Café Papa: Fragmente
Von Aglaja Veteranyi
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Über dieses E-Book
Der zweite Band, "Café Papa", versammelt vier grössere Texte, die die Autorin hätte weiter verfolgen wollen: Der erste, Café Papa, ist ein Entwurf zu einem Vater-Roman, der zweite, Vorsicht bissige Huhnersuppe, gilt dem russischen Avantgarde-Autor Daniil Charms, der dritte, Lustiger Friedhof, ist der in der "SonntagsZeitung" veröffentlichte Bericht der Autorin uber eine Reise nach Rumänien, ins Karpatendorf Sapanta. Der vierte, Warum das Kind in der Polenta kocht, ist die kurze Urfassung des gleichnamigen Romans, die vorab in Literaturzeitschriften erschienen ist.
Die vier Texte verweisen alle auf die Herkunft der Autorin und lassen sich von ihren Erfahrungen mit realen Gegebenheiten, Personen und Vorkommnissen anregen. Sie heben aber auch immer ab ins surreal Anmutende, von dem man nicht weiss, ob es der Wirklichkeit oder der Phantasie der Autorin geschuldet ist.
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Buchvorschau
Café Papa - Aglaja Veteranyi
Meinen Vater stelle ich mir immer schwarz-weiss vor.
Das einzige Mal, dass er mit mir ausging, vergass er mich im Taxi. In Paris.
Aus dem Fenster sah ich ihn hinter dem Auto rennen. Er warf die Arme in die Luft. Ich tippte dem Taxifahrer auf die Schulter und sah mich aufgeschlitzt im Wald liegen.
Meine Mutter sammelte mich ein und schrie: Dein Vater ist dement, hab ich dir nicht gesagt, du sollst schreien?
Ich kannte massakrierte und mit Ketchup beschmierte Frauen aus den Filmen meines Vaters und aus den Geschichten meiner Mutter.
Geohrfeigt hat er mich nicht, er zog mich und meine Schultasche aus dem Taxi und brachte uns mit ungarischen Flüchen in ein Kino.
Ameisen frassen meine Knie auf.
Mein Vater und ich sahen uns einen Kinderfilm an.
Hoffentlich steckt er mir die Hand nicht unter den Rock, dachte ich.
Aber gewünscht habe ich es schon.
In der Schultasche hatte ich französische Farbstifte und ein Programm vom Moulen Rouge. Im Notfall müsste ich auf das Foto meiner Eltern zeigen und die Polizei würde mich beim Direktor abgeben.
Der Zauberer im Moulen Rouge hatte farbige Küken, jedes in einer andern Farbe. Für den Trick mit dem Feuerkessel brauchte er immer neue. Die alten gab er mir. Ich hatte eine Schachtel voller Farbküken, klein wie Aprikosen. Die einen, mit gebrochenen Beinen und verbrannten Augen, blieben in der Schachtel, die andern liefen im Wohnwagen herum.
In Paris wohnten wir auf dem Campingplatz. Ich hatte eine Freundin, mit der ich nur vor unserem Wohnwagen spielen durfte. Wir stellten die Aussenteile des Klappbettes auf, legten eine Decke darüber und krochen hinein.
Mein Finger war eine Biene und flog auf ihr Kleid, von Blume zu Blume.
Dann war er ein Wurm, kroch unter den Rock und in ihr Höschen hinein.
Sie durfte bei mir aber keine Würmer hineinstecken.
Auf einem Foto stehen mein Vater und der Eiffelturm.
Mein Vater hält den Kopf an den Busen einer blonden Riesin.
Meine Mutter und ich im Hintergrund. Schön angezogen und ineinandergewachsen.
Mein Vater war mehr der Vater meiner Schwester, ihr hätte er die Hand unter den Rock gesteckt.
Schon als Kind kam er mir kleiner als nötig vor, als sei dem lieben Gott das Fleisch ausgegangen. Seine Stimme war staubig, rumänische Wörter drangen wie Erdbrocken aus seinem Mund, ungarische, seine eigenen, waren lang und aus Luft. Ich verstand die Luftsprache nicht. Er sprach sie nur mit seiner Filmkamera.
Jööi – säääi – minune – süüürüüüüsüüüürüüüüüü – katastrophe.
In seinen Filmen spielte er Liebhaber, Mörder, Teufel, Monster und Erscheinungen. Alle hatten schwarze Ringe um die Augen und sprachen denselben Text.
Jööi – säääi – minune – süüürüüüüsüüüürüüüüüü – katastrophe.
Für die Erscheinungen band er sich ein Bettlaken um, legte sich einen Blätterkranz auf den Kopf und liess sich verschwinden und erscheinen, verschwinden, erscheinen.
Er baute alle, die er kannte, in seinen Filmen ein, den Zirkusdirektor, die Stripperin, den Metzger oder Maradona. Sie trugen die Kleider, die sie gerade anhatten, redeten ihre Muttersprache oder machten Zeichen. Dafür steckte ihnen mein Vater einen Dollarschein zu.
Die blonde Riesin spielte seine Geliebte.
1. Sequenz
Moulen Rouge / Can-Can / Zauberer mit Küken / Die Nummer meiner Eltern
2. Sequenz
Schmink- und Abschminkszene / Applaus / Leute an der
Abendkasse
3. Sequenz
Eiffelturm / Triumphbogen / Seine und Schiffe
4. Sequenz
Vater und Riesin im Hotel. Er will sie küssen, sie ziert sich, schlägt die Bettdecke auf und winkt ihn ins Bett.
5. Sequenz
Meine Mutter im Pelzmantel durch die Gänge des Hotels.
Wo ist der Bandit?
6. Sequenz
Mutter stürzt ins Zimmer.
Oh! Ah!
7. Sequenz
Peng! Peng!
FIN
Abspann
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Fantasia de Tandarica
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