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Aufbruch
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eBook353 Seiten5 Stunden

Aufbruch

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Über dieses E-Book

Dieses Buch beschreibt den Weg einer Frau Mitte 40, die in tiefen Depressionen steckt und ihre Gesundheit wiedererlangen möchte. Dabei geraten ihr Familienleben und ihre Partnerschaft aus den Fugen. Beide Seiten - die des Partners und ihre eigene - sind in der jeweiligen Situation durch unterschiedliche Schriftstile für den männlichen und den weiblichen Part gekennzeichnet. Auch die Sicht des Mannes und seine Ängste und Sorgen werden ausführlich beschrieben. Das Buch soll Mut machen - Betroffenen und auch ihren Familienangehörigen. Es zeigt den Weg der Autorin aus ihrer eigenen Lebenskrise und hat damit autobiografische Züge.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum10. Feb. 2015
ISBN9783737523257
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    Buchvorschau

    Aufbruch - Beatrice Roth

    Beatrice Roth

    Aufbruch

    Inhalt

    Eine Frau kämpft mit ihren Depressionen.

    Hoffnungslosigkeit, Dunkelheit, schwere Gedanken, Ängste und die Unfähigkeit darüber zu sprechen, bringen sie an *en äußersten Rand ihres Lebens. Nicht nur sie selbst, sondern alle in ihrem direkten Umfeld sind davon betroffen, der Mann an ihrer Seite, ihre Kinder und ihre Eltern. Sie ist konfront*ert mit Unverständnis, Mitleid und völliger Hilflosigkeit. Aufbruch ist die Geschichte ihres Kampfes, um sich aus dem Sumpf ihrer Gefühle und Ängste zu befreien und wieder ein selbstbestimmtes *nd lustvolles Leben zu führen. Es ist aber auch die Geschichte seiner Gefühle und Gedanken, während sie sich immer weiter in sich zurückzieht.

    Geschrieben aus zwei Perspektiven, gibt dieses Buch ni*ht nur ihre Sicht, sondern auch die Gedanken und Gefühle ihres Mannes wider.

    Wird sie es schaffen, glücklich zu werden und achtsam mit sich umzugehen?

    Beatrice Roth wählt einen sehr offenen, klaren Schreibstil u*d würzt die teils traurige und teils bedrohliche Geschichte auch mit einer wohldosierten Prise Humor und Erotik. Ein Buch direkt aus dem Leben!

    Die Autorin

    Sie wurde 1963 in Süddeutschland geboren, lebt heute in Hamburg und arbe*tet als Coach und psychologische Beraterin. „Aufbruch" ist ihr erster Roman, den sie unter Pseudonym geschrieben hat.

    Aufbruch

    Beatrice Roth

    Copyright: © 2014 Beatrice Roth

    1.Auflage

    Cover: Gernot Schreiber

    Druck und Herausgeber:

    epubli Gm*H

    Beatrice Roth

    Aufbruch

    Roman

    Für Gernot,

    der mir den Mut gab, dieses Buch zu veröffentlichen.


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    This book is created by a trial version of ePub Maker, thus some letters were masked as symbols of star.

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    Aufbruch

    Stillstand

    Rückschritt

    Veränderung

    Aufbruch

    Drei Jahre später


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    Stillstand

    Als der Wecker um 5:30 Uhr klingelte, hatte sie das Gefühl aus der Tiefsee gezogen zu werden. Das Gepiepe des Weckers drang nur sehr langsam in ihr Bewusstsein ein. Als *hr nach und nach klar wurde, dass es Montagmorgen war und sie nicht liegenbleiben konnte, stöhnte sie genervt. Sie hatte mal wieder eine beschissene Nacht hinter sich, war immer wieder aufgewacht und hundemüde. Ihr gesamter Körper tat weh, sie fühlte sich u*alt und war wenig motiviert in die neue Woche zu starten.

    Er neben ihr brummte leise und drehte ihr den Rücken zu. Er war wie so oft gerade zu der Zeit ins Bett gekommen, als sie eben eingenickt war, womit er sie wieder geweckt hatte. Heftig schnarchend war er dann sch*ell eingedöst, was sie neben ihrer Grübelei zusätzlich daran gehindert hatte, weiter schlafen zu können. Diese – vor allem alkoholbedingte – Schnarcherei machte sie wahnsinnig, was die Sache nicht besser machte. Von ihrem Zorn wurde sie erst richtig wach. Jetzt aber beneidete s*e ihn nur noch glühend darum, dass er länger liegenbleiben konnte.

    Sie setzte sich auf, tastete schlaftrunken nach dem Wecker und drückte auf die Stopptaste. Es war kalt im Schlafzimmer, durch das gekippte Fenster hörte sie den Regen rauschen. „Hamburger Januar-Schmuddelwetter" dach*e sie, was sich letztlich nicht vom vorangegangenen Dezember oder November unterschied. Sie versuchte sich zu erinnern, wie sich Sommer anfühlt und wie schön ein heller Morgen war. Die langen dunklen Tage gingen ihr aufs Gemüt und sie fühlte sich, als ob sie einen schwarzen Sack über dem Kopf hatte. *ie gähnte lautlos.

    „Los, Du musst, meckern hilft nicht!" schimpfte sie mit sich selbst. Sie setzte die Füße auf den kalten Fußboden, tastete mit den Zehen nach ihren Hauspuschen und schlüpfte hinein. Als sie aufstand, zog ihr mal wieder der altbekannte, dumpfe Schmerz ins Kreuz. Diese verdammten Rückensc*merzen … Sie wurde sie einfach nicht los, obwohl es doch so simpel gewesen wäre, sie zu bekämpfen. Aber sie konnte sich leider nicht häufiger aufraffen, zum Sport *der zum Reiten zu gehen – sicherlich beides besser als Tabletten, um die Schmerzen loszuwerden. Aber sie schaffte es viel zu oft nicht, den für ihren Rücken – und auc* für ihr Seelenleben – so wichtigen Sport in ihren vollen Alltag einzubauen. Und hatte sie dann mal wirklich Zeit, dann war sie so müde und ausgelaugt, dass sie sich einfach *ur auf ihr Sofa legen und ihren inneren Schweinehund mit Salzstangen füttern wollte.

    Sie stand auf, ging zum Fenster und wagte einen müden Blick nach draußen. Im Licht der Straß*nlaterne sah sie, wie sich die Bäume im Wind bewegten und der Regen schräg ans Fenster klatschte. „Das ist ja grauselig draußen…!" murmelte sie. Dieses Wetter trieb ihre Stimmung auch *icht hoch, sie wollte nur ins Bett zurück. Sie musste gleich mit dem Hund in diese nasse Kälte hinaus. Er lief unten im Haus schon hin und her, seine Krallen machten ein leicht scharrendes Geräu*ch auf dem Parkett. Er wurde unruhig, die Nacht war lang für ihn und seine Blase gewesen.

    Sie schloss leise das Fenster, drehte die Heizung ein wenig an und tapste im Dunkeln aus dem Schlafzimmer, wobei sie *einahe über den Kleiderhaufen ihres Mannes stolperte, den er gestern Abend achtlos auf dem Boden liegengelassen hatte. Und schon wieder kochte es in ihr hoch. Tausendmal hatte sie ihm schon gesagt, dass er seine *achen auf den Stuhl legen sollte, den sie genau dafür auf seine Bettseite gestellt hatte. Ihr rechter großer Zeh blieb im Kragen seines Hemdes hängen. Dieses Hemd hatte sie ihm vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt, *r hatte es aber lange nicht angezogen, weil er eine ganze Zeit keine passende Hose dazu hatte. Nun brachte gerade dieses Hemd sie beinahe zu Fall.

    „Verdammt!" fluchte sie leise und rieb sich den Zeh, den sie sich bei dem M*növer auf den Beinen zu bleiben, umgeknickt hatte.

    Sie lief Gefahr, sich irgendwann die Knochen zu brechen, weil die gesamte Familie – sie selbst natürlich ausgenommen – immer alles auf dem Boden aufbewahrte. Manchmal kam sie sich *or wie eine Fremde im eigenen Haushalt, in dem alle anderen Bewohner das Meiste auf dem Boden erledigten. Ob Hausaufgaben, Essen, Lesen, Kleiderablage, Spielen, Arbeiten, Fernsehen … alles fand auf dem Fußboden statt. Sie fragte sich, warum sie ü*erhaupt Möbel gekauft hatten, wenn diese außer vom Hund und ihr von niemandem benutzt wurden. Bruno durfte es zwar nicht, aber er schlief gerne auf dem Sofa, wenn mal gerade keiner hinschaute.

    Wütend schloss sie die Schlafzimmertür etwas zu laut u*d ein ärgerliches Brummen aus dem Bett war die Folge. Sofort packte sie das schlechte Gewissen, weil sie ihre Laune an ihm ausließ. Als sie das Flurlicht anschaltete, kniff sie die Augen zusammen und blieb einen Moment stehen. Hätte sie sich an den Türrahmen gele*nt, dann wäre sie im Stehen eingeschlafen. Das ging jetzt schon Monate so, dass sie nicht durchschlafen konnte und nur stundenweise zur Ruhe kam, und sie fühlte sich immer schwerer und träger, je länger dieser Zustand anhielt.

    Sie konnte es sich vor allem nicht erklä*en. Ihre Tage waren voll mit Aufgaben und Terminen, sie war abends hundemüde und schlief meist sofort ein. Aber bereits nach zwei Stunden Schlaf war sie wieder hellwach, wälzte sich hin und her und konnte die Gedanken im Kopf nicht abstellen. Sie war auch schon wieder aufgestanden und *atte sich Notizen gemacht, damit die Gedanken nicht verloren gingen. Meistens waren es Dinge, die sie zu erledigen hatte, Stichworte für den Einkaufszettel oder eine Idee, was sie außer Pizza, Nudeln mit Pesto und Frikadellen in den nächsten Tagen kochen könnte. Nichts Weltbewegendes, aber Di*ge, die sie nachts beschäftigten, weil sie sie tagsüber in ihrem Alltagstrott vergessen hatte.

    Als sie ins Bad kam, sank ihre Stimmung noch weiter. Zwei feuchte Handtücher auf dem Badezimmerteppich und Haarshampoo und Spülung auf dem Boden neben der Badewanne zeigten ihr deutlich, dass ihre Stieftocht*r Isabella spätabends noch Haare gewaschen hatte. Das Prinzip „Bodenhaftung" galt auch für die Badezimmerutensilien.

    Sie klappte den Klodeckel hoch, zog sich die Hose ihres Schlafanzuges herunter und pinkelte geräuschvoll. Solange sie auf dem Klo saß, hätte sie nur die Augen zu machen müssen, um wieder ein*uschlafen – einfach so im Sitzen auf der Klobrille.

    Sie spülte, wusch sich die Hände und schaute in den Spiegel über dem Waschbecken. Was sie sah, machte sie an *iesem Morgen auch nicht glücklicher: ein graues und zerknittertes Gesicht, mindestens zwanzig Jahre älter als sie war. Im Sommer hatte sie sich noch richtig attraktiv gefühlt, *raungebrannt und ausgeschlafen. Sie hatte Schwung und viel Lebensfreude gehabt, aber den Herbst und Winter über ist mit der Sommerbräune auch jeglicher Elan verloren gegangen und s* sehr sie sich auch bemühte, ihn wieder in sich zu aktivieren, umso träger und fauler wurde sie. Sie seufzte und nahm sich ihre Klamotten, die auf dem Wäschekorb bereit lagen. Unterwä*che, Shirt, ein dicker Winterpullover und ihre Jeans mussten für den Hundespaziergang erst einmal reichen. Das ungeliebte Job-Outfit zog sie erst an, wenn sie mit dem Hund und der Frühstücksvorb*reitung fertig war. Sie schlüpfte schnell in ihre Sachen und fühlte sich schon etwas wohler, weil sie jetzt wenigstens nicht mehr fror.

    Er lag wach im Bett und ärgerte sich über sie. Warum zum Teuf*l bekam sie es nicht hin, die Tür so zu schließen, dass er nicht davon aufwachte? Das kann doch nicht so schwer sein, verdammt noch mal, dachte er. Er war spät ins Bett gekommen, nachdem er vor dem Fernseher e*ne Flasche Rotwein geleert hatte und dann auf dem Sofa eingenickt war. Er griff nach der Wasserflasche neben seinem Bett, um den schalen Geschmack im Mund zu bekämpfen. Als er sich aufsetzte, spürte er ein leichtes *ochen im Kopf und Druck auf den Augen. Mit Genuss nahm er mehrere große Schlucke aus der Flasche. Danach fühlte er sich schon etwas besser.

    Er legte sich noch einmal zurück und klemmte sich die Decke zwischen die Beine. Das *ar ein äußerst angenehmes Gefühl und er wünschte sich, sie würde doch noch neben ihm liegen. Seine Hand schob sich unter ihre Decke und er spürte noch die Restwärme und die Kuhle in der Matratze, die ihr Körper hinterlassen hatte. *r griff sich ihr Kopfkissen, zog es sich ans Gesicht und atmete tief ihren Geruch ein. Ihr Duft machte ihn immer noch geil. Das war von Anfang an so gewesen. Er liebte auch ihr Parfüm, aber am liebsten atmete er sie pur und am frühen Morgen noch *or dem Duschen ein – mit diesem Schlafgeruch, der so ganz Sie war.

    Dieser Gedanke erregte ihn noch mehr. Sie hatten schon lange keinen Sex mehr gehabt und er vermisste es schmerzlich.

    Er liebte ihren Körper sehr, auch oder gerade weil er im Laufe d*r Zeit weicher und fraulicher geworden war. Als er sie vor 6 Jahren kennenlernte, da war sie sehr durchtrainiert und sportlich und auch etwas schlanker. Aber es störte ihn überhaupt nicht, dass sie inzwischen ein wenig zugenommen hatte. Sie war ja nicht dick, nicht *inmal mollig – sie war immer noch schlank, aber sie selbst fand sich schrecklich dick. Oft stand sie vor dem Spiegel und zog an ihrer Haut und dem angeblichen Fett darunter herum. „Guck mal, hier die Speckrollen!" sagte sie dann ganz unglücklich, obwohl er beim besten Wi*len keine Speckrollen erkennen konnte.

    Es nervte ihn, dass sie von sich selbst so ein negatives Bild hatte und er hatte aufgegeben, sie von dem Gegenteil zu überzeugen. Kein Mann in seiner Umgebung, weder seine Freunde, noch Kollegen liebten Frauen, die wie tapezierte Knochen aussahen, *rotzdem kannte er kaum eine Frau, die nicht unzufrieden mit ihrem Körper war. Diesen weiblichen Tick konnte er beim besten Willen nicht verstehen und konnte nur den Kopf darüber schütteln.

    Natürlich schaute er auch mal gerne einer Frau mit einer perfekten Figur hinterher, aber nur, wenn sie a*ch eine erotische Ausstrahlung hatte und die hatte nun gar nichts mit Gewicht oder perfekten Maßen zu tun. Er liebte den weichen, fraulichen Körper seiner Frau und er hätte ihr das sehr gerne viel häufiger gezeigt. Aber sie hatte seit Monaten keine Lust mehr und jedes Mal, wenn er zärtlich auf sie zugi*g, hatte sie andere Ausreden oder ablehnende Worte. Mal waren es ihre Tage, mal hatte sie Kopfschmerzen, mal war sie viel zu müde und mal hatte sie abends noch einiges zu tun. So langsam war er es leid.

    „Mhhhhh …" brummte er leise, das warme Gefühl, dass sich bei den Gedanken an ihren Körper zwischen seinen *einen ausbreitete, genoss er sehr und er dachte kurz daran, es noch ein wenig auszukosten und selbst Hand anzulegen. Aber dann hatte er die Idee, heute Abend vielleicht einm*l früher nach Hause zu kommen.

    Sein Terminplan ließ das durchaus zu und eröffnete die Chance, einen schönen Abend mit erotischem Ausgang mit ihr zu verbringen. Ein Glas Wein, *in bisschen Massage – vor allem an den Füßen, das liebte sie ganz besonders – schöne Musik, Kerzen, eben das komplette Verführungsprogramm. Das müsste doch mit dem Teufel zugehen, *enn er sie nicht mal wieder von seinen puren, männlichen Qualitäten überzeugen konnte.

    „Ja, ich werde mir den Abend heute für sie freihalten!" nahm er sich fest vor und dabei glitten s*inen Gedanken von den anregenden Möglichkeiten des kommenden Abends zu den Terminen und Aufgaben, die davor erledigt werden mussten.

    Nüchterne Gedanken kamen ihm dabei und seine Erektion nahm in dem M*ße ab, wie er an die Aufgaben dachte, die am heutigen Tag vor ihm lagen. Er hatte vor einem guten Jahrzehnt einen lukrativen Job in einer großen Aktiengesellschaft bekommen, ein Branchen-Riese, der ihm gute *ufstiegschancen bot. Die hatte er auch nutzen können und war in den letzten Jahren stetig in der Hierarchie aufgestiegen. Aber die Hoffnung mit einer höheren Stellung auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Einfluss *u bekommen, hatte sich nicht erfüllt und er trug sich schon lange ganz im Geheimen mit dem Plan, noch einmal etwas ganz anderes zu machen.

    So ein Branchenriese bot zwar einige Vorteile, aber meist bewegte er sich auch lan*sam und behäbig, und bis effiziente und sinnvolle Veränderungen umgesetzt wurden, dauerte es manchmal so lange, dass ihm die Lust und die Luft ausgingen. Viele der Projekte und Arbeitsgruppen, in denen er war oder dessen Ergebnisse *r umsetzen sollte, waren unter einem anderen Namen oder einer anderen Gruppenleitung schon einmal dagewesen. Die meisten dieser Projekte wurden nur zu einem Zweck bearbeitet: Kosten einzusparen und Personal abbauen. Spaß machte ihm das keinen *ehr. Er hasste diese Gespräche, die er dann mit den Mitarbeitern führen musste, die man loswerden wollte, weil sie schon älter waren oder Teilzeit arbeiteten. Der Zynismus, mit dem man am Personalabbau arbeitete, kotzte ihn regelrecht an. Er mac*te sich auch keine Illusionen über seine eigene Position. Auch vor Abteilungsleitern machte der Kahlschlag in seiner Firma nicht mehr Halt.

    Diese Firmenpolitik ging an seiner Ethik vorbei, aber momentan hatte er noch keine Alternative. Er trug die finanzie*le Verantwortung für seine Familie und das machte die Entscheidung nicht leicht, seinen Traum – selbständig und frei zu arbeiten – umzusetzen. Es würde am Anfang viel Geld verschlingen, das er momentan auch nicht so einfach zur Verfügung hatte. Er verschob sei*e Pläne immer wieder und manchmal befürchtete er, dass er irgendwann zu alt dafür sein könnte und es dann nur noch bedauern könnte, dass er es nicht geschafft hatte, seine Träume umzusetzen.

    Kurz überlegte er, ob er schon aufstehen sollte, aber dann hörte er sie die Tr*ppe hinuntergehen und da er wusste, dass sie die morgendliche Ruhe im Haus liebte und gerne die erste Stunde des Tages allein mit dem Hund verbrachte, drehte er sich noch einmal um, zog sich die Decke über die Schulter und war in der nächsten Minute schon wieder eingenickt.

    Als sie unt*n im Flur ankam, wurde sie freudig schwanzwedelnd von Bruno, ihrem dunkelbraunen Labrador begrüßt, was ihre Stimmung gleich um einiges anhob. Sie hockte sich auf die unterste Treppenstufe und schaute ihm in die warmen, braunen Augen. Er setzte sich und hielt ihr die Pfote hin. Seine Ohren waren *eicht aufgestellt und er schaute sie erwartungsvoll an.

    „Ja, mein Süßer, wir gehen gleich – Frauchen stellt nur noch den Kaffee an!"

    Bruno kannte ihre Routine und trabte Richtung Küche, nicht ohne unterwegs einen alten Tennisball aufzusammeln, damit sie nicht vergaß, was sie zu tun hatte. Sie lä*helte und kraulte im Vorbeigehen sein Ohr.

    „Ja, Räuber, es geht gleich los. Ich vergesse Dich doch nicht!"

    Sie knipste in der Küche das kleine, gemütlichere *icht über dem Herd und das Radio an. Dabei registrierte sie leicht unwillig die leere Rotweinflasche und das Glas daneben. Er hatte schon wieder eine ganze Flasche leer gema*ht. Das ging so nicht weiter. Sie machte sich wegen seines Alkoholkonsums ernsthafte Sorgen um ihn. Er trank zu viel aus ihrer Sicht, war aber zu diesem Thema völlig beratungsres*stent.

    „Hältst Du mich für einen Alkoholiker? Ich hab‘ alles im Griff! Ich brauche meine Entspannung abends!" Die üblichen Sprüche, die nicht nur die Frau, sondern vermutlich auc* sein eigenes schlechtes Gewissen beruhigen sollten.

    Sie war aber ganz und gar nicht beruhigt und sie konnte einfach nicht nachvollziehen, wie ein ansonsten vernünftiger und intelligenter Mann *o unvernünftig und blind sein konnte. Er rauchte nicht, hatte auch noch nie geraucht, er fuhr ab und zu Rennrad und joggte auch manchmal, und er ernährte sich gesund, im Gegensatz zu ihr.

    Sie hatte vor *ahren aufgehört zu rauchen, war aber mit dem Drang nach einer Zigarette immer noch nicht ganz durch. Ab und zu gab sie dem auch nach, wenn ihre beste Freundin Iris zu Besuch war, mit der sie bei einer Flasche Sekt *erne mal eine Zigarette rauchte. Ihr wurde zwar regelmäßig schlecht davon und sie hatte am nächsten Morgen fast immer heftige Kopfschmerzen, aber so richtig lassen konnte sie es in der entsprechenden Stimmung doch ni*ht. Auch ihre Ernährung war nicht gerade das, was man gesund nennen konnte. Meist auf die Schnelle und zwischendurch, zu viel Süßes und Fettes, und dabei immer in Eile.

    Sie spürte, dass eine tiefe Unzufriedenheit und Unruhe *n ihm nagte, die, so hoffte sie, nichts mit ihrer Beziehung zu tun hatte und vermutete, dass sein Job ihn nicht mehr sehr glücklich machte. Sie konnte das gut verstehen, sie hatten denselben Arbeitgeber. Sie war zwar in einem anderen Gesc*äftszweig, aber die Firmenpolitik war im ganzen Konzern die gleiche. Alkohol war nun aber wirklich nicht das richtige Mittel um mit dem Jobfrust umzugehen.

    Für sie war Alkohol kein Problem. Ab und zu mal den Sekt mit Iris, auch gerne mal ein Glas *ein bei einem schönen Essen, wenn sie ausgingen – was nicht mehr oft vorkam, das war’s aber auch schon mit dem Alkohol. Sie verlor ungern die Kontrolle über ihre Sprache und ihre Handlungen und zog die Sicherheit vor, zu wissen, was sie tat und sagte. S*e hatte in ihrer Kindheit und Jugend zu oft erlebt, was zu viel Alkohol aus Menschen machen kann, wenn die Freunde ihres Vaters da gewesen und – als sie ein junges, hübsches Mädchen war – auch gerne mal anzüglich und frech geworden waren. Sie hasste betrunkene Mä*ner, die sich schlecht benahmen und alles taten, um sich am nächsten Tag für ihr Verhalten entschuldigen zu müssen.

    Bruno stupste sie mit seiner Nase an und riss sie aus ihren Überlegungen. Er hob die Pfote und berührte ihr Bein. Dann streckte er sich genüsslich und gähn*e geräuschvoll.

    „Ja, mein Guter, wir gehen gleich! Nur noch schnell den Kaffee aufsetzen!"

    Sie goss Wasser in die Kaffeemaschine und schüttete Pulver in den Filter. Beim Geruch des gemahlenen Kaffees freute sie sich auf ihre erste Tasse an diesem Tag, die sie immer mit viel Milchschaum *rank. Sie stellte die Maschine an, nahm die Hundeleine vom Haken neben der Kellertür und ging in den Flur hinaus. Bruno tobte vor Freude wie ein Verrückter herum, während sie sich ihre warm gefütterten Gummistiefel und die dicke Barbour-Jacke anzog. Sie legte keinen Wert auf teure Markenkleidung – für *ie war das unnütz ausgegebenes Geld, aber diese Jacke war wirklich ein wunderbares Geschenk von ihm. Er hatte sie ihr zu Weihnachten geschenkt, als sie gemeinsam e*tschieden hatten, sich einen Hund anzuschaffen und sie war ihm an solchen nasskalten Tagen wie heute besonders dankbar dafür. Auch die Stiefel waren für eine Hamburger *undebesitzerin ein wahrer Segen. Sie hatte sie sich in einem Geschäft für Jagdbedarf besorgt und sie hielten die Füße wunderbar warm und trocken

    Bruno fing an zu kläffen, *eil sie aus seiner Sicht nicht schnell genug war. Während sie ihre Hosenbeine in die Stiefelschäfte stopfte und oben die Schnürbänder am Rand der Stiefel zuzog, knabberte er aus Un*eduld an ihren Händen herum. „AUS!" sagte sie mit Nachdruck und beeilte sich Schal und Handschuhe überzuziehen, bevor er mit seinem Gebelle und Getobe noch das ganze Haus aufweckte.

    Sie n*hm den Schlüssel von der antiken Kommode, die im Flur stand und schloss die Haustür auf. Bruno zwängte sich an ihr vorbei und schoss in den Regen hinaus und den Gartenweg hinunter, bog in einem Affenza*n rechts auf den Plattenweg ab, der entlang der Reihenhaussiedlung zu einem Parkplatz führte. Er blieb am ersten Baum stehen, um ausgiebig zu pinkeln. Sie war froh, dass er seinen Ball vergessen hatte. Bei diesem Wette* und im Dunkeln mit ihm Ball zu spielen war alles andere als angenehm. Zum einen war der Tennisball glitschig und dreckig und das Gefühl an den Händen einfach widerlich, und zum anderen fand er ihn im Dunkeln oft nicht wieder. *ie viele Tennis- und Schleuderbälle im Laufe der letzten vier Jahre verloren gegangen waren, konnte sie schon lange nicht mehr zählen. Zum Glück spielte eine Kollegin von ihr Tennis und brachte ihr ab und zu alte Bälle mit, so dass es *umindest am Nachschub nicht fehlte.

    Sie hatte jedoch inzwischen gehört, dass Tennisbälle wegen der darin verarbeiteten Chemikalien für einen Hund ungesund seien und wollte schon seit Wochen im Internet recherchieren oder beim Tierarzt nachfragen, ob d*ese Information wirklich stimmte. Ein Punkt mehr auf der endlos langen Liste der Dinge, die sie gerne erledigt hätte, zu denen sie aber im Alltagsgeschäft einfach nicht kam, oder sie immer wieder vergaß. Sie hätte mindestens drei Wochen Urlaub nehmen und die Fa*ilie in dieser Zeit wegschicken müssen, um all das zu erledigen, was von Schränke ausmisten bis hin zu Fotos einkleben reichte.

    Bruno rannte vor ihr her, den morgendlichen Weg hinunter zum Alsterlauf. Sie beeilte sich, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren und kontrollie*te, ob sie auch noch genug Hundetüten bei sich hatte.

    Auf dem Alsterwanderweg war es stockdunkel und sie konnte Bruno mehr hören als sehen. Sie blieb wie immer in den dunklen Jahreszeiten an der letzten Laterne stehen, weil sie sich trotz der Begleitung durch Bruno fürchtete ins Dunkel *u gehen. Sie war sich nicht sicher, ob er sie wirklich verteidigen würde. Er war eigentlich sehr vertrauensvoll und zu allen Menschen nett, wenn man ihn nicht ärgerte. Sie zweifelte daran, ob er sich schützend vor sie stellen würde, wenn man sie angreifen oder belästigen würde. Eine Ablenkung durch *in Leckerli und er würde sie vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken ihrem Schicksal überlassen. Nein, darauf wollte sie sich nicht verlassen und blieb liebe* dort stehen, wo sie sich einigermaßen sicher fühlte.

    Er stöberte im Unterholz herum, tapste ins Wasser und schlabberte. Ständig kam er angelaufen und hoffte dar*uf, dass sie einen Ball werfen würde. Dann verschwand er wieder im Dunkeln. Plötzlich bellte er mehrmals laut und in tiefen, grollenden Tönen.

    „Ich bin’s doch bloß, *runo!"

    Ihr Nachbar kam aus dem Dunkeln mit seiner schwarzen Riesenschnauzerhündin. Sie ging gut erzogen an der kurzen Leine. Es war eine respekteinflößende Hündin. Ein gutes *tück größer als Bruno, der dieser Riesendame immer gerne aus dem Weg ging. Sie hatte ihn einmal ziemlich unwirsch angeknurrt, seit dem machte er vorsichtshalber einen großen Bogen u* sie. Er zog die Mädchen in seiner Gewichtsklasse ganz eindeutig vor.

    „Moin!" grüßte der Nachbar und tippte sich an den tropfenden Hut.

     „Guten Morgen" grüßte sie höflich zurück u*d hoffte, dass er nicht stehen bleiben würde.

    Sie mochte ihn nicht, weil er sich in der Wohnanlage immer wieder über irgendetwas beschwerte. Ob zu laute Kinder oder ein Auto, das nicht auf den Parkplatz *ehörte, Papier auf den Wegen oder eine Party im Garten, er hatte immer einen Grund zu meckern und sogar Nachbarn bei der Polizei anzuzeigen. Niemand von den ansonsten durchgehend netten Nachbarn kam mit ihm gut aus *nd alle mokierten sich etwas über ihn. Er war einer von den Typen, die ihren Autostellplatz jeden Samstag fegten und sich darüber aufregte, dass die anderen Mieter das nicht machten. Sie konnte so eine Blockwartmentalität *icht leiden und ging ihm gerne aus dem Weg.

    Am schlimmsten war jedoch, dass er mit großer Treffsicherheit häufig seinen Finger in die Wunden ihres Gewissens legte. Er konnte im Vorbeigehen wunderbar eine kurze Bemerkung über den Zu*tand Ihres Gartens oder über die Sauberkeit ihrer Fenster machen und der Tag war für sie gelaufen. Sie hatte ja genau die gleichen Gedanken, aber schaffte so vieles nicht, was sie schaffen wollte. Zum Glück trieb ihn das schlechte Wetter schn*ll nach Hause und er blieb nicht stehen.

    Sie spürte, wie ihr das Regenwasser in den Kragen lief und trat den Heimweg an.

    „Komm, Bruno, wir gehen auch nach Hause!"

    Bruno lief in Aussicht auf sein Frühstück freudig vor ihr her. Ab und zu blie* er stehen, um zu schauen, ob sie auch folgte. Jedes Mal, wenn er stehenblieb, schüttelte er sich, da er klatschnass war. Sie fand es sehr lustig, wie Hunde und natürlich auch Bruno sich schüttelten. Das ging vorne am Kopf los und dann durch den ganzen Körper, bis s*ch zum Schluss nur noch der Po und die Rute schüttelten. Bei diesem Sauwetter brachte es nur nicht sehr viel, Bruno war gleich wieder völlig nass. Da er sich nirgendwo niederließ, um noch sein großes Geschäft zu machen, ging sie davon aus, dass er das im Dunkeln an der *lster erledigt hatte und hoffte, dass er sich dazu brav ins Unterholz verzogen hatte, wie sie es ihm als Welpe beigebracht hatte.

    Vor der Haustür angekommen, gab sie Bruno den Befehl „Sitz" und er setzte sich folgsam hin. Sie schloss die Haustür auf, nahm ein altes Handtuch, das in *inem Korb auf der untersten Treppenstufe lag und breitete es auf dem Boden aus. Sie klopfte sich leicht an den Oberschenkel, was Bruno richtig als Aufforderung verstand, sich auf das Handtuch zu stellen.

    „Braver Junge!" sagte sie und wischte ihm mit dem Handtuch die dreckigen Pfoten ab. Dann ru*belte sie ihm das Fell ab, damit er der Tapete beim Schütteln kein neues Muster verpasste. Er genoss die morgendliche Massage und hielt geduldig still, bis sie meinte, ihn gehen lassen zu können.

    Sie schlüpfte aus ihrer Jacke und den Stiefeln, legte Handschuhe und Schal auf die Kommode und ging mit Bruno i* die Küche, wo es schon lecker nach Kaffee duftete.

    Bruno tanzte um sie herum, damit sie nicht vergaß, dass er sein Frühstück zu bekommen hatte. Sie nahm kleingewürf*ltes Frischfleisch und kleingeschnittenes Gemüse aus dem Kühlschrank und tat ihm eine Portion von beidem in seinen Napf, darauf kam ein Schuss Öl und eine Kräutermixtur. Mi* dieser Art der Fütterung, die sie von der Züchterin gelernt hatte, ernährte sie ihren Hund gesünder, als sie selbst lebte. Sie füllte seinen Wassernapf frisch auf und stellte ihm b*ides hin. Er hatte sich schon wie gewohnt brav hingesetzt, da er erst auf Kommando an den Napf durfte. Seine Hinterläufe zitterten vor Aufregung, bis sie ihm endlich die Erlaubnis gab, zu fr*ssen. Er lief an seinen Topf und schnüffelte erst einmal ausgiebig daran, bevor er sich Häppchen für Häppchen herausnahm und genüsslich zerkaute.

    Einmal hatte ihr Mann ihn vor dem Napf abgelegt u*d dann hatte das Telefon geklingelt. Er war rangegangen und hatte zehn Minuten telefoniert und dabei den Hund vollkommen vergessen. Als er wieder daran dachte, saß Bruno immer noch vor dem Napf. Der Fußboden w*r schon ganz vollgesabbert von seinem Speichelfluss, er hatte sich aber nicht von der Stelle gerührt und brav gewartet. Sie war stolz darauf, dass sie ihn zumindest in diesem Punkt so gut erzogen hatte.

    Im ersten St*ck war noch alles still. Ihre Familie schlief noch. Diese morgendliche Ruhe im Haus mochte sie sehr und sie genoss es ohne die anderen Frühstück zu machen und sich dann die Zeit zu nehmen, ihren Kaffee auf dem Sofa zu trinke*. Morgens war sie nicht sehr gesprächig und sprach – wenn überhaupt – nur mit Bruno oder besser mit sich selbst. Ihr Hund wusste wahrscheinlich mehr von ihr als ihr Mann, hatte aber den großen Vorteil, dass er nicht widersprach u*d auch keine Kritik oder klugen Ratschläge von sich gab. Er hörte einfach nur geduldig zu, wenn sie vor sich hinmurmelte.

    Während die Milch für ihren Milchschaum warm wurde, nahm sie drei Müslischüsseln aus dem Geschirrschrank – ein alte* Erbstück ihrer Großmutter aus hellem Kiefernholz. Sie liebte alte Möbel aus der Gründerzeit, ganz besonders dieses Küchenbüffet, dessen Türen und Schubladen zwar schon etwas klemmten und das auch schon die eine oder andere Schramme hatte, das aber *ehr viel Platz für Geschirr und Besteck bot und daneben noch sehr dekorativ mit ihrer ansonsten modernen Küche harmonierte.

    Als sie die Küche eingerichtet hatten, wollte sie sich auf keine Kompromisse einlassen und es hatte intensive Diskussionen mit ihm um ihre *ünsche und die Kosten dafür gegeben. Aber

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