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Heimtücke: Commissaire Papperins zehnter Fall - ein Provencekrimi
Heimtücke: Commissaire Papperins zehnter Fall - ein Provencekrimi
Heimtücke: Commissaire Papperins zehnter Fall - ein Provencekrimi
eBook462 Seiten5 Stunden

Heimtücke: Commissaire Papperins zehnter Fall - ein Provencekrimi

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Über dieses E-Book

Die Coronapandemie hat die Provence fest im Griff. Doch das hält skrupellose Verbrecher nicht davon ab, ihren kriminellen und gewinnträchtigen Geschäften nachzugehen. Eigentlich sind commissaire Papperin und sein Team von der Mordkommission der police justiciaire von Aix en Provence mit den Coronatodesfällen nicht befasst. Nur durch einen Zufall kommt Papperin dahinter, dass einige der vermeintlich an Corona verstorbenen alten Menschen nicht dem Virus, sondern einem heimtückischen Giftmord zum Opfer gefallen sind und ihr Geldvermögen auf geheimnisvolle Weise verschwunden ist. Doch der Oberstaatsanwalt verhindert weitere Ermittlungen und beruft sich auf die im Totenschein eingetragene Covid-19-Erkrankung als Todesursache. Der Kommissar und sein Team sehen sich gezwungen, ohne Rückendeckung ihrer Vorgesetzten heimlich zu recherchieren.
SpracheDeutsch
Herausgeberambiente krimis
Erscheinungsdatum1. März 2022
ISBN9783945503331
Heimtücke: Commissaire Papperins zehnter Fall - ein Provencekrimi

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    Buchvorschau

    Heimtücke - Ignaz Hold

    IGNAZ HOLD

    HEIMTÜCKE

    Commissaire Papperins zehnter Fall

    Buch

    Die Coronapandemie hat die Provence fest im Griff. Doch das hält skrupellose Verbrecher nicht davon ab, ihren kriminellen und gewinnträchtigen Geschäften nachzugehen. Eigentlich sind commissaire Papperin und sein Team von der Mordkommission der police judiciaire von Aix en Provence mit den Coronatodesfällen nicht befasst. Nur durch einen Zufall kommt Papperin dahinter, dass einige der vermeintlich an Corona verstorbenen alten Menschen nicht dem Virus, sondern einem heimtückischen Giftmord zum Opfer gefallen sind und ihr Geldvermögen auf geheimnisvolle Weise verschwunden ist. Doch der Oberstaatsanwalt verhindert weitere Ermittlungen und beruft sich auf die im Totenschein eingetragene Covid-19-Erkrankung als Todesursache. Der Kommissar und sein Team sehen sich gezwungen, ohne Rückendeckung ihrer Vorgesetzten heimlich zu recherchieren.

    Autor

    Ignaz Hold ist ein Pseudonym. Der Autor, ein reiselustiger Wissenschaftler, hat seit über einem Vierteljahrhundert in der Provence eine zweite Heimat gefunden und kennt diesen Fleck Europas wie seine Westentasche. Er erholt sich, wann immer sein Beruf es ihm erlaubt, vom Stress des Alltags in seinem Haus in der Haute Provence. Dorthin, in die ländliche Idylle eines provenzalischen Dorfes, zieht er sich zurück, um zu schreiben. Neben nüchternen Fachbüchern entstehen dort seine Provencekrimis, in denen er den ganzen provenzalischen Mikrokosmos mit all seinen Problemen, Charakteren, landschaftlichen und kulinarischen Reizen einfängt und in spannende Krimis einfließen lässt.

    Ignaz Hold

    HEIMTÜCKE

    Commissaire Papperins zehnter Fall

    ambiente-krimis

    Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden und orientieren sich nicht an lebenden oder toten Vorbildern oder an tatsächlichen Geschehnissen. Etwaige Ähnlichkeiten sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig

    ambiente-krimis,

    Michael Heinhold

    Am Feilnbacher Bahnhof 10

    83043 Bad Aibling

    Erste Auflage 2022

    Copyright © 2022 by Ignaz Hold

    Alle Rechte vorbehalten

    E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

    Umschlagfoto: Michael Heinhold

    ISBN der Taschenbuch-Ausgabe: 978-3-945503-32-4

    ISBN der E-Book-Ausgabe: 978-3-945503-33-1

    karte

    Commissaire Papperins Provence

    Prolog

    „Unglaublich, diese Summen! Ich verstehe das nicht! Wie konnte es zu diesen Zahlungen kommen", murmelte père Cyril leise vor sich hin, während er die Treppe hinauf auf dem Weg zu dem für die Finanzen des Bistums Toulon-Fréjus zuständigen Prälaten eilte. In den Räumlichkeiten seines Vorgesetzten angekommen, öffnete der Priester seinen Aktenkoffer, entnahm ihm einige Blatt Papier und übergab sie seinem Chef.

    „Das, Monseigneur, sind die Zahlungsein- und -ausgänge auf den Konten meiner Stiftung."

    „Sie meinen die Armenstiftung unserer Kirchenprovinz, mit deren Buchhaltung Sie betraut sind?"

    Der Prälat beugte sich über die vor ihm ausgebreiteten Dokumente. Er überflog die beträchtlichen Kontoeingänge und meinte dann:

    „Am Telefon sagten Sie, das stammt alles aus Vermächtnissen?"

    Als der Pater nickte, meinte der Prälat, während er mit dem Finger die Zahlenkolonnen entlangfuhr:

    „Geldbeträge von beachtlichen Ausmaßen, welche die Gläubigen in ihren Testamenten unserer Kirche vermacht haben."

    „Genau gesagt nicht der Kirche, sondern unserer kirchlichen Stiftung Fondation ecclésiastique en faveur des pauvres", berichtigte der Priester den Prälaten.

    „Ja, ich weiß. Unserer ‚Stiftung für die Bedürftigen‘ mit Sitz in Fréjus." Der Prälat lehnte sich in seinem weichgepolsterten und mit dunkelrotem Samt bezogenen Schreibtischsessel zurück und blickte seinen für die Stiftungsbuchführung zuständigen Untergebenen mit besorgtem Blick an.

    „Man ist direkt beschämt, mon cher père Cyril", meinte er zu dem auf der anderen Seite seines ausladenden, antiken Schreibtisches stehenden Priester.

    „Diese Epidemie reißt unsere Glaubensbrüder und -schwestern in Scharen hinweg und führt ihre Seelen zum Herrn. Und wir profitieren …"

    „Pandemie, Monseigneur! Es ist eine Pandemie!", korrigierte ihn sein Gegenüber.

    „Dann eben Pandemie. Das ist doch dasselbe. Das Tragische ist, der Prälat ließ sich durch den Einwand nicht aus dem Konzept bringen. „Die Tragödie ist doch, dass wir, die heilige katholische Kirche, aus diesen Todesfällen finanziellen Nutzen ziehen.

    Der Prälat blickte den Buchhalter besorgt an.

    „So schlimm dieses Virus weltweit unter den Menschen wütet und so traurig der Anlass für diese Vermächtnisse unserer armen, verstorbenen Glaubensbrüder und -schwestern jeweils ist: Natürlich hat das auch einen positiven, erfreulichen Aspekt, denn mit diesem Geld können wir sehr viel Gutes tun!"

    Der Prälat erhob sich und reichte seinem Buchhalter die Hand.

    „Danke, dass Sie mich über den Kassenstand unserer Stiftung informiert haben. Aber deswegen hätten Sie sich nicht hierher zu bemühen brauchen. Au revoir mon cher ami!"

    „Das war noch nicht alles, Monseigneur. Ich wollte …"

    „Was gibt es denn noch?", fragte der Prälat etwas ungeduldig.

    „Ich habe etwas entdeckt. Es handelt sich um Überweisungen, Ausgaben, die ich nicht nachvollziehen kann, beziehungsweise wo mir unklar ist …"

    „Das werden Sie schon herausbekommen, so gründlich, wie Sie arbeiten. Freuen Sie sich doch über die großzügigen Einnahmen. Und nun: Au revoir! Ich habe zu tun!" Er gab dem Priester die Buchungsunterlagen zurück und machte mit einer Geste seiner linken Hand zur Tür hin deutlich, dass er das Gespräch für beendet erachtete.

    Nachdem der Buchhalter den Raum verlassen hatte, ging der Prälat zu seinem Schreibtisch zurück, um dort wieder Platz zu nehmen. Dabei stieß sein Fuß gegen etwas Hartes.

    „Hat Cyril seinen Aktenkoffer stehen lassen!", murmelte er. Dann griff er zum Telefon und wählte die Nummer des Kaplans in seinem Vorzimmer.

    „Das hat père Cyril hier vergessen", sagte er, nachdem sein Sekretär eingetreten war. „Nehmen Sie es und bringen Sie es gelegentlich bei ihm vorbei. Merci!"

    Er ging zurück zu seinem Schreibtisch, setzte sich und zog die Tastatur seines PC näher zu sich heran. Er las den Entwurf seiner Predigt, die er am Sonntag in der Kathedrale halten wollte, feilte an einzelnen Formulierungen und fügte hier und da einen Satz hinzu.

    Nach einer knappen Stunde, er hatte sich gerade etwas zurückgelehnt und überlegt, ob er sich von seinem Kaplan ein Glas Orangensaft bringen lassen sollte, meldete sich das Telefon auf seinem Schreibtisch.

    Oui? Was gibt es?", fragte er, nachdem er auf dem Display seinen Sekretär als Anrufer erkannt hatte.

    Mon…Monseigneur, es…es…ist etwas … Entsetzliches passiert", drang die aufgeregt stotternde Stimme aus dem Hörer.

    „Sie… ha…hatten mi…mir…doch…äh…Ich…ich…habe auftragsgemäß…"

    „Jetzt stottern Sie nicht so herum. Sagen Sie endlich, was los ist!"

    Père Cyril, er… er ist tot! Ermordet! Je… jemand hat ihn erstochen."

    Samstag, 6. August

    Commissaire Jean-Luc Papperin nahm das Frühstück im Innenhof der moulin à huile Frédéric Papperin ein. In den auf drei Seiten von den hohen Natursteinmauern der Gebäude umsäumten Hof drang so früh am Morgen noch kein Sonnenstrahl. Deshalb war es jetzt, Anfang August, noch angenehm kühl. Später am Tag, wenn die Sonne höher am Himmel stand, würde sie unbarmherzig auf das Anwesen herniederbrennen und etwa die Hälfte des mit groben Kalksteinplatten gepflasterten Hofes bis zur Unerträglichkeit aufheizen. Zum Glück gab es die alte Platane, deren gewaltige, dicht belaubte Krone die andere Hälfte des Hofes mit Schatten versorgte. Vor ihrem meterdicken Stamm befand sich ein riesiger runder Granittisch. Eine Steinbank, die sich der Rundung des Tisches anpasste, bot Sitzgelegenheiten für mindestens drei Personen. Hier saß Jean-Luc Papperin, vor sich le bol, die typische Schale mit café au lait. Ein Körbchen mit knusprigem Baguette sowie mehreren backfrisch duftenden Croissants stand auf dem Tisch. Daneben lag aufgeschlagen Papperins Lieblingszeitung Le Figaro.

    An den Wochenenden genoss er es, sofern sein Dienstplan dies zuließ, ausgiebig und gemütlich zu frühstücken und gründlich die Wochenendausgabe der großen Tageszeitung zu lesen. Ohne den Blick von dem interessanten Artikel abzuwenden, tauchte er ab und zu sein Croissant in seine Kaffeeschale und biss dann genüsslich in das von Kaffee und Milchschaum triefende Hörnchen. Die gesamte Titelseite der Zeitung wurde von der Coronapandemie und den aktuellen Maßnahmen zur Lockerung von Auflagen beherrscht, die die Zentralregierung in Paris verfügt hatte, um der Wirtschaft und dem sozialen Leben ihrer Staatsbürger wieder etwas mehr Freiraum zu gewähren. Die Pandemielage war immer noch ernst, aber der strenge Lockdown, le confinement, wie er von den politischen Entscheidungsträgern genannt wurde, hatte Erfolge gezeigt. Die Zahl der Neuinfektionen und der täglich Versterbenden war seit dem Ausbruch der Epidemie im Frühjahr drastisch zurückgegangen. Dennoch fand Papperin die Lage durchaus beunruhigend. Er fürchtete, seine Mitbürger würden sich nicht ausreichend an die nach wie vor dringend empfohlenen Maßnahmen, wie das Tragen von Atemschutzmasken und das Befolgen von Abstandsregeln, halten. Außerdem beunruhigten ihn die Warnungen der Wissenschaftler, die ein schnelles Wiederansteigen der Infektionszahlen prognostizierten.

    „Ich finde, es war höchste Zeit, dass die in Paris endlich kapiert haben, dass sie uns nicht länger einsperren können." Odile Papperin, die Mutter des Kommissars, kam aus der Küche in den Hof. In der linken Hand hielt sie eine Tasse mit café au lait und mit der rechten schwenkte sie die regionale Zeitung Var Matin.

    „In dem Artikel hier schreiben sie, was wir alles wieder dürfen. Jetzt mache ich mich nicht mehr strafbar, wenn ich meine Freudinnen treffe. Und im Bridgeclub brauchen wir keine Angst mehr zu haben, dass die Gendarmen kommen, uns vertreiben und uns ein Bußgeld aufbrummen", freute sie sich und setzte sich zu ihrem Sohn an den Tisch. Eine gute Weile saßen die beiden schweigend nebeneinander und lasen in ihren Zeitungen.

    „Hier steht, dass Julienne in der maison de retraite gestorben ist. Die war doch erst knapp über siebzig", wunderte sich Odile. Da Papperin nicht reagierte, sagte sie:

    „Im Altersheim in Brignoles. Julienne Batoux, die Witwe vom alten Batoux. Die kennst du doch. Es steht aber nicht da, woran sie gestorben ist."

    „Wahrscheinlich an Corona", murmelte Papperin, der sich nicht von der Lektüre eines Artikels über die Chancen von Marine LePen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen ablenken ließ.

    „Überhaupt, störte ihn Odile aufs Neue, „die Todesanzeigen sind viel mehr geworden. Dabei schob sie den Var Matin zu ihrem Sohn hinüber und deutete auf die Seite mit den avis de décès.

    „Wundert dich das?, fragte Jean-Luc. „Die Leute nehmen die Coronapandemie nicht mehr ernst. Und die trifft eben hauptsächlich die Alten und Schwachen. An den vielen Todesanzeigen siehst du doch, wie gefährlich das ist. Sei nicht immer so leichtsinnig. Du bist auch nicht mehr die Jüngste.

    Quatsch! Ich bin erst knapp sechzig und völlig fit, konterte Odile. Im Stillen musste Papperin ihr Recht geben. Seit dem Unfalltod von Arnaud, ihrem Mann und Jean-Lucs Vater, betrieb sie die Ölmühle alleine und sehr erfolgreich. Selbstverständlich half er ihr, soweit sein Beruf als Leiter der Mordkommission in Aix en Provence dies zuließ. Seine Mithilfe beschränkte sich allerdings meistens auf rechtliche und finanzielle Dinge. Die eigentliche Arbeit, die Pflege der Ölbaumplantage, die Olivenernte, die Produktion des Öls und den Vertrieb managte sie weitgehend alleine – unterstützt nur von Alphonse, ihrem langjährigen Mitarbeiter und Freund seines verstorbenen Vaters, sowie von fallweise engagierten Saisonarbeitern bei der Olivenernte im Winter.

    „Trotzdem, du solltest vorsichtiger sein. Maske tragen beim Einkaufen und dich nicht mit deinen Freundinnen treffen. Und überhaupt: Nicht so oft ins Dorf gehen."

    „So ein Unfug! Doch nicht bei uns im Dorf. Was soll da gefährlich sein? Da kenne ich doch jeden. Übrigens, wechselte sie abrupt das Thema, „wenn ich wirklich zu den Alten gehören würde, wie du das gerade gemeint hast, dann wäre ich schon längst Oma und du hättest mir Enkel beschert.

    Papperin seufzte. Er hasste es, wenn ihr sonst so harmonisches und einvernehmliches Zusammenleben diese Wendung nahm.

    „Du weißt, wie wichtig mir mein Beruf ist und wie wenig Zeit er mir für Privates lässt. Außerdem …" Papperin verzog in schmerzvoller Erinnerung sein Gesicht.

    „Das war ja geplant. Wenn Chau mich nicht so …"

    Professeur Chau Iris LeTrans, unterbrach Odile ihren Sohn. „Die vornehme Diplomatentochter mit Professur an dieser vietnamesischen Universität. Ist doch klar, dass die dich verlassen hat. Das konnte nicht gut gehen. Ich habe es dir oft genug gesagt: Such dir jemanden von hier. Was ist mit Jeannine, deiner Assistentin? Die ist schön, die ist intelligent, sie ist von hier und liebt die Provence genauso wie du. Ihr arbeitet gut zusammen und ihr liebt euch. Also was hindert dich…!

    „Das ist vorbei, Maman!", unterbrach Papperin den Redefluss seiner Mutter. Darauf haben wir uns geeinigt. Und das weißt du auch. Also hör endlich auf, mich damit zu quälen."

    Chaus Absage hatte ihn wirklich völlig überraschend getroffen. Sie waren sich doch beide einig gewesen, dass sie heiraten wollten, dass Chau in die Provence ziehen und eine Stelle an der Universität Aix-Marseille annehmen würde. Und dann hatte sie angerufen und alle seine Zukunftspläne zerplatzen lassen, als er mitten in seinem letzten Mordfall gesteckt hatte. Auch wenn das jetzt schon einige Monate her war, er konnte sich immer noch nicht damit abfinden. Er litt nach wie vor unter der Enttäuschung und der hoffnungslosen Leere, die sich seitdem in seinem Inneren breit gemacht hatte. Ihm war auch bewusst, dass seine Arbeit unter seinem fast depressiv zu nennenden Verhalten litt. Zum Glück hatte er gute Mitarbeiter, die hervorragende Arbeit leisteten und seine – hoffentlich vorübergehende – Antriebslosigkeit kompensierten.

    Er gab sich einen Ruck, löste sich von diesen trübseligen Gedanken und schaute seine Mutter an.

    Maman, es ist wirklich ernst. Versprich mir, dass du vorsichtig bist. Mit diesem Virus ist nicht zu spaßen. Auch wenn du dich fit fühlst – mit sechzig bist du in dem gefährdeten Alter. Also bitte: Pass sehr auf dich auf, damit du gesund bleibst."

    „Aber du auch! Mit deinen Mitarbeitern und den vielen Leuten, die du in deinem Beruf treffen musst."

    „Selbstverständlich. Außerdem werden wir Polizisten regelmäßig getestet, ob wir uns mit dem Virus infiziert haben – meistens sogar mehrmals pro Woche."

    Er stand auf und meinte:

    „Jetzt brauch ich was Stärkeres als diesen milden Milchkaffee. Ich mach mir einen doppelten Espresso. Magst du auch einen?"

    Sonntag, 7. August

    Wie jeden Morgen auf ihrer Frührunde warf Marie-Claire, die für die Etage zuständige Pflegerin, einen kurzen Blick in jedes der 14 Apartments im ersten Stock der Seniorenresidenz Au Bienêtre. Geschützt durch Atemschutzmaske und medizinische Schutzbrille betrat sie den Vorraum der Wohnung 1.09 und öffnete dann leise die Tür zum eigentlichen Apartment. Es bestand aus einem größeren Wohn- und einem kleineren Schlafzimmer. Außerdem gab es ein Bad, in das man sowohl vom Vorraum als auch direkt vom Schlafraum gelangen konnte. Das Wohn- und Pflegeheim Au Bienêtre am Ortsrand von Grimaud galt in der Region als Geheimtipp und wurde von betuchten Senioren der Oberschicht bewohnt.

    Die Pflegerin wusste, die Bewohnerin dieses Apartments hatte sich in den letzten Tagen nicht wohl gefühlt. Seit gestern war etwas Fieber dazu gekommen. Man hatte vorsorglich auf Corona getestet und wartete jetzt auf die Nachricht des Labors mit dem Testergebnis. Marie-Claire durchquerte das Wohnzimmer und betrat den kleinen Schlafraum. Mit einem Blick sah sie: Der alten Frau ging es sehr schlecht. Mit kaum hörbarer Stimme flüsterte die Kranke:

    „Luft! Ich bekomme keine Luft!"

    Die sofort durchgeführte kontaktlose Temperaturmessung zeigte hohes Fieber an. Als erfahrene Altenpflegerin wusste Marie-Claire, dass hier sofort gehandelt werden musste. Während sie beruhigend auf die Kranke einredete, wählte sie auf ihrem Handy den Heimarzt Dr. Martigny an und bat ihn, sofort in das Apartment 1.09 von madame Feuillet in Haus zwei zu kommen. Nach ihrer Überzeugung handele es sich nicht um einen normalen grippalen Infekt, sondern um einen ernsten Fall von Covid-19. Die Infektion habe sich seit gestern drastisch verschlechtert. Madame Feuillet habe hohes Fieber und schwere Atemnot. Wahrscheinlich müsse die Patientin in ein Krankenhaus verlegt werden.

    Der Arzt war innerhalb weniger Minuten zur Stelle.

    „Liegt das Ergebnis vom Nasenabstrich schon vor?", fragte er die Pflegerin. Als Marie-Claire verneinend den Kopf schüttelte, diagnostizierte er:

    „Trotzdem, es dürfte sich eindeutig um Corona handeln. Sie haben Recht, sie muss sofort in eine Klinik."

    Routinemäßig wurde alles Nötige in die Wege geleitet. Ein Krankenwagen des SAMU, des Service d’Aide Médicale Urgente wurde gerufen und die Kranke für den Transport vorbereitet. Keine dreißig Minuten später war der Rettungswagen mit der inzwischen bewusstlosen Frau unterwegs zum nächstgelegenen Krankenhaus.

    ***

    Nachdem das Frühstück serviert war – teils in den Apartments der Heimbewohner, teils im großen Speiseraum, trafen sich die Angestellten des Hauses um zehn Uhr zur gemeinsamen Kaffeepause.

    „Marie-Claire, was war heute los bei euch im ersten Stock von Haus zwei? Warum ist der SAMU gekommen?"

    Madame Feuillet musste ins Krankenhaus verlegt werden. Docteur Martigny ist überzeugt, dass sie Corona hat. Ich meine das auch. Ich schätze, das Labor wird das bestätigen. Aber noch ist das Ergebnis nicht da. Ganz plötzlich hat es sie sehr schwer erwischt."

    „Die arme madame Feuillet. Sie war immer so gut drauf und so lustig."

    „Mit Trinkgeld hat sie auch nicht gegeizt."

    „Corona sagst du. Wo sie sich wohl angesteckt hat? Bei uns nicht. Wir sind ja alle negativ getestet."

    „Vielleicht bei Pierre? Der war doch positiv. Aber der ist seit einer Woche zuhause in Quarantäne."

    „Und außerdem war der für Haus zwei gar nicht zuständig und ich habe ihn dort auch nie gesehen", ergänzte die Pflegerin Marie-Claire.

    „Hat sie viel Besuch gekriegt? Dass der was reingetragen hat?"

    „Möglich! Einmal habe ich einen Priester gesehen, der aus ihrem Apartment kam. Aber mehr kann ich zu Besuchern nicht sagen. Wir sind ein offenes Haus. Unsere Insassen können empfangen, wen sie wollen und wann sie das wollen. Besucher kommen einfach, sie müssen sich ja nicht anmelden."

    „Die von den Services d’Hygiène, vom Gesundheitsamt, werden vermutlich bald auf der Matte stehen und nachforschen, bei wem sich madame Feuillet infiziert hat. Sie werden fragen, mit wem sie alles Kontakt hatte, meinte die Chefin der Alten- und Pflegekräfte. „Wir sollten schon mal überlegen, wer in den letzten Tagen alles bei ihr war – außer dem Pfarrer, den du gesehen hast. Kanntest du den?

    Marie-Claire schüttelte den Kopf.

    Montag, 8. August vormittags

    Am folgenden Tag sprach ein Beamter der Services d’Hygiène im Alten- und Pflegeheim Au Bienêtre vor. Er berichtete, dass Yvette Feuillet in der letzten Nacht gestorben sei – und zwar nachweislich an Covid-19. Nun müsse er die Kontakte der Verstorbenen in den vergangenen Tagen nachverfolgen. Nachdem er die Angestellten des Heimes erfolglos mit vielen Fragen genervt hatte, schrieb er in sein Notebook:

    ‚Alle Mitarbeiter dieses Heims, die mit Yvette Feuillet in den beiden letzten Wochen Kontakt hatten, konnten einen aktuellen negativen Coronatest vorlegen und scheiden deshalb als Überträger des Virus aus. Sie können allerdings nicht ausschließen, dass das Virus von Besuchern der Verstorbenen eingeschleust worden ist.‘

    Nach der weiteren intensiven, aber ergebnislosen Befragung der Angestellten zu möglichen Besuchern wandte er sich an die versammelten Mitarbeiter und stellte mit einem frustrierten Schulterzucken abschließend fest:

    Madame Feuillet war gehbehindert und lebte isoliert in ihrem Apartment. Zu den Mahlzeiten ging sie in der letzten Zeit nicht mehr in den Speisesaal, sondern aß allein in ihrer Wohnung. Sie bekam auch keinen Besuch von anderen Heimbewohnern. Kurz: Sie haben keine Ahnung, mit wem außer den Angestellten hier madame Feuillet Kontakt hatte. Sie können weder sagen, ob es überhaupt Besucher gab, noch wie viele es waren, noch kennen Sie Namen oder können diese Besucher beschreiben. Sie wissen nicht einmal, ob es sich um Männer oder Frauen gehandelt hat. Ist das richtig?"

    Allgemeines, zustimmendes Nicken der versammelten Angestellten folgte auf dieses ernüchternde Resümee.

    „Wir müssen auch ihre Familienangehörigen befragen. Wissen Sie, ob sie Verwandte hatte und können Sie uns deren Adressen geben?", wollte der Beamte wissen.

    „Nein, sie war alleinstehend, meinte die Pflegerin Marie-Claire. „Sie hatte niemanden, der sich um sie kümmerte. Ich habe mich oft mit ihr darüber unterhalten. Deshalb hat sie Trost im Glauben gesucht und ist regelmäßig in die Kirche gegangen. Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Früher, als sie noch ausgehen konnte. Später, als sie dazu zu gebrechlich war, kam eine Zeit lang regelmäßig ein Pfarrer zu ihr ins Heim. Aber das hat irgendwann aufgehört – schon vor Monaten."

    „Du hast vorhin doch gesagt, dass du erst kürzlich einen Priester gesehen hast, wie er aus ihrem Apartment gekommen ist", fragte die Pflegechefin zu Marie-Claire gewandt.

    „Wann war das und wer war das?, hakte der Mann vom Gesundheitsamt sofort nach. „Ich brauche den Namen und die Adresse dieses Priesters.

    Marie-Claire zuckte mit den Schultern.

    „Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nur kurz auf dem Korridor gesehen, wie er das Apartment von Yvette Feuillet verlassen hat."

    „Sie haben nicht mit ihm gesprochen?"

    Verneinendes Kopfschütteln.

    „Wann war das?"

    Marie-Claire blickte den Fragenden mit nachdenklich gekräuselter Stirn an.

    „Gestern? Nein, vorgest…nein, vor drei Tagen. Nachmittags."

    „Und Sie sind sicher, dass es ein Priester war?"

    „Ja, ein katholischer. Er hatte einen schwarzen Anzug an."

    „Bei der Hitze? Mitten im Hochsommer?"

    „Doch! Es war ein Sommeranzug aus leichtem Leinenstoff. Vielleicht nicht tiefschwarz, sondern dunkelgrau."

    „Viele Männer haben graue Sommeranzüge. Wieso sind Sie so sicher, dass es ein Priester war?"

    „Na wegen dem steifen, weißen Stehkragen. Sowas tragen nur katholische Priester."

    „Mehr können Sie nicht sagen? Zum Beispiel woher er gekommen ist, aus welcher Pfarrei?"

    „Non!"

    Nachdem der Beamte sich von den Mitarbeitern des Heims verabschiedet hatte und auf dem Weg zu seinem Auto auf dem Parkplatz vor dem Heim war, dachte er:

    „Wir werden die gendarmerie einschalten müssen. Die sollen in den Pfarreien in der näheren und weiteren Umgebung nach diesem Priester suchen."

    ***

    Wie an jedem Wochenbeginn fand auch an diesem Montag in Papperins Kommissariat die übliche Lagebesprechung statt. Während die Ermittler in ihren Dienstzimmern die während des Wochenendes aufgelaufenen Berichte lasen, bereitete Monique Dépardieu, Papperins Sekretärin, den großen, ovalen Konferenztisch in seinem Büro für die Besprechung vor. Da sie wusste, mit welch großem Appetit einige der männlichen Kommissariatsmitglieder gesegnet waren, hatte sie eine ausreichende Menge von Croissants eingekauft, die sie in einer silbern glänzenden Schale mitten auf den Tisch stellte.

    Um nicht für jeden Mitarbeiter seinen eigenen Wunschkaffee zubereiten zu müssen, hatte sie schon vor langem durchgesetzt, dass alle dieselbe Kaffeeart tranken wie der Chef – nämlich Espresso, schwarz, ohne Milch. Dann verteilte sie die kleinen Espressotassen.

    „Jean-Lucs Gedeck", murmelte sie, während sie eine kleine, dickwandige Tasse mit Untertasse und dem Originalaufdruck Kimbo – espresso napoletano an seinen Platz an der Schmalseite des Tisches platzierte. Auch von den anderen Mitarbeitern hatte jeder seine Lieblingstasse.

    Neben dem Chef saß normalerweise Claude Lavalle, capitaine de police und Papperins Stellvertreter. Heute brauchte sie hier kein Gedeck hinzustellen, denn der schwergewichtige, rothaarige Mann musste daheim die obligatorische Quarantäne absitzen. Er hatte sich mit dem Coronavirus angesteckt, das seine Kinder von der Schule nach Hause mitgebracht hatten.

    „Wissen Sie, wie es Claude heute geht?", fragte Papperin von seinem Schreibtisch aus. Er löste den Blick von dem Dokument, das er auf dem Bildschirm seines PC gelesen hatte und schaute seine Sekretärin fragend an.

    „Gestern ging es ihm besser, antwortete sie. „Heute habe ich noch nicht mit ihm telefoniert. Ruf ihn doch schnell an, bevor es hier losgeht!

    „Sie haben Recht! Das mache ich gleich." Papperin nahm den Hörer und drückte auf die Kurzwahltaste.

    Anders als es in den meisten Unternehmen und Behörden sonst üblich war, duzte Monique Dépardieu ihren Chef, während Papperin sie stets mit dem höflichen vous – Sie – anredete. Der Grund lag in der Vergangenheit. Vor Jahren hatte Papperin als Polizeianfänger und kleiner sous-brigadier unter dem damaligen commissaire Lafontaine, seinem Vorgänger hier im Kommissariat in Aix, gedient. Schon damals war Monique Dépardieu Kommissariatssekretärin gewesen. Eigentlich war sie mehr als das. Sie hatte die gesamte Abteilung gemanagt und sich um alle organisatorischen und wirtschaftlichen Belange gekümmert. Zudem entlastete sie ihren Chef von den überbordenden Bürokratieanforderungen, so dass dieser sich voll auf die Ermittlungsarbeit konzentrieren konnte. Sie war die heimliche Chefin des Kommissariats. Alle Mitarbeiter wurden von ihr geduzt, auch ihr Vorgesetzter. Und das war so geblieben, als Papperin Jahre später nach einer erfolgreichen Karriere als Kriminalbeamter in Paris zum Leiter der Mordkommission, der brigade criminelle bei der police judiciaire, in Aix berufen wurde. Er selbst hatte sich nicht dazu durchringen können, zum Du überzugehen – aus Respekt vor ihrer Leistung und auch vor ihrem Alter. Sie war gute zwanzig Jahre älter als er.

    „Jetzt könnt ihr langsam anfangen", sagte sie. „Ich stell noch schnell die caffettiera auf die Herdplatte. In drei Minuten gibt es frischen Espresso."

    Papperin schaute ihr nach. Eine elegante Erscheinung in ihrem grauen Hosenanzug, der dunkelblauen Seidenbluse und den modisch zu einer Pagenfrisur geschnittenen grauen Haaren. Er und sein Team konnten sich glücklich schätzen, eine so tüchtige, gut informierte und bestens in der Polizeidirektion und in den städtischen Behörden vernetzte Sekretärin zu haben. Er wandte sich wieder dem Text auf dem Bildschirm zu und blätterte weiter in den aktuellen Berichten von den Gendarmerieposten und Polizeikommissariaten der Region PACA – Provence-Alpes-Côte d’Azur.

    Nach und nach trafen die Mitarbeiter seiner Abteilung in seinem Büro ein. Fast gleichzeitig drängten sich die beiden Guys durch die Türe: Brigadier Guy Malmotte und brigadier Guy Debordeau. Ihr Vorname war das Einzige, was sie gemeinsam hatten. Ansonsten hätten sie nicht gegensätzlicher sein können. Guy Malmotte, ein großer, junger Mann mit schmalem Gesicht, modisch geschnittenen, schwarzen Haaren, und einem dichten, buschigen moustache, war der Einzige, der stets mit einem makellos sitzenden Anzug, blütenweißem Hemd und perfekt gebundener Krawatte gekleidet war.

    Im krassen Gegensatz dazu stand der zweite Guy. Zur Unterscheidung von Guy Malmotte wurde er der Einfachheit wegen von allen nur Guy-deux genannt. Er trug immer dasselbe: Ausgeleierte Designerjeans, ein meist viel zu großes, knallrotes T-Shirt mit aufgedrucktem schwarzen Che-Guevara-Portrait auf der Brust – Papperin fragte sich immer, wie viele solcher T-Shirts er wohl besaß, da er jeden Tag so eines anhatte – und die unvermeidliche rote Baseballkappe auf den langen, zu einem Pferdeschwanz gebändigten Haaren. Er war der Computer- und Internetexperte des Kommissariats, der einzige in Papperins Team, der alle Schliche und Tricks der Informationstechnologie souverän beherrschte. Eigentlich wunderte sich Papperin, warum er sich mit dem relativ schlecht bezahlten Posten eines brigadier der police nationale zufriedengab, wo er doch in der boomenden IT-Branche ein Vielfaches seines Polizistengehalts verdienen könnte. Vielleicht übernahm er nebenher in seiner Freizeit private Aufträge. Aber davon hatte Papperin offiziell keine Kenntnis. Und solange Guy-deux seine dienstlichen Aufgaben so perfekt und gründlich erledigte, wie das bisher immer der Fall war, hatte Papperin auch nichts gegen eine private Nebentätigkeit einzuwenden – auch wenn dies eigentlich verboten war.

    Nur Sekunden später kam brigadier François Legrand ins Zimmer seines Chefs gestürmt. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren war er der jüngste und sportlichste von Papperins Mitarbeitern. Der Mann, ein kleines, gedrungenes Kraftpaket mit schwarzem Dreitagebart und glänzendem Kahlkopf hatte zwei Hobbies: Eines war der Radsport. Wann immer es sein Beruf zuließ, schwang er sich auf sein Rennrad und raste durch die Landschaft. Sein zweites Hobby war die Jagd. Als staatlich geprüfter Jäger und ausgewiesener Waffenspezialist war er bestens in der Welt der Hobby- und Berufsjäger vernetzt.

    Alle hatten schon Platz genommen und waren von Monique mit Kaffee versorgt, als die Tür des Sekretariats mit lautem Knall aufflog und das letzte Teammitglied hereinkam.

    Désolée – tut mir Leid, dass ich zu spät komme, aber mich hat ein Scheißanruf aufgehalten. Von unserem obersten Boss in Paris." Mit missmutigem Gesichtsausdruck ging brigadier Jeannine Dalmasso zu ihrem Platz, ließ sich auf den Stuhl fallen, nahm die vor ihr stehende Espressotasse und trank sie mit einem großen Schluck aus.

    „Warum schaust du so zornig?, fragte Papperin. „Was war das für ein Anruf?

    „Das sag ich dir später", fauchte sie ihren Chef und Ex-Geliebten an.

    Papperin schaute sie eine Weile mit gerunzelter Stirn an, höchst verwundert über ihr harsches und für sie völlig untypisches Benehmen. Dann wandte er sich den anderen zu.

    „Ehe wir mit dem Tagesgeschäft anfangen, will ich kurz von etwas berichten, was gerade im Intranet bei mir angekommen ist. Möglicherweise ein Fall, der uns demnächst beschäftigen könnte." Papperin nahm einen Schluck von seinem Espresso und fuhr dann fort:

    „Im bischöflichen Palais von Fréjus ist ein Priester ermordet worden. Es handelt sich um den Buchhalter der Diözese. Er wurde erstochen. Sein Büro wurde offensichtlich vom Mörder durchsucht, denn er hat ein Chaos hinterlassen – herausgerissene Schubladen, auf dem Boden verstreut liegende Akten. Notebook und Handy des Mordopfers fehlen. Die hat er wohl mitgenommen. Der Fall liegt bei commissaire Mougeot von der PJ Fréjus-Saint Raphaël. Der Kollege wird sicher nicht sehr glücklich darüber sein, weil er in wenigen Wochen in Rente gehen will."

    „Wieso soll das uns etwas angehen?", fragte Guy-deux.

    „Nun, wenn der Fall bis zum Pensionsbeginn des Kollegen Mougeot nicht gelöst ist und die Bosse in Paris nicht zügig einen Nachfolger bestellen, dann ist das Kommissariat dort verwaist. Bei unserer Erfolgsquote ist nicht auszuschließen, dass die in Paris den Fall uns zuschieben. Das ist aber noch völlig ungewiss und liegt in relativ weiter Ferne. Kommen wir jetzt zu unserem Tagesgeschäft!"

    Erneut nahm Papperin einen Schluck aus seiner Espressotasse.

    „Noch etwas: Claude geht es deutlich besser. Ich habe vorhin kurz mit ihm gesprochen. So wie es aussieht, wird er in einer Woche wieder arbeiten dürfen. Dann soll er Sie bei Ihrem Fall unterstützen. Hat die Zeugenaussage etwas gebracht?", wandte Papperin sich an brigadier Legrand.

    Fast eine Stunde wurde nun über die anstehenden Arbeitsschritte diskutiert. Schließlich, als alle offenen Fragen besprochen, die Aufgaben neu verteilt und alle Croissants aufgegessen waren, schloss Papperin das Meeting.

    Bien! Dann weiß jeder, was er zu tun hat. Seien Sie bitte vorsichtig! Passen Sie auf, dass Sie sich nicht anstecken. Vergessen Sie nicht, die Maske zu tragen – am besten auch im Freien."

    Es folgte ein Stühlerücken und nach und nach verließen seine Mitarbeiter Papperins Dienstzimmer. Nur brigadier Jeannine Dalmasso blieb an ihrem Platz sitzen.

    „Jeannine, was ist los mit dir? Was war mit dem Anruf aus Paris? Nun sag schon!"

    „Das fragst du?, fauchte sie zurück. „Du hast gesagt, du stehst zu mir und biegst das mit Limoges hin!

    „Das habe ich doch auch. Ich habe lange mit dem inspecteur général gesprochen. Er hat mir zugesagt, dass er mit dem Staatssekretär reden wird. Er hat mir praktisch versprochen, dass deine Versetzung rückgängig gemacht wird. Hat das nicht …?"

    „Nein! Das hat nicht geklappt. Der Anruf eben kam direkt vom Staatssekretär. Er hat gesagt, dass er auf der Versetzung nach Limoges bestehe, aufgrund der Intervention des inspecteur général habe er aber verfügt, dass ich dort zum commissaire de police befördert werde. Jean-Luc, die wollen mich weghaben aus der Provence und glauben, sie können mir das mit einer Beförderung schmackhaft machen. Aber ich will nicht weg. Das weißt du doch. Die Beförderung ist mir sowas von egal. Ich will nicht zu diesen Spießern und Besserwissern im Norden."

    Papperin war klar: Jeannine war tief in der Provence verwurzelt. Seit Generationen

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