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Freundinnen und der Segelmord: Ein Azurseeroman
Freundinnen und der Segelmord: Ein Azurseeroman
Freundinnen und der Segelmord: Ein Azurseeroman
eBook399 Seiten5 Stunden

Freundinnen und der Segelmord: Ein Azurseeroman

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Über dieses E-Book

Ein spannender Liebesroman im sommerlichen Stockholm um zwei Freundinnen, einen Mord und einen Hund
Paula Gustavson verlebt ihr Wunschwochenende. Punkt drei ihrer geheimen to-do-Liste ist dran: Einen Roman lesen, an einem Stück. Ihre Ehe vergessen, das möchte sie. Sie landet im romantischen Cap Mondrian. Einer Miniaturausgabe von Stockholm. Ihr begegnet die warmherzige Kochbuchautorin Tea Sommerda. Ein exquisiter Keks soll her. Sie ist genervt. Zufällig trifft sie auf ihre alte Freundin Hilda Frey, eine exzentrische Unternehmerin. Einst beste Freundinnen, wenn nicht ein Missverständnis zwischen ihnen Stünde. Ein Verdacht von Hilda, der ihren Mann Torston und Tea betrifft. War es eine Affaire? Beide Freundinnen versuchen einen Neuanfang. Die Emotionen überschlagen sich, als der Mord an Torston passiert. Teas Liebhaber, Kommissar Rufus Vogl mischt in den Turbulenzen kräftig mit...Und da gibt es noch die geheime Rezeptur......
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum9. Sept. 2015
ISBN9783738039641
Freundinnen und der Segelmord: Ein Azurseeroman

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    Buchvorschau

    Freundinnen und der Segelmord - Ingrid Magellan

    1: Prolog – To-do-Liste

    Es war wieder einmal soweit. Paula Gustavson atmete erleichtert auf. Die viel beschäftigte Möbelrestauratorin startete vergnügt in ihr alljährliches Wunschwochenende. Es bedeutete zwei Tage Zeit für sich. Sie konnte alles machen, wonach sie Lust hatte. Sie hatte vor, in der Stadtwohnung in der Stockholmer Altstadt zu bleiben. Ihr Mann Knut war schon voraus ins Ferienhaus gefahren. Er wollte das Segelboot für den anstehenden Urlaubstörn startklar machen. Ihr Sohn Carl besuchte über das Wochenende einen Freund.

    Für die persönliche Auszeit kam ihr ein Herzenswunsch in den Sinn. Er betraf ihre geheime To-do-Liste. Sie hatte sie zu Beginn des Jahres aufgestellt. Es waren darin alle Dinge vermerkt, von denen nur sie wußte und die sie umbedingt erledigen wollte. Punkt drei gefiel ihr besonders. Einen ganzen Tag auf dem Sofa herumtrödeln, mit einem Buch in der Hand. Das Buch in einem Rutsch lesen, von der ersten bis zur letzten Zeile, Kapitel für Kapitel, ohne Störfeuer von außen. Kein Telefongeklingel, keine Termine im Studio, keine Familiendiskussionen mit Mann und Sohn oder sonstigen Dinge, die den Alltag zwangsläufig stressten. Na, ja, vielleicht gäbe es die eine oder andere Pause für einen Moment im Bad oder für einen Snack in der Küche. Höchstens.

    Für ihre Mammutlesestunden hatte sie sich einen Roman ausgesucht, der in Cap Mondrian spielt. Nach einem kurzen ersten Eindruck hatte der Ort frappierende Ähnlichkeit mit Stockholm, nur daß er beschaulicher war. Sie war gespannt. Vielleicht half ihr das Buch in einer persönlichen Angelegenheit weiter. Darüber dachte sie nach. Das Lesen schenkte ihr erst einmal Zeit, einen inneren Abstand. Seit der gestrigen Sommerparty blitzten in ihrem Kopf eifersüchtig machende Bilder auf. Sie kreisten um ihre beste Freundin. Wie fand sie ihren Mann Knut tatsächlich? Ihrer Meinung nach hatte sie ihm zu heiß in die Augen geblickt.

    Sie zog den hellblauen Kaftan über, der ihre 40-jährige schlanke Figur verbarg, aber unvergleichlich bequem war. Perfekt für die ausdauernde Sitzrunde. Mit einer Haarklammer steckte sie die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann postierte sie den Porzellanbecher mit Kaffee und die Lieblingsschokolade „Vollmilch mit Ingwer" auf dem Sofatisch. Das Handy schaltete sie aus. Alles war vorbereitet. Mehr brauchte sie nicht. Der ersehnte Augenblick war da. Sie machte es sich in den Sofakissen bequem. Ein klein wenig nervös schlug sie das erste Kapitel auf. Die Reise in die Fantasiewelt begann.ihre Pupillen in den blauen Gletscheraugen begannen über die Zeilen zu wandern.

    2:Hoffnungsvolle Zukunft

    >Cap Mondrian, Daily News Radio, Kanal Zero. Hallo! Guten Morgen,liebe Mitbewohner in unserer schönen Stadt! Aufgewacht ihr Schlafmützen! Sie hören den frühen aktuellen Wetterbericht. Um 6 Uhr.< Die männliche Stimme aus dem Radio klang müde und verschlafen aber keinesfalls frisch und munter für einen Radiomoderator des Frühstücksprogramms.

    >Sie erleben einen Traumsommermonat mit einem lang anhaltenden Hoch. Alles deutet auf eine stabile Wetterlage mit warmen Sommertagen hin. Der Wind frischt täglich auf, angefangen von der sanften Mondrian Brise bis zur idealen Stärke für das Segeln auf unserem Azursee. Für die heutige Regatta – gesellschaftlicher Höhepunkt des Segelclubs – bläst der Wind nachmittags voraussichtlich in einer Stärke von 4-5 der Beaufort Scala. Die Lufttemperatur wird bei 20 Grad Celcius bis 25 Grad Celcius liegen, bei einer Wassertemperatur von runden 19 Grad in unserem blauen See. Genießen Sie die Zeit in unserer romantischen, bunten Stadt, auch wenn Ihnen das Leben ein Bein stellt und Sie straucheln läßt. Das Leben wird sie wieder mit Wünschen, Hoffnungen, Widrigkeiten oder auch himmlischen Glücksmomenten konfrontieren, egal ob Sie leidenschaftlicher Segler, Hundeliebhaber, Rosenliebhaber oder Jogger sind oder einer anderen Passion nachgehen. Das ist die aktuellste und beste Wettervorhersage die es für diesen Monat gibt.<

    Tea Sommerda brustete vor sich hin: „Bei dem Wetter freue ich mich auf meine gute Laune und meine neue cremefarbene Spitzenunterwäsche. Von wegen ein Bein stellen! Der Zero Wetterfrosch sollte seinen Mund halten, anstatt banale Sprüche in den Äther zu schicken. Sie klingen schlimmer als bei einem drittklassigen Astrologen. Außerdem hat er Tortenliebhaber vergessen. Das nehme ich ihm übel! Und das alles morgens zum Frühstück, wenn der Körper erst langsam sein Aktionspotential einschaltet." Tea redete laut darauflos, wie so oft, wenn sie allein war. Sie kuschelte sich in ihren lilafarbenen Seidenmorgenmantel und trank einen Schluck Kaffee. Was sie noch nicht wußte: In den nächsten Tagen erlebte sie Spektakuläres.Einige Überraschungseier in Form von unerwarteten Ereignissen fielen in ihr weich gepolstertes Leben. Sie würde viel Geschick und Energie brauchen, um die damit verbundenen Aha-Effekte zu meistern. Besonders Menschen, die ihr nahe standen waren die Ursache oder darin verwickelt.

    Der bekannte Kochbuchverlag „Fritzen & Kötter" saß in einem modernen weißen Bauhauskubus mit 10 Stockwerken am Rande von Cap Mondrian. Die großen Glasflächen der Panoramafenster fingen das klare Licht des Morgens ein. Vom 10. Stockwerk blickte man geradeaus über die Dächer der Stadt auf den See. Die Aussicht war phänomenal. Der Bau war nach streng ökologischen Gesichtspunkten entwickelt, um Heizungsenergie einzusparen.

    Tea Sommerda, gerade 40 Jahre alt geworden, warf ihre aschblonden schulterlangen Haare zurück, als sie aus dem Fahrstuhl in der 10. Etage stieg. Sie war Kochbuchautorin, um genau zu sein Spezialistin für Süßes. Ihre Torten, Patisserie und Desserts schmeckten umwerfend. Gern sagte sie von sich, sie sei leidenschaftliche Bäckerin. Flink überquerte sie den Flur, klopfte an der Türe mit dem Schild Sven Fritzen und rauschte in das Zimmer. Sie zeigte ihre langen Beine, die sich unter dem kurzen aber nicht zu kurzen Rock abzeichneten und streckte ihren Rücken. Auf zum Gefecht sagte ihr ganzer Körper, ebenso hießen die Gedanken in ihrem Kopf.

    >Hallo, Tea, prima, daß unser Treffen so schnell geklappt hat. Du bist eben flexibel<, ertönte es gönnerhaft aus dem Munde von Sven. Sven Fritzen gehörte der Verlag zur Hälfte. Er war ein 1,75 m großer Mittfünfziger mit Bauchansatz, blankem, wohlgeformten Kopf und Joggingambitionen. Er kombinierte daher gerne eine Jogginghose mit einem gestreiften Hemd. Grußlos wandte er sich Tea zu, als er hinter seinem Glasschreibtisch hervorkam. >Setzen wir uns am besten gleich dort drüben hin. Ich habe es eilig. Ich möchte zum Punkt kommen. Ich brauche deine Rezepte für die Sommerkuchen dringend. Das heißt sofort.< Jetzt sah er Tea nach seinem ihm eigenen Wortschwall aus wäßrigen blauen Augen an. >Es ist einfach so:Wir haben unsere Druckerei gewechselt. Aus Termingründen läuft der Andruck früher und der Text muß rein. Ich hoffe, du kannst das managen.< Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen seufzte er hörbar auf. Tea saß kerzengerade in ihrem Sessel. Angespannt hatte sie zugehört. Ihr Zeitplan käme ganz schön durcheinander. Sie brauchte das Kochbuch mit den Kuchenrezepten aber dringend, denn es füllte ihr leeres Haushaltskonto beträchtlich auf. Bleibe sachlich und mache ihm ein Angebot, sagte sie zu sich selbst. >Welche Rezepte stehen am Anfang? Du planst doch sicher die Reihenfolge und das Layout<, sagte sie zu ihm. >Gutes Argument. Die Sommerkuchenrezepte sind von Anfang bis Mitte des Buches platziert<, meinte er. >Die Desserts und das Kleingebäck folgen. < Tea feilschte nicht herum. >O.K. Das bekomme ich mit den Rezepten hin, die meisten sind entwickelt. Du erhieltst einige vorab per Mail. Nur mit dem Probebacken bin ich noch hinterher.< Sven marschierte quer durch das repräsentativ eingerichtete Zimmer zu seinem Glasschreibtisch und griff sich mehrere Computerausdrucke. Mit rosa Papierseiten, die fächerförmig in der Hand lagen, kam er zurück. Akribisch ordnete er die Seiten auf dem Tisch zu einem Viereck. Erleichtert lehnte sich Tea in dem schwarzen Ledersessel zurück. Mit ihren langen Fingern schob sie ihre Konzeptblätter in die Mappe zurück. Sie hatte eine Auseinandersetzung mit Sven über den gesamten Inhalt des Kochbuchs befürchtet. Offensichtlich bewertete ihr Kopf die Signale von Sven neulich am Telefon anders als es der Realität entsprach.

    >Wann schaffst du es? Je früher desto besser<, fragte Sven knapp. Mit der Hand strich er sich nachdenklich über den Kopf. >Bis Monatsende dürften wohl alle Kuchen im Ofen sein. Die eine oder andere Rezeptur gehört sicher verfeinert. Das ist Routine. Der Text steht dann im Wesentlichen<, entgegnete Tea diplomatisch. >Dann ist das fix<, antwortete der Verlagsmanager. Tea dachte, sie wären fertig und wollte aufstehen. Schließlich bekam sie heute keinen Espresso von ihm wie sonst. >Bitte, bleibe noch einen Moment sitzen. Es gibt noch eine wichtige Sache, die ich mit dir besprechen möchte. In ein paar Monaten haben wir Weihnachten. Es geht um unser Weihnachts- und Adventsbackbuch.< >Du denkst schon an Weihnachten. Ist dir zu heiß?Megaheiß wird mir, wenn ich daran denke. < >Vielleicht solltest du ein Bad im See nehmen<, entgegnete Tea unbeeindruckt. >Weihnachten heißt Gebäckhimmel. Es wird gebacken ohne Ende. Wir brauchen dringend einen Knaller für den Rezeptteil des neuen Weihnachtsbandes. Einen Aufreißer für dasAdventsmarketing. < >Hm, Knaller? Worauf willst du genau hinaus?< >Also Tea. Ich dachte du springst in die Luft! Vor Begeisterung. Und Ideen sprudeln aus dir heraus.< >Ach, jetzt verstehe ich. Den Knaller, den soll ich liefern.< >So habe ich das angedacht. Mir schwebt vor, du erfindest einen ganz außergewöhnlich, geschmacklich einzigartigen Weihnachtskeks. Er soll das Herzstück werden im Adventstitel.< Sven dozierte lauthals vor sich hin. >Verstehst du, ein herausragender Keks aus der Menge der konventionellen Gebäckteile. Ein himmlischer Keks vom Weihnachtsmann. Er macht unseren Band zum Bestseller!< Tea kam aus dem Staunen nicht heraus. Von einem Weihnachtsbuch wußte sie bislang nichts.

    >Ich liebe Weihnachtsgebäck< rief sie aus. > Der Keks entsteht zuerst im Mund.Ich muss ihn schmecken . In der Nase, ich muss ihn riechen. Dann im Kopf.In alten Kochbüchern gibt es fantasievolle Anregungen, meist in alten Rezepten. Dort gibt es alte Rezepturen, die wieder zu entdecken sind.< >Nichts Altes. Ein ganz neues Produkt muß es sein, es muss Kenner überzeugen. Ein kulinarischer Leckerbissen. Streng dich an. Denke jetzt schon darüber nach und fange an<, insistierte Sven. >Mich anstrengen? Was mache ich denn sonst? Was denkst du dir eigentlich? Ich kupfere doch nicht einfach Rezepte ab, sondern mache alles selbst.< Tea warf Sven wütende Blicke zu. > Die Kuchen kullern doch nicht per Knopfdruck aus dem Backofen.< >Sei nicht so empfindlich. Bitte. Ich stehe extrem unter Druck. Die Konkurrenz schlägt immer schärfer zu. < Sven formte mit beiden Händen einen Kreis. Die Geste hatte etwas Beschwichtigendes ansich aber Tea ignorierte sie.

    Sichtlich genervt entgegnete sie: >Ich werde dir wie immer ein Versuchsexemplar Keks präsentieren.< Sven starrte sie irritiert an. >Es ist nicht wie gewöhnlich und wie immer.Der neue Weihnachtskeks muß einzigartig werden. Ein himmlisches Erlebnis.< Sven stand auf, ein Zeichen dafür, daß das Gespräch beendet war. Er war sichtlich in Eile. Er streckte Tea seine schlaffe Hand hin. Mit den Worten >Fröhliches Backen, Tea<, verabschiedete er sich.Tea verließ das Zimmer so schnell sie konnte. Überstanden dachte sie verärgert. Ich habe immer Superrezepte erfunden, Backen ist meine Leidenschaft, es ist mein kreativer Zufluchtsort. Was will dieser Sven Fritzen ?: Einen Knaller?Er wird seinen Knaller bekommen………………

    Ach, wenn sie darüber doch mit Hilda Frey, ihrer alten Freundin, sprechen könnte! Inzwischen war viel Zeit vergangen.Es waren genaugenommen zwei lange Jahre. Sie hatten keinen Kontakt mehr seit dem amourösen Zwischenfall von Tea mit Hildas Mann. Es wäre wieder schön, sie zu treffen, mit ihr zusammen zu lachen, zu reden und Pläne zu schmieden. Obwohl es Tea bei dem Gedanken bange ums Herz wurde.

    Hilda Frey, 45 Jahre alt und Torston Frey, 48 Jahre alt, bewohnten ein modernes Holzhaus mit zwei Stockwerken in der Waldstraße. Es war ein umwelttechnisches Vorzeigehaus, was den Holzbau betraf. Das Obergeschoß war holzverkleidet mit kleinen runden Fenstern. Eine breite Glasfront spendete der ersten Etage Licht. Auch das Wohnzimmer hatte zum Garten hin eine breite Glasfront. Im Inneren der Raume bestanden sämtliche Wände aus Holz. Dazu im Kontrast möblierte Hilda die Räume mit weißen, geradlinigen Möbeln. Neben dem rechteckigen Sofa mit weißem Leinenbezug standen Sessel im skandinavischen puristischen Stil. In den Vitrinen an der Wand stapelten sich Bücher und antike Porzellanhunde, die Hilda sammelte. Der Wohnraum öffnete sich zu einer großen Küche.

    Torston Frey war die Treppe von der ersten Etage, auf der das Schlafzimmer lag, heruntergeschlichen. Er wollte Hilda nicht wecken. Bei einer Körpergröße von 1,90 m machte Torston einen imposanten Eindruck. Er reckte sein kantiges Kinn vor, wenn er aufgeregt war, wie heute am frühen Morgen. Seine blauen Veilchenaugen blickten noch eindringlicher als sonst. Die Segelpartie mit den zu erwartenden Winden ging ihm im Kopf herum. Er wollte bei der Regatta heute Morgen endlich einmal gewinnen. Er trug bereits seine blaue Seglerlatzhose und ein weißes T-Shirt. Um seinen Hals baumelte die Sonnenbrille an einem Halteband. Er wollte das Frühstück für sich und Hilda vorbereiten, was er immer machte, wenn er an einer Regatta teilnahm. Beim Frühstück wollte er eindringlich mit Hilda über das Hundeleckerli für „Lussodog" reden. Der Gedanke daran machte ihn skeptisch. Ob der Augenblick, jetzt zum Frühstück, wohl der Richtige war?

    Die moderne, weiß eingerichtete Küche lag auf der Südseite des Hauses. Bei schönem Wetter, wie heute leuchtete sie hell im Morgenlicht der Sonnenstrahlen. Der runde Tisch mit dem Frühstück sah appetitlich aus. In einer Glasschüssel würzte Torston sich eine Käsecreme mit Pfeffer, Paprika, Salz und Kräutern. Als weitere Zutaten für das Frühstück standen Rühreier, Obstsalat, Briekäse, Orangenmarmelade und Vollkornbaguette bereit. Die Kaffeemaschine zischte, als heißer Kaffee in die Tasse gluckerte. Beinahe hätte er sich den Finger an dem heißen Tassenrand verbrannt. Er fluchte und pustete auf seinen Zeigefinger.

    >Super. Ich bestelle jeden Tag eine Regatta. Super, wie ich heute Morgen verwöhnt werde<, rief Hilda Frey, als sie in den Raum kam. Neben ihr stürmte ihr Hund Georgi, ein schwarz-weißer Jack Russell Terrier, zur Tür herein. Das schwarz-weiße Wollknäuel wirbelte durch den Raum und verschwand unter dem Tisch. Hilda gab dem weißen Raum einen Farbklecks. Ihre schlanke Figur umhüllte ein leuchtend grüner Leinenkimono mit dem Monogramm H.F. auf der Brusttasche. Ihre schwarzen kurzen Locken standen sternförmig um ihren Kopf mit den dunkel braunen Augen, der kleinen kurzen Nase in einem ovalen Gesicht. Sie zog den Kaffeeduft ein.

    >Herrlich, so verwöhnt zu werden. Heißer Kaffee und Orangenmarmelade, und dazu aufgewärmtes Brot. Das ist perfektes morgentliches Frühstücksglück. Es darf jeden Tag Regatta sein! Ich sage es nochmals<, rief sie. >Schön, daß ich wenigstens etwas gut kann, Frühstück machen<, wandte Torston ein. >Was ist mit dir los? Du zweifelst an dir? Warum so bescheiden!< Hilda blickte verwundert auf ihren Mann. Sie fischte sich eine Scheibe Brot aus dem Korb, dazu Butter und Marmelade. Georgi zu ihren Füßen hob den Kopf und flehte sie erwartungsvoll an. Er hoffte auf einen süßen Happen. Sie holte tief Luft. >Es geht mal wieder um die Regatta, stimmt doch.Sie kreist in deinem Kopf herum. Du hast dir bestimmt Strategien für die heutigen Windverhältnisse ausgeklügelt, wie du den Kurs steuerst. Immer optimal mit dem Wind. Du kennst den heutigen Wetterbericht bestimmt in- und auswendig. Warum also diese Sorgen? Beim Segeln bin ich keine große Hilfe, wie du weißt. Du mußt dich mit deinem Partner Jens Wegener beraten.< Ihr Mann kam ihr rätselhaft vor. Hilda fing an, sich über sein Verhalten zu wundern. Sonst drückte seine Miene gespannte Vorfreude aus, wenn es um einen Segelwettbewerb ging. Heute war es anders. Torston schaute bekümmert aus seinen blauen Augen. Oder sollte es gar nicht ums Segeln gehen, sondern es hatte alles eine tiefergehende Ursache? >Was hast du? Was ist los?< Sie zögerte kurz. >Geht es um uns? Hat es mit unserer Ehe zu tun?<, fragte Hilda dann und fuhr fort: >Brot habe ich schon, erwartest du Spiele von mir? Den Zeitpunkt finde ich etwas unpassend.< Hilda hörte nicht auf zu reden. Ein Satz stand akkurater als der andere. >Unsere Ehe läuft eben wie sie läuft, mal geradeaus, mal mit Höhen, mal mit Tiefen.< Torston betrachtete seine Frau prüfend, kaute dann seinen Apfel ohne jeglichen Einwand. >Wir können uns nicht beklagen, nach 20jähriger Ehe, finde ich, abgesehen von deiner Aktion mit Tea von vor zwei Jahren…..< Torston streckte den Kopf vor. Ein Auftaktsignal für ihn. Er begann jetzt dazwischen zufunken. Er schnitt Hilda das Wort ab. >Immer deine Spitzen! Vergiß doch endlich das Zwischenspiel mit Tea. Deine Eifersuchtsfantasien. Da war nichts. Wir haben darüber oft genug gesprochen.Du glaubst mir einfach nicht. Unsere Ehe war damals arktisch, Hilda. Du vergißt das immer.Du hast mich überhaupt nicht mehr als deinen Mann wahrgenommen.< >O.K. O.K. Ich habe verstanden, Gras und Unkraut über die Vergangenheit.< Hildas leise Stimme deutete zaghafte Emotionen an.

    >Verflixt noch einmal, es geht nicht um unsere Ehe<, räusperte sich Torston. >Worum geht es dann<, fragte Hilda, wieder ganz ernst. >Es geht um das Hundeleckerli, es geht um „Lussodog<, murmelte Torston leise. >Was soll damit sein, mit meinem Online-Versandhandel für den Hundefreund?<, fragte Hilda sofort. Sie band den Gürtel ihres Kimonos enger. Ihre dunklen Augen zeigten sich tief schwarz. >Ich finde, du mutest dir zu viel zu, mit dem Marketing und den Finanzen für deinen Versandhandel für den Hundeliebhaber<, kam es von Torston. > Wieso? Dein Einwand greift voll daneben.Völlig unberechtigt. Mit dem Geld von dir komme ich prima hin. Ich muß lediglich noch einmal den Feinschliff am Konzept durchgehen<, antwortete Hilda ernst. >Wäre es nicht sinnvoller, den Verkauf mit einem Partner zu betreiben, der aus der Branche kommt?<, warf Torston ein. Er stand auf und lehnte sich an den Tisch. >Wen hast du im Sinn?<, fragte Tea direkt und kühl. >Ich denke an Mike Petrus. Mit ihm mache ich mit den Segeltauen seit Jahren gute Geschäfte. Meine Firma „Canvas hat immer von ihm profitiert. Er mischt jetzt auch im Tierfutterhandel mit<, sagte Torston eindringlich. Hilda warf die Hände in die Luft. Der Kaffeelöffel klirrte auf dem Tisch.

    >Ich glaube es nicht. Jetzt ist die Katze aus dem Sack<, rief Hilda aufgebracht. Mit den Händen strich sie ihre Locken aus dem Gesicht. >Ausgerechnet Mike Petrus! Nur weil dein Segeltauhandel mit ihm gut läuft, ist er noch lange kein seriöser Geschäftsmann<, antwortete sie wütend. >Jetzt übertreibst du aber<, zischte Torston. >Ich denke nicht. Mike Petrus ist ein Windbeutel<,antwortete Hilda kurz und knapp. >Wieso?< >Vom Tierfutter habe ich gehört. Aber ich habe auch gehört, daß er den Händlern ganz schlechte Qualität zu einem überteuerten Preis angeboten hat. Seine Geschäftspraktiken sind undurchsichtig. Auch soll es bei ihm einen finanziellen Engpaß geben.< Hilda war sich sicher und antwortete bestimmt. >Wer hat dir das erzählt?<, fragte Torston ungläubig. >Aus welcher Quelle stammt das.< >Meine Ohren funktionieren. Mein Grafiker für das „Lussodog-Design hat sich am Telefon über Mike Petrus beschwert. Ich habe es mitbekommen<, antwortete Hilda. >Das muß nicht stimmen<, wendete Torston ein. >Das stimmt. Im Segelclub wird über ihn gemunkelt. Du bist einfach zu leichtgläubig, Torston<, meinte Hilda. Und ernsthaft fuhr sie fort: >Außerdem will ich „Lussodog alleine managen. Die Idee stammt von mir. Und so will ich auch den Erfolg, möglichst viel Gewinn, alleine einfahren. Und Mike Petrus ist nur scharf auf die Geschäftsidee mit dem Hundeleckerli. Du hast ihm hoffentlich nicht davon erzählt ?< >Daß du ein interessantes Rezept für Hundeleckerli hast, habe ich ihm bereits erzählt<, gab Torston kleinlaut zu. Hilda schoß in die Höhe, knallte die Kaffeetasse auf den Tisch. Georgi, ihr Hund, ergriff vorsichtshalber die Flucht, stob unter dem Tisch hervor und stürmte aus dem Zimmer. >Bist du komplett wahnsinnig, Torston, du verrätst hier meine Geschäftsidee, ich kann es nicht glauben. Deswegen wieder die ganze Zermonie mit dem Frühstück. Diese Idee mit Petrus wolltest du mir möglichst schonend beibringen.< Hilda konnte sich nicht mehr beruhigen. >Meine Güte, Torston, was ist los mit dir? Ich kann es nicht anders sehen. Du hast deine wenigen Gehirnzellen letzte Woche komplett beim Pokern verzockt. So sieht es aus. Das wußte ich nicht.< Hilda war wieder so richtig in Fahrt und prustete los: >Weißt du was, „Lussodog ist meins. Es gehört ganz allein mir. Hoffentlich kentert dein Boot. Ein kaltes Bad im Azursee bringt dich wieder zur Vernunft. Ahoi, Ahoi.< Torston warf jetzt mit rauher Stimme ein: > Beruhige dich wieder. Mike Petrus weiß im Grunde nichts, außer ein paar oberflächlich angedeuteten Spekulationen. Und was soll das: Ahoi, Ahoi! Ich bin kein Hausbootkapitän.< >Was hat Mike Petrus dir geboten als Gegenleistung für „Lussodog<, wendete Hilda verdächtig ruhig ein. >Ein besonderes Geschenk für dich, mindestens ein Preisnachlaß bei den Tauen, oder eine Segelreise in die Karibik?< Hilda drehte sich blitzschnell um, stand auf, der Stuhl kippte um und lief mit wehenden Stoffzipfeln aus dem Zimmer. Eine Duftwolke ihres neuen französischen Parfüms „Lemonde" blieb in der Luft haften.

    Torston rieb sich einige Sekunden die Augen in seinem verdatterten Gesicht. Daß es Aufruhr mit Hilda geben würde, war vorauszusehen. Aber so ein Donnerwetter! Er mußte sich wieder konzentrieren. Welchen Platz er bei der Regatta erkämpfen würde, entschied über geschäftliche Belange, sowohl bei einem Sieg als auch bei einem sonstigen Platz. Hilda lag gewissermaßen richtig, wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Erst das eine, dann das andere, mit diesen Gedanken warf Torston den Matchsack über die Schulter, verließ das Haus und ließ die schwere Holztüre mit Wucht hinter sich ins Schloß fallen.

    3: Misslungene Backlust

    Von ihrem Besuch bei Sven Fritzen mußte sich Tea Sommerda erst einmal erholen. Sie fühlte sich verloren, wie sie in der Wohnhalle vor dem Fenster zum Garten stand und ihre Nasenspitze die Fensterscheibe berührte. Die dünnen Zweige und Blätter des Lindenbaums im Garten wiegten sich in der Brise, die zum Azursee wehte. Ideales Segelwetter bei einer Windstärke von 3-4 dachte sie, obwohl sie selbst kein Segelfan war. Es würde heute noch weiter auffrischen.

    Dann kehrten ihre Gedanken zurück zu dem Gespräch mit Sven Fritzen. Warum behandelte er sie stets herablassend, wie ein kleines Schulmädchen? Warum ist es nicht möglich mit ihm ein ruhiges und sachliches Gespräch zu fuhren? Sie solle sich anstrengen, hatte er gesagt. Darüber ärgerte sie sich immer noch: Vielleicht liegt es gar nicht an mir, so ihre Erkenntnis, sondern an Sven Fritzen: Er ist einfach ein Idiot!

    Das Weihnachtsprojekt mit dem neuen Rezept für einen Keks fand sie trotzdem interessant. Wie immer bei einem neuen Projekt gab sie ihm einen Namen. Ihr fiel „Spicy" ein. Allmählich fühlte sie sich entspannter. Ihre alte Gelassenheit und ihr Optimismus kehrten zurück; zumindest äußerlich. Sie drehte sich einmal um ihre Achse. Im 2 m großen Wandspiegel an der Eingangsseite ihrer Wohnhalle betrachtete sie sich von allen Seiten. Ihr Businesskostüm vom Vormittag hatte sie abgelegt. Ein legeres Outfit mit weiter roter Hose und kurzer weißer Bluse umspielte ihre gut proportionierte, schlanke 40-jährige Figur bei einer Körpergröße von 1,70 m. Sie legte den schmalen Kopf mit der vielleicht etwas zu langen Nase und den grünen Augen in den Nacken. Ihre aschblonden Haare fielen ihr auf die Schultern. Selbstzufrieden fand sie sich durchaus attraktiv für ihr Alter. Nicht so übel, dachte sie.

    Im Hintergrund hörte sie Gepolder und Möbelrücken. Ein Zeichen dafür, daß Frau Bergmann vom Housekeeping Service ihrer Reinigungsaufgabe nachging. Der Krach hörte sich nach erstem Stock an, was bedeutete, daß Parterre, Wohnbereich und Küche bereits fertig waren und blank blitzten.

    Die Gründerzeitvilla hatten ihr Mann Manfred und sie vor 10 Jahren gekauft. Nach seinem Tod vor 4 Jahren bewohnte sie das geräumige Haus allein. Viel zu viel Platz für eine Person allein, dachte sie oft. Mit einem lässigen Einrichtungsstil gab sie dem ernsten Gebäude eine gewisse Leichtigkeit. Tea kombinierte ihr Chesterfield-Sofa mit einem Coachtisch im Shabbychic-Stil. Zu dem dunkelbraunen Leder des Sofas standen im Kontrast italienische Designersessel. Ein ausladender Wandschrank trennte die Wohnhalle von der Küche mit dem rechteckigen langen Eßtisch aus Walnußholz. Eine Wand der Küche war ungekachelt sondern tapeziert. Eine weiße Tapete mit Tellern in Delfter Blau-Weiß-Dekoren schmückte die Wand. Tea liebte das Muster. Es gab ihrer Küche ein frisches und romantisches Aussehen. Das war ein gewisses Wagnis wegen des Kochdampfs, was Tea nicht störte.

    Ein plötzlicher Einfall von Tea machte Frau Bergmann zur Hauptperson. Gerade kam Frau Bergmann bepackt mit Staubsauger und Besen die Treppe herunter.

    >Haben Sie 5 Minuten Zeit für mich, bitte, bitte<, fragte Tea die Reinigungsfrau, die immer hektische Betriebsamkeit ausstrahlte. >Ich muß meine Termine halten <, antwortete Frau Bergmann. Sie blieb auf der letzten Stufe der Treppe stehen. Neugierig und zögerlich zugleich wartete sie auf eine Reaktion von Tea.

    >Mich interessiert ihre Meinung< , lockte Tea. >Wozu?< Frau Bergmann legte den Staubsauger ab und stellte sich breitbeinig vor Tea hin. >Zu Weihnachten, genaugenommen zu Weihnachtsgebäck, das ich neu erfinden, eh, ich meine backen möchte<, erklärte Tea. >Haben Sie sich nicht in der Zeit geirrt, wir haben Sommer, bis Dezember dauert es?<, antwortete die Reinigungsfrau ungläubig. >Reife Sommerfrüchte fallen nun vom Baum. Aprikosen, Äpfel und Birnen gibt es. Die Früchte schmecken saftig imObstkuchen.< >Ja stimmt schon. Aber im Dezember gibt es Weihnachtskekse<, machte Tea weiter. >Welches ist Ihr Lieblingskeks zur Adventszeit? Erzählen Sie es mir.< >Mein Lieblingskeks, zu Weihnachten, das ist ein Gewürzkuchen. Im Advent esse ich noch kein Gebäck<, sprudelte es wie auf Kommando aus Frau Bergmann heraus. >Wie schmeckt er, wie fühlt er sich auf der Zunge an, wie riecht er<, regte Tea den Eifer von Frau Bergmann an. Sie wollte unbedingt wissen, welche Empfindungen diese Frau mit einem solchen Gebäck verband, alles im Sinne des Projekts „Spicy". >Natürlich mag ich einen solchen Keks knackig; er darf ruhig ein bißchen zwischen den Zähnen knirschen. Er soll würzig riechen und schmecken, eben so richtig mit vielen Weihnachtsgewürzen gebacken. Ein bißchen scharf, nicht zu süß soll er sein. Das ist mir lieber als diese Zuckerbatzen, die sonst als Keks angeboten werden.< Frau Bergmann atmete erst einmal durch, selbst überrascht von ihren Wünschen, die sie Tea gerade mitgeteilt hatte.

    Tea war hoch zufrieden. Ihr Gesicht strahlte. Sie lächelte entspannt. Die ersten Ideen zu „Spicy" hatte Frau Bergmann ihr gerade geliefert. Am Geschmack konnte sie herumprobieren und ihn verfeinern.Es gab eine Grundlage, auf der sich das Rezept entwickeln konnte. >Vielen herzlichen Dank für Ihre Rezeptideen, Frau Bergmann. Sie sind sehr hilfreich für mich<, antwortete Tea. >Das hat richtig Spaß gemacht. Eine gute Abwechselung zum Reinemachen. Wenn Sie noch einmal meine Meinung brauchen, ich bin dabei<, antwortete Frau Bergmann erfreut.< >Jetzt muß ich aber los. Bis nächste Woche.< Mit diesen Worten verschwand sie durch die Haustüre. Die Türe schloß mit einem satten Clack.

    Tea drehte sich um. Sie schaute automatisch auf ihre Armbanduhr. Mit einem Schreck stellte sie fest, daß der Vormittag fast vorbei war. Es stand noch kein Versuchskuchen im Backofen. Sie mußte jetzt aufs Tempo drücken. Geradewegs marschierte sie in die Küche. Ihre Country-Küche war seit einem Monat neu eingebaut. So richtig daran gewöhnt hatte sie sich noch nicht. Der Küchenraum war großzügig bemessen. Hier hielt sie auch Kochpartys ab, zu denen sie von Zeit zu Zeit Freunde und Bekannte einlud.

    Meist bereiteten sie ein Menü mit mehreren Gängen zu, gekrönt von einem opulenten Dessert und natürlich einer Torte.Mit ihren Händen strich sie unruhig an ihrer Hüfte und ihrem Bauch entlang. Sie stellte fest, daß ihre Hose locker an ihrer Hüfte saß. Ein Zeichen dafür, daß sie in den letzten Wochen ein paar Kilos verloren hatte. Das gefiel ihr, denn es war Badesaison in Cap Mondrian am Azursee. Sie wollte am Strand „bella figura" machen! Nur weil man Kuchen backt, muß man nicht aussehen wie eine Tonne, ging es ihr durch den Kopf. Mit den sanften Rundungen ihres Körpers an Busen und Po war sie sehr zufrieden. Nicht ganz schlank, aber auch nicht dick.

    Sie entschloß sich, das Rezept mit dem Aprikosenkuchen, die „Aprikosentarte TEA" auszuprobieren. Dazu holte sie das Rezept. Mit schnellen Schritten eilte sie in ihr mit weißen Vintagemöbeln eingerichtetes Arbeitszimmer neben der Wohnhalle. Sie schaltete das Notebook ein. Nach wenigen Minuten vertiefte sie sich in die Zutatenliste des Backrezepts. Zurück in der Küche trat sie an die Kochinsel. Die großformatigen Fronten der Unterschränke hatten kleine Knäufe. Die Arbeitsflächen bestanden aus Keramik. Mit einem Ruck zog sie die Schubkästen auf. Sie holte sich die Backzutaten und Schüsseln hervor. Für den Teig benötigte sie : Mehl, Butter, Eigelb, Vanillezucker, Zucker und etwas Backpulver. Als Belag dazu kamen die Aprikosen mit dem raffiniert neuen Nußstreusel aus Mandeln, Walnüssen, Pinienkernen und Erdnusskernen. Die Aprikosen stammten aus einem streng biologisch bewirtschafteten Obstgarten am Rande der Stadt. Die Früchte lagen prall im Korb, sie dufteten aromatisch und süß.

    Sie füllte die Teigzutaten in die Rührschüssel ihrer Küchenmaschine und schaltete sie ein. Sie beobachtete wie sich die einzelnen Bestandteile behutsam zu einer gleichförmigen Masse formten. Wie immer, wenn sie ein neues Rezept ausprobierte, war es still im Haus. In keinem Zimmer hörte man Musik. Tea konzentrierte sich fast schon meditativ auf den Akt des Kochens. Mit flinken Fingern entkernte sie die Aprikosen, steckte die Früchte in den Teig, der inzwischen ausgebreitet in der Backform lag. Den Nußstreusel streute sie akkurat über die Aprikosen. Jetzt nur noch backen, vorher die passende Backtemperatur einstellen, dabei keinen Fehler machen, dachte sich Tea. Sie freute sich auf das neue Kuchenstück. An ihrem Multifunktionsbackofen stellte sie die Temperatur ein. Die Backform verschwand flink im Backfach des Ofens.

    Fertig ist der Kuchen, jetzt ist der beste Augenblick für eine Musestunde, ging es Tea durch den Kopf. Sie drückte die Taste an der Kaffeemaschine. Mit einer Tasse frischen Cappuccino spazierte sie zum Sofa, auf das sie sich entspannt in die Kissen setzte. Ganz zur Ruhe kam sie nicht. Erst heute morgen der Stress mit Sven Fritzen und jetzt begann sie in einer inneren Berg- und Talfahrt nachzudenken. Immer wenn sie einen neuen Backversuch startete, landeten ihre Gedanken bei Hilda Frey, die früher ihre beste Freundin war. In früheren Zeiten testete Hilda gerne ihre neuen Kuchenkreationen. Sie war immer gespannt, wie ihr Kuchen schmeckte. Jetzt mußte Tea alleine probieren. Die Gedanken in ihrem Kopf umkreisten ihr Verhältnis zu Hilda. Sie hatten sich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen und gesprochen. Sie, Tea, war an allem schuld! Schließlich hatte sie mit Hildas Ehemann, Torston, einige Dates gehabt. Sie hatten heftig geflirtet. Wenn sie daran dachte, krampfte sich ihr Magen zusammen. Damals fühlte sie sich einsam und deprimiert.

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