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Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch: und andere Erzählungen 'vum alde Woinem' bis in die weite Welt
Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch: und andere Erzählungen 'vum alde Woinem' bis in die weite Welt
Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch: und andere Erzählungen 'vum alde Woinem' bis in die weite Welt
eBook151 Seiten1 Stunde

Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch: und andere Erzählungen 'vum alde Woinem' bis in die weite Welt

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Über dieses E-Book

C.-A. Rebaf erzählt uns hier aus dem Nähkästchen: Von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in eine vergangene Zukunft, die inzwischen bereits begonnen hat.Gründerzeit, Weltkriegstourismus, Verstrickung der Nachkriegsgenerationen und Kindheitstraumata ergeben ein Bild wie in einem Kalaeidoskop: War die gute, alte Zeit gar nicht so gut, wie ihr Ruf?
Vieles ist hier nicht historisch belegbar, denn immer wenn die Erinnerung schwindet, füllt die Fantasie die Lücken.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum19. Juni 2018
ISBN9783742733634
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    Buchvorschau

    Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch - C.-A. Rebaf

    Drei Sorten Kinder

    Eva war eine tatkräftige und emsige Frau. Sie kam aus einer reicheren Familie. Ihr Vater, der später durch einen Sturz in einer Tabakscheune zu Tode kommen sollte, war Fuhrunternehmer in einer Zeit, wo die Lasten noch mit Pferden transportiert wurden. Der lokale Güterverkehr war in Evas Kindheit ein wichtiges und deshalb auch ertragreiches Gewerbe. Die Lasten kamen per Schiff über die Flüsse und mussten von den Häfen dann mit dem lokalen Güterverkehr weiter an ihr Ziel gebracht werden. Die kleine Stadt im Rhein-Neckar-Dreieck brauchte diesen Güterverkehr. Der Neckar war nur mit Mühen schiffbar, aber der Rhein nach seiner Begradigung war eine wichtige Verkehrsader und so transportierte Evas Vater zusammen mit ihren zwei Halbbrüdern aus erster Ehe des Vaters viele Waren mit den Pferden. Die Pferde hatten einen Stall und mussten verpflegt werden. Da reichte ein Dieseltank, wie es heute der Fall ist nicht aus. Deshalb war damals ein Fuhrunternehmer auch gleichzeitig ein landwirtschaftlicher Betrieb. Das Heu und der Hafer für die Pferde wurden natürlich selbst erzeugt. Die Frauen erledigten dann die Betreuung der restlichen Tiere, eine Kuh, Ziegen, Kaninchen und Hühner. Deren Haltung bot sich an, da das Futter vorhanden war. Warum sollte man nicht auch das Essen der Menschen erwirtschaften?

    Für die Gewinne des Unternehmens wurden neue Äcker gekauft, die waren für die Zukunftssicherung aus der damaligen Perspektive wichtig. Die Ländereien der Fuhrunternehmer bezeugten deshalb auch untrüglich den wirtschaftlichen Erfolg einzelner Familien. Die von Eva mit einem englisch klingenden Familiennamen, von dem keiner wusste wie er in der Kurpfalz plötzlich auftauchte, war offensichtlich sehr erfolgreich, den es gab beim Tod des Vaters einiges Land zu vererben. Die beiden Halbbrüder waren bescheiden und arbeiteten dem Vater für geringen Lohn zu. Nachbarn mutmaßten oft, der Vater würde die Buben ausbeuten. Aus zweiter Ehe wurden dann vier Mädchen geboren, der ganze Stolz des Vaters. Seine vier Prinzessinnen. Eva war eine davon. Dann gab es noch Anna, Elisabeth und Marie.

    Die 'Everl' wuchs zu einer stolzen jungen Frau heran, die sich in einen Gardeoffizier der marktgräflichen Leibstandarte verliebte. Es war ein herrliches Paar, das am Wochenende zum Tanze ging. Er mit der schicken Ausgangsuniform, mit einem weißen Federbusch am silbrig blitzenden Helm, ein groß gewachsener Mann, dem die Worte gar allzu leicht und locker aus dem Munde flossen. Ihm stand die Welt offen, woraus er seiner Umgebung gegenüber auch keinen Hehl machte. Einige seiner Freunde wandten sich deshalb auch wieder von ihm ab, da sie ihn zu großspurig fanden. Aber Eva sah in ihm ihren Märchenprinzen und liebte ihn aus ganzen Herzen. Was Wunder, befinden wir uns doch in einer Zeit, wo das Kaiserreich in seiner vollen Blüte stand und das Soldatentum nach dem gewonnenen Kriege von 1871 ein zukunftsträchtiges Gewerbe darstellte, das in der damaligen Gesellschaft - noch ohne die bitteren Erfahrungen der Kriege römisch eins und zwei- einen hohen ja stark überhöhten Stellenwert hatte. Wie stolz war Eva doch auf ihren Gardeoffizier. Die Hochzeit wurde denn auch glanzvoll begangen und Eva erhielt eine schöne Mitgift, zu der sich später nach dem Tode der Eltern noch die etliche Hektar Ländereien dazu gesellten.

    Eine Ehe wie im Bilderbuch, den schon kurze Zeit nach der Hochzeit wurde Eva schwanger, obwohl das Paar nach heutigen modernen Maßstäben doch eine Wochenendehe führte. Oder war es gerade deswegen? Fritz ihr Mann fuhr am Sonntagabend mit der Dampfeisenbahn über Friedrichsfeld, Heidelberg und Bruchsal nach Karlsruhe und von da weiter nach Rastatt, wo er in der Kaserne seinen Dienst die Woche über versah. Eva war so in ihrer Familie integriert, dass sie nicht daran dachte, den Hof des Vaters zu verlassen und in die Hauptstadt Karlsruhe in eine kleine Stadtwohnung zu ziehen. Sie brauchte das soziale Umfeld der Mutter und ihrer drei Schwestern.

    Doch die Idylle wurde bald getrübt durch bekannte weltpolitische Verstrickungen, die in Sarajewo ihren Ausgangspunkt hatte. Wir nähern uns dem Sommer 1914 und Fritz musste in den Ernstfall, von dem alle dachten er wäre harmlos: Der Krieg römisch eins brach aus. Seine hübsche junge Frau sollte er schwanger zurücklassen.

    Der badische Großherzog reihte seine Garde in die Reichswehr ein und Fritz Regiment zog von Rastatt nach Westen gen Frankreich. Schon nach den ersten Gefechten dort und lange vor Verdun und den anderen großen mörderischen Schlachten, erwischte es Fritz bei einem Angriff auf dem ersten Vormarsch und sein Bein wurde von einer Granate abgerissen. Wollte er als Gardeoffizier seiner Vorreiterrolle gar zu gerecht werden und mutige Heldenstückchen nicht nur verbal sondern auch real beweisen?

    Halb verblutet wurde er von den Sanitätern aufgegriffen, um dann, noch war der Krieg erst wenige Wochen alt und die Versorgungslogistik in Takt, in ein Lazarett in das nahe Saarbrücken eingeliefert zu werden. Sobald Eva die Nachricht seiner Verwundung erhielt, fuhr sie ihn besuchen, schon erahnend, dass ihr junges Glück durch diesen Schicksalsschlag gefährdet war. Sie fand ihn auch, neben vielen anderen verwundeten Kameraden in einem sauberen und hygienischen Krankenhaus in der Stadt ganz im Westen des Reiches an der Saar, die jetzt durch das Kriegsgeschehen stärker in den Vordergrund kam, soweit weg von Berlin, der Schaltzentrale. Sie fand den stolzen Fritz gedemütigt und im Todeskampf, kaum fähig seine junge Frau zu erkennen. Als er sie dann sah, schienen seine Lebensgeister noch einmal auf zu flammen und Eva fuhr nach einigen Tagen in der Hoffnung zurück, dass er es - wenn auch als Kriegskrüppel - überleben würde. Wie konnte sie wissen, dass das Schicksal immer in Etappen und immer unerbittlicher zuschlägt? Dann kam wenige Tage nach ihrem Besuch die finale Meldung über seinen Tod zusammen mit seinem Nachlass. Darunter war eine Postkarte, die er an sie gerichtet hatte. Nach dem er die Adresse und die Anschrift in seiner deutlichen und aufrechten Schrift mit einem Kopierstift geschrieben hatte und nach der Anrede 'Meine geliebte Eva…' fortfahren wollte, ihr seinen aktuellen Zustand mitzuteilen, verließen ihn die Kräfte. Die Buchstaben kippten um und seine Hand brachte nur noch eine gewellte Linie auf den Karton, die dann in dem Maße in eine Gerade ausliefen, wie sein Leben aus ihm wich. Er verblutete in dem Moment des Schreibens dieser Postkarte an seine geliebte schwangere Frau.

    Eva bewahrte diese Postkarte, diesen letzten Beweis seiner Liebe zu ihr, als das Wichtigste in ihrem Leben auf und zeigte sie ihrem Enkel fünfzig Jahre später. Dieser war damals gerade fünf Jahre alt. Er nahm ihr Vermächtnis in sein ungetrübtes kindliches Herz auf und bewahrte es bis lange nach ihrem Tode. Hatte sie ihn damit überfordert? Oder gar missbraucht? War er der einzige, der ihr noch zuhörte, zuhören musste?

    Immer wenn der Enkel heute die modernen Monitore mit den Herzschlägen der Schwerverletzten sieht, die auf Intensivstationen liegen, sieht er die Postkarte vor sich. Beim Ableben verlaufen sich die Monitorlinien genau wie auf der damaligen Postkarte im Nichts.

    Aber das Andenken an Fritz sollte lange erhalten bleiben. Während viel später im neuen Jahrtausend die Gräber aller seiner Großeltern, auch das von Everl, verschwunden waren, weil der Platz auf dem Friedhof zu gering war, blieb doch das Soldatengrab von Fritz über ein Jahrhundert bestehen. Sein Halbenkel musste zwar bei seinem letzten Besuch den Efeu etwas auf die Seite schieben, aber da stand sein Name in roter Schrift auf grauem Granit. Seine Überreste waren zusammen mit einem gefallenen Bruder in einem kleinen Soldatengrab beerdigt.

    Außerdem war sein Name auch in der Liste der gefallenen Soldaten, die auf den gelben Porphyr-Platten des pompösen Nazi-Krieger-Denkmals in zentraler Lage der Innenstadt zu finden. Wie schön fand der Halbenkel doch den Anblick in den siebziger Jahren des letzten Jahrtausends, als eine junge Anhängerin der damaligen Flower-Power-Friedensbewegung die Trommel des marschierenden Soldaten der Steinfiguren in der Pause des nahegelegenen Gymnasiums als Liegestuhl für ihr morgendliches Sonnenbad nutzte. Ein junges Mädchen in bunten kurzen Sommerkleidern mit regenbogenfarbigen Bändern in den Haaren: Ein Brückenschlag über die Generationen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können!

    Doch zurück zum Everl. Das Leben ging weiter. Wie gut, dass Eva in ihrer Familie einen festen Halt spürte, denn bald darauf wurde das Kind des gefallenen Gardeoffiziers geboren und Paul getauft. Paul, der von Geburt die Stelle seines Vaters übernehmen musste, und deshalb nie eine Gelegenheit hatte, er selbst zu sein. Wundert es dann, dass in Anbetracht der bekannten weltumspannenden Veränderungen in der Folge des Krieges römisch eins, der erwachsene Paul die SS als ein neuzeitliches Äquivalent für das großherzogliche Garderegiment seines Vaters erachtete und Mitglied wurde? Aber wir greifen der Zeit voraus und müssen zunächst einen anderen familiären Wurzelast freilegen und verfolgen, bis wir wieder auf Eva treffen.

    Wilhelm war ein kleiner Junge in einer ärmlichen Arbeiterfamilie. Sein Vater war aus der Kurpfalz entflohen und ließ seine Mutter mit den Kindern zurück. Des Öfteren im Familienstammbaum gibt es Lücken bei dieser Familie, weil die Reiselust oder die Sehnsucht nach der großen weiten Welt sie gepackt hatte, die doch so ruhig wirkenden Mitglieder der ursprünglich aus Battenberg stammenden Familie. War nicht hier schon die Auswirkung eines 'Zigeuner-Gens' zu erkennen, das in dieser Familie sich von Generation zu Generation weitervererbte? Das legendäre Zigeuner-Gen, das wir bei späteren Familienmitgliedern wiederfinden werden, vor allem bei mir.

    Das Fragezeichen zeigt, wie wenige Informationen überlebt haben. War es Wilhelm nicht wichtig seinem Enkel etwas von sich und seinen Vorfahren zu hinterlassen, oder war sein Leben zu unspektakulär? Oder war es das Abgeschnitten-Sein von den Vorfahren, seine Entwurzelung, nachdem doch der Vater so einfach aus seinem Leben verschwand, ohne Würdigung, ohne Hinterlassenschaft und ohne Grab?

    Wilhelm wuchs heran und nach der Schule lernte er das Maurerhandwerk. Er war emsig und fleißig. Das Bauen der Häuser war damals ohne die Kräne, Betonmaschinen, Bagger und Raupen der heutigen Zeit noch echte Handarbeit. Da musste man als Kind schon zäh und ausdauernd sein, um die Maurerlehre zu überstehen. Die Gesellen und vor allem der Polier, der Chef am Bau, achteten streng darauf, dass der Mörtel aus Sand und Zement gut durchmischt wurde. Dieser wurde nach den Regeln des Bauhandwerks so gemacht: Mit einer Schippe wurde

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