Bad Human
Von Maxima Hampel
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Buchvorschau
Bad Human - Maxima Hampel
Kapitel 1
April
6:oo. Mein Wecker schellt. Ich muss in die Schule.
Nach einem langen Kampf, zum einen mit meiner Bettdecke, zum anderen mit mir selbst, rolle ich endlich aus dem Bett. Wie jeden Morgen stolpere ich fast über Bloom, unsere alte und vielleicht auch ein bisschen moppelige, Hündin. Wir hatten sie in einem Tierheim in der Nähe von Brighton gefunden und uns sofort in sie verliebt. Okay. Nicht wir alle. Dad hatte natürlich tausend Gründe gefunden, die gegen Bloom sprachen. Allen voran war da zum Beispiel die Tatsache, dass dieses die Luft verpestende Vieh, so nannte und nennt Dad sie, ja noch nicht mal ein Rassehund sei und somit auch keinen nachvollziehbaren Stammbaum besass. Ich war damals noch zu jung, um mich heute noch genau daran erinnern zu können, und mein kleiner Bruder Alec war grade erst frisch auf der Welt, brachte also nicht mehr als Babygeplapper raus. Mom hingegen setzte sich dafür aber umso mehr ein. Letztendlich kehrten wir mit einem neuen Hund im Schlepptau nach London zurück.
Unter der Dusche geniesse ich den warmen Wasserstrahl auf meiner Haut. Jetzt, wo ich langsam wach werde, meldet sich auch mein Magen. Ich spüle meine langen blonden Haare aus und geniesse den Duft meines Duschgels. Vanille. Ich liebe Vanille. Ich steige aus der Dusche, eingewickelt in ein grosses Handtuch, und betrachte mich im Spiegel. Mein nasses blondes Haar fällt mir über die blassen Schultern. Ich sehe müde aus. Unter meinen grossen blauen Augen sind dunkle Schatten. In letzter Zeit bekomme ich wenig Schlaf, denn den späten Abend habe ich zur Lernzeit umfunktioniert. Ich stecke gerade mitten in meinem A-Level, welches ich natürlich ausgezeichnet bestehen will. Das liegt in der Familie. Wir sind das, was man als eine klassische englische Anwaltsfamilie bezeichnet. Laut meinem Vater ist es selbstverständlich, diese Tradition aufrechtzuerhalten. Was mein Bruder und ich davon halten, spielt letztendlich keine grosse Rolle. Wer will denn schon dafür verantwortlich sein, dass die eigene Familie auf der Leiter der angesehensten Familien Londons eine Stufe herab steigt. Ich definitiv nicht. Ich bete dafür, dass ich dieses Drama nie erleben werde. Meiner Familie ist es sehr wichtig, wie wir von Aussenstehenden betrachtet werden. Mir auch. Deshalb gibt es bei uns auch keine Diskussion darüber, was ich oder Alec später werden. Unsere Familie besteht aus Anwälten, wir haben also quasi einen reservierten Platz an der Oxford University. Und das ist etwas, worauf man stolz sein kann. Meine Eltern sind es auf jeden Fall, und das ist doch das Wichtigste. Sie wollen das Beste für mich und meinen Bruder. Das haben sie immer schon gewollt. Und deswegen will ich sie stolz machen. Und das werde ich auch.
Ich ziehe mich an, lege ein leichtes Make-up auf und verlasse das Badezimmer. In der Küche sitzen meine Eltern, während Alec wie jeden Morgen seinen Toast mit Butter isst. Ich gehe auf direktem Weg zur Kaffeemaschine und lasse mir einen dreifachen Espresso raus, denn ich mit einem Schluck Milch aufgiesse. Meine Mom predigt mir immer, dass so viel Kaffeekonsum mit meinen siebzehn Jahren total ungesund sei und ich mir damit doch nur meine schönen weissen Zähne ruinieren würde. Die Zähne kann man bleichen lassen. Ich weiss allerdings nicht, was ich ohne mein Koffein machen würde, besser gesagt, nicht machen würde. Ich würde wahrscheinlich den grössten Teil des Tages im Land der Träume versinken. Auf dem Weg zu meiner Tasche schnappe ich mir mit einer Hand einen Müsliriegel, während ich in der anderen mein braunes Lebenselixier, diesen Spitznamen habe ich mit der Zeit wirklich lieb gewonnen, halte. Kurz darauf bin ich durch die Tür verschwunden.
Kapitel 2
Ethan
„Die Menschen glauben, dass die Spezies Mensch von Natur aus gut ist. Dass nicht der Mensch schlecht ist, sondern die Umgebung ihn schlecht macht. Doch das stimmt nicht. Der Mensch ist böse. Und er ist es, der seine Umgebung schlecht macht. Nicht die Luft ist schlecht, sondern die Abgase, die wir mit unseren Autos produzieren, machen sie schlecht. Nicht das Wasser ist schmutzig, sondern der Dreck, der ins Wasser gelangt, verschmutzt es. Nicht die Tabakpflanze ist schlecht, sondern die Zigarette, die durch Menschenhand daraus entsteht. Und auch Tiere sind nicht schlecht, sondern der Mensch macht sie schlecht, indem er Versuche an ihnen durchführt, nur um sicherzugehen, dass ihm selbst keine Gefahr droht, wenn er ein Medikament nimmt oder sich die Haare wäscht.
Wieso hat sich die Weltbevölkerung noch nicht gegenseitig umgebracht, wenn doch jeder das Böse in sich hat? Ganz einfach. Stellen wir uns das Gute mal als eine Fähigkeit vor, und das Böse als eine Charaktereigenschaft, ähnlich wie zum Beispiel den Egoismus. Wir können Fähigkeiten lernen. Wir können unseren Charakter trainieren und formen. Doch eine Fähigkeit wird nie zu unserem Charakter, und die Tatsache, dass wir so veranlagt sind, wie wir es nun mal sind, können wir ebenso wenig ändern. Wir wissen, wie man sich ordentlich und höflich benimmt, genauso wie wir wissen, dass wir ins Gefängnis kommen, wenn wir jemanden umbringen. Wir haben gelernt, dass man alten Menschen über die Strasse hilft. Die Erfahrung lehrt uns, unseren Mitmenschen nicht immer unsere ungefilterte Meinung zu allem mitzuteilen. Die Erfahrung verändert folglich unsere Gewohnheiten. Nicht aber unseren Charakter! Ehepartner oder fest vergebene Menschen sind für unser Begehren tabu. Das alles und noch vieles mehr haben wir gelernt. Wir haben es gelernt. Aber es hat unseren wahren Charakter nicht verändert. Hinterfragen wir uns doch einmal selbst: Wieso tragt ihr die Einkaufstüten für eine alte Dame? Ist es, weil sie uns leidtut, oder weil uns ein schlechtes Gewissen plagt, wenn wir es nicht tun? Tun wir jemandem einen Gefallen, weil unser Herz es uns sagt? Oder tun wir diesen Gefallen, weil wir wissen, dass es richtig und höflich ist?"
Unser Lehrer, Mr. Smith, tritt ein paar Schritte auf mich zu. Seine Hände stützt er auf meinem Schreibtisch ab. Er hat die Ärmel seines dunkelroten Hemdes hochgekrempelt, deswegen kann ich seine muskulösen Arme sehen. Die blauen Adern sind deutlich sichtbar, ein Zeichen dafür, dass er seine Muskeln anspannt. Gerade hält er uns einen Vortrag über die Ideologie des Britisch World Service. Wir alle haben seine Worte schon Dutzende Male zuvor gehört, und doch fasziniert es jeden Einzelnen von uns immer wieder aufs Neue. Mittlerweile ist er mir so nahe, dass ich mir sicher bin, das Waschmittel seines dunkelgrünen Pollunders, welchen er über seinem Hemd trägt, riechen zu können. Lavendel. Mit der einen Hand fährt er sich über seinen stoppeligen Dreitagebart, während er fortfährt:
„Ich tue all dies nicht, weil ich ein guter Mensch bin, sondern weil ich ein guter Mensch sein will. Wäre ich ein guter, müsste ich kein guter sein wollen. Der Mensch ist von Natur aus böse. Und genau das hat der British World Service erkannt. Wenn wir die Welt also zu einem besseren oder wenigstens