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Café Papa: Fragmente
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eBook125 Seiten44 Minuten

Café Papa: Fragmente

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Über dieses E-Book

In ihrem kurzen Leben hat Aglaja Veteranyi zahlreiche Notizbücher und Makulaturblätter mit Texten gefüllt. Sie hat ihre Wörter und Sätze fortlaufend durchgestrichen, um- und neu geschrieben und von einem Text in den andern wandern lassen. So umfasst ihr Nachlass trotz zweier postum veröffentlichten Bücher noch eine beträchtliche Anzahl unveröffentlichter Texte. Die Nachlass-Erschliessung im Schweizerischen Literaturarchiv wurde 2016 abgeschlossen. Das erlaubte es, zwei Bände mit bisher unveröffentlichten oder nur in Zeitschriften zugänglichen Texten Veteranyis zur Veröffentlichung vorzubereiten.
Der zweite Band, "Café Papa", versammelt vier grössere Texte, die die Autorin hätte weiter verfolgen wollen: Der erste, Café Papa, ist ein Entwurf zu einem Vater-Roman, der zweite, Vorsicht bissige Huhnersuppe, gilt dem russischen Avantgarde-Autor Daniil Charms, der dritte, Lustiger Friedhof, ist der in der "SonntagsZeitung" veröffentlichte Bericht der Autorin uber eine Reise nach Rumänien, ins Karpatendorf Sapanta. Der vierte, Warum das Kind in der Polenta kocht, ist die kurze Urfassung des gleichnamigen Romans, die vorab in Literaturzeitschriften erschienen ist.
Die vier Texte verweisen alle auf die Herkunft der Autorin und lassen sich von ihren Erfahrungen mit realen Gegebenheiten, Personen und Vorkommnissen anregen. Sie heben aber auch immer ab ins surreal Anmutende, von dem man nicht weiss, ob es der Wirklichkeit oder der Phantasie der Autorin geschuldet ist.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. Sept. 2018
ISBN9783038531548
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    Buchvorschau

    Café Papa - Aglaja Veteranyi

    Meinen Vater stelle ich mir immer schwarz-weiss vor.

    Das einzige Mal, dass er mit mir ausging, vergass er mich im Taxi. In Paris.

    Aus dem Fenster sah ich ihn hinter dem Auto rennen. Er warf die Arme in die Luft. Ich tippte dem Taxifahrer auf die Schulter und sah mich aufgeschlitzt im Wald liegen.

    Meine Mutter sammelte mich ein und schrie: Dein Vater ist dement, hab ich dir nicht gesagt, du sollst schreien?

    Ich kannte massakrierte und mit Ketchup beschmierte Frauen aus den Filmen meines Vaters und aus den Geschichten meiner Mutter.

    Geohrfeigt hat er mich nicht, er zog mich und meine Schultasche aus dem Taxi und brachte uns mit ungarischen Flüchen in ein Kino.

    Ameisen frassen meine Knie auf.

    Mein Vater und ich sahen uns einen Kinderfilm an.

    Hoffentlich steckt er mir die Hand nicht unter den Rock, dachte ich.

    Aber gewünscht habe ich es schon.

    In der Schultasche hatte ich französische Farbstifte und ein Programm vom Moulen Rouge. Im Notfall müsste ich auf das Foto meiner Eltern zeigen und die Polizei würde mich beim Direktor abgeben.

    Der Zauberer im Moulen Rouge hatte farbige Küken, jedes in einer andern Farbe. Für den Trick mit dem Feuerkessel brauchte er immer neue. Die alten gab er mir. Ich hatte eine Schachtel voller Farbküken, klein wie Aprikosen. Die einen, mit gebrochenen Beinen und verbrannten Augen, blieben in der Schachtel, die andern liefen im Wohnwagen herum.

    In Paris wohnten wir auf dem Campingplatz. Ich hatte eine Freundin, mit der ich nur vor unserem Wohnwagen spielen durfte. Wir stellten die Aussenteile des Klappbettes auf, legten eine Decke darüber und krochen hinein.

    Mein Finger war eine Biene und flog auf ihr Kleid, von Blume zu Blume.

    Dann war er ein Wurm, kroch unter den Rock und in ihr Höschen hinein.

    Sie durfte bei mir aber keine Würmer hineinstecken.

    Auf einem Foto stehen mein Vater und der Eiffelturm.

    Mein Vater hält den Kopf an den Busen einer blonden Riesin.

    Meine Mutter und ich im Hintergrund. Schön angezogen und ineinandergewachsen.

    Mein Vater war mehr der Vater meiner Schwester, ihr hätte er die Hand unter den Rock gesteckt.

    Schon als Kind kam er mir kleiner als nötig vor, als sei dem lieben Gott das Fleisch ausgegangen. Seine Stimme war staubig, rumänische Wörter drangen wie Erdbrocken aus seinem Mund, ungarische, seine eigenen, waren lang und aus Luft. Ich verstand die Luftsprache nicht. Er sprach sie nur mit seiner Filmkamera.

    Jööi – säääi – minune – süüürüüüüsüüüürüüüüüü – katastrophe.

    In seinen Filmen spielte er Liebhaber, Mörder, Teufel, Monster und Erscheinungen. Alle hatten schwarze Ringe um die Augen und sprachen denselben Text.

    Jööi – säääi – minune – süüürüüüüsüüüürüüüüüü – katastrophe.

    Für die Erscheinungen band er sich ein Bettlaken um, legte sich einen Blätterkranz auf den Kopf und liess sich verschwinden und erscheinen, verschwinden, erscheinen.

    Er baute alle, die er kannte, in seinen Filmen ein, den Zirkusdirektor, die Stripperin, den Metzger oder Maradona. Sie trugen die Kleider, die sie gerade anhatten, redeten ihre Muttersprache oder machten Zeichen. Dafür steckte ihnen mein Vater einen Dollarschein zu.

    Die blonde Riesin spielte seine Geliebte.

    1. Sequenz

    Moulen Rouge / Can-Can / Zauberer mit Küken / Die Nummer meiner Eltern

    2. Sequenz

    Schmink- und Abschminkszene / Applaus / Leute an der

    Abendkasse

    3. Sequenz

    Eiffelturm / Triumphbogen / Seine und Schiffe

    4. Sequenz

    Vater und Riesin im Hotel. Er will sie küssen, sie ziert sich, schlägt die Bettdecke auf und winkt ihn ins Bett.

    5. Sequenz

    Meine Mutter im Pelzmantel durch die Gänge des Hotels.

    Wo ist der Bandit?

    6. Sequenz

    Mutter stürzt ins Zimmer.

    Oh! Ah!

    7. Sequenz

    Peng! Peng!

    FIN

    Abspann

    Studio Tandarica presento

    ROMANCE EN PARIS

    Distribucia Tandarica

    Sonido i montasi Tandarica

    Fantasia de Tandarica

    Assistent de

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