist.

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    Abb. 2.28

    Optimierung des Verdichtungsverhältnisses für den Low‐End‐Torque‐Bereich bei CNG‐DI. (Quelle: Hofmann et al. 2016)

    Die Einführung eines direkteinblasenden Gemischbildungssystems für den CNG‐Betrieb für Ottomotoren bietet nicht nur die diskutierten thermodynamischen Möglichkeiten, sondern stellt auch neue Parametrierungsaufgaben zur Optimierung des jeweiligen Betriebspunkts. Neben dem bereits erwähnten Einblasetiming stellt auch der verfügbare bzw. eingestellte Einblasedruck eine wesentliche Variable dar. Der Einblasedruck ist auf der einen Seite Parameter für die im Injektor geltende Ausflussgleichung, auf der anderen Seite wichtige Auslegungsgrundlage für den Injektor selbst. Dahinter steht u. a. die Frage, ob im jeweiligen motorischen Konzept lediglich der Tankdruck genutzt bzw. moduliert oder ob vergleichbar zur Benzindirekteinspritzung eine aktive HD‐Erzeugung dargestellt werden soll. In Abb. 2.29 werden diese Zusammenhänge für einen außenöffnenden CNG‐DI‐Magnetventilinjektor unabhängig von der Art der HD‐Bereitstellung umrissen. Wie bereits für den Parameter Einblasetiming erwähnt, kann ein geeignet gewählter Parameter Einblasedruck ebenfalls deutlich auf den erreichbaren Luftliefergrad Einfluss nehmen. Hohe Einblasedrücke ermöglichen den DI‐Betrieb auch bei schon fortgeschrittenem Kompressionszustand, was gegebenenfalls das Einblaseevent bei Hochlastbetrieb vollständig in die Phase nach Steuerzeit Einlass‐Schließen verlagern kann. In Abb. 2.30 wird dieser Zusammenhang exemplarisch erläutert.

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    Abb. 2.29

    Aufbau und Durchsatzcharakteristik für einen außenöffnenden Magnetventil‐CNG‐DI‐Injektor. (Quelle: Hofmann et al. 2016)

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    Abb. 2.30

    Zusammenspiel von Einblasetiming und Einblasedruck zur Maximierung des Luftliefergrads bei CNG‐DI‐Betrieb. (Quelle: Hofmann et al. 2016)

    Nach der generellen Einführung eines CNG‐DI‐Betriebs beim Ottomotor stellt sich die Frage nach der optimalen Einbauposition des Injektors im Zylinder. Vergleichbar zu Betrachtungen bei Benzindirekteinspritzung ist die Frage nach der Interaktion von Einlassströmung und Einblasestrahl von höchster Bedeutung. Die Frage der Wandbenetzung stellt sich erwartungsgemäß bei CNG‐DI‐Betrieb nicht; die Gefahr des Methanschlupfs durch Kurzschlussströmung ist jedoch in die Betrachtungen zur Injektorpositionierung einzubeziehen. In Abb. 2.31 ist ein Vergleich von seitlicher und zentraler Einbauposition des CNG‐DI‐Injektors auf der Basis eines klassischen ottomotorischen Tumblekonzepts bei Teillast dargestellt. Die Vorteile für die seitliche Injektorposition liegen in der identischen Ausrichtung von Einlassströmung und Einblasestrahl, was letztendlich zu einem höheren Niveau an turbulenter kinetischer Energie bei ZZP führt. Es bleibt somit offen, inwieweit ein zentral eingebauter Injektor gegebenenfalls mit einer Dralleinlassströmung geeignet interagieren würde. Das bei Tumbleeinlassströmung zu bevorzugende System mit seitlichem Injektor ist in Abb. 2.32 in einer CFD‐Berechnungen entstammenden Darstellung zur räumlichen Verteilung des Luftverhältnisses im Brennraum während des Einblaseevents charakterisiert.

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    Abb. 2.31

    Vergleich von seitlicher und zentraler Einbaulage des Injektors bei CNG‐DI‐Betrieb. (Quelle: Sevik et al. 2016)

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    Abb. 2.32

    Verteilung des Luftverhältnisses bei CNG‐DI‐Betrieb und seitlicher Injektorlage während des Einblaseevents. (Quelle: Pamminger et al. 2016)

    Die zweite alternative Technologie, die zur Absicherung optimaler Phasenlagen der Energieumsetzung auch bei Hochlastbetrieb dienen soll, liegt in ihrer Lösung zwischen den beiden zuerst genannten Ansätzen. Auf der einen Seite handelt es sich um eine Technik, die nur in ansonsten klopfbeeinträchtigten Betriebspunkten eingesetzt wird in Analogie zur Anpassung des optimalen geometrischen Verdichtungsverhältnisses. Auf der anderen Seite ist es eine Technik, die einen stofflichen bzw. kalorischen Ansatz verfolgt. In Anlehnung an frühere militärische Luftfahrtmotoren, ausgewählte Konzepte im Motorsport und auch Forschungs‑ und Entwicklungsaktivitäten bei Großdieselmotoren erfährt die Wassereinspritzung in den letzten Jahren ein hohes Maß an Aufmerksamkeit mit dem Ziel, für aufgeladene Ottomotoren mit intensivem Downsizing, d. h. also mit hohen mittleren Motorlasten, permanent attraktive HD‐Wirkungsgrade zu erreichen.

    An dieser Stelle sollen die thermodynamische Wirkung und die motorinterne Umsetzung solcher Konzepte bei PKW‐Ottomotoren diskutiert werden. Es kann festgestellt werden, dass diese Seite der gesamten Wassereinspritzungstechnologie bei PKW bzw. bei Landfahrzeugen als schon weit entwickelt bzw. sicher betrachtet werden kann. Die andere relevante Seite, die die permanente, sichere und hochwertige Bereitstellung des Betriebsstoffs Wasser betrifft, beinhaltet noch wesentliche Aufgaben und Problemstellungen, ohne deren Lösung die gesamte Technik nicht ihren hohen motorischen Nutzen entfalten können wird.

    Die Wirkungsweise des eingebrachten, somit gegebenenfalls an der Gemischbildung teilnehmenden und bei Energieumsetzung wärmeaufnehmenden Wassers muss vorrangig als kalorisches Mittel zur Senkung der Brennraumtemperaturen verstanden werden. Somit ist ein Vergleich zur Rückführung gekühlten Restgases naheliegend. Die massenspezifische Wirkung des Wassers ist erwartungsgemäß weitaus stärker infolge einerseits höherer Wärmekapazität im flüssigen Aggregatzustand, aber mehr noch durch die Verdampfungsenthalpie bei Phasenwechsel und die darüber hinaus auch wirksame Wärmekapazität im dampfförmigen Zustand. In Abb. 2.33 ist eine überschlägige Betrachtung zum kalorischen Anteil des eingespritzten Wassers dargestellt.

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    Abb. 2.33

    Überschlägige Betrachtung zum kalorischen Anteil des eingespritzten Wassers

    Zusätzlich bedeutet eine Wassereinspritzung keinerlei Füllungsverdrängung mit negativen Seiteneffekten auf das Aufladungssystem. Das Zeitverhalten eines Wassereinspritzsystems ist identisch hochdynamisch wie die des Kraftstoffeinspritz‑ und Zündsystems. Diese Eigenschaften zeigen die hohe Attraktivität eines Wassereinspritzsystems und verschärfen die Nachfrage nach Lösungen auf dem Gebiet der Wasserbereitstellung im Fahrzeug.

    Die Einbringung des Wassers in den Brennraum nutzt identische Lösungen wie in Benzineinspritzsystemen. Saugrohreinspritzsysteme mit Einbringung vor und nach Drosselklappe, eine direkte Einspritzung reinen Wassers mit einem eigenen Injektor und die direkte Einspritzung einer betriebspunktoptimiert zugemessenen Kraftstoff‐Wasser‐Emulsion sind aus umfangreichen Forschungs‑ und Entwicklungsarbeiten bekannt. In Abb. 2.34 ist die in Serie umgesetzte Lösung einer Dreifach‐Saugrohreinspritzung mit 10 bar Systemdruck für einen Sechszylinder‐Hochleistungsmotor dargestellt.

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    Abb. 2.34

    Dreifach‐Wasser‐Saugrohreinspritzung für einen Sechszylinder‐Hochleistungsmotor mit 10 bar Systemdruck. (Quelle: BMW AG)

    Einen komplexeren Ansatz und den Anspruch auf breite Tauglichkeit in Serienmotoren vertritt die Lösung in Abb. 2.35. In Erkenntnis der Tatsache, dass die direkte Einbringung des Wassers eine noch deutlichere kalorische Wirkung hat, wurde eine zusätzliche Emulsionseinspritzung durch den originalen Benzin‐DI‐Zentralinjektor eingeführt. Die Besonderheiten dieser Lösung bestehen somit in der Zumessung und Mischung beider Betriebsstoffe in der HD‐Pumpe einerseits als auch in der volumetrischen Anpassung und Ertüchtigung des Injektors andererseits. Mit diesem doppelten Wassereinspritzsystem können interessante motorische Ergebnisse erreicht werden. Am Beispiel des Betriebspunkt n = 5500 rpm/pe = 22 bar wird in Abb. 2.36 gezeigt, dass die beabsichtige Optimierung der Phasenlage der Energieumsetzung gelingt. Zusätzlich kann die Überanreicherung des Gemischs, die bisher aus Gründen der Innenkühlung angewendet wurde, vollständig zurückgenommen werden. Die somit erreichten Einsparungen beim effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauch spiegeln sich ebenso in einer Absenkung von Ladedruck‑ und Ladeluftkühlleistungsbedarf wider. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass in diesem nennleistungsvergleichbaren Betriebspunkt der Bedarf an anteiligem Wasservolumenstrom allein in der Emulsion etwa 20 %, gesamthaft etwa 33 % des Gesamtvolumenstroms beträgt (Abb. 2.36). Somit sei noch einmal auf die Schlüsselbedeutung der Wassergewinnung und ‑bereitstellung im Fahrzeug verwiesen.

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    Abb. 2.35

    Wasser‐Saugrohr‑ und Emulsionsdirekteinspritzung. (Quelle: Böhm et al. 2016)

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    Abb. 2.36

    Ergebnisse mit Saugrohr‑ und Emulsionsdirekteinspritzung. (Quelle: Böhm et al. 2016)

    Der aufwendigste konstruktive Weg für die Wassereinspritzung ist die Bereitstellung eines vollständig getrennten, mit eigenen Injektoren ausgestatteten Wasser‐DI‐Systems. Die Bauraumverhältnisse im Zylinderkopfbereich aktueller aufgeladener PKW‐DI‐Ottomotoren bieten eine derartige Lösung kaum an, für größere Motoren ist das thermodynamische Potenzial aufgrund der Unabhängigkeit des Wasser‐DI‐Systems unbedingt beachtenswert. Erwartungsgemäß ist dann eine separate HD‐Versorgung zu schaffen, wobei Wasser hier als herausforderndes Medium zu sehen ist. In Abb. 2.37 ist abschließend eine Untersuchung zur Optimierung des Wassereinspritztimings für einen mittleren Lastpunkt dargestellt. Das der Untersuchung zugrundeliegende Systemlayout zeigt Abb. 2.38.

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    Abb. 2.37

    Optimierung des Wassereinspritztimings für ein Doppel‐DI‐Einspritzsystem. Wasser = seitlicher Injektor, Benzin = Zentralinjektor. (Quelle: Thewes et al. 2015)

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    Abb. 2.38

    Systemlayout für ein Doppel‐DI‐Einspritzsystem. Wasser = seitlicher Injektor, Benzin = Zentralinjektor. (Quelle: Thewes et al. 2015)

    2.2 Emissions‑, Verbrauchs‑ und Leistungsziele

    Die aktuellen und zukünftigen internationalen Emissionsnormen für PKW werden den Zielkonflikt hinsichtlich Schadstoffausstoß einerseits und CO2‐Aufkommen andererseits weiter verschärfen. Die Bilanzierung des CO2‐Aufkommens in Form herstellerbezogener Flottenkennwerte hatte bisher zu einer deutlichen Rolle des Dieselmotors geführt, der als PKW‐Antrieb seine höheren Herstellkosten durch günstigere Betriebskosten in Kundenhand klar rechtfertigen konnte. Weitere erhebliche Aufwendungen zur Abgasnachbehandlung bei Dieselmotor‐PKW bedeuten hingegen, dass dem ottomotorisch angetriebenen PKW mehr anteilige Verantwortung für die CO2‐Bilanz unabhängig von der Art der Bewertung zukommt. Somit ist erwartungsgemäß klar, dass sowohl bei den unmittelbar verknüpften Schadstoff‑ und CO2‐Emissionen in einer Zertifizierung durch den Gesetzgeber als auch bei der dem Nutzer bereitgestellten spezifischen Fahrleistung ständige und gleichzeitige Verbesserungen sowohl notwendig als auch gewünscht sind.

    Der Zielkonflikt, der die zukünftigen Entwicklungsaufgaben für PKW‐Ottomotoren bestimmt, soll an dieser Stelle mit einer Hochrechnung illustriert werden, die in Ableitung kommender Emissions‑ und CO2‐Ziele die notwendigen bzw. zu erreichenden motorischen Kennwerte beschreibt.

    Diese Hochrechnung beruht auf folgenden Basisdaten:

    Angenommener Emissionsgrenzwert für eine Komponente = 5 mg pro Meile (mi); Interpretation als zukünftiger US LEVIII SULEV10

    Angenommene Konvertierungsrate des Katalysators nach Light‐Off = 99 %

    Mittelklassefahrzeug mit etwa 1700 kg Fahrzeugmasse und automatisiertem Sechsganggetriebe

    Fahrprofil nach WLTC‐Standard (Start bei etwa 20 °C, 1800 s Testzeit, 23,25 km Testlänge)

    Dauer des Katalysatorheizens 30 s nach Testbeginn

    Die Ergebnisse dieser Betrachtungen sind in Abb. 2.39 dargestellt. Den darin beschriebenen Herausforderungen kann erwartungsgemäß nur begegnet werden, wenn gezielt die in Abschn. 2.1 beschriebenen Technologien im Motorkonzept kombiniert werden.

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    Abb. 2.39

    Hochrechnung zu zukünftigen Emissionsanforderungen für PKW mit Ottomotor

    Für eine vergleichbare Betrachtung zu den CO2‐Emissionen gilt:

    CO2‐Grenzwert = 95 g/km (Gültigkeit ab 2020 in der EU)

    Spezifische CO2‐Emission von Benzin ROZ95 E10 = 3,236 g CO2/g Benzin

    Spezifische CO2‐Emission von CNG = 2,790 g CO2/g CNG

    Mittelklassefahrzeug mit etwa 1700 kg Fahrzeugmasse und automatisiertem Sechsganggetriebe

    Fahrprofil nach WLTC‐Standard (Start bei etwa 20 °C, 1800 s Testzeit, 23,25 km Testlänge)

    Mittlere effektive Leistung = 12,5 kW bei Drehzahl n = 1500 rpm

    Die Ergebnisse dieser Überlegung sind in Abb. 2.40 dargestellt. Es ist erwartungsgemäß erkennbar, dass aktuelle Kennwerte hinsichtlich des effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauchs am mittleren Lastpunkt bei Weitem nicht den Vorgaben genügen, die sich aus der CO2‐Limitierung ergeben. Diese Hochrechnung soll vorrangig dazu dienen, die Größenordnung der notwendigen relativen Kraftstoffverbrauchs‑ bzw. Wirkungsgradverbesserungen – 54 % für benzin‑ und 43 % für CNG‐betriebene Ottomotoren – zu illustrieren. Auch an dieser Stelle kann nur festgestellt werden, dass allein der Einsatz eines umfänglichen Technologieportfolios zukünftige PKW‐Ottomotoren zur Erfüllung der dargestellten Normen befähigen wird. Wie ebenfalls bereits diskutiert, kann der Einsatz eines Kraftstoffs mit höherem Wasserstoffanteil wie z. B. CNG einen erkennbaren Beitrag leisten.

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    Abb. 2.40

    Hochrechnung zu notwendigen Verbesserungen bezüglich des effektiven spezifischen Kraftstoffverbrauchs hinsichtlich eines CO2‐Grenzwerts von 95 g CO2/km

    Die Frage nach zukünftigen Leistungszielen für den PKW‐Ottomotor darf gesamtheitlich nur dann gestellt werden, wenn die beschriebenen Emissions‑ und CO2‐Ziele primär als erfüllt angesehen werden können. Kennwerte wie spezifische effektive Leistung, maximaler effektiver Mitteldruck oder die Kontur der Vollastkurve inklusive Lage des LET‐Bereichs werden nur dann differenzierende Kriterien bleiben können, wenn sie der Erfüllung gesetzlicher Randbedingungen nicht im Weg stehen bzw. die technologischen Aufwendungen zur Auflösung eventueller Zielkonflikte vom Endkunden akzeptiert werden.

    2.3 Potenzial des PKW‐Ottomotors

    Der Ottomotor als Antrieb für PKW steht zunächst unabhängig von seinen konkreten Potenzialen mehr als je zuvor in der Pflicht, positiv zum flottenbilanzierten CO2‐Aufkommen beizutragen. Die technischen Aufwendungen für die Abgasnachbehandlung beim PKW‐Dieselmotor werden die preisliche Sensitivität dieser Fahrzeuge weiter verstärken, sodass hier zukünftig weniger Flottenbeitrag zu erwarten ist. Erwartungsgemäß werden zukünftige PKW‐Ottomotoren noch umfangreichere und v. a. zur vertieften Betriebspunktoptimierung fähige variable Subsysteme aufweisen müssen. Die in Abschn. 2.1 behandelte Auswahl an Möglichkeiten wird z. B. um Zylinderabschaltung, leistungsfähige Thermomanagementsysteme, variable und u. U. mehrstufige Aufladungssysteme mit gegebenenfalls elektrifizierten ATL und hybridisierte Antriebsstrangkomponenten zu ergänzen sein.

    Die zentrale Rolle des PKW‐Ottomotors und die daraus entstehende Verpflichtung, vorhandene technologische Potenziale zu nutzen, beruhen vorrangig auf der Möglichkeit zur hocheffizienten Abgasnachbehandlung auf der Basis der Drei‐Wege‐Katalyse. Somit bestehen die zukünftigen Entwicklungsaufgaben darin, die hohe Emissionsqualität des Ottomotors weiterzuentwickeln und hinsichtlich des Wirkungsgradverhaltens zum Dieselmotor aufzuschließen.

    Die folgenden Abbildungen sollen noch einmal zusammenfassen, welche wesentlichen Technologien mit welchen Effekten für die Lösung dieser Aufgabe zur Verfügung stehen.

    Zunächst wird noch einmal mit Abb. 2.41 ein Blick auf die Potenziale von Ventiltriebvariabilitäten und damit gegebenenfalls möglichen Teillastbrennverfahren geworfen. Die somit gegebenen Freiheitsgrade für Ladungswechsel und Restgasrückführung gehören zu den wichtigsten technologischen Chancen für den Ottomotor überhaupt.

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    Abb. 2.41

    Potenziale von Ventiltriebvariabilitäten für den SI‐ und CAI‐Betrieb im Teillastbereich von Ottomotoren. (Quelle: Gottschalk 2011)

    Daran anknüpfend zeigt Abb. 2.42 die Größenordnungen, in denen der Wirkungsgrad mithilfe von Miller‑ und Atkinson‐Verfahren durch einen VVT verbessert werden kann.

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    Abb. 2.42

    Optimierung von Kompressions‑ und Expansionsverhältnis im idealen Kreisprozess mit drei Wegen zur Wirkungsgradoptimierung. (Quelle: Sens et al. 2016)

    Einen weitergefassten Blickwinkel beinhalten Abb. 2.43, 2.44 und 2.45. Sowohl mit einer betriebspunktorientierten als auch einer testzyklusbasierten Betrachtung verschiedener stückzahlrelevanter Ottomotorkonzepte wird aufgezeigt, inwieweit das Downsizing als allgemeine Technologiebasis für den Ottomotor durch begleitende Techniken wie ein z. B. variables Verdichtungsverhältnis, eine Zylinderabschaltung oder die Wassereinspritzung weiter vorangetrieben werden kann.

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    Abb. 2.43

    Potenziale kombinierter Technologieanwendungen für PKW‐Ottomotoren. (Quelle: Kapus et al. 2012)

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    Abb. 2.44

    Potenziale kombinierter Technologieanwendungen für PKW‐Ottomotoren im Teillastbereich. (Quelle: Flierl et al. 2012)

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    Abb. 2.45

    Potenziale kombinierter Technologieanwendungen für PKW‐Ottomotoren in Zulassungszyklen. (Quelle: Scharf et al. 2016)

    Literatur

    Bergsten, L.: Saab Variable Compression SVC – Variabilität und Kontrolle. MTZ 62(6) (2001)

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    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Günter P. Merker und Rüdiger Teichmann (Hrsg.)Grundlagen VerbrennungsmotorenATZ/MTZ-Fachbuchhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-23557-4_3

    3. PKW-Dieselmotoren

    Peter Eckert¹  , Maximilian Brauer²   und Frank Bunar²  

    (1)

    MAN Truck & Bus AG, Nürnberg, Deutschland

    (2)

    IAV GmbH, Berlin, Deutschland

    Peter Eckert (Korrespondenzautor)

    Email: peter.eckert2@arcor.de

    URL: http://www.mantruckandbus.com

    Maximilian Brauer

    URL: http://www.iav.de

    Frank Bunar

    URL: http://www.iav.de

    3.1 Gesetzgebung und technologische Meilensteine

    3.1.1 Abgasgesetzgebung

    Der Schadstoffausstoß von Dieselmotoren ist gesetzlich reglementiert. Der Grundstein der Abgasgesetzgebung wurde bereits in den 1960er‐Jahren in Kalifornien in den USA gelegt. Die meisten der weltweit gültigen Vorschriften orientieren sich an den sich parallel entwickelnden Gesetzgebungen in den USA, Europa und Japan. Verantwortlich für die Abgasemissionsgesetzgebungen sind die Environmental Protection Agency (EPA) und die California Air Resources Board (CARB) für die USA, die Europäische Kommission für die EU und das Ministry of the Environment (MOE) für Japan.

    Prüfverfahren

    Die Prüfung auf Einhaltung der jeweils geltenden Grenzwerte erfolgt bei PKW und leichten Nutzfahrzeugen (NFZ) im Prüflabor auf einem Fahrzeugrollenprüfstand mit standardisierten Fahrzyklen und festgelegten Umgebungsrandbedingungen wie Temperatur und Luftfeuchte. Eine Übersicht der wichtigsten Prüfzyklen für die Typzulassung in den jeweiligen Regionen ist in Abb. 3.1 dargestellt.

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    Abb. 3.1

    Fahrprofile/Prüfzyklen der US‐amerikanischen, japanischen und europäischen Gesetzgebung

    Die Testverfahren, Abläufe und Bewertungen unterscheiden sich entsprechend der jeweiligen Gesetzgebung. Um einen Fahrzeugtyp zuzulassen, ist eine Typprüfung verbunden mit einem Typzulassungsverfahren durchzuführen. Im Rahmen einer Qualitätskontrolle des Herstellers erfolgt die Überprüfung der Einhaltung der Abgasgrenzwerte während der laufenden Produktion. Zusätzlich erfolgt eine Feldüberwachung durch den Gesetzgeber.

    In der US‐Gesetzgebung kommen verschiedene Prüfzyklen zur Anwendung. Es handelt sich hierbei um den Federal Test Procedure FTP75, den US06, den SC03 und dem Highway Fuel Economy Test (HWFET). Damit das Fahrzeug zugelassen wird, müssen die nach (3.1) (FTP75) und nach (3.2) (Zykluskombination) berechneten Werte unter den festgelegten Grenzwerten liegen. Die Emissionen sind hier mit mx und die Strecke mit sx für die jeweilige Phase des FTP75 gekennzeichnet.

    $$ \text{Emission}_{\text{FTP}75}=0{,}43 \cdot \left(\frac{m_{1}+m_{2}}{s_{1}+s_{2}}\right)+0{,}57 \cdot \left(\frac{m_{2}+m_{3}}{s_{2}+s_{3}}\right) $$

    (3.1)

    $$ \text{Emission}_{\text{SFTP}}=0{,}35 \cdot \text{FTP}75+0{,}28 \cdot \text{US}06+0{,}37 \cdot \text{SC}03 $$

    (3.2)

    In Europa wird ab September 2017 der bisher verwendete Neue Europäischer Fahrzyklus (NEFZ) schrittweise durch den Worldwide Light‐duty Test Cycle (WLTC) ersetzt werden. Die Entwicklung der Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure (WLTP) begann im Jahr 2007 im Rahmen der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE). Mit dem neuen Testverfahren und den entwickelten Testzyklen soll eine weltweit einheitliche Testmethode zur Messung von gasförmigen Emissionen, Feinstaub und Kraftstoffverbrauch unter möglichst realitätsnahen Bedingungen entstehen. Eine Änderung der Prüfungsbedingungen war nötig, da die Emissionen im Verkehr nicht mehr ausreichend mithilfe des NEFZ abgebildet werden. Im Vergleich zu dem NEFZ ist der WLTC wesentlich dynamischer. Dargestellt ist hier nur der für europäische Fahrzeuge repräsentative WLTC. Es gibt vier verschiedene Versionen, diese sind unterteilt in drei Klassen. Abhängig sind diese von der Nennleistung, der Leermasse und der maximalen Geschwindigkeit des zu prüfenden Fahrzeugs. Parallel zur Entwicklung des WLTP fand in Europa die Entwicklung eines Prüfverfahrens für die Straße unter realen Fahrbedingungen statt. Damit sollen die realen Fahremissionen, auch Real Driving Emissions (RDE) genannt, mithilfe von mobilen Messsystemen (PEMS) analysiert werden. Nach aktueller Gesetzgebung werden die ermittelten Schadstoffemissionen mithilfe von zusätzlichen Auswertetools wie EMORAD und CLEAR normalisiert und gegen den jeweiligen Konformitätsfaktor (CF) bewertet. Die Einführung begann im Januar 2016 und erstreckt sich über mehrere Phasen. Ab 2020 ist die Einhaltung der CF für NOx und die Partikelanzahl (PN) verpflichtend. Der CF regelt die maximal zulässige Überschreitung des gültigen Grenzwerts für die jeweiligen Emissionen unter Realfahrbedingungen und beachtet die Ungenauigkeiten der mobilen Messgeräte. Die CF unterliegen seitens der EU einer laufenden Überprüfung.

    Die Tab. 3.1 zeigt eine Übersicht der aktuellen Anforderungen an die Real‐Driving‐Emissions(RDE) ‐Testdurchführung bei Redaktionsschluss.

    Tab. 3.1

    Übersicht von Real‐Driving‐Emissions(RDE)‐Testfahrtanforderungen für Personenkraftwagen

    In Japan wird seit 2011 der JC08‐Prüfzyklus für die Typzulassung angewendet. Der Testzyklus wird insgesamt zweimal durchfahren. Der erste Test wird kalt gestartet (JC08C) und der zweite Test wird heiß gestartet (JC08H). In der japanischen Gesetzgebung findet bei der Auswertung der Emissionen eine Gewichtung über die Zyklen statt (3.3). Ab 2018 soll in Japan der JC08 wie in Europa durch den WLTC ersetzt werden.

    $$ \text{Emission}_{\text{JC08}}=0{,}25 \cdot \text{Emission}_{\text{JC08C}}+0{,}75 \cdot \text{Emission}_{\text{JC08H}} $$

    (3.3)

    Grenzwerte

    In Abb. 3.2 sind Grenzwerte ausgewählter Abgasemissionsspezies der jeweiligen Gesetzgebungen in den USA, der EU und Japan für PKW gegenübergestellt. Bei einem direkten Vergleich ist zu beachten, dass die Testbedingungen, wie zuvor bereits anhand der Testzyklen exemplarisch gezeigt, z. T. deutlich voneinander abweichen. Beispielsweise findet in der US‐amerikanischen Gesetzgebung eine Gewichtung der Emissionen über Zyklusphasen oder mehrere Zyklen statt.

    ../images/297982_9_De_3_Chapter/297982_9_De_3_Fig2_HTML.png

    Abb. 3.2

    Vergleich ausgewählter Grenzwerte der Gesetzgebungen USA, EU, Japan für Personenkraftwagen

    Die dargestellten Grenzwerte (Abb. 3.2) stellen die Emissionsklasse mit den niedrigsten Emissionen (SULEV20/Bin20) für den FTP75‐Zyklus dar. In den aktuell gültigen US‐Gesetzgebungen LEVIII (CARB ab 2020) und Tier3 (EPA ab 2017) werden sechs verschiedene Klassen bzw. Bins unterschieden.

    Es sind folgende Schadstoffkomponenten limitiert:

    NMOG

    NOx

    CO

    HCHO

    PM

    Der NMOG+NOx‐Einzelgrenzwert liegt für einzelne Fahrzeugtypen zwischen maximal 160 mg/mi (LEV160/Bin160) und minimal 20 mg/mi (SULEV20/Bin20). Die Abgasgesetzgebungen der CARB und EPA gehen gemeinsam von einer linearen Absenkung der NMOG+NOx‐Emissionen für PKW und leichte NFZ auf 30 mg/mi bis zum Jahr 2025 aus. Zwischen PKW und leichten NFZ erfolgt linear bis 2025 eine Angleichung der Einzel‑ und NMOG+NOx‐Flottengrenzwerte auf 30 mg/mi. Des Weiteren ist die Unterschreitung des kombinierten NMOG+NOx‐Einzelgrenzwerts nach Supplemental Federal Test Procedure (SFTP) nachzuweisen. Bei der SFTP erfolgt eine gewichtete Berechnung der Abgasemissionen auf Basis des US06, des SC03 und des FTP75‐Zyklus. Gesetzlich geregelt ist die schrittweise Absenkung des SFTP‐NMOG+NOx‐Flottengrenzwerts auf 50 mg/mi bis 2025.

    Die CO‐Grenzwerte für die SFTP sind als Einzelgrenzwerte definiert. Zusätzlich sind in der US‐Gesetzgebung die HCHO‐Emissionen für alle Fahrzeugtypen und Emissionsklassen mit der FTP75 auf 4 mg/mi limitiert.

    Die Partikelemissionen (PM) sind für alle Fahrzeugtypen und Emissionsklassen mit 10 mg/mi limitiert und werden über ein prozentuales Phase‐In bis 2020 auf 3 mg/mi reduziert. Zusätzlich sind 10 mg/mi im SFTP‐Zyklus einzuhalten.

    In Europa gilt die EU6‐Norm seit 2015 verbindlich für alle Fahrzeuge (Abb. 3.2). In der europäischen Gesetzgebung werden die Fahrzeugklassen M1, M2, N1 Gruppe I, N1 Gruppe II, N1 Gruppe III und N2 unterschieden.

    Es sind folgende Schadstoffkomponenten limitiert:

    THC

    NOx

    CO

    PM

    PN

    Eine wichtige Zielstellung der EU6‐Norm ist ein Angleichen der NOx‐Grenzwerte für Otto‑ und Dieselmotoren mit 80 mg/km (M1 und N1 Gruppe I) auf Basis des europäischen Zyklus. Zu beachten ist bei der europäischen Gesetzgebung, dass die Grenzwerte von jedem einzelnen Fahrzeugtyp unterschritten werden müssen und keine Gewichtungen stattfinden. Zusätzlich zu den in Abb. 3.2 enthaltenden Grenzwerten ist in der EU‐Norm ein Kombigrenzwert für THC+NOx von 170 mg/km (M1 und N1 Gruppe I) einzuhalten.

    Die Grenzwerte der japanischen Gesetzgebung gelten seit 2009 (Abb. 3.2).

    Es sind folgende Schadstoffkomponenten limitiert:

    NMHC

    NOx

    CO

    PM

    In Japan ist ein NMHC‐Grenzwert von 24 mg/km für PKW und leichte NFZ zu erfüllen. Auf Basis der definierten Prüfprozedur mit JC08C und JC08H findet zur Berechnung der Einhaltung der Grenzwerte eine Gewichtung über zwei Zyklen statt. Im Fall der Ablösung des JC08 durch den WLTC ist geplant, den NOx‐Grenzwert auf 150 mg/km zu erhöhen.

    Treibhausgase/Kraftstoffverbrauch

    In den nordamerikanischen Gesetzgebungen EPA und CARB sind die zulässigen Treibhausgasemissionen und die Kraftstoffeffizienz für die Fahrzeugflotten der einzelnen Hersteller limitiert. Der Treibhausgasgrenzwert und die Kraftstoffeffizienz sind hierbei von der Fahrzeugaufstandsfläche (Footprint) und dem Modelljahr abhängig. Die Berechnungsvorschriften zwischen der EPA und der CARB unterscheiden sich im Bereich der Definition der relevanten Emissionsspezies der Treibhausgasemissionen. Bei der CARB‐Gesetzgebung werden CO2, Methan (CH4) und Distickstoffmonoxid (N2O) zu den Treibhausgasen gezählt. Bei der EPA‐Gesetzgebung werden zusätzlich auch CO und HC für die Berechnung des fahrzeugspezifischen Treibhausgasausstoßes herangezogen. Zwischen den Emissionen des FTP75 und des HWFET findet eine Gewichtung der Treibhausgasemissionen im Verhältnis von 55 % FTP75 und zu 45 % HWFET statt. Für die Berechnung der Grenzwerte in Abhängigkeit des Modelljahrs und des Fußabdrucks wird (3.4) verwendet. Hierbei sind a und b jahresabhängige Faktoren.

    $$ \text{Spezifische}\ \text{CO}_{2}\text{-Emissionen}=a \cdot \text{Footprint}+b $$

    (3.4)

    Bei Nichteinhaltung des Flottengrenzwerts ist eine Abgabe durch den Hersteller an die US‐Behörden zu entrichten. Für die CO2‐Berechnung findet ein Creditsystem Anwendung.

    In den europäischen Gesetzgebungen sind die zulässigen Treibhausgasemissionen für die Fahrzeugflotten der einzelnen Hersteller limitiert. Für alle in einem Jahr neu zugelassenen PKW ist ein flottenspezifischer CO2‐Grenzwert in Abhängigkeit des Flottendurchschnittsgewichts definiert. Grundlage der CO2‐Gesetzgebung ist der NEFZ. Ab 2012 wurde über ein Phase‐In ein Grenzwert von 130 g/km eingeführt, der ab 2020 auf 95 g/km reduziert wird. Die 130 g/km und die 95 g/km beziehen sich hierbei auf ein Referenzgewicht. In Abb. 3.3 sind die beiden CO2‐Zielwerte den durchschnittlichen spezifischen CO2‐Emissionen neuer PKW in der EU gegenübergestellt. Abzulesen sind die jährlichen Verläufe der CO2‐Emissionen für die Otto‑, die Diesel‑ und die Gesamtflotte. Seitdem die Entwicklung einer CO2‐Gesetzgebung mit verbindlichen Grenzwerten 2007 begann, hat eine deutliche CO2‐Reduktion stattgefunden, sodass bis 2015 das CO2‐Ziel unterschritten wurde. Die Berechnung des spezifischen CO2‐Flottengrenzwerts findet bis 2019 nach der (3.5) und ab 2020 nach (3.6) statt.

    $$ \text{Spezifische}\ \text{CO}_{2}\text{-Emissionen}=130+0{,}0457 \cdot \left(M-M_{0}\right) $$

    (3.5)

    $$ \text{Spezifische}\ \text{CO}_{2}\text{-Emissionen}=95+0{,}0333 \cdot \left(M-M_{0}\right) $$

    (3.6)

    ../images/297982_9_De_3_Chapter/297982_9_De_3_Fig3_HTML.png

    Abb. 3.3

    Durchschnittliche spezifische CO2‐Emissionen und ‐Zielvorgaben für Personenkraftwagen in Europa

    Hierbei ist M gleich der Masse des jeweiligen Fahrzeugs in kg. M0 ist von 2016 bis 2018 auf 1392,40 kg festgelegt und wird seit 2016 aus den Neuzulassungen der letzten drei Jahre neu berechnet. Das spezifische CO2‐Ziel eines Herstellers errechnet sich aus dem Durchschnitt des Gesamtgewichts seiner neu zugelassenen PKW in dem jeweiligen Kalenderjahr. Bei Nichteinhaltung des Flottengrenzwerts ist eine Abgabe durch den Hersteller an die EU zu entrichten. Darüber hinaus gibt es in der EU‐Vorgabe verschiedene Möglichkeiten, die berechneten spezifischen CO2‐Emissionen zu reduzieren.

    Japan

    In der japanischen Gesetzgebung sind sowohl Einzel‑ als auch Flottengrenzwerte für die Kraftstoffeffizienz in Abhängigkeit des Fahrzeuggewichts und des jeweiligen Modelljahrs vorgegeben. Der Einzelgrenzwert der Kraftstoffeffizienz für Dieselfahrzeuge für das Jahr 2020, bei einem Fahrzeuggewicht von über 2271 kg, beträgt 11,66 km/l. Dies entspricht einer Effizienzsteigerung von 3,52 km/l gegenüber dem Jahr 2015. Das Flottendurchschnittsziel steigt von 17,2 km/l im Jahr 2015 auf 20,3 km/l im Jahr 2020. Bei Nichteinhaltung der Grenzwerte sind Abgaben an die japanischen Behörden zu entrichten. Berechnet wird der Kraftstoffverbrauch nach (3.7).

    $$ \mathrm{FE_{\text{JC}08}=\frac{1}{\left(\frac{0{,}25}{FE_{\text{JC}08C}}+\frac{0{,}75}{FE_{\text{JC}08H}}\right)}} $$

    (3.7)

    3.1.2 Technologische Meilensteine

    Seit der Einführung der Abgasturboaufladung im Jahr 1978 und der Direkteinspritzung im Jahr 1988 hat der Marktanteil von Diesel‐PKW in Europa stark zugenommen. Wie Tab. 3.2 zeigt, wurde die Technik im Bereich der Aufladung, Einspritzung und Abgasnachbehandlung im Zug der Verbreitung von PKW‐Dieselmotoren stetig weiterentwickelt.

    Tab. 3.2

    Meilensteine in der Technik von Personenkraftwagen(PKW)‐Dieselmotoren

    Die Abb. 3.4 zeigt die historische Entwicklung der Motorkennwerte Gesamthubraum, Nennleistungen und spezifische Leistung von Diesel‐PKW mit Typzulassung für den europäischen Markt seit 1978. Die Jahreszahl auf der Abszisse stellt das Datum der erstmaligen Serieneinführung des jeweiligen Motorkonzepts in einem Fahrzeug dar.

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    Abb. 3.4

    Entwicklung von Hubraum, Nennleistung und spezifischer Leistung von PKW‐Dieselmotoren

    Das obere Ende des Streubands zeigt, dass PKW‐Dieselmotoren aufgrund der technischen Weiterentwicklung über die Jahre zunehmend auch im Premiumsegment eingesetzt wurden. Hierfür sind neben dem im Vergleich zum Ottomotor geringeren Kraftstoffverbrauch auch der Anstieg der spezifischen Leistung und das verbesserte Geräuschverhalten ausschlaggebend gewesen. Die ebenfalls gezeigten Kurven der Mittelwerte aller im jeweiligen Jahr zugelassenen Motortypen zeigen, dass der durchschnittliche Motorhubraum aller neu zugelassenen PKW innerhalb der letzten Jahre nicht signifikant variierte. Der Bedarf an mehr Leistung ist im Wesentlichen durch eine Steigerung der spezifischen Leistung erfüllt worden. Die mittlere spezifische Leistung ist von 38 kW/l im Jahr 1990 auf 51 kW/l im Jahr 2010 gestiegen.

    3.2 Wege zum Erreichen der Emissions‑, Verbrauchs‑ und Leistungsziele

    Die wichtigsten Baugruppen, die bei PKW‐Dieselmotoren für das Erreichen der Emissions‑, Verbrauchs‑ und Leistungsziele weiterentwickelt werden müssen sind der Grundmotor, das Aufladesystem inklusive Abgasrückführstrecke, das Einspritz‑ und Gemischbildungssystem und das Abgasnachbehandlungssystem.

    3.2.1 Grundmotor

    Die Abb. 3.5 zeigt das Streuband der Grundmotorkennwerte Zylinderanzahl, Hub‐Bohrungs‐Verhältnis und geometrisches Verdichtungsverhältnis von Diesel‐PKW mit Typzulassung für den europäischen Markt seit 1978.

    ../images/297982_9_De_3_Chapter/297982_9_De_3_Fig5_HTML.png

    Abb. 3.5

    Entwicklung von Zylinderanzahl, Hub‐Bohrungs‐Verhältnis und geometrischem Verdichtungsverhältnis von PKW‐Dieselmotoren

    Zylinderanzahl

    Für das Premiumsegment wurden in der Vergangenheit Motoren mit Acht, Zehn‑ und Zwölfzylindermotoren gebaut. Um die künftigen CO2‐Ziele zu erfüllen und mit möglichst wenigen Motorfamilien alle Leistungsanforderungen abdecken zu können, besteht ein Trend die Acht, Zehn‑ und Zwölfzylindermotoren im Premiumsegment zunehmend durch Vier‑ und Sechszylindermotoren mit leistungsfähigen Aufladegruppen zu ersetzen. Ein Beispiel hierfür ist der als Meilenstein 10 in Tab. 3.2 dargestellte 3,0 l Reihensechszylindermotor von BMW mit einer Nennleistung von 280 kW (N57D30S1).

    Im Volumen‑ und Kleinwagensegment werden die meisten PKW‐Dieselmotoren aus Vibrations‑ und Geräuschgründen als Reihenvierzylindermotor mit Massenausgleich erster und zweiter Ordnung gebaut. Mit dem Ziel, die CO2‐Emission weiter abzusenken, wird erwartet, dass für kleinere und mittlere Fahrzeuge zukünftig vermehrt Dreizylinder‑ und Zweizylindermotoren zum Einsatz kommen. Die Maßnahmen zur Erfüllung der Komfortanforderungen sind hierbei aufwendiger, der Wegfall von einer oder zwei Zylindereinheiten führt im Rahmen des Downsizings jedoch zu einem deutlichen CO2‐Einsparungspotenzial.

    Hub‐Bohrungs‐Verhältnis

    Die Abb. 3.5 zeigt, dass das Streuband des Hub‐Bohrungs‐Verhältnisses von PKW‐Dieselmotoren über die Jahre keine eindeutige Veränderung aufzeigt. Die meisten Motoren liegen in dem Bereich 1,0 < Hub/Bohrung < 1,2.

    Grundsätzlich gilt, dass bei langhubigen Motoren das Schadvolumen (z. B. Feuerstegbereich) ebenso wie das Verhältnis aus Oberfläche und Volumen im oberen Totpunkt geringer ausfällt. Hierdurch resultieren geringere Emissionen von HC und CO sowie geringe Wandwärmeverluste. Begrenzend für eine langhubige Motorauslegung ist im PKW u. a. auch die Bauhöhe der Motoren (Fußgängerschutz).

    Kurzhubige Motoren können durch den entsprechend größeren Bohrungsdurchmesser mit größeren Ventildurchmessern gebaut werden. Hierdurch ergeben sich Vorteile beim Füllungsverhalten, insbesondere bei höherer Motordrehzahl. Da das Füllungsverhalten für Saugmotoren sehr relevant ist, werden diese i. d. R. mit einem geringeren Hub‐Bohrungs‐Verhältnis als aufgeladene Dieselmotoren ausgelegt. Kurzhubige Motoren weisen konstruktionsbedingt auch eine höhere Drehzahlfestigkeit auf. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist entsprechend der Hubhöhe bei gleicher Kurbelwellendrehzahl geringer als bei langhubigen Motoren.

    Geometrisches Verdichtungsverhältnis

    Die Abb. 3.5 zeigt, dass das geometrische Verdichtungsverhältnis von PKW‐Dieselmotoren innerhalb der letzten zehn Jahre immer weiter abgesenkt wurde.

    Die bis zum Jahr 1995 weit verbreiteten Motoren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung hatten i. d. R., d. h. auch im Fall mit Abgasturboaufladung, geometrische Verdichtungsverhältnisse von ε ≥ 18,5. Saugdieselmotoren mit direkter Kraftstoffeinspritzung, die ungefähr bis zum Jahr 2005 in PKW angeboten wurden, wurden ebenfalls mit Verdichtungsverhältnisse von ε ≥ 18,5 ausgeführt.

    Seit 1995 wurden die Technologien Abgasturboaufladung und direkte Kraftstoffeinspritzung zunehmend bei PKW‐Dieselmotoren eingesetzt. Unterstützt durch Fortschritte in der Kaltstarttechnik (Anlasser, Glühsystem, Einspritzsystem, Motorsteuerung) konnten die Motoren seitdem mit Verdichtungsverhältnissen im Bereich von 16,5 ≤ ε ≤ 18,5 ausgeführt werden. Infolgedessen wurden auch höhere Aufladegrade und höhere Leistungsdichten realisiert, ohne dass die Anforderungen an den zulässigen Zylinderspritzendruck signifikant gesteigert werden mussten (Abb. 3.6).

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    Abb. 3.6

    Zusammenhang Leistungsdichte, Zylinderspitzendruck und Verdichtungsverhältnis. (Aus Fasolo et al. 2005)

    Die Absenkung des Verdichtungsverhältnisses bietet neben der Möglichkeit die spezifische Leistung zu steigern auch Vorteile im Emissionsverhalten. Zum einen führt die Absenkung der Temperaturkurve zu einer geringeren NOx‐Emission. Zum anderen lassen sich durch das größere Muldenvolumen (größere freie Strahllänge) und die geringere Temperatur‑ und Druckkurve Vorteile in der Rußemission erlangen.

    Das geometrische Verdichtungsverhältnis von Motoren der Abgasstufen EU2 bis EU3 lag bei Einsatz von Abgasturboaufladung und direkter Kraftstoffeinspritzung in den meisten Fällen im Bereich von 17,5 bis 18,5. Als Beitrag zum Erreichen der Abgasstufen EU4 und EU5 wird das geometrische Verdichtungsverhältnis i. d. R. auf Werte im Bereich von 15,5 bis 16,5 abgesenkt. Die ersten PKW mit Zertifizierung für die Abgasstufe EU6 zeigen eine Spanne von 14,0 ≤ ε ≤ 17,5. Die Abb. 3.6 zeigt am Beispiel von EU3 und EU4 Motoren von Renault, wie durch eine Absenkung des geometrischen Verdichtungsverhältnisses eine Steigerung der spezifischen Leistung bei konstantem Zylinderspitzendruck möglich ist (Fasolo et al. 2005).

    3.2.2 Aufladesystem inklusive Abgasrückführstrecke

    Aufladesystem

    Das Aufladesystem ist von besonderer Bedeutung für das Erreichen der Emissions‑, Verbrauchs‑ und Leistungsziele von PKW‐Dieselmotoren. Zum einen ermöglicht die Aufladung von Dieselmotoren eine Steigerung der spezifischen Leistung, wodurch ausgehend von einem Grundmotor verschiedene Leistungsstufen angeboten werden können. Beim Einsatz der Abgasturboaufladung kann darüber hinaus das Verhältnis aus Nutzarbeit und mechanischen Verlusten verbessert werden, wodurch ein geringerer Kraftstoffverbrauch und eine geringere CO2‐Emission erreicht werden können (Downsizing, s. Kap. 4). Zum anderen kann durch die Aufladung die Abgasrückführrate im Teillastbetrieb angehoben werden, ohne dass dabei das Verbrennungsluftverhältnis auf kritische Werte absinkt. Hierdurch kann der Zielkonflikt zwischen der Rußpartikel‑ und der NOx‐Emission entschärft werden.

    Die Aufladung von PKW‐Dieselmotoren ist aufgrund der großen Spreizung der Motordrehzahl zwischen Leerlauf und Nenndrehzahl eine Herausforderung. Die resultierende große Spreizung des Massendurchsatzes macht eine optimale Auslegung der Aufladung für das gesamte Drehzahlband i. d. R. unmöglich. Es entsteht ein Zielkonflikt zwischen der Auslegung für den oberen Drehzahlbereich (Leistungsauslegung) und der Auslegung für den unteren Drehzahlbereich (Auslegung für gutes Anfahrdrehmoment und geringe Emissionen in der Teillast).

    Dem Problem der großen Durchsatzspreizung wird in manchen PKW‐Dieselmotoren durch Aufladekonzepte mit mehreren ATL begegnet. Die Abb. 3.7 zeigt schematisch die wichtigsten dieser Konzepte.

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    Abb. 3.7

    Aufladekonzepte für PKW‐Dieselmotoren mit zwei bzw. drei Abgasturboladern

    Bei der parallel‐sequenziellen Aufladung wird im Bereich niedriger Motordrehzahl und niedriger Motorlast nur ein im Verhältnis zum Motordurchsatz bei Nennleistung relativ kleiner ATL durchströmt (Primär‐ATL). Sobald der Frischluft‑ bzw. Abgasmassenstrom des Verbrennungsmotors an die obere Durchsatzgrenze des Primär‐ATL gelangt, wird ein zweiter ATL (Sekundär‐ATL) parallel dazu geschaltet. Der Sekundär‐ATL ist i. d. R. gleich groß wie der Primär‐ATL, um eine stabile Gleichverteilung der Massenströme zu erlangen. Die Vorteile dieses Aufladekonzepts liegen im guten Ansprechverhalten des Motors (geringe Drehträgheit des Primär‐ATL) und im relativ hohen erzielbaren Ladedruck im unteren Teillastbereich. Des Weiteren wird im unteren Teillastbetrieb nur eine Abgasturbine durchströmt, sodass geringere Abgastemperaturverluste als bei den Aufladekonzepten mit zwei Turbinen auftreten. Hierdurch wird ein schnelleres Aufheizverhalten des Abgasnachbehandlungssystems nach Motorstart erzielt. Aufgrund des parallelen Betriebs der beiden ATL kommt es im Bereich der Volllast zu ähnlich hohen Stufendruckverhältnissen wie bei einer einstufigen Abgasturboaufladung. Mit dem parallel‐sequenziellen Aufladekonzept werden bei PKW‐Dieselmotoren spezifische Leistungen von bis zu 75 kW/l erreicht.

    Bei der zweistufig geregelten Aufladung werden im Bereich niedriger Motordrehzahl und niedriger Motorlast zwei nacheinander geschaltete Turbinen und Verdichter betrieben. Der Ladedruck wird zunächst v. a. durch den kleiner ausgelegten ATL in HD‐Position aufgebaut. Bei steigendem Motordurchsatz kann aufgrund der seriellen Verschaltung der beiden ATL ein vergleichsweise hoher Ladedruck mit geringen Stufendruckverhältnissen aufgebaut werden. Die geringen Stufendruckverhältnisse führen v. a. im oberen Lastbereich bei niedriger Motordrehzahl zu einem guten Strömungswirkungsgrad der Aufladegruppe. Da der ATL in der HD‐Position i. d. R. für ein gutes Anfahrverhalten und geringe Emissionen in der Teillast ausgelegt ist (kleine Auslegung), muss er bei größerem Motordurchsatz mit einem Bypass umgangen werden. Im oberen Leistungsbereich wird der Ladedruck nur durch den größeren ATL in der Niederdruckposition bereitgestellt. Aufgrund des einstufigen Betriebs ergeben sich hierbei ähnlich hohe Stufendruckverhältnisse wie bei einer einstufigen Abgasturboaufladung. Mit der zweistufig geregelten Aufladung werden bei PKW‐Dieselmotoren der Abgasstufen EU5 und EU6 spezifische Leistungen von bis zu 85 kW/l erreicht.

    Um eine weitere Steigerung der spezifischen Leistung im Vergleich zu Motoren mit parallel‐sequenzieller und zweistufig geregelter Aufladung zu ermöglichen, hat BMW ein Aufladekonzept entwickelt, bei dem sowohl im unteren als auch im oberen Leistungsbereich eine serielle Verschaltung von ATL zum Einsatz kommt. Dieses Tri‐Turbo‐Aufladekonzept verfügt über drei ATL, von denen zwei in der HD‐Position parallel angeordnet sind. Im Bereich niedriger Motordurchsätze wird nur einer der beiden HD‐ATL durchströmt. Der ATL in der Niederdruck(ND)‐Position wird turbinenseitig in allen Betriebssituationen durchströmt. Der Verdichter des ND‐ATL wird bei Anfahrvorgängen aus niedrigen Drehzahlen bypassiert, um einen schnelleren Ladedruckaufbau zu erzielen (hohes Rotationsträgheitsmoment des großen ND‐ATL). Mit dem Tri‐Turbo‐Aufladekonzept erreicht der BMW‐Motor N57D30S1 eine spezifische Leistung von 93 kW/l.

    Der Einsatz von mechanisch oder elektrisch angetriebenen Aufladevorrichtungen (Strömungslader oder Verdrängerlader) hat sich in Dieselmotoren bisher nicht durchgesetzt. Ausschlaggebend ist der Verbrauchsnachteil der durch diese Konzepte entsteht. Zum einen ist es nachteilig, den Abgasenthalpiestrom nicht als Energiequelle für die Aufladung zu nutzen, zum anderen weisen die Komponenten (gegebenenfalls Elektromotor, Getriebe, Aufladevorrichtung) als Gesamtverband ein relativ schlechtes Wirkungsgradverhalten auf.

    Abgasrückführstrecke

    Die Abb. 3.8 zeigt schematisch den Aufbau von HD‐ und ND‐Abgasrückführungs(AGR)‐Systemen sowie eine Kombination der beiden Systeme. Aus Gründen der Einfachheit ist in Abb. 3.8 nur die Kombination mit einer einstufigen Abgasturboaufladung dargestellt. Die AGR‐Systeme lassen sich prinzipiell aber mit allen im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Aufladekonzepten kombinieren.

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    Abb. 3.8

    Abgasrückführungssysteme

    Der prinzipbedingte Vorteil von ND‐AGR ist die Unabhängigkeit des Massenstroms über die ATL‐Strömungsmaschinen von der Höhe der AGR‐Rate. Im Gegensatz zur HD‐AGR sinkt der Massenstrom über die ATL‐Strömungsmaschinen bei ND‐AGR nicht, wenn die AGR‐Rate angehoben wird (Abb. 3.9).

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    Abb. 3.9

    Entkopplung von Abgasrückführungsrate und Abgasturboladerverhalten bei Niederdruckabgasrückführung. (Vgl. auch Tietze et al. 2006)

    Wie Abb. 3.9 zeigt, kann durch ND‐AGR an Betriebspunkten geringer Motorlast und Motordrehzahl ein höherer Ladedruck und damit ein höheres Verbrennungsluftverhältnis bei einer gegebenen AGR‐Rate eingestellt werden. In bestimmten Motorkennfeldbereichen lassen sich hierdurch Vorteile in der Rußemission und im Kraftstoffverbrauch erzielen. Bei Einstellung eines konstanten Verbrennungsluftverhältnisses kann der Ladedruckvorteil in eine Anhebung der AGR‐Rate umgewandelt werden, wodurch im Vergleich zu Konzepten mit HD‐AGR ein Vorteil in der NOx‐Emission bei gleicher Rußemission und gleichem Kraftstoffverbrauch erzielt werden kann (Abb. 3.10).

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    Abb. 3.10

    Vorteile von Niederdruckabgasrückführung bezüglich Kraftstoffverbrauch und Schadstoffverhalten. (Vgl. auch Tietze et al. 2006)

    3.2.3 Einspritz‑ und Gemischbildungssystem

    Ladungsbewegung und Brennraumform

    Die Einlasskanäle von PKW‐Dieselmotoren werden üblicherweise für einen möglichst hohen Drall ausgelegt, wobei aufgrund der Leistungsziele bestimmte Grundanforderungen an das Füllungsverhalten und damit an das Ventil‑ und Kanalkonzept vorliegen. Da die beiden Einlasskanäle bei Vierventilzylinderköpfen i. d. R. ungleich in der Drallerzeugung sind, kann an Teillastpunkten mit geringem bis mittlerem Gasdurchsatz eine Steigerung des Dralls realisiert werden, indem die Gaszufuhr in den Zylinder durch den Einlasskanal mit geringerer Drallneigung mithilfe einer Klappe abgeschaltet wird.

    Das Verhältnis aus räumlich gemittelter Winkelgeschwindigkeit der Ladungsrotation und zeitlich gemittelter Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle wird auch als Drallzahl nach Thien bezeichnet (Thien 1965). Diese Kennzahl liegt zum Zeitpunkt ZOT bei EU5‐PKW‐Dieselmotoren mit Vierventiltechnik ohne abgeschalteten Einlasskanal üblicherweise im Bereich von eins bis drei. Durch Einsatz der Einlasskanalabschaltung kann eine Steigerung des Dralls um etwa 50–80 % erreicht werden.

    Die Brennraummulde von PKW‐Dieselmotoren weist in den meisten Fällen eine Omega‐Form auf (ω‐Mulde) und ist anders als bei NFZ‐ und Großdieselmotoren verhältnismäßig tief. Die Abb. 3.11 zeigt einen Schnitt durch eine typische Kolbenmulde eines EU5/EU6‐PKW‐Dieselmotors mit einem geometrischen Verdichtungsverhältnis von ε = 15,5. Die Abbildung zeigt darüber hinaus die Kontur der Kolbenmulde des Vorgängermotors mit EU4‐Zertifizierung (ε = 17,7). Es ist zu erkennen, dass die Kolbenmuldenform beim Übergang von EU4 zu EU6 nicht wesentlich verändert wurde.

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    Abb. 3.11

    Kolbenmuldenvergleich zwischen EU4 und EU5/EU6 im Daimler OM642. (Vgl. auch Werner 2010)

    Die Lage der Einspritzstrahlen und die Form der Kolbenmulde werden in PKW‐Dieselmotoren so gewählt, dass der gegen die Kolbenwand strömende gasförmige Kraftstoff sowohl nach unten in die Mulde als auch nach oben in Richtung Brennraumplatte und Quetschspalt abgelenkt wird. Die Strahllage und die Kontur der Kolbenmulde im Bereich des Strahlauftreffpunkts spielen daher für die Beeinflussung der Lufterfassung im PKW‐Dieselmotor eine wesentliche Rolle.

    Die Abb. 3.12 zeigt eine Modellvorstellung für die Ablenkung des gasförmigen Kraftstoffs an der Kolbenmuldenwand in Light‐Duty‐Dieselmotoren (vgl. auch Miles 2006). Die Mittenerhebung in der Kolbenmulde dient v. a. dem Ausfüllen des vom Kraftstoff nur schwer bzw. nur spät im Verbrennungszyklus erreichbaren Volumens in der Mitte des Brennraums. Durch die Mittenerhebung kann bei konstantem Verdichtungsverhältnis ein größeres Volumen im äußeren Bereich der Kolbenmulde erzielt werden.

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    Abb. 3.12

    Interaktion von Einspritzstrahl und Kolbenmuldenwand im PKW‐Dieselmotor. (Vgl. auch Miles 2006)

    Wie Abb. 3.13 für eine NFZ‐Einspritzdüse mit einem Lochaustrittsdurchmesser von d = 246 µm zeigt, ist die Penetrationstiefe des flüssigen Kraftstoffstrahls bei warmem Motorzustand und mittleren Brennraumdichten in der Größenordnung des Muldendurchmessers (vgl. auch Flynn et al. 1999). Bei PKW‐Dieselmotoren ist die Penetrationstiefe des flüssigen Kraftstoffstrahls im Verhältnis zum Muldendurchmesser i. d. R. etwas größer als bei NFZ‐Dieselmotoren.

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    Abb. 3.13

    Eindringtiefe des flüssigen Kraftstoffstrahls in einem Nutzfahrzeugdieselmotor mit Direkteinspritzung. (Vgl. auch Flynn et al. 1999)

    Einspritzdruck und Variabilitäten

    Der maximale Einspritzdruck wurde seit der Einführung der Direkteinspritzung in PKW‐Dieselmotoren stetig gesteigert. Das Ziel bei der Steigerung des maximalen Einspritzdrucks ist die Verbesserung des Zielkonflikts zwischen der erreichbaren Nennleistung und dem Schadstoffverhalten im Teillastbetrieb.

    Um eine möglichst hohe Nennleistung innerhalb der Triebwerksgrenzen bezüglich Zylinderdruck und Abgastemperatur zu erreichen, ist eine möglichst hohe Einspritzrate erforderlich. Die Einspritzrate hängt sowohl vom Düsendurchfluss als auch vom Einspritzdruck ab.

    Da ein geringer Düsendurchfluss vorteilhaft für das Schadstoffverhalten im Teillastbetrieb ist, kann eine hohe Nennleistung ohne entsprechende Nachteile im Schadstoffverhalten nur durch einen hohen Einspritzdruck erreicht werden.

    Die Abb. 3.14 zeigt die Steigerung des Einspritzdrucks bei Bosch‐Common‐Rail(CR)‐Einspritzsystemen seit dem Jahr 1997 (s. auch Leonhard und Warga 2008).

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    Abb. 3.14

    Roadmap Bosch‐Common‐Rail‐System für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge. (Vgl. auch Leonhard und Warga 2008)

    Aufgrund der Anforderungen durch Abgasnachbehandlungssysteme haben sich bei PKW‐Dieselmotoren CR‐Direkteinspritzsysteme durchgesetzt. Ausschlaggebend ist die Anforderung an die Nacheinspritzfähigkeit, die für das Aufheizen und die Regeneration von den Abgasnachbehandlungskomponenten benötigt wird. Die Nacheinspritzungen müssen hierfür bezüglich der Anzahl, der jeweiligen Kraftstoffmenge und des zeitlichen Abstands zueinander flexibel kalibrierbar sein. Die Abb. 3.15 zeigt typische Einspritzstrategien im Motorkennfeld. Die gestrichelten Nacheinspritzungen werden in

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