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Reise um die Welt 1594: Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz
Reise um die Welt 1594: Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz
Reise um die Welt 1594: Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz
eBook372 Seiten5 Stunden

Reise um die Welt 1594: Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz

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Über dieses E-Book

Im Jahr 1594 segelt Francesco Carletti im Alter von 21 Jahren mit seinem Vater zu den Kapverdischen Inseln um dort Sklaven zu kaufen. Seine Reise führt ihn weiter nach Kolumbien, Peru, Mexiko, zu den Philippinen, nach Japan und China. In Macao stirbt sein Vater, bei St. Helena gerät Carletti in die Fänge von holländischen Piraten und verbringt gezwungenermaßen drei Jahre erfolglos für sein Eigentum prozessierend in Middleburg. 1606 kehrt er nahezu mittellos nach Florenz zurück, wo er dem erlebnishungrigen Großherzog Ferdinand de Medici von seiner Reise berichtet – von den Festtagstänzen der Indios in Lima, den sexuellen Bräuchen der Bisaios auf Luzon und dem Hurrikan auf Macao. Der für alle Eindrücke aufgeschlossene Welt- und Menschenbeobachter Carletti berichtet von exotischen Begebenheiten, verschließt seine Augen aber auch nicht vor der harten Realität und wird beim Sklavenhandel vom eigenen Gewissen geplagt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Okt. 2017
ISBN9783843805469
Reise um die Welt 1594: Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz

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    Buchvorschau

    Reise um die Welt 1594 - Francesco Carletti

    ERSTES BUCH: WESTINDIEN

    ERSTER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

    Schildert die Abreise von Florenz nach Spanien und von dort nach den Kapverdischen Inseln, sowie einige frühere Begebenheiten.

    Ich habe, Durchlauchtigster Fürst, zugleich mit meiner ganzen Habe auch alle Schriften und Notizen verloren, in denen ich die von mir durchgeführte Reise um die Welt beschrieben hatte. Das ist der Grund dafür, dass ich Eurer Hoheit nicht mit der gleichen eingehenden Genauigkeit über jede Einzelheit berichten kann, die ich in den von mir erwähnten Aufzeichnungen beobachtet und festgelegt hatte. Ich kann also nur das berichten, was mir – trotz dem mir widerfahrenen Unheil – im Gedächtnis geblieben ist. Das aber werde ich jetzt nach bestem Wissen nochmals überdenken und mir dabei nur jene Dinge in Erinnerung rufen, die ich auf meinen Reisen getan und gesehen habe, ebenso wie alles, was mir widerfahren ist, bis ich in die Stadt Florenz zurückkehrte, wo ich mich heute, am 12. Juli 1606, bei Eurer Durchlauchtigster Hoheit befinde.

    Zunächst möchte ich, Durchlauchtigste Hoheit, damit beginnen, dass ich am 20. Mai des Jahres nach unserer Erlösung 1591 – ich war damals achtzehn Jahre alt – die Stadt Florenz verließ, um mich nach Spanien zu begeben. Das geschah in Begleitung und im Dienste von Nicolò Parenti, eines Florentiner Kaufmanns. Wir gingen in Livorno an Bord einer Galeone des Pietro Paolo Vassallo aus Genua. Nach zwanzigtägiger günstiger Seefahrt kamen wir in Alicante an, von wo aus wir auf dem Landweg nach Sevilla fuhren. In dieser in der Provinz Andalusien gelegenen Stadt wollte Parenti sich niederlassen, während ich – auf Anordnung meines Vaters – in seinen Diensten stand, um bei ihm den Kaufmannsberuf zu erlernen. Ich blieb in Sevilla, bis 1593 mein Vater, Antonio Carletti, von Florenz her ebenfalls dort eintraf. Nach gründlicher Überlegung beschloss er, mich nach Cabo Verde zu schicken, das heißt nach den Kapverdischen Inseln, die man sonst auch die Hesperiden nennt. Auf den Inseln sollte ich schwarze Sklaven kaufen, diese dann nach Westindien bringen und sie dort wieder verkaufen.

    Nachdem ich alles, was für eine solche Reise und ein solches Geschäft erforderlich ist, geregelt hatte und gerade die Ausreise antreten wollte, entstanden derartige Schwierigkeiten, dass sich mein Vater entschloss, gleichfalls an der Fahrt teilzunehmen. Denn eigentlich war es ja seine Absicht gewesen, dass ich allein fahren sollte.

    Solche Reisen und die Schifffahrt nach Indien dürfen nämlich nur von Angehörigen der spanischen Nation durchgeführt werden. Wir – als Italiener und Ausländer – liefen Gefahr, unser ganzes Hab und Gut, das wir in ein solches Geschäft steckten, zu verlieren, wenn es jemals bekannt werden sollte, dass die Ware unser Eigentum war. Um diese Hindernisse zu beseitigen, ordnete mein Vater an, dass alles im Namen einer dritten Person abgewickelt werden sollte. Diese dritte Person war die Ehefrau des Cesare Baroncini, Pisanerin von Herkunft, aber in Sevilla verheiratet. Sie gab mir Prokura und die Vollmacht, dieses Geschäft als ihr Agent durchzuführen. Insgeheim wurden andere Papiere ausgestellt, die den wahren Sachverhalt klarlegten.

    Zur Durchführung unserer Reise mieteten wir ein kleines Schiff von etwas mehr als 400 Tonnen, das uns völlig zur Verfügung stand. Nachdem wir durch die in Sevilla ansässige Vertragsfirma für Westindien die Segelanweisung erhalten hatten, begab ich mich, unter Wahrung aller Förmlichkeiten, mit meinem Vater an Bord. Er aber musste das heimlich tun, weil er keine Lizenz für die Überfahrt nach Indien hatte. Ich selbst ließ mich anheuern und in die Mannschaftsliste eintragen.

    Nachdem dann am 8. Januar des Jahres 1594 Beamte des Königs die auf dem Schiff befindlichen Personen überprüft hatten, liefen wir aus dem Hafen Sanlucar de Barrameda aus. Dieser Hafen ist an der Mündung des Betis-Flusses gelegen, der im Allgemeinen Guadalquivir genannt wird. Der Name bedeutet in maurischer Sprache »Großer Fluss«. Nachdem wir die Segel gesetzt hatten, nahmen wir – allein und ohne Geleitschutz – Kurs auf die Kapverdischen Inseln.

    Nach neunzehntägiger Seefahrt kamen zunächst die »Glücklichen Inseln« in Sicht, die man auch die Canarias nennt. Es sind sieben Inseln, die folgende Namen tragen: Lanzarote, Fuerteventura, La Gomera, Ferro, La Gran Canaria, Teneriffa und La Palma. Sie alle haben eine spanische Bevölkerung und befinden sich auch in spanischem Besitz. Auf den Inseln baut man sehr viel Wein an, und außerdem betreibt man dort viel Viehzucht.

    Vor dem afrikanischen Festland hatten wir uns, auf der Höhe des Kap Bianco, etwa vier Stunden lang aufgehalten und in einer Tiefe von sechs bis sieben Ellen sehr große und gute Fische von rosa Farbe gefangen, die von den Spaniern pagros (Meerbrassen – d. Übers.) genannt werden. Dann setzten wir unsere Fahrt fort und erreichten die Kapverdischen Inseln, wo wir in den Hafen der Insel São Thiago einliefen. Von den größeren Inseln, deren es sechs gibt, kam zuerst jene mit dem Namen Sal in Sicht. Dann folgte Bõa Vista. Nahe bei São Thiago liegen die Inseln Maio, Fogo und Viana. Eine Gruppe von vier weiteren Inseln, die zwischen dem 17. und 18. Grad nördlich des Äquators gelegen sind, führen die Namen: São Antão, São Vicente, São Nicolão und Santa Luzia.

    Die Insel São Thiago, auf der wir landeten, liegt 16 Grad nördlich der Äquatorlinie. Sie ist etwa 1500 Meilen von Spanien und 300 Meilen von Cabo Verde auf dem afrikanischen Festland entfernt. Auf dieser Insel gibt es eine kleine Stadt, die »Name Gottes« heißt (heutige Hauptstadt: Praia – d. Übers.). Ihr nicht sehr großer Hafen liegt im Süden der Insel. Die Stadt hat ihren Bischof, und die etwa 50 Häuser werden von verheirateten Portugiesen bewohnt. Sie haben entweder weiße Frauen aus Portugal oder schwarze aus Afrika. Andere wieder leben mit Mulattinnen, also mit Frauen, die von einem Weißen und einer Mohrin – wir sagen wohl richtiger: einer Schwarzen – abstammen. Die Portugiesen ziehen die schwarzen Frauen ihren portugiesischen vor, denn für sie ist es eine erwiesene Tatsache, dass der Umgang mit den Schwarzen viel weniger nachteilig und dabei unterhaltsamer ist. Die Portugiesen sagen, dass diese Frauen eine viel regere und gesündere Natur haben. In diesem Klima können Europäer kaum eine Stunde lang frisch und lebhaft bleiben (Im Originaltext steht statt »lebhaft«: »gesund«. Das schlechte Klima der Kapverdischen Inseln ist bekannt, trotzdem wirkt Carlettis Behauptung übertrieben. Eine unglückliche Formulierung bei der Rekonstruktion des Originaltextes? – d. Übers.). Man hat den Eindruck, dass sich portugiesische Männer und Frauen gleichsam taumelnd durch die Straßen bewegen – fast bei jedem Schritt scheinen sie zu stolpern. Dabei haben sie eine ganz blasse – richtiger gesagt: eine gelbe – Gesichtsfarbe, sodass sie eher tot als lebendig aussehen. Am schlimmsten ist es während der Regenzeit, die vier Monate hintereinander anhält. Sie beginnt Anfang Mai und dauert bis Ende August. Während dieser Zeit verlassen die Portugiesen die Stadt, um auf dem Land oder in den höher gelegenen Teilen der Insel zu leben, wo sie ihre Villen haben. Dort genießen sie die frische, kühle Luft und den Schatten der Palmen. Die Palmen tragen Früchte von der Größe eines Männerkopfes. Die Früchte nennt man dort cochos oder einfach »indische Nüsse«.

    Auch die Früchte einer anderen Pflanze sind schmackhaft und erfrischend. Diese hat sehr grüne Blätter, und jedes von ihnen ist so groß, dass eine Person darunter Schatten finden kann. Die Pflanze trägt Früchte, die etwa die Länge einer Handfläche – zuweilen auch weniger – haben. Man nennt sie hier badanas. Die Früchte haben die Dicke einer Gurke und eine glatte Schale, die man so wie bei unserer einheimischen Feige abzieht. Sie sind aber größer und fester. Das Innere wird gegessen. Es hat ein süßes Aroma und ist angenehm für die Zähne – fast wie eine sehr reife Melone, aber trockener und ohne Saft. Man isst die Früchte auch geröstet oder über glühenden Kohlen bereitet, so wie Birnen, und dann gießt man etwas Weißwein darüber, was einen sehr herzhaften Geschmack gibt. Wenn diese Frucht grün ist, röstet man sie, nachdem man zuvor die Schale abgezogen hat. Während man sie roh – des bitteren Geschmacks wegen – nicht genießen kann, mundet sie nach dem Rösten so gut, dass man sie anstelle von Brot verwendet. Schließlich kann man aus dieser Frucht auch verschiedene Speisen bereiten, so wie das die Kastilier in Westindien tun, wo man die gleichen Früchte platanos nennt. Die Portugiesen in Ostindien nennen sie figos, und es gibt ihrer eine ungeheure Anzahl von Sorten – darunter so kleine, dass man sie mit einem Bissen verzehren kann.

    In der Regenzeit wird sehr viel gefischt, denn es gibt in den Flüssen und Bächen mancherlei Fischarten, und besonders reichlich natürlich in der See. Man muss die Fische aber sofort nach dem Fang essen oder einsalzen, denn sobald sie auch nur eine Stunde aus dem Wasser sind, kann man sie wegen der Unbilden des Wetters und der großen Hitze nicht aufbewahren. Vor allem darf man Fische, die bei Nacht gefangen werden, nicht dem Mondlicht aussetzen, denn dann verderben sie sofort derart, dass man sie zu nichts mehr verwenden kann – es sei denn, dass man sie den schwarzen Sklaven überlässt, die solche Fische ebenso gern essen wie wir die frischen. Der verdorbene Fisch hat einen kräftigeren Geschmack, und gerade das lieben die Schwarzen. So halten sie es mit allen in Fäulnis oder in Verwesung übergegangenen Lebensmitteln, ganz gleich, ob sie von ihnen mitten auf der Straße oder an schmutzigen Orten gefunden werden. In Wahrheit aber werden dadurch viele Krankheiten verursacht, und deshalb versucht man, die Schwarzen am Genuss dieser verdorbenen Abfälle zu hindern.

    Im Übrigen vertreibt man sich die Zeit mit der Jagd auf verschiedene Tiere. Insbesondere werden viele jener Hühner gefangen, die man hier Guinea-Hühner und bei uns afrikanische Hühner nennt. Sie sind ebenso gut wie schön, denn ihr schwarzes Gefieder ist überall mit weißen runden Flecken gesprenkelt. Sie bieten einen prachtvollen Anblick und sind köstlich im Geschmack.

    Vor allem aber gibt es auf diesen Inseln große Mengen von wilden Ziegen – besonders auf der Insel Fogo, die ihren Namen von einem Vulkan hat, der ständig Feuer speit. Das Ziegenfleisch wird eingesalzen und dann von Schiffen – sogenannten Karavellen die aus Portugal, von den Kanarischen Inseln und Madeira kommen, abgeholt. Diese Schiffe bringen Vorräte an Getreide, Weinen, Gemüse und getrockneten Früchten heran. Sie tauschen ihre Güter gegen das gepökelte Ziegenfleisch dieser Inseln ein, das sie dann zu den Einwohnern der Insel São Thomé bringen, die unterhalb des Äquators gelegen ist. Auch nach Brasilien und anderen Gegenden Amerikas bringen sie Ziegenfleisch. Auf all diesen Inseln gibt es auch viele Katzen, aus denen man das zibetto (stark riechendes Parfüm aus Drüsenabsonderungen der Zibetkatze – d. Übers.) bereitet, das recht gut ist.

    Weiter finden sich hier in großer Zahl jene Affen, die wir als Meerkatzen bezeichnen. Sie haben einen langen Schwanz und werden hierzulande von den Portugiesen bugios genannt. Man bringt ihnen das Tanzen und allerlei Spiele und Späße bei. Ich habe gesehen, dass einige von ihnen gelernt hatten, auf einer Ecke des Tisches zu stehen, während gegessen wurde. Sie hielten eine Kerze in der Pfote und leuchteten den Tafelnden. Dabei legten sie große Umsicht an den Tag, indem sie es zu vermeiden wussten, dass Wachstropfen auf das Tischtuch fielen oder dass sie irgendeinen anderen Fehler machten. Oft kam es vor, dass die Kerze so weit heruntergebrannt war, dass sich das Tier die Finger versengte. Dann nahm es die Kerze zunächst in die andere Hand, bis es sich auch diese versengte und darum schließlich die Kerze fallen ließ. Das geschah aber nur, wenn der Schmerz nicht mehr auszuhalten war. Und man hatte dann den Eindruck, als wollte das Tier durch Schütteln des Kopfes und Klappern mit den Zähnen erklären, warum es die Kerze fallen ließ. Dabei sind diese Äffchen so behutsam, dass sie den Kerzenstummel nicht auf den Tisch fallen lassen.

    Für die gleichen Dienste verwendet man hier auch Sklaven, von denen je einer, völlig nackt, mit der Kerze in der Hand am Kopf- und Fußende des Tisches steht, während ihre Herren speisen und sich unterhalten. So dienen sie als Leuchter und erfüllen ihre Aufgabe wohl mindestens ebenso gut wie silberne Kerzenhalter.

    Nun möchte ich noch etwas mehr über die verheirateten Männer sagen, das heißt, über die auf den Inseln lebenden Portugiesen: Es steht außer Zweifel, dass sie eine schwarze Frau aus diesem Land höher schätzen als eine weiße Frau aus Portugal. Man könnte fast meinen, der hiesige Himmel fordere und wünsche gleichsam, dass alles, was aus dem heimischen Land kommt, besser gefallen solle, als das Fremde. So lehrt die Erfahrung, dass sich jeder Portugiese, der keine Eingeborene zur Frau hat, sehr bald eine schwarze Konkubine beschafft. Schließlich ist dann die gegenseitige Zuneigung meist so groß, dass die Portugiesen die schwarzen Frauen heiraten und mit ihnen so glücklich leben, als gehörten sie der gleichen Nation wie sie selbst an. Und tatsächlich kann nicht bestritten werden, dass man unter den schwarzen Frauen viele antrifft, die an Tüchtigkeit, Auffassungsgabe, Gesichtsbildung, körperlicher Verfassung und Ebenmaß der Glieder – von der Farbe abgesehen – unsere europäischen Frauen bei Weitem übertreffen. Ich muss gestehen, dass auch ich diesem Zauber verfallen bin, denn einige Frauen waren in meinen Augen wirklich schön, und ihre schwarze Farbe wirkte keineswegs abstoßend auf mich. So gleicht man sich denen an, die Tag für Tag nichts anderes vor Augen haben. Die Gewohnheit macht es, dass ihnen das Andersartige nicht mehr seltsam vorkommt. Alle Weißen, die in Afrika, Cabo Verde, dem Kongo und Angola leben, werden das sicherlich ohne weiteres bestätigen – besonders aber die Bewohner dieser Inseln, zu denen auch viele Kaufleute und Durchreisende gehören, die in diesen Gebieten Handel treiben. Alle erkennen im Übrigen an, dass sie dem von Portugal eingesetzten Gouverneur Gehorsam schuldig sind, denn es handelt sich um ein Land, das jener Krone untersteht. Auf São Thiago gibt es – ebenso wie auf allen umliegenden Inseln – keine anderen Einwohner als Portugiesen, Schwarze und Mulatten. Letztere stammen von einer schwarzen Mutter und einem portugiesischen oder einem anderen weißen Vater ab.

    Unter der großen Anzahl schwarzer Sklaven befinden sich auch freie, die sich als Kaufleute betätigen, einige sogar als Geistliche, und geweihte Priester, die berechtigt sind, die Heiligen Sakramente zu verabreichen (»Freie« Sklaven können nur Freigelassene sein. Oder sind freie Schwarze gemeint? – d. Übers.). Sie leben – ebenso wie ihr Bischof, der ein Portugiese ist – vom Kauf und Verkauf schwarzer Sklaven, die von portugiesischen Kaufleuten auf die Inseln gebracht werden. Kaufleute holen die Sklaven vom afrikanischen Festland, von Cabo Verde und Los Rios, das heißt also aus den Flussgebieten an der afrikanischen Küste, die das ganze Jahr über schiffbar sind. Es ist eine riesige, fast unermessliche Anzahl von Schwarzen, die sie gegen verschiedene Waren – besonders gegen Kleidungsstücke aus Baumwolle, die auf diesen Inseln wächst – einhandeln.

    Mit Baumwollwaren und mit viel weißem Wein von den Kanarischen Inseln und Madeira beladen fahren ihre Schiffe, die etwa die Form von Fregatten haben, in die afrikanischen Stromgebiete und Häfen. Dort gehen die Kaufleute in Booten, die unter Segel fahren oder gerudert werden, an Land. (Originaltext offenbar verderbt: »Dort fahren sie mit Booten, die etwa die Form von Fregatten haben, an Land. Diese Schiffe können unter Segeln fahren und auch gerudert werden.« – d. Übers.). In all jenen Häfen gibt es den Portugiesen gehörige Faktoreien, die auf dem Tauschweg gegen Waren schwarze Sklaven einhandeln. Die Waren tauschen sie gegen Landesprodukte und weitere Sklaven ein, die entweder bei Kämpfen gefangengenommen oder von ihnen geraubt wurden. So wandern die Sklaven von Hand zu Hand, bis sie hier auf der Insel São Thiago dann an die Leute verkauft werden, die mit ihren Schiffen von Spanien herüberkommen und die Sklaven gegen bares Geld erwerben, um sie dann, mit einer Lizenz des Königs von Spanien, nach Westindien zu bringen. Wir unsererseits brachten einen Teil unseres Besitzes in Dublonen (Goldgulden) und einen Teil in Kreditbriefen mit, die uns Kaufleute in Lissabon ausgestellt hatten. Für die auf jene Kaufleute gezogenen Wechsel, gab man uns auf São Thiago Sklaven.

    Über die erwähnten königlichen Lizenzen muss ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit sagen, dass man nicht so ohne weiteres Mohren – oder sagen wir: Schwarze – aus Afrika oder aus irgendeinem anderen Gebiet von Guinea holen kann, um sie an einen beliebigen Ort im spanischen Hoheitsgebiet zu bringen. Vielmehr muss man sich vorher Lizenzen von der Königlichen Kammer oder von denen, die sie in Unterpacht haben oder denen sie vom König geschenkt wurden, besorgen. Es gibt zwei Arten von Lizenzen. Die ersten werden »freie« und die anderen »Viertel« genannt. Wir kauften 80 der erstgenannten Lizenzen zu je 25 Scudos gegen Bargeld. Für jede Lizenz waren wir berechtigt, einen Sklaven von Cabo Verde – ich meine jetzt die Insel – mitzunehmen und diesen Sklaven, frei und ohne weitere Abgaben an die Krone von Kastilien – abgesehen von einigen geringen Spesen –, nach Indien zu transportieren. Das befreite uns aber nicht von der Gebühr, die an die Vermittler dieses Sklavengeschäfts zu entrichten ist, die ihrerseits der Krone von Portugal unterstehen. Auf den Kapverdischen Inseln sind für jeden aus dem Land geholten Sklaven 16 Scudos zu bezahlen. Soweit es sich um Lizenzen der anderen, der sogenannten »Viertel«-Art handelt, die nur halb so viel kosten wie die »freien«, muss man – nachdem man in Indien angekommen ist – dem König von Spanien als Zollabgabe den vierten Teil der Sklaven, die man lebend hinübergebracht hat, überlassen. Bringt man aber von der einen oder von der anderen Sorte mehr Lizenzen als Sklaven mit, so kann man die Lizenzen wieder verkaufen. Im umgekehrten Falle, wenn man also weniger Lizenzen als Sklaven hat, werden einem alle Sklaven, für die man keine Lizenz hat, ohne jede Gegenleistung fortgenommen.

    Das wäre für heute das, was ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit aus dem Gedächtnis mitteilen kann. Morgen werde ich – sofern das genehm ist – über die Art und Weise berichten, in der wir auf den Kapverdischen Inseln verhandelten. Weiter werde ich über das Verfahren beim Ankauf der Sklaven und über unsere Abfahrt mit den Sklaven sowie über unsere Ankunft in der Stadt Cartagena in Indien berichten.

    ZWEITER BERICHT ÜBER WESTINDIEN

    Behandelt das Verfahren beim Ankauf von schwarzen Sklaven auf den Kapverdischen Inseln und deren Überführung nach Westindien in die Stadt Cartagena.

    Gestern habe ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit versprochen, dass ich über unsere Verhandlungsart auf den Kapverdischen Inseln berichten würde.

    Sobald wir an Land gegangen waren, mieteten wir ein Haus und machten bekannt, dass wir Sklaven kaufen wollten. Darauf veranlassten jene Portugiesen, die ihre Menschenware auf dem Land bei ihren Villen wie das Vieh in Hürden eingepfercht halten, dass die Schwarzen in die Stadt geführt und uns gezeigt werden sollten. Nachdem wir einige von ihnen gesehen und nach den Preisen gefragt hatten, stellten wir fest, dass es uns nicht gelingen würde, so große Gewinne zu erzielen, wie wir sie uns in Spanien auf dem Papier errechnet hatten. Das war darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage, infolge der großen Zahl der hier eingelaufenen Schiffe, sehr groß war. Alle wollten Sklaven für Indien erwerben, und das führte zu stark erhöhten Preisen. Während der Preis für einen Sklaven sonst 50 oder höchstens 60 Scudos betrug, mussten wir jetzt 100 Scudos für jeden bezahlen. Dabei durfte man sich noch glücklich preisen, wenn man überhaupt einige erwerben konnte, um sie nach drüben zu bringen. So standen wir vor der Wahl: Vogel friss oder stirb!

    Wir kauften also 75 Sklaven zu dem genannten Preis. Zwei Drittel davon waren Männer und das letzte Drittel Frauen, und zwar alte und junge, große und kleine, bunt durcheinandergewürfelt. Das ist hierzulande so üblich – etwa so wie man bei uns eine Schafherde kauft. Natürlich überzeugt man sich davon, dass alle gesund und in guter Verfassung sind und keine körperlichen Mängel aufweisen. Dann lässt der Besitzer jeden Sklaven markieren – oder, um es genauer zu sagen: Er stempelt jeden mit seiner Marke ab, die aus Silber gefertigt ist und an der Flamme einer Talgkerze erhitzt wird. Mit dem Talg werden die betreffenden Körperstellen und das Siegel eingeschmiert. Die Marke wird auf der Brust, auf einem Arm oder auf dem Rücken angebracht, sodass man die Sklaven leicht unterscheiden kann. Die Erinnerung an diese Maßnahme, die ich auf Anordnung eines höheren Beamten ausführte, erfüllt mich mit Betrübnis und Gewissensbissen. Mir wird so etwas, Durchlauchtigster Herr, immer als eine unmenschliche Handlung erscheinen, die eines gläubigen und frommen Christen unwürdig ist.

    Eingeborene der Kapverdischen Inseln

    Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass hier Gewinn aus dem Handel mit Menschen gemacht wird, oder um es noch genauer zu sagen, aus menschlichem Fleisch und Blut. Das ist umso verwerflicher, da es sich um Getaufte handelt, die sich zwar in Hautfarbe und im Besitz irdischer Güter von uns unterscheiden, deren Seelen aber von dem gleichen Schöpfer geschaffen wurden, wie die unseren auch. Ich bitte Seine Göttliche Majestät um Verzeihung, obwohl Gott sehr wohl weiß, dass mein ganzes Wesen und meine Überzeugung solche Geschäfte stets verabscheut haben und daher solcher Verzeihung nicht bedürfen. Jeder soll es wissen, und ich bitte Eure Durchlauchtigste Hoheit davon überzeugt zu sein, dass mir dieses Geschäft keineswegs zugesagt hat. Jedenfalls aber haben wir uns dennoch damit befasst, und vielleicht haben wir alle dafür büßen müssen. Das wird am Ende meines zweiten Berichtes ersichtlich werden, den ich Eurer Durchlauchtigsten Hoheit über diese Reise und über alles, was uns in deren Verlauf widerfahren ist, erstatten werde.

    Zu dem Sklavengeschäft möchte ich noch bemerken, dass wir die bereits erwähnten 75 schwarzen Männer und Frauen zum Preise von je 100 Scudos eingekauft hatten. Einige von ihnen kosteten uns aber – einschließlich aller Spesen – mehr als 170 Scudos. Zum Kaufpreis kamen nämlich hinzu: 25 Scudos für die königliche Lizenz, 16 Scudos für die Ausfuhrabgabe an die Kapverdischen Inseln und 21 Scudos für den Transport von dort nach Cartagena in Indien. Ferner kamen kleinere Spesen für den Lebensunterhalt und andere Dinge hinzu. Der Tod einiger Sklaven während der Überfahrt belastete das Geschäft noch zusätzlich.

    Für je zehn meiner Sklaven bestimmte ich einen Schwarzen, der für diese Gruppe verantwortlich war. Natürlich suchte ich mir für diesen Posten möglichst kluge und umsichtige Leute aus. Dadurch glaubte ich eine gewisse Garantie dafür zu haben, dass meine Anordnungen bezüglich der Sklaven und besonders ihrer Ernährung auch durchgeführt wurden. Sie sollten zweimal am Tag eine bestimmte Sorte besonders nahrhafter Bohnen erhalten. Diese Bohnen wachsen dort, und man kocht sie einfach in Wasser, um sie dann mithilfe von Öl und Salz schmackhafter zu machen.

    Bis zur Einschiffung brachte ich die Sklaven in zwei Räumen unter, die streng voneinander getrennt waren. In einen Raum kamen die Männer, und in den anderen die Frauen. Sie bewegten sich völlig nackt und ohne jede Bekleidung, außer der ihnen von der Natur geschenkten Haut. Ein Fetzen Baumwolle, Leder, Fell, Lumpen oder Blätter von Bäumen genügen ihnen, um jenen Körperteil zu verdecken, der uns infolge der Erbsünde schamhafter erscheint als die anderen. Aber viele von ihnen – Männer sowohl als Frauen – machten sich keine solche Mühe, sei es nun aus Not, Einfalt oder Unfähigkeit, und zeigten sich so, wie die Natur sie geschaffen hatte. Sie bemerkten es gar nicht, dass die anderen gewisse Körperteile aus Scham verdeckten.

    Viele Männer aber legten ein besonderes Feingefühl an den Tag, indem sie sich das Glied mit einem Band oder mit aus Pflanzenfasern gefertigten Fäden zwischen den Schenkeln nach hinten zogen. Dadurch verbargen sie es, und man konnte kaum sagen, ob es sich um Männer oder Frauen handelte. Andere versteckten das Glied im Horn eines kleineren Tieres oder in einer Seemuschel. Wieder andere verhängten das Glied derart mit Ringen aus Knochen oder geflochtenem Gras, dass es unsichtbar und sogar verziert war. Viele bemalten – richtiger gesagt: beschmierten – es auch mit einer Mixtur, sodass es rot, gelb oder grün aussah. Auf solche und ähnliche Weise versuchten sie jene Teile zu bekleiden, die andere unter ihnen, ohne weitere Umstände, einfach unbedeckt ließen.

    Meine oben erwähnte Fürsorge für unsere Sklaven konnte ich allerdings nur kurze Zeit hindurch ausüben. Ich wurde nämlich von einem heftigen Fieber befallen, das entweder durch die ungewohnten Anstrengungen oder durch die ganz andere Luft in diesem mörderischen Klima hervorgerufen wurde. Sicher waren es die Unbilden dieser für mich ungewohnten Witterung, deren Auswirkungen ich bisher nicht gekannt hatte. Ich war noch nie dem seltsamen Einfluss der heißen Zone ausgesetzt gewesen. Die übermäßige Hitze ist für den Fremden sehr schädlich, während sie für den Eingeborenen – wie das in allen Ländern der Fall zu sein pflegt – durchaus erträglich und sogar gesund ist.

    Durch das Fieber war ich ans Bett gefesselt. Hätte die Einschiffung während meiner Erkrankung erfolgen müssen, würde ich jetzt vermutlich in jener Erde ruhen. Immerhin habe ich dort sehr viel Blut lassen müssen, denn man hat mich eine Woche lang jeden Tag zur Ader gelassen. Einer solchen Behandlung musste ich mich zum ersten Mal in meinem Leben unterziehen, aber geholfen hat sie mir nicht.

    Als dann die Zeit gekommen war, zu der ich mit meinen Sklaven die Ausreise nach Indien antreten musste, war ich noch recht krank. Deshalb musste ich zwei Portugiesen mit der Sorge um unsere Schwarzen betrauen. Diese Männer gingen an Bord des von uns gecharterten Schiffes. Dort brachten sie die männlichen Sklaven unter Deck, wo sie in einem Schiffsraum so dicht zusammengepfercht waren, dass sie sich nur mit Mühe von einer auf die andere Seite drehen konnten. Die Frauen verteilten sich über das ganze Deck, wo sie sich, so gut es gehen wollte, einrichteten. Alle bekamen einmal am Tag so viel zu essen, wie sie haben wollten. Die Nahrung bestand aus einem in Wasser gekochten Hirsebrei, wie er in jenen Ländern üblich ist, und der mit Öl und Salz zubereitet wird. Morgens gab man ihnen zum Frühstück eine Handvoll Samenkörner, die dem Anis in unreifem Zustand ähneln, aber nicht dessen Geschmack haben. Nach dem Mittagessen gab es dann zu trinken, wobei die Sklaven den Mund in einen großen Kübel steckten. Jeder trank so viel wie er, ohne Atem zu holen, fassen konnte. Wenn am Abend jemand etwas vom Mittagessen aufgespart hatte, verteilte er das unter die zehn Sklaven seiner Gruppe.

    Nachdem wir alles, was für eine solche Reise erforderlich ist, an Bord gebracht hatten, verließen wir am 19. April 1594 die Insel São Thiago. Wir fuhren in Begleitung eines

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