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Hundsgemein: ein Hunde Familien Krimi
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eBook318 Seiten4 Stunden

Hundsgemein: ein Hunde Familien Krimi

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Über dieses E-Book

Die Leidenschaft hat sich aus dem Eheleben der Achentalers schon seit langem verflüchtigt. Dr. Josef Achentaler findet in Swingerclubs Erfüllung, während Isabella die treue Gattin lebt. Doch eines Tages bricht sie aus und lernt über eine Kontaktanzeige Rudolf kennen. Bald weiß er alles über die Familie Achentaler, deren Finanzen und Intimleben. Isabella gerät in höchste Gefahr und kann einem Komplott nicht mehr entfliehen. Aber die Täter haben nicht mit einem tauben Dackel gerechnet!
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum28. Jan. 2015
ISBN9783737526142
Hundsgemein: ein Hunde Familien Krimi

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    Buchvorschau

    Hundsgemein - Johanna Bell

    2.      Teil

    1. Kapitel

    14 Monate zuvor:

    „Isa! Dr. Josef Achentaler stand hilflos vor dem offenen Kleiderschrank, in dem sich die grauen und blauen Anzüge akkurat aneinander reihten. Er suchte eine bestimmte Krawatte, und weil seine Gattin nicht reagierte, rief er gereizt: „ISAAA! Wo ist denn diese Krawatte? Jetzt hilf mir bitte!

    Währenddessen schaltete Isa die Kochplatte runter und stöhnte leise.

    „Isa, wo ist denn...?, äffte sie ihn nach. „Nie findet der Mann seinen Kram! Mit schnellen Schritten verließ sie die Küche und steuerte auf die Ankleide zu.

    „Welche suchst du denn?", fragte sie genervt.

    „Na die mit der Ente! Du weißt schon, meine Lieblingskrawatte! Mensch, ich habe es eilig und kann mich damit nicht lange aufhalten!"

    „Du meinst sicherlich die Krawatte mit dem Erpel!"

    „Ja, jetzt werde nicht kleinlich!"

    „Als Jäger solltest du den kleinen Unterschied kennen!" Josef bewahrte Contenance und erwiderte nichts darauf. Isa griff in das Bündel von Krawatten, die allesamt auf einem Bügel herabhingen und zog die besagte Entenkrawatte hervor.

    „Also, ich versteh das nicht, warum du nie deine Sachen im  Kleiderschrank findest! Wie kann das denn sei? Wenn du im Bauch einer Frau operierst, schreist du doch auch nicht herum und fragst, Schwester Gisela, wo sind denn die Eierstöcke?" Isa war nach Streit zu mute. Josef atmete tief durch, so wie er es immer tat, wenn er eine höchst schwierige Patientin zu behandeln hatte.

    „Vielen Dank! Spar dir deine giftigen Bemerkungen, das macht  nur hässlich!"

    „Mpf!", entwich es Isa. Die Bemerkung traf sie wie ein Faustschlag in den Magen. Es war mal wieder typisch. Der stets über allem erhabene Doktor ließ seine Gattin am offenen Kleiderschrank stehen und verschwand im Bad. Einst schätzte Isa ihn so sehr wegen seiner unerschütterlichen Souveränität, die aber nach elf Jahren Ehe in Verachtung umgeschlagen war.

    Sie wischte sich die schweißigen Hände an der Kochschürze ab und eilte zurück in die Küche. Dort drehte sie die Kochplatte wieder hoch. Auch in ihr brodelte es.

    „Immer muss ich alles liegen und stehen lassen, wenn der Herr ruft! Immer stehe ich für alle in Rufbereitschaft!", protestierte sie im Stillen. Aber nur im Stillen, wie so oft.

    Josef machte sich nicht die Mühe in die Küche zu gehen, um sich zu verabschieden. Gedämpft hörte sie ihn rufen: „Tschüß, ich fahr jetzt! Bis Montag!", und die Haustür fiel mit einem Rums ins Schloss. Gleichzeitig klappten Isas Augen für einen Moment zu. Erleichtert und gleich darauf tief verletzt, registrierte sie die Ruhe in der extravagant ausgestatteten Villa. 

    Josef gab vor, eine hochkarätige Veranstaltung für Gynäkologen in Nürnberg über das Wochenende besuchen zu wollen. Ganz gewiss fand diese besondere Veranstaltung auch mit dem Austausch von Körpersäften in einem Swingerclub statt. Diese Vorstellung schmerzte sie jedes Mal, denn sie wusste von seinen Rudelbums Vorlieben. Schon seit Jahren war der Sex aus dem Schlafzimmer gezogen und hielt sich hartnäckig versteckt. Begonnen hatte dies alles nach der Geburt ihrer Zwillingstöchter. Natürlich entband damals Josef seine geliebte Isa, als junger Oberarzt der gynäkologischen Abteilung. Ihr Glück schien unantastbar, doch dann kam alles anders.

    Sie machte sich viele Gedanken, wie es zu dem Verlust des Liebeslebens hatte kommen können. Aber sie wusste keinen Rat und holte sich auch keinen. Manchmal glaubte sie, dass genau ihre Entbindung ihn traumatisiert habe, und deshalb keine Lust mehr für sie empfand. So was hatte sie schon des Öfteren in Fachzeitschriften gelesen.

    Eigentlich unverständlich, denn als sie sich kennen lernten, damals in der Asklepios-Stadtklinik, entflammte die Begierde bereits beim ersten Blickkontakt. Wenn sie als medizinisch technische Assistentin Nachtdienst hatte, erschien Dr. Josef Achentaler regelmäßig mit auffallend vielen Blutproben im Labor. Seine Liebesgeständnisse zwischen Urinbechern und summenden Zentrifugen, hütete sie wie einen Schatz in ihrem Gedächtnis. Es war die schönste Zeit ihres Lebens. Und nun saß sie das Wochenende mal wieder alleine zuhause. Ihre neunjährigen Töchter Eva und Nadine befanden sich auch auf einer Klassenfahrt.

    Die warme Herbstsonne strahlte durch die gläserne Schiebetür direkt auf den antiken Esstisch. Isa stellte den Gemüseauflauf auf einen Topfuntersetzer und löffelte sich eine Portion auf den Teller. Das sanfte Licht und der Duft der Kräuter erhellten ein wenig ihr Gemüt. Mit einem vollmundigen Spätburgunder spülte Isa schließlich die Speisereste hinunter und griff nach der Süddeutschen Zeitung, die eigentlich Josefs Lektüre ausmachte.

    Sie versuchte sich auf einen Artikel zu konzentrieren, der schilderte, warum die Deutschen immer weniger, älter und dicker werden. Aber die langen und komplizierten Sätze stahlen ihr die Freude am Weiterlesen. Desinteressiert blätterte sie den restlichen Wust an Papier durch. Das einzig nützliche schien das Fernsehprogramm zu sein, und legte es auf die Seite. Bei den Kontaktanzeigen machte sie Halt.

    „Solche arme Menschen! Wie sie sich anbieten!" Isa breitete den Bogen Papier aus und beugte sich drüber. Das wollte sie sich genauer ansehen und mit einem Schmunzeln las Isa die Werbetexte beider Geschlechter.

    „Ist es Not oder Spaß, was die Leute dazu bewegt auf diese Art Kontakt zu finden?, fragte sie sich ernsthaft. „Wahrscheinlich beides! Die Männer schienen besonders anspruchsvoll. Ihre Partnerin sollte neben körperlicher Vollendung auch intelligent, beruflich eigenständig, kunst- und politikinteressiert sein, sowohl den Kochlöffel als auch den Golfschläger perfekt schwingen können und stets gut gelaunt sein. Als Lohn gäbe es dann einen Akademiker, der einfach nur vielseitig interessiert ist und mit einem Zweitwohnsitz in Südeuropa lockt.

    „Was wollen die eigentlich? Kein Wunder, dass sie keine Frau im wirklichen Leben finden!" Isa schüttelte den Kopf und blieb bei einer Kontaktanzeige hängen, die sich von allen anderen abhob.

    Da suchte ein Mann Anfang 40, 190 cm groß, sportlich muskulös, mehrsprachig, studiert und sensibel, eine Frau deren Alter, Beruf und Herkunft völlig unbedeutend waren! Jeder Mann hatte eine ganz genaue Vorstellung von seiner Kontaktanzeigen-Traumfrau, nur dieser nicht! Außerdem investierte er zwei Spalten mit wenig Text für seine Herzensdame. Isa fand viel Gefallen an den Kurzgeschichten, wobei die geleerte Rotweinflasche ihres dazu tat.

    Plötzlich drückte die Harnblase. Mit kleinen seitlichen Ausfallschritten suchte sie das Gäste-WC auf. Ausgerechnet hier zog sie nun Bilanz ihres bisherigen Lebens. Isa stützte die Ellenbogen auf die nackten Knie und legte den Kopf in die offenen Handflächen.

    „Eigentlich bin ich ziemlich einsam – opfere mich für den Haushalt und meine Familie auf! Und die haben alle was Besseres zu tun. Ach, macht doch was ihr wollt!" Sie winkte ab und lallte schon ein wenig. Es entwich ihr ein kleiner Rülpser und sie überlegte weiter nach. Selbst den Kontakt mit den Tennisdamen hatte sie eingestellt, denn dieses ewige Society-Geschwätz nach dem Spiel ging ihr fürchterlich auf die Nerven. Natürlich auch die Streitereien, ob der Ball nun im Aus war oder nicht.

    „Es musch was passieren! ...neue Leute kennen lernen!", nuschelte sie vor sich hin und riss zu viel Toilettenpapier ab.

    Da fasste Isa einen Entschluss. Wer außergewöhnlichen Leuten begegnen will, muss außergewöhnliche Wege gehen! Dieser Mann, der keine Ansprüche stellte, dem wollte sie antworten.

    „Jawohl!" Entschlossen drückte sie die Spültaste und ging erleichtert in die Küche zurück. Aus einem Haken löste sie eine Schere und schwankte zum Esstisch. Mit großer Sorgfalt schnitt Isa die Anzeige aus. Den restlichen Bogen Zeitungspapier steckte sie sogleich in die grüne Tonne. Josef würde diese Seite sowieso nicht vermissen.

    In ihrem Zimmer, welches gleichzeitig Arbeits- und Schlafzimmer darstellte, schaltete sie den Computer ein. Während dieser hochfuhr läutete das Telefon. Isas Herz sprang vor Freude. Vielleicht rufen die Kinder an!

    „Achentaler!", sang sie in den Hörer.

    „Grüß dich Isar! Ich bin`s Traudl! Stör ich?"

    „Öh, ne, du störst nicht!", versicherte Isa, und bat sie zum igsten Mal, sie doch nicht immer mit dem Fluss ihrer Heimat zu benennen.

    „Ach, reg dich ab! Die Isar ist doch wunderschön. Wohnst doch selbst an ihr! Nimm es als Kompliment!" Isa wusste zwar nicht was sie mit einem Fluss gemeinsam hatte, aber Traudl besaß besondere Ansichten. Sie plapperte auch gleich weiter.

    „Du, Morgen, das klappt nicht mit unserem Treffen! Meine Mutter ist gestürzt und liegt jetzt in der Klinik. Diesmal hat sie ihren persönlichen Wettkampf mit den Krücken verloren."

    „Was ist denn passiert?"

    „Mei, einfach nur deppert! Ohne Gehhilfen ist sie die Stufen in den Garten hinunter gestolpert und hat sich einen Oberschenkelhalsbruch zugelegt. Tja, jetzt haben wir den Salat!"

    „Oje, das tut mir aber leid! Dann sehen wir uns ein anderes Mal!", bedauerte Isa die Absage. Es schmerzte sie, weil jetzt auch noch die Freundin keine Zeit für sie übrig hatte.

    „Richte deiner Mutter gute Besserung aus!" Isa bemühte sich klar und deutlich zu sprechen.

    „Ja danke, des werd schon wieder! Aber das Zweitschlimmste ist, ich muss mich um ihren Hund kümmern. Sie würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihn ins Tierheim gäbe!"

    „Ach, ich wusste gar nicht, dass sie einen Hund hat! Was ist das denn für einer? Es wird ja nicht gerade ein Dobermann sein, oder doch?" Bei dieser Familie konnte man nie wissen.

    „Iwo, der Hubertus ist ein Rauhaardackel älteren Semesters. Meine Kinder lieben ihn. Trotzdem wird die ganze Arbeit an mir hängen bleiben, das sehe ich schon kommen!", klagte Traudl.

    „Also, wenn du Hilfe brauchst, ich bin für dich da! Übers Wochenende sind sowieso alle ausgeflogen. Wenn was ist, melde dich, okay?"

    „Ja, das ist gut zu wissen!", bedankte sich Traudl und legte auf.

    Der Cursor blinkte geduldig auf dem Bildschirm.

    „Was soll ich nur schreiben…, und vor allem, wie fange ich an?" Wie gelähmt saß Isa vor dem PC. Neben der Tastatur lag der kleine Zeitungsausschnitt. Sie las ihn nochmals durch und dann legten die Finger los:

    Grüß Gott, lieber Unbekannter, irgendwie spricht mich Ihre Kontaktanzeige in der Süddeutschen an. Ich tue so was zum ersten Mal. Mein Name ist Isabella und ich bin 36 Jahre alt. Ein Bild möchte ich noch nicht beifügen, denn ich weiß ja auch nicht wie Sie aussehen. Aber vielleicht reicht Ihnen folgende Beschreibung. Meine pechschwarzen Haare lasse ich seit der Geburt meiner Zwillingstöchter kurz schneiden – das unterstreicht meinen sportlichen Typ. Bei einer Größe von 175 cm bringe ich 58 Kilo auf die Waage. Also über meine Figur kann ich nicht klagen. Viele glauben ich stamme aus Südeuropa, wenn da nicht die stahlblauen Augen wären, die ich von meinem Großvater geerbt habe. Zu meinen Hobbys zählen Joggen, Bogenschießen und Kochen. Ich verwöhne gerne und freue mich über Gäste im Haus.

    Nun, warum schreibe ich Ihnen? Ich wünsche mir einfach einen neuen Kontakt, der mir frischen Wind ins Leben bringt!

    Wenn Isa in diesem Moment geahnt hätte, welchen Sturm sie mit diesem Brief auslösen würde, hätte sie keine einzige Silbe an diesen Mann verschwendet. Aber die Frustration trieb sie an.

    Sie äußern keine konkreten Vorstellungen, wie eine Frau zu sein hat, und genau deshalb möchte ich auf Ihre Anzeige antworten. Ich bin neugierig und würde mich über eine Antwort freuen. Bitte nutzen Sie meine Handynummer oder Emailadresse.

    Mit freundlichen Grüßen.  Isabella!

    „So, das reicht! Zig mal hatte sie den Text geändert und versuchte locker zu schreiben. „Na ja, der meldet sich eh nicht! Ich muss ja verrückt sein! Isa speicherte die Worddatei und schaltete den PC aus. Dann torkelte sie ins Bad. Die Flasche Rotwein entfaltete sich vollends in ihrem Denken und der Motorik. Der Alkohol durchströmte mit voller Fahrt alle Körperzellen. Im Prinzip verabscheute sie betrunkene Menschen. Aber heute verzieh sie sich den Absturz.

    Der Radiowecker zeigte 22.35 Uhr, als sie die Bettdecke bis ans Kinn zog. Es wäre wohl zu viel verlangt, auf einen Anruf des Gatten oder der Kids gehofft zu haben. Mit der Frage, was sie in all den Jahren hätte besser machen können, schlief sie ein.

    Drei Stunden später schreckte sie aus einem Traum hoch. Auf dem Weg in die Küche, um den quälenden Durst zu löschen, kreisten verschwommen die Traumbilder in ihrem Kopf umher. Sie sah Josef nackt mit seiner Erpel-Krawatte erdrosselt daliegen. Um ihn herum wälzten sich nackte Paare und bemerkten den Toten gar nicht. Aber das Schlimmste war, dass sie über ihm kniete und die Krawatte in den Händen hielt.

    „Puh!, stieß sie vor dem Kühlschrank aus. „Was war das nur für ein Fusel, den ich getrunken habe – das ist ja mörderisch! Sie setzte die Wasserflasche so gierig an den Mund, dass ein Rinnsal seitlich die Wange hinunter lief. Den Rest wischte sie über die Backe weg und trottete barfuß ins Schlafzimmer zurück. Isa versuchte erneut Nachtruhe zu finden, und es gelang ihr auch gedanklich niemanden mehr umzubringen.

    2. Kapitel

    Am nächsten Morgen stand Isa wie gerädert im Bad. Eine kalte Dusche und eine sojaaktive Hautcreme verpassten ihr ein besseres Aussehen. Bei der zweiten Tasse Kaffee entschied sie sich bei klarem Bewusstsein, das Antwortschreiben auszudrucken und abzusenden. Dreimal überprüfte sie die Richtigkeit der Chiffrenummer.

    „Hoffentlich leiten die verantwortlichen Personen das auch korrekt weiter!", bangte Isa ein wenig, denn mit einem einsamen Rentner oder Lesbe, wollte sie keinen Kontakt aufnehmen.

    Der Vormittag bot sich als Kurz- und Kontrollbesuch bei ihrer Mutter an. Die 72 jährige Frau entwickelte zunehmend seltsame Denkmuster. Obwohl der Aldi nur zwei Gehminuten von der komfortablen Einliegerwohnung entfernt lag, weigerte sich ihre Mutter dort weiterhin einzukaufen. Denn sie war fest davon überzeugt, dass demnächst vor oder im Aldi eine Bombe hochgehen würde.

    „Ich sag dir Kind, der Aldi ist das nächste Ziel von Terroranschlägen! Die ganzen Islammisten kaufen dort ein!"

    Diese Wahnidee schien sich zu intensivieren. Überall erkannte sie Selbstmordattentäter, und jede Alditüte verkörperte eine Sprengstofftüte. Vielleicht sollten wir zum Arzt, dachte Isa auf der Fahrt zu ihr.

    Die beiden begrüßten sich herzlich. Frau Willibald legte sehr viel Wert auf gepflegtes Äußeres und ließ sich immer Samstagmorgens um 8 Uhr beim Friseur die Haare machen.

    „Ah, meine liebe Isabella! Schön, dass du mich besuchen kommst! Geht’s dir nicht gut? Du bist blass!"

    „Nur schlecht geschlafen!", Isa winkte ab.

    „Aber du schaust gut aus, Mutti! Bist du immer noch bei deinem alten Friseur?"

    „Nein, du weißt doch, dass ich das Einkaufszentrum mit samt dem Aldi meide. Ich will noch ein paar Jahre leben!" Isa seufzte. Es hatte keinen Sinn mit ihr über Aldi-Bomben zu reden.

    „Tja, mein Kind, da kommen noch ganz andere Probleme auf euch zu. Ich werde es nicht mehr erleben! Aber eines Tages haben wir mit unserer Liberalität eine islamische Protestpartei mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten im eigenen Land sitzen. Du hälst mich jetzt für verrückt, aber du wirst noch an mich denken! Dann darfst du  auch im Sommer eine Mütze tragen, oder irgendwas über den Kopf ziehen. Die Kruzifixe in den Schulen sind bereits fort. Unglaublich welch eine dumme Generation das Land regiert! Es ist wahrlich die Zeit der Deppen!" Frau Willbald holte Luft um fortzufahren. Isa nutzte ihre Chance.

    „Ich fahr ins Kaufland! Soll ich dir was mitbringen?" Demonstrativ wechselte sie das Thema.

    „Oh ja, mein Liebes!" Für Frau Willibald waren Gedankensprünge sowieso ein Leichtes. Mit zittriger Hand reichte sie ihrer Tochter ein Stück Papier.

    „Hier ist meine Einkaufsliste!" Isa überflog die sauber geschriebenen Wörter und erkannte nichts Unsinniges. Vorsichtshalber suchte sie das Bad auf, um zu sehen, ob hier noch etwas fehlte. Im Spiegelschrank fand sie zehn Packungen Zahnseide. Was soll denn das!

    „Mutti! Du hast einen halben Kilometer Zahnseide im Badezimmerschrank! Wozu?", fragte Isa fast mütterlich.

    „Ach ja? Ist das wirklich so viel? Die waren im Angebot, da musste ich zugreifen! Kannst gerne welche mitnehmen!" Zufrieden widmete sich Frau Willibald wieder mit dem Bewässern ihrer Pflanzen.

    „Ist gut. Bis später!"

    „Ach Isabella! Bitte kaufe mir nicht so einen Salat aus dem Zuchthaus! Ich will einen vom freien Feld. Weißt du, so wie wir ihn früher aus unserem Garten geerntet haben!"

    Isa schmunzelte: „Natürlich, kaufe ich dir keinen Salat, der was ausgefressen hat!, und zog die Tür hinter sich zu. Ihre Mutter rief noch hinterher: „Nein, auch keinen angefressenen!

    Auf dem Beifahrersitz lag der Brief an den Unbekannten. „Jetzt aber schnell weg damit, bevor ihn Mutter in die Hände kriegt, und sich irgendwelche Katastrophen ausdenkt."

    Neben dem Eingang zum Supermarkt hing ein Briefkasten. Sie klappte den Schlitz auf und stutzte noch mal. Tun oder nicht tun? Eine innere Stimme tadelte sie: „Du warst schon immer zu verhalten im Leben! Energisch warf Isa den Brief ein. Mit Erleichterung löste sie einen Einkaufswagen aus der Kette. „Ich habe es getan!, lobte sie sich heimlich.

    In Gedanken versunken schob sie den Metallwagen in die Gemüse und Obstabteilung. Wann würde er ihr frühestens antworten? Das müsste Dienstag oder Mittwoch geschehen.

    „Grüß Gott, Frau Achentaler! Gut dass ich sie treffe. Ist denn die Praxis ihres Mannes über die Herbstferien geschlossen?" Eine unbekannte Frau fragte sie über Bananen und Kiwihaufen hinweg. Isa überkam sofort das Gefühl, dass alle anderen Damen in der Nähe die Ohren spitzten und mit Interesse die Öffnungszeiten des Lieblings-Gynäkologen verfolgten.

    „Nein, nicht dass ich wüsste! Erst Weihnachten machen wir zu!" Freudig nickte die korpulente Lockenkopfdame und verschwand bei den Fertiggerichten.

    „Das war ja noch harmlos!", dachte Isa und hoffte, dass sonst niemand auf die Idee käme sie nach dem Befund der Mammographie zu fragen, oder wohin es heuer in den Urlaub ginge. Manche Leute sind einfach unverschämt neugierig oder geschwätzig. Trotz ihrer beklagten Einsamkeit, mochte sie das Geplauder auf den Straßen oder in Geschäften nicht leiden. Isa fand es schrecklich, wenn die Damen beim Metzger, oder sonst wo sich laut unterhielten, den Weg versperrten und man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.

    Als sie damals die Prachtvilla bauten, haben sie das Gebäude bewusst in die Mitte des großen Anwesens platziert, umgeben von haushohen Tannen, Eichen und dichtem Buschwerk. Wenigstens die Privatsphäre sollte geschützt bleiben. Nach außen hin zeigte sich die Familie Achentaler mit tadellosen Manieren und klatschfrei. Selbst die Kinder bekamen von dem schiefen Haussegen nichts mit. 

    3. Kapitel

    Sonntagabend kehrten die Zwillinge wieder heim. Ihre gesamte Wäsche stank nach verfaulten Eiern. Der Grund seien die blöden Jungs gewesen, die den Mädchen Stinkbomben in die Reisetaschen gelegt hatten. Aber das gäbe noch Rache, versicherte Nadine.

    Während schon alle schliefen, schlich sich Josef nach Mitternacht in sein Zimmer. Es blieben ihm nur ein paar Stunden Schlaf, bis die neue Arbeitswoche begann. Noch bevor die restliche Familie aufstand, hatte er ohne Frühstück das Haus auch schon wieder verlassen. Isa und die Kinder waren es gewohnt,  den Tag ohne Papa zu beginnen. Diesmal steckte Isa nicht die Nase in seine Wäsche, um den Duft eines Damenparfüms zu erschnüffeln. Kurzerhand stopfte sie seine Garderobe mit der Stinkbombenwäsche in die Waschmaschine und der Alltag nahm seinen gewohnten Lauf.

    Als nach über einer Woche der Fremde nichts von sich hören ließ, hakte Isa die Kontaktanzeigenaktion ab. Ein wenig war sie schon enttäuscht. Immerhin hatte sie sich dazu überwinden können und fühlte sich abgelehnt. Am Abend schaltete sie ihren Computer ein und wollte eigentlich nach einem neuen Rezept für Lammbraten suchen, entschied sich aber zuerst die Emails abzurufen. Schlagartig schoss ihr Puls in die Höhe. 

    Es wartete tatsächlich eine Email von einem unbekannten Herrn in ihrem Postfach. Das muss er sein! Hastig klickte sie die elektronische Nachricht zum Öffnen an und verschlang die wenigen Sätze. Mit Verwunderung las sie diese noch Mal:

    Liebe Isabella, über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut und möchte Dich näher kennen lernen! Damit mir das gelingt, bitte ich Dich mir Deine Postanschrift mitzuteilen. Ich habe zwar Deine Handynummer, aber ich kann Dich nicht anrufen – warum das nicht geht, möchte ich Dir gerne in einem Brief erklären. Diese Mail hat ein guter Freund für mich abgeschickt. Es blieb mir nur diese eine Wahl. Bitte schreibe mir bald, Du bist mir sehr sympathisch! Es wartet ein außergewöhnlicher Mann auf Dich. Bis bald hoffentlich, Rudi

    „Was ist denn das?", rief Isa aus.

    „Wieso kann dieser Mann nicht anrufen? Und eine Email kann er auch nicht schreiben! Ist er etwa behindert?" Vor ihrem inneren Auge sah sie so eine Art Christopher Reeve im Rollstuhl sitzen.

    „Ach du liebe Zeit, was habe ich da nur an Land gezogen?" Isa atmete tief durch. Ihr Instinkt sagte ihr, dass hier was nicht stimmte. Das Kaff in dem er wohnte, hatte sie noch nie gehört, und die Postleitzahl machte den Eindruck, als sei dieser Ort weit entlegen. Kurz flackerte der Gedanke auf, die Sache hiermit ad acta zu legen. So ein Flop!

    Isa fummelte an ihrer Nase herum. Das tat sie immer, wenn sie eine Entscheidung treffen wollte. Obwohl sie keine Erfahrung mit Kontaktanzeigen-Bekanntschaften hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass dies nicht der Regel entsprach. Aber ihre Sehnsucht und  Abenteuerlust drängten sie zum Weitermachen.

    „Nein, jetzt bleib am Ball und zieh die Sache durch! Er kann  mir ja zumindest den Grund erklären!", plädierte sie in seinem Sinn.

    „Nur, welche Anschrift gebe ich ihm? Die Hausadresse auf keinen Fall! Vielleicht die vom Ferienhaus im Ebersberger Forst – nein, das ist zu weit weg, um nach Post zu schauen!" Isa knabberte an einem Kugelschreiber, als ihr die Lösung kam.

    „Ich eröffne ein Postfach! Genau!" Sie fand sich selber klasse. Gleich morgen würde sie zur Post marschieren und entsprechendes veranlassen. Zufrieden nahm sie einen großen Schluck Rotwein. Und wie gewünscht streichelte der Traubensaft ihre aufgewühlte Seele glatt. Sie fand sogar ein wenig Gefallen an der Geheimnistuerei. Völlig unbedarft antwortete sie ihm sogleich:

    Lieber Rudi, über die Email habe ich mich sehr gefreut, aber auch gewundert! Das ist schon ungewöhnlich, weshalb Du mich nicht anrufen kannst! Aber ich will Dir die Möglichkeit geben, es mir zu erklären. Ich gestehe, ich bin sehr gespannt auf Dein nächstes Schreiben. Bitte verstehe, da ich nicht weiß, wer Du wirklich bist, kann ich Dir nur eine anonyme Adresse aushändigen. Mehr möchte ich Dir im Moment nicht von meinem Leben mitteilen. Liebe Grüße Isabella.

    Bei aller Neugier schaltete ihre Vernunft einen Gang runter.

    „Gemach, gemach!", ermahnte sie sich. Sie fand es spannend einem unbekannten Menschen zu schreiben und das gleich per Du! Es verlieh ihr das Gefühl mit einem Phantom befreundet zu sein. Im Moment erfüllte dieser unsichtbare Freund alle Leere. Dennoch wollte sie nichts übereilen.

    Isa nahm den letzten Schluck Rotwein und schaltete den PC aus. Die Kinder lagen bereits im Bett und die Müdigkeit zog sie auch dort hin. Josef war wie immer unterwegs. Entweder saß er mit den Jägern am Stammtisch zusammen, oder er diskutierte mit seinen Ärztekollegen beim Qualitätszirkel. Nun, das waren ja noch anständige Vermutungen. Es konnte auch gut sein, dass er was ganz anderes trieb. Eigentlich verbrachte ihr Mann maximal sechs Stunden Schlaf in seinem Haus. Wozu hatte er eine so beneidenswerte Villa bauen lassen, wenn er weder das Schwimmbad noch die Sauna nutzte? Oder in dem eigens für die Mädchen eingerichteten Spielzimmer keine Minute mit ihnen verbrachte? Seit Jahren zog es ihn woanders hin.

    Über ihr Auseinanderleben hatten sie nie richtig gesprochen. Isa wusste, dass dies ein fataler Fehler war. Ihr Josef hörte sich jeden Tag das Leid

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