Fräuleinwunder, Topmodel, Agenturchefin: - ein Leben auf Hochglanz
Von Rita Jaeger
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Über dieses E-Book
Das ist der Beginn einer steilen Karriere als Topmodel, die sie, beginnend mit einem Anruf von Eileen Ford persönlich schließlich über Paris, Rom, New York und Tokio durch die ganze Welt reisen lässt.
Nach dem Ende ihrer aktiven Modelkarriere gründet Rita Jaeger die erste Modelagentur in Deutschland und führt Sie über 30 Jahre lang erfolgreich durch und über die Hindernisse des deutschen Bürokratendschungels.
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Buchvorschau
Fräuleinwunder, Topmodel, Agenturchefin - Rita Jaeger
Rita Jaeger
Fräuleinwunder
Topmodel
Agenturchefin -
ein Leben auf Hochglanz
Logo_hansanord_pos_120»Rita Jaeger war unser erstes deutsches Topmodel. Sie hat den Blick der amerikanischen Modeindustrie auf die Schönheit der deutschen Frauen gelenkt. Sie hat uns außerdem gezeigt, dass es darauf ankommt, pünktlich zu sein, die passenden Accessoires zutragen und den richtigen Stil zu entwickeln. Das alles hat zu ihrem Erfolg beigetragen.«
Eileen Ford – Gründerin von FORD Models Inc.
IMPRESSUM
1. Auflage 2012
© 2012 by hansanord Verlag
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages nicht zulässig und strafbar. Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrofilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN: 978-3-940873-71-2
Dieses Buch wurde vermittelt vom Scripta Literaturstudio.
Covergestaltung und Gesamtbearbeitung: Judith Wittmann
Bearbeitung und Lektorat: Monika Hofko
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Logo_hansanord_pos_120Inhaltsverzeichnis
Was wäre, wenn …?
Am Anfang war ein Bild
Der Barbier von Stuttgart
Endlich frei!
In vollen Zügen!
Ganz in Schwarz
Über den großen Teich
Zurück in der Alten Welt
In der Welt zu Hause
Sweet Sixties
… Model sein dagegen sehr!
Wie gewonnen, so zerronnen?
Woher – Wohin?
Am Boden zerstört
Zu neuen Ufern
Als Agentin in der weiten Welt
Süchtig – wonach?
Adieu, Mutti!
Einszweidrei, im Sauseschritt …
Danksagung
Bildteil
Was wäre, wenn …?
1951 war ich gerade sechzehn Jahre alt geworden und lebte mit meinen Eltern und meinem Bruder Günter in Stuttgart, wohin es uns am Ende des Zweiten Weltkriegs aus Oberschlesien verschlagen hatte. Stuttgart war damals von Bomben völlig zerstört, aber trotzdem hatte die Stadt einen gewissen Charme, sie war umgeben von Weinbergen und Hügeln und sehr viel Grün. Wir waren Flüchtlinge, bettelarm, und hatten unsere ganze Habe, unseren ganzen Besitz in Oberschlesien lassen müssen. Mit einem kleinen Koffer und einem Rucksack waren wir ein Jahr zuvor hierher gekommen und bekamen nach Jahren in anderen Städten, in Leipzig, Braunschweig und Wolfenbüttel, unsere erste eigene Drei-Zimmer-Wohnung.
Wie immer, nach Büroschluss, fuhr ich von der Fassfabrik, wo ich in der Lehre zur Sekretärin war, mit der Straßenbahn nach Hause. Als ich so versonnen aus dem Fenster schaute, tauchte ein schickes Cabriolet auf, das ganz langsam neben der Straßenbahn herfuhr. Welcher Autotyp es war, weiß ich heute nicht mehr. In dem Wagen saß eine äußerst elegante und hübsche Dame mit weißen Lederhandschuhen. Lässig steuerte sie das Auto und blickte gelangweilt nach vorne. Ich war wie gebannt von dem Bild. Fasziniert starrte ich dem Auto nach und dachte: So möchte ich auch einmal durch die Lande fahren, so elegant gekleidet, mit weißen Handschuhen, in einem so tollen Auto. Ich will arbeiten, arbeiten, arbeiten, damit ich das schaffe.
Dass mein inniger Wunsch, einmal so elegant und edel gekleidet zu sein und mit einem solchen Wagen zu fahren, sich tatsächlich erfüllen würde – das hätte ich nie gedacht. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, wie mein Leben verlaufen würde, in Fotostudios, in den größten Modehäusern, wie Dior, Balmain, Jacques Fath, Nina Ricci, auf Laufstegen und in der ganzen Welt, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Das war damals so weit weg von einem vorstellbaren Lebensweg wie der Mond.
Was wäre wohl aus mir geworden, wenn ich in Gleiwitz in Oberschlesien geblieben wäre?
Gleiwitz, an der idyllischen Klodnitz gelegen und nur fünf Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, war eine reine Industriestadt mit etwa hundertzwanzigtausend Einwohnern, zwei Kohlegruben und mehreren Bergwerken und lag fernab der großen Zentren. Wegen seines Reichtums an Kohle und Erz und der ertragreichen Landwirtschaft war es immer schon Zankapfel zwischen Polen und Deutschland gewesen. Ja, was wäre aus mir geworden, wenn ich dort geblieben wäre, in Gleiwitz, das nach dem Krieg polnisch geworden ist, wo dann Armut herrschte und Enge? Wo den Deutschen unter Strafe verboten war, Deutsch zu sprechen. Vielleicht wäre ich Lehrerin geworden wie meine Tante Lotti, eine Schwester meiner Mutter. Das war eine Zeitlang mein Wunschberuf gewesen. Oder ich wäre Sekretärin geworden, hätte geheiratet und Kinder bekommen. Wer weiß.
Am Anfang war ein Bild
1951 lag Stuttgart immer noch in Schutt und Asche. Die ganze Innenstadt war zerbombt, so weit man sehen konnte. Die Hauptstraße, die Königstraße in der Stadtmitte, die vom Bahnhof ausgeht, war ein einziges Trümmerfeld, in dem sich die Menschen seltsam fremd bewegten wie große Käfer. Aber die Läden hatten sich wieder gefüllt nach der Währungsreform 1948, wo jeder Bürger mit 40 Mark angefangen hatte.
Ich war gerade auf dem Weg in das Kino in der Nähe des Bahnhofs, in dem meine Mutter als Platzanweiserin arbeitete. Sie schmuggelte mich immer kostenlos in die Vorstellungen hinein, wenn es noch Plätze gab. So kam ich in den großen Genuss, viele tolle Filme sehen zu können, ohne dafür zu bezahlen.
Und mitten in dieser Wüste aus Stein und Staub, durch die ich gerade ging, sah ich ein überdimensionales farbiges Plakat, von dem mich ein traumhaft schönes Gesicht anlächelte.
Eine Frau mit langen mahagonifarbenen Locken, einem herzförmigen Gesicht mit einem Alabasterteint, langen, dichten Wimpern, fein konturiertem Brauenschwung und einem versonnenen Blick. Es war Rita Hayworth, die amerikanische Schauspielerin, Hollywood-Star der 1940er und 1950er Jahre, eine Traumfrau. „Gilda, „Die Lady von Shanghai
… ich liebte ihre Filme, wie überhaupt alle Filme aus Hollywood mit Greta Garbo, Marlene Dietrich, und die deutschen Heimatfilme mit Sonja Ziemann, Hans Söhnker, Adrian Hoven.
Ich war begeistert von den schönen Schauspielerinnen und den gut aussehenden Schauspielern, und auch die Geschichten liebte ich. Heute würden wir sagen, „Schnulzen", aber damals, nach den Kriegsjahren voller Elend, Hunger und Lebensgefahr, waren der Glanz und die Happy Ends eine Wohltat. Und so wollte ich auch Schauspielerin werden oder Sängerin oder Tänzerin, nicht mehr Lehrerin wie meine Tante Lotti, oder gar Sekretärin. Aber für eine solche Ausbildung hatten wir kein Geld, und so würde es halt beim Träumen bleiben, dachte ich.
Aber nun sah ich mir das Plakat genauer an. Was stand da eigentlich? Es war eine Ausschreibung für eine Misswahl. Gesucht wurde das deutsche Pendant von Rita Hayworth. War nicht erst kürzlich die erste Miss Germany nach dem Krieg gewählt worden? Wie hieß sie noch mal? Ja, Susanne Erichsen, so war ihr Name. Und nun sollte bei uns in Stuttgart eine zweite Rita Hayworth gewählt werden? Ich fand das ganz toll. Endlich tat sich etwas in den tristen Nachkriegsjahren, endlich kam ein bisschen Schwung in das Leben. Anmeldung war im Hindenburgbau am Bahnhof. Ich starrte sehr lange auf dieses Plakat, hatte die Welt um mich herum vergessen. Versonnen malte ich mir aus, was wäre, wenn ich von so einem Plakat herunterschauen würde. Wenn ich so berühmt wäre, dass man Plakate mit meinem Gesicht so groß überall aufhängen würde. Rita, du bist eine Spinnerin, dachte ich dann. Du bist weder hübsch, noch bist du gut gebaut, was soll der Quatsch! Aber der Gedanke ließ mich nicht mehr los, und nach dem Kino stand ich wieder vor dem Plakat. Ich dachte, bewerben kann ich mich ja mal. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Zu Hause erzählte ich meiner Mutter von dem Plakat und von dem Wettbewerb. „Mutti, bitte, ich will mich unbedingt bewerben. Gehst du mit mir da hin?" Ich war erst sechzehn und brauchte die Einwilligung der Eltern.
„Du willst also unbedingt an diesem Wettbewerb teilnehmen?, fragte sie mich, und ohne zu überlegen antwortete ich: „Ja. Ich heiße doch auch Rita.
Meine Mutter zögerte eine Zeit lang, ich bohrte weiter, und schließlich willigte sie ein. „Also gut, ich geh mit. Aber wir sagen deinem Vater nichts davon.
Ich ging also mit meiner Mutter zum Hindenburgbau am Hauptbahnhof, einem riesigen Gebäude, in dem immer große Veranstaltungen stattfanden. Man hatte es notdürftig wieder aufgebaut und hergerichtet, sodass auch gleich nach dem Krieg dort wieder große Ereignisse gefeiert werden konnten.
Im Anmelderaum saßen wir einem Mann gegenüber, der meine Personalien aufnahm: Rita Grunow, geboren am 3. Januar 1935 in Gleiwitz; Größe: eins zweiundsiebzig; Gewicht: achtundvierzig Kilo.
„Gut, Sie können teilnehmen, sagte er schließlich zu mir, nachdem er das Formular ausgefüllt hatte. „Sie brauchen ein langes Abendkleid, und Sie müssen sich selbst schminken. Viel Glück!
Ein Abendkleid? Ich hatte nicht viel anzuziehen. Kleider oder schöne Stoffe waren im Krieg und auch noch nach dem Krieg knapp. Meine Tante Angela, die Schneiderin war, hatte oft aus alten Stoffen und alten Kleidungsstücken etwas Neues zum Anziehen gezaubert. Sogar aus einer Militärdecke hatte sie mir einmal einen schönen Mantel genäht. Aber ein Abendkleid? Ich hatte nichts dergleichen. Ich überlegte. Doch, ja, Renate, meine Freundin aus der Berufsschule, die hatte ein sehr schönes hellblaues, langes Taftkleid. Bestimmt würde sie es mir leihen. Und beim Schminken würde mir meine Mutter helfen.
Ich fieberte dem Tag entgegen, und ich wurde immer nervöser. War es nicht unsinnig, an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen? Die anderen waren bestimmt viel schöner und erfahrener als ich dünnes Klappergestell. Ich hatte ja auch keine rechte Ahnung vom Schminken und davon, mich zu präsentieren. Wie würde ich mich fühlen, wenn ich vor der Jury stand und alle würden mich anstarren und begutachten? Woher nahm ich den Mut? Zweifel kamen auf.
Am Tag des Wettbewerbs ging ich mit meiner Mutter zum Hindenburgbau. Dort wurden wir zum Umkleideraum geschickt. Vor der Tür atmete ich nochmals tief durch, meine Mutter drückte kurz meinen Arm, dann gingen wir hinein. In dem Raum waren ungefähr zwanzig Mädchen, es war ein Geraschel und Geplauder, eine nervöse, flirrende Stimmung. Ich schaute mich um. Nein, es ist sinnlos. Ich muss sofort wieder gehen, dachte ich. Die anderen Mädchen oder Frauen waren viel hübscher als ich, fand ich. Sie waren alle sehr wohlproportioniert, sie sahen aus wie Profis, hatten Busen und Po, wie es damals, Anfang er 1950er Jahre, der herrschenden Vorstellung von einer Frau entsprach, sie waren nicht so gerade und klapperdürr und schüchtern wie ich. Ich kam mir ganz schrecklich vor. Eine ganz andere Welt, die ich nicht kannte. Ich kannte die Berufsschule, und ich kannte die Lehre in der Fassfabrik: Schreibmaschine, Stenografie, Buchhaltung, von morgens halb acht bis abends um fünf. Ich lernte schnell und konnte die Arbeit sehr gut bewältigen. Aber das hier war fremd und einschüchternd – und trotzdem atemberaubend.
Die anderen waren richtig geschminkt mit Make-up, Rouge, Augenbrauenkontur, Wimperntusche und Lippenstift. Die meisten hatten ihre Haare gefärbt, eine in tiefem Rot, einige andere waren blondiert. Alle hatten perfekte Frisuren, Dauerwellen, toupiert, in Schwung gelegt. Ich dagegen hatte nur einen Augenbrauenstift von meiner Mutter, mit dem ich meine Brauen nachzog, und einen Lippenstift, den meine Mutter bei mir auftrug. Mein Vater wollte nie, dass ich mich schminke. Dann zwickte sie mich ein paar Mal in die Wangen, damit die Wangenknochen rosiger aussahen – das war alles. Meine dunkelblonden Haare mit den leichten Naturlocken trug ich einfach offen. Meine Mutter hatte sie mir mit Lockenwicklern in leichte Wellen gelegt. Dann zog ich das lange blaue Kleid von Renate an.
Ich nahm die aufgeregten Bewegungen und die aufgeregten Stimmen um mich her nur gedämpft wahr, wie durch Watte. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich bewegte wie ein Automat, dass ich selbst keine Macht mehr über meine Beine hatte. Irgendwer schob mich aus dem Gewusel hinaus auf die Bühne in einen großen Saal, der mit Lüstern und Leuchtern erhellt war. Meine Mutter blieb in der Umkleide, da sie keine Eintrittskarte hatte.
Ein Moderator machte die Ansagen und leitete die Veranstaltung. Vor der erhöhten Bühne saß an einem langen Tisch die Jury. Lauter Berühmtheiten, die ich aus dem Kino kannte: Lil Dagover, Adrian Hoven, Hans Söhnker, Sonja Ziemann und noch weitere Schauspielergrößen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Dahinter saßen die Zuschauer, eine Menge Menschen, die wie eine unscharfe dunkle Masse waren.
Wie der Wettbewerb genau abgelaufen ist, was ich gesagt und wie ich mich bewegt habe, weiß ich nicht mehr genau. Vor meinen Augen verschwamm alles, und meine Antworten waren mechanisch, meine Stimme schien von woanders her zu kommen, nicht aus meinem eigenen Körper. Ich weiß nur noch, dass wir wohl jede eine Nummer hatten, dass dann die Jurymitglieder Punkte für jedes Mädchen vergaben, und die Punkte wurden dann ausgezählt.
Dann kam die Preisverleihung, und da traf mich fast der Schlag: Ich hatte den dritten Preis gewonnen. Ich war die Drittschönste! Neben all diesen attraktiven, perfekten Frauen war ich, das arme Flüchtlingskind aus Gleiwitz, die Drittschönste! Was für eine Überraschung! Ich stand da wie gelähmt, ich wusste nicht, war das alles? Was passiert jetzt? Ich bekam ein Geschenk in die Hand gedrückt, dann war die Veranstaltung zu Ende.
Ich verließ die Bühne und ging zurück in den Umkleideraum. Meine Mutter, die sonst so lebhaft und temperamentvoll war, sah mich nur überrascht und staunend an. „Mein Gott, Kind. Wer hätte das gedacht, sagte sie. Dann zog ich mich wieder um, wir packten unsere Sachen zusammen, das bisschen Schminke, Kamm und Bürste. Als wir gehen wollten, trat ein großer, gut aussehender Herr auf uns zu und wandte sich an mich. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Walter Lautenbacher, ich bin Modefotograf. Ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht als Fotomodell arbeiten möchten?
Ich schaute ihn verblüfft an. Fotomodell? Ich hatte noch nie etwas von diesem Beruf gehört. Er erklärte mir, dass ein Modell für Mode, Kosmetik, Autos oder sonstige Produkte zu posieren hätte. Er bot meiner Mutter an, mich zu den Terminen von zu Hause abzuholen, und versprach ihr, dass sie mitkommen könne. So begann meine große Karriere als Fotomodell. Erst später verstand ich, dass ich, die aussah wie eine Bohnenstange, ohne üppige Formen und weibliche Konturen, am besten geeignet war für die Modebranche. Das war damals nicht anders als heute. Groß und dünn müssen die Frauen sein.
Walter Lautenbacher