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Kowalskis Mörder: Der dritte Fall für Quint und Leidtner
Kowalskis Mörder: Der dritte Fall für Quint und Leidtner
Kowalskis Mörder: Der dritte Fall für Quint und Leidtner
eBook348 Seiten4 Stunden

Kowalskis Mörder: Der dritte Fall für Quint und Leidtner

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Über dieses E-Book

Kowalskis Mörder ist in Berlin! Mit dieser Nachricht auf seinem Mobiltelefon wird Kommissar Marek Quint aus dem Schlaf gerissen. Es ist nicht die letzte Botschaft an diesem frühen Sonntagmorgen. Marek schaltet seinen Kollegen Thomas Leidtner ein. Was sollen sie unternehmen? Das Ganze für einen Scherz halten? Oder ist Mareks Freundin Kerstin wirklich in der Gewalt von Entführern und erst wieder außer Gefahr, wenn Marek sich an einem Attentat beteiligt? Marek lässt sich auf das Spiel ein. Kowalskis Mörder ist über alles unterrichtet und hat offenbar ausgezeichnete Kontakte. Marek wird problemlos in den Personenschutz eines prominenten Berliner Politikers eingeschleust. Thomas macht sich derweil auf die Suche nach Kerstin und stößt sehr schnell auf eine heiße Spur. Marek und Thomas gehen unterschiedliche Wege und ziehen dabei wie gewohnt am selben Strang. Wie lautet am Ende das Fazit dieses aufregenden Sonntags.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum12. Mai 2018
ISBN9783742738653
Kowalskis Mörder: Der dritte Fall für Quint und Leidtner
Autor

Ole R. Börgdahl

Ole Roelof Börgdahl wurde am 23.05.1971 in Skellefteå, Schweden, geboren. Er wuchs in Skellefteå, Malmö und Lübeck auf. Das Lesen ist für Ole R. Börgdahl ein wichtiges Element des Schreibens. “Ich habe keine Lieblingsbücher, ich kann aber Bücher nennen, die mich beeindruckt haben. Hierzu gehört der Zyklus Rougon-Macquart von Émile Zola und Suite Francaise von Irène Némirovsky. Bei Zola gefällt mir die reiche Sprache, bei Suite Francaise hat mich das Schicksal von Irène Némirovsky bewegt.”

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    Buchvorschau

    Kowalskis Mörder - Ole R. Börgdahl

    Das Buch

    Kowalskis Mörder ist in Berlin! Mit dieser Nachricht auf seinem Mobiltelefon wird Kommissar Marek Quint aus dem Schlaf gerissen. Es ist nicht die letzte Botschaft an diesem frühen Sonntagmorgen. Marek schaltet seinen Kollegen Thomas Leidtner ein. Was sollen sie unternehmen? Das Ganze für einen Scherz halten? Oder ist Mareks Freundin Kerstin wirklich in der Gewalt von Entführern und erst wieder außer Gefahr, wenn Marek sich an einem Attentat beteiligt? Marek lässt sich auf das Spiel ein. Kowalskis Mörder ist über alles unterrichtet und hat offenbar ausgezeichnete Kontakte. Marek wird problemlos in den Personenschutz eines prominenten Berliner Politikers eingeschleust. Thomas macht sich derweil auf die Suche nach Kerstin und stößt sehr schnell auf eine heiße Spur. Marek und Thomas gehen unterschiedliche Wege und ziehen dabei wie gewohnt am selben Strang. Wie lautet am Ende das Fazit dieses aufregenden Sonntags.

    Die Marek-Quint-Trilogie:

    Tod und Schatten - Erster Fall (2016) - 978-3-7380-9059-8

    Blut und Scherben - Zweiter Fall (2017) - 978-3-7427-3866-0

    Kowalskis Mörder - Dritter Fall (2018) - 978-3-7427-3865-3

    Weitere Romane von Ole R. Börgdahl:

    Fälschung (2007) - 978-3-8476-2037-2

    Ströme meines Ozeans (2008) - 978-3-8476-2105-8

    Zwischen meinen Inseln (2010) - 978-3-8476-2104-1

    Faro (2011) - 978-3-8476-2103-4

    Die Tillman-Halls-Reihe:

    Alles in Blut - Halls erster Fall (2011) - 978-3-8476-3400-3

    Morgentod - Halls zweiter Fall (2012) - 978-3-8476-3727-1

    Pyjamamord - Halls dritter Fall (2013) - 978-3-8476-3816-2

    Die Schlangentrommel - Halls vierter Fall (2014) - 978-3-8476-1371-8

    Leiche an Bord - Halls fünfter Fall (2015) – 978-3-7380-4434-8

    Kowalskis Mörder

    Ein Motorroller fuhr knatternd am Haus vorbei. Die Geräusche des Zweitakters entfernten sich, wurden noch einmal lauter, als der Rollerfahrer von der Starnhäuser Straße in den Potsdamer Weg abbog und wieder Gas gab. Marek Quint drehte sich um, schob sich das Kissen unter den Kopf und zog die Bettdecke etwas höher. Er blinzelte mit dem linken Auge Richtung Wecker. Auf der Digitalanzeige war es zwei Minuten vor sechs. Er rückte noch einmal das Kissen zurecht und schlief wieder ein.

    Um sechs Uhr zwölf am Sonntag den 7. Februar 2016 erwachte Marek erneut. Diesmal kamen die Geräusche nicht von der Straße. Ein Piepton kroch ihm langsam über die Ohren ins Bewusstsein. Es dauerte ein, zwei Minuten, bis er die Augen aufschlug und im Bett hochfuhr. Er horchte nach dem Piepton, der auch sofort wieder erklang, um dann für ein paar Sekunden auszusetzen. Marek schwang die Beine aus dem Bett, tastete nach seinen Hausschuhen, die er nicht fand. Barfuß ging er über das Parkett, das er erst vor einem Monat im Schlafzimmer verlegt hatte. Die Tür war offen. Er ging auf den Flur und horchte. Der Piepton erklang, als er gerade vor dem Geländer stehengeblieben war. Danach war wieder Stille.

    Im ganzen Haus war es dunkel. Marek tastete sich am Geländer entlang bis zum Treppenabgang. Dort blieb er noch einmal stehen, wartete den Piepton ab, der sich erneut einstellte. Erst jetzt war er richtig wach. Er drehte sich um, schlug mit der Hand gegen den Lichtschalter neben der Tür zum Bügelzimmer. Die Energiesparbirne in der Flurlampe gab zunächst nur ein schwaches Licht ab. Marek ging die Treppe hinunter. Als er von der letzten Stufe auf den Fliesenboden trat, piepte es zum wiederholten Male. Im Wohnzimmer lag sein Handy, und von genau dort kam das Signal. Er schaltete die Strahlerreihe über dem Wohnzimmerschrank ein und eilte über den angenehm flauschigen Teppichboden zu der Schale auf dem Sideboard neben der Terrassentür.

    Das Display seines Smartphones leuchtete auf, als der Signalton erklang. Marek nahm das Telefon unschlüssig in die Hand. Die Informationsleiste auf dem Display zeigte den Eingang einer SMS an. Marek schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Irgendeine blödsinnige Werbebotschaft hatte ihn an diesem Sonntagmorgen aus dem Schlaf gerissen. Er wollte das Handy ausschalten. Er zögerte, tippte dann doch auf das SMS-Icon. Im selben Moment begann das Telefon sich zu verselbständigen. Ein Programm wurde geladen. Marek versuchte das Schlimmste zu verhindern, aber es war schon zu spät. Das Display wurde blau, der Schriftzug HIKE-Messenger erschien in weißen Lettern. Das Programm installierte sich zu Ende, durchlief mehrere Stadien mit Erklärungen in verschiedenen Sprachen, die Marek so schnell nicht erfassen konnte.

    Er versuchte den Akku aus seinem Smartphone herauszudrücken, aber er konnte den Gehäusedeckel mit seinen kurzen Fingernägeln nicht aufhebeln. Dann fror das Display ein, die Installation war offenbar abgeschlossen. Die Startseite verschwand, ein Text erschien. Die Schrift war sehr klein eingestellt. Marek kniff die Augen zusammen. In seinem Kopf arbeitete es, als er die Worte der Nachricht begriff.

    *

    Thomas Leidtner setzte sich in einen der beiden Sessel die zu Mareks Ledercouchgarnitur gehörten. Gähnend streckte er sich aus und sah kurz auf seine Armbanduhr. Es war viertel vor sieben. Mareks Anruf hatte ihn vor fünfundzwanzig Minuten erreicht. Er war in seine Kleider gestiegen und hatte sich sofort auf den Weg in die Starnhäuser Straße 27 nach Berlin-Frohnau gemacht.

    Marek betrat das Wohnzimmer mit zwei Tassen Instantkaffee und stellte sie auf den Tisch vor Thomas ab. Marek hatte sich ebenfalls angekleidet. Thomas griff nach seiner Tasse und nahm einen Schluck.

    »Verdammt, ist der heiß!« Er rieb sich die Unterlippe.

    Marek achtete nicht darauf. Er hatte sein Smartphone in der Hand und hielt Thomas das Display hin. Thomas beugte sich nach vorne und las den Text.

    »Das ist doch ein Scherz«, sagte er kopfschüttelnd, »oder glaubst du wirklich, das Jürgen ermordet wurde?«

    »Das ist ja noch nicht alles«, sagte Marek. »Ich habe auch erst gedacht, wer schreibt denn so etwas: Kowalskis Mörder ist in Berlin. Dann kam aber noch etwas und dann habe ich dich angerufen.«

    Marek tippte auf seinem Smartphone und hielt Thomas das Telefon erneut hin.

    »Wir haben deine Freundin. Wir schreiben auf ihrem Telefon«, zitierte Thomas die Displayanzeige. »Ja, hast du das denn gecheckt, hast du Kerstin endlich erreicht?«

    »Bis jetzt noch nicht, sie geht nicht ans Telefon, aber ich probiere es gleich noch einmal.«

    »Und du sagtest, Kerstin sei verreist?«, fragte Thomas.

    »Nicht verreist, sie ist dieses Wochenende bei einer Freundin.«

    »Also doch verreist?«

    »Die Freundin wohnt auch in Berlin, in Köpenick. Kerstin ist gestern Vormittag zu ihr gefahren. Sie wollten nachmittags ins Kino gehen und sich dann einen schönen Abend machen, ausgehen, auf eine Party oder so. Ich weiß nicht genau, was geplant war ...«

    »Die Freundin wohnt in Köpenick?«, unterbrach Thomas ihn. »Dann lass uns da doch sofort hinfahren und vor Ort klären, ob das hier alles nur ein Scherz ist oder was das sonst sein soll.«

    »Die Nachrichten wurden von Kerstins Handy gesendet«, erklärte Marek. »Es ist ihre Nummer, die als Absender angezeigt wird.«

    »Bist du dir da ganz sicher?«

    »Natürlich! Ich habe die Nummer zwar erst nicht erkannt, weil Kerstin ihr altes Handy vor zwei Monaten bei der Bergung einer Wasserleiche verloren hat. Abgesoffen, Handy und SIM-Karte ...«

    »Wasserleiche?«, fragte Thomas.

    »Ja! Ist doch egal. Sie haben es im Schlick nicht wiedergefunden. Kerstin wollte sich dann das iPhone SE kaufen, aber das gibt es erst im März ...«

    »Was? Was erzählst du da?« Thomas schüttelte den Kopf. »Dann bist du dir doch nicht sicher, dass es Kerstins Nummer ist, denn die ist ja beim Bergen einer Wasserleiche abgesoffen ...«

    »Verdammt, nein! Ich bin mir sicher«, rief Marek. »Ich hatte noch ein altes Galaxy mit Prepaid-Karte. Die habe ich wieder aufgeladen, bis Kerstin ihr verdammtes SE bekommt und ihre alte Nummer wieder aktiviert wird. Sie hat es sogar schon bestellt.«

    »Zeig mal die Nummer her.«

    Marek nahm das Smartphone wieder an sich und öffnete sein Telefonbuch. Er hielt Thomas den geöffneten Eintrag schließlich hin, der sich die ersten sechs Zahlen zu merken versuchte.

    »Und jetzt die Nummer, über die diese blöden Nachrichten gekommen sind«, sagte er.

    Marek fuhr mit dem Finger über das Display und tippte bei der HIKE-App auf Absender. Die Nummer wurde angezeigt. Thomas starrte ein, zwei Sekunden darauf und nickte.

    »Stimmt das ist ihre Nummer, wenn das ihre Nummer ist. Sind zumindest identisch.«

    »Und wenn ich anrufe, nimmt sie nicht ab«, sagte Marek und wählte erneut Kerstins Handynummer. Wie bei den Malen zuvor schaltete sich der Anrufbeantworter ein.

    »Scheiße!«, rief Marek. »Du kannst sagen, was du willst, aber da stimmt doch was nicht.«

    »Du sagtest, die haben gestern Party gemacht? Ist doch möglich, dass die beiden besoffen sind und dich nur verarschen wollen. Und wenn wir da aufkreuzen, dann pennen die gerade ihren Rausch aus.«

    »Kerstin besäuft sich doch nicht.« Marek schüttelte den Kopf.

    »Wie heißt denn die Freundin?«

    »Steffanie Hartfeld.«

    »Und kennst du sie auch?«

    »Nein, nicht richtig.«

    »Was heißt nicht richtig?«

    »Ich kenne sie eigentlich gar nicht. Ich weiß nur, dass sie seit einigen Monaten wieder Single ist ...«

    »Single!« Thomas grinste. »Dann lass uns sofort hinfahren.«

    »Jetzt hör doch mal auf, verdammt«, rief Marek und ließ sich auch in einen der Ledersessel fallen.

    »Sorry!«, sagte Thomas nur. »Was weißt du noch über diese Steffanie?«

    »Sie hat sich vor ein paar Monaten von ihrem Mann getrennt. War wohl ein bisschen stressig, besonders die Zeit unmittelbar danach. Kerstin hat fast eine Woche lang jeden Abend mit ihr telefoniert.«

    »Telefoniert«, wiederholte Thomas. »Probiere noch mal, Kerstin zu erreichen.«

    »Habe ich doch gerade.«

    »Mach einfach!«

    Marek nickte und ließ sein Smartphone erneut wählen. Er hielt es sich erst ans Ohr, stellte dann aber den Lautsprecher an und legte das Telefon auf den Wohnzimmertisch, als wieder nur der Anrufbeantworter ansprang.

    »Los, frag sie, was das soll«, rief Thomas.

    Marek schüttelte den Kopf und unterbrach die Verbindung. »Ich habe so ein komisches Gefühl.«

    »Dann lass uns fahren.« Thomas erhob sich aus seinem Sessel und blieb vor Marek stehen.

    Marek rührte sich nicht, dann nahm er das Smartphone vom Tisch, suchte über das Display den Nummernspeicher und ließ das Telefon erneut wählen. Die Verbindung kam zustande, aber auch diesmal sprang ein Anrufbeantworter an. Eine beschwingte Frauenstimme war zu hören.

    »Hi, Steffie hier, kann grad nicht ans Telefon gehen. Würde mich aber über eine Nachricht freuen. Tschüüüüß!«

    »Ist sie das?«, fragte Thomas. »Kling doch ganz nett. Single sagst du, kannst mir ja mal ihre Nummer geben.« Thomas grinste.

    »Ich finde das gar nicht lustig«, sagte Marek und unterbrach die Verbindung, bevor der Signalton des Anrufbeantworters zu hören war. »Außerdem habe ich ihre Handynummer nicht, war der Festnetzanschluss.«

    »Köpenick, lass uns endlich fahren. Sicher klärt sich das alles und wir gehen gemeinsam einen Kaffee trinken, Kerstin, du, diese Steffanie und ich.«

    »Das dauert zu lange«, sagte Marek. »Das dauert alles jetzt schon viel zu lange. Wir brauchen eine Stunde nach Köpenick.«

    »Aber doch nicht am Sonntagmorgen?«

    »Gut, lass es eine dreiviertel Stunde sein, wenn wir mit Blaulicht fahren.« Marek schüttelte den Kopf.

    »Und was willst du dann tun?«, fragte Thomas und setzte sich wieder.

    »Ich rufe jetzt ein Revier in Köpenick an. Ich habe die Nummer vorhin schon herausgesucht. Da soll mal eine Streife nachsehen, das geht schneller.«

    »Und was glaubst du, sagt Kerstin dazu, wenn sie und ihre Freundin von einem Sondereinsatzkommando aus dem Bett geklingelt werden? Wenn die gestern auf Piste waren, dann schlafen die jetzt noch.« Thomas sah auf seine Armbanduhr. »Mann, es ist erst kurz vor sieben. Wenn wir sofort losfahren, dann sind wir um acht da, warten noch eine halbe Stunde und überraschen die Mädels mit frischen Brötchen, die wir unterwegs organisieren.« Thomas grinste erneut.

    »Du kapierst das wohl nicht, da ist was nicht in Ordnung«, rief Marek.

    »Hey, ich kann das aber nicht sehen, dass da was nicht in Ordnung ist.« Thomas gestikulierte in die Luft. »Oder nimmst du diese albernen Nachrichten wirklich für voll?«

    »Ja, das tue ich.« Marek zögerte. »Nachdem ich bei dir angerufen habe ist nämlich noch etwas gekommen.«

    Thomas verdrehte die Augen. »Lass mich raten, die haben eine Bombe unter Tremmels Arsch deponiert und werden die zünden, wenn wir nicht tun, was sie wollen. Frage ist nur, was die wollen.«

    »Ich kann dir genau sagen, was die wollen.« Marek wischte über sein Smartphone und hielt es Thomas hin.

    *

    Marek kam zurück ins Wohnzimmer und legte sein Festnetztelefon auf das Sideboard. Thomas blickte von Mareks Smartphone auf.

    »Was hast du den Kollegen erzählt?«

    »Kerstin wird dringend im Krankenhaus gebraucht und man konnte sie nicht erreichen.«

    »Die sind doch nicht blöd«, sagte Thomas kopfschüttelnd. »So dringend ist es doch in der Pathologie niemals.«

    »Ich habe ja auch nichts von der Gerichtsmedizin erzählt, ich habe nur angedeutet, dass Kerstin Ärztin ist und ein Patient ihre Hilfe benötigt.«

    »Sehr fantasievoll. Was sagen die, wie lange sie brauchen, um die Adresse zu checken?«

    »Zehn Minuten. Sie wollen eine Streife schicken, die ohnehin gerade in der Gegend unterwegs ist.«

    Thomas hielt Mareks Smartphone hoch. »Und was machen wir jetzt damit?«

    »Hast du es an den Drucker gesendet?«

    »Glaub schon, wenn ich es richtiggemacht habe.«

    Marek drehte sich um, ging aus dem Wohnzimmer über den Flur ins Arbeitszimmer und kehrte dreißig Sekunden später mit zwei engbedruckten Seiten zurück. Er zog den zweiten Ledersessel neben Thomas’ Platz und setzte sich.

    »Fassen wir das doch mal zusammen«, sagte er schließlich. »... Kowalskis Mörder ist in Berlin ... und ... Wir haben Deine Freundin ...«

    »Das werden wir dann ja wohl gleich genauer wissen, wenn die Streife sich gemeldet hat.« Thomas sah zum Telefon, das auf dem Sideboard neben der Schale mit dem künstlichen Obst lag.

    »Bleibt noch der angebliche Mord an Jürgen.« Marek überflog noch einmal den Ausdruck, der als PDF-Dokument an der HIKE-Nachricht angehängt war. »Meinst du, dass dieser sogenannte interne Bericht aus dem Auswärtigen Amt echt ist?«

    Thomas zuckte mit den Schultern. »Ist von der Aufmachung her etwas schlicht, keine Siegel oder so.«

    »Soll ja auch nur ein interner Bericht sein. Kennst du jemanden, der uns die Echtheit bestätigen könnte?«

    Thomas zuckte erneut mit den Schultern. »Ich kann bestimmt jemanden auftreiben, aber heute nicht mehr, es sei denn, wir gehen den offiziellen Weg.«

    »Gut, gehen wir davon aus, dass das hier echt ist«, sagte Marek und tippte mit dem Finger auf das Papier. »Lass uns doch mal von vorne anfangen. Das ist jetzt gut ein Jahr her, dass Jürgen nach Afghanistan gegangen ist und als eine Art Entwicklungshelfer Afghanische Polizei-Offiziere in Kunduz ausgebildet hat.«

    »Das war auch im Februar«, überlegte Thomas. »Ich war vom sechzehnten bis zwanzigsten auf Teneriffa, gleich danach hat Jürgen seinen Ausstand gegeben und ich war ganz überrascht, als es plötzlich hieß, dass du ihn in den drei Monaten vertreten solltest.«

    »Ich war auch überrascht, vor allem als Jürgen seine Mission verlängert hat und ich ihn weiterhin der kommissarische Leiter der Operativen Einheit sein sollte.«

    »Du warst sein Vertreter, aber wir haben es gemeinsam geschafft, dass man uns aufgelöst hat.« Thomas überlegte. »Zu dem Zeitpunkt hätte Jürgen schon zurückkommen müssen, dann wäre mir Tremmel erspart geblieben.«

    »Ist er aber nicht und ich finde, wir haben uns ganz gut selbst wieder ins Spiel gebracht.«

    »Ja, meinetwegen, aber als Jürgen im September auf Besuch in Berlin war, habe ich ihm schon gesagt, dass es unsere Operative Einheit ohne ihn ziemlich schwer hat, gegen die anderen Kommissariate im Dezernat anzustinken. Da hat er mir allerdings nicht verraten, dass er seine Ausbildungsmission sogar noch ein zweites Mal verlängern wollte.«

    »Ich ...« Marek zögerte. »Ich habe auch mit ihm gesprochen. Vielleicht hat er es dir nicht direkt gesagt, aber wenn er im Mai zurückkommt, will er ohnehin nicht weitermachen, das wollte er im September alles fix machen.«

    »Was?«, rief Thomas. »Das höre ich jetzt zum ersten Mal. Will er sich versetzen lassen? Davon hat er mir aber nichts erzählt, das kann nicht sein.«

    »Ruhestand«, sagte Marek und überlegte. »Außerdem musst du doch davon gewusst haben. Erinnerst du dich an die E-Mail, die er uns im Juli oder August vergangenen Jahres geschrieben hat?«

    »Er hat so oft geschrieben. Im Juli sagtest du?«

    »Ja, du musst dich doch daran erinnern. Wir waren gerade an dem Stolle-Börder Fall dran ...«

    »Der Tiefpunkt meine Karriere«, bemerkte Thomas.

    »Und gleichzeitig die Auferstehung der Einheit Kowalski, wie sie Roose immer genannt hat«, warf Marek ein.

    »Da hast du auch wieder recht. Und Jürgen hat damals geschrieben, dass er an Ruhestand denkt?« Thomas dachte nach. »Stimmt, du hast es mir am Telefon erzählt, dass Jürgen eine E-Mail geschickt hat. Die habe ich nie gelesen, weil ich an dem Tag besonders großen Stress mit Tremmel hatte und so richtig scheiße drauf war.«

    »Kann sein, jedenfalls hatte Jürgen vor noch dieses Jahr in den Ruhestand zu gehen. Vom Alter her würde es ja passen.«

    Thomas schüttelte den Kopf. »Eigentlich passt das gar nicht zu ihm?«

    »Aber als er im September noch einmal in Berlin war, hat er es auch erwähnt« erwiderte Marek. »Wir haben allerdings nur kurz darüber gesprochen.«

    »Mir hat er es nicht noch einmal gesagt.« Thomas überlegte. »Ich glaube du hast das falsch verstanden. Jürgen hat immer gesagt, dass er den Job machen will, bis sie ihn zwangsweise in Rente schicken.«

    »Dann habe ich es vielleicht wirklich falsch verstanden«, sagte Marek leise und blickte noch einmal auf das PDF-Dokument. »Im September ist Jürgen zurück nach Kunduz und im Dezember ist er dann ...«

    »Ich glaube das noch immer nicht«, sagte Thomas kopfschüttelnd. Er überlegte. »Wann hat er sich zuletzt gemeldet? Er muss sich doch Weihnachten gemeldet haben?«

    Marek zuckte mit den Schultern.

    »Wo sind seine Mails?«, fragte Thomas und zückte sein eigenes Smartphone. »Ich habe doch bestimmt noch seine Mails.«

    Marek beugte sich zu Thomas hinüber, der durch seinen Maileingang scrollte. Im Dezember fand er gar nichts, keine Weihnachtsgrüße. Im November auch nichts. Offenbar hatte sich KHK Jürgen Kowalski zuletzt am 10. Oktober des vergangenen Jahres gemeldet.

    »Stimmt, die Nachricht habe ich auch bekommen«, sagte Marek. »Das war zwei Wochen, nach seinem Heimaturlaub.«

    »Und danach hast du auch nichts mehr von ihm gehört?«

    Marek durchsuchte jetzt ebenfalls den Mail-Eingang auf seinem eigenen Telefon, schüttelte dann aber den Kopf. »10. Oktober, die Mail hat er an uns beide geschickt.«

    Marek sah einen Anhang an der Mail und öffnete ihn. Auf der Fotografie befand sich Jürgen Kowalski mitten in einer Gruppe von uniformierten Polizisten. Im Hintergrund war ein großes Gebäude zu sehen, an dem die deutsche und die afghanische Flagge gehisst waren. Neben Jürgen Kowalski stand eine kleine Frau mit Kopftuch und einem bodenlangen weißen Umhang. Marek erinnerte sich, dass er im September von seiner Dolmetscherin gesprochen hatte.

    »Wir schreiben ihm einfach«, sagte Thomas, nachdem sie sich ein paar Sekunden lang die Aufnahme angesehen hatten. »Oder wir rufen an. Wie spät ist es da jetzt?«

    Marek zuckte mit den Schultern. »Drei oder vier Stunden weiter, glaube ich.« Er sah auf seine Armbanduhr. »11:00 Uhr am Vormittag.«

    »Das ist ja perfekt. Und ich habe sogar Jürgens Handynummer.«

    Er suchte bereits in den Kontakten auf seinem Smartphone und fand auch die Nummer, die er sofort wählte. Marek sah ihn skeptisch an, während Thomas sich darauf konzentrierte, dass eine Verbindung zustande kam.

    »Scheiße, tot«, fluchte er und ließ es gleich noch einmal wählen.

    Marek suchte in der Zwischenzeit auf seinem eigenen Telefon nach einer anderen Nummer. Thomas fluchte erneut.

    »Jürgen hat doch damals gesagt, dass es über Festnetz besser geht«, sagte Marek und hielt sich das Telefon ans Ohr.

    »Und?«, fragte Thomas nach einer gefühlten Minute.

    Marek hob die Hand, schüttelte dann aber sofort den Kopf. »Jetzt ist besetzt, aber es hat ziemlich lange geklingelt.«

    »Warte doch, vielleicht ruft er zurück.«

    Marek nickte. »Ich weiß jetzt, dass Jürgen immer in Deutschland angerufen hat und nicht umgekehrt. Er hatte da irgendeinen Zugriff auf ein Satellitentelefon oder so.«

    »Satellitentelefon? Du meinst von der Bundeswehr?«

    »Nein, die ist da ja nicht mehr. Jürgen hat in der Deutschen Botschaft in Kunduz gewohnt und konnte dort auch die Infrastruktur nutzen.«

    »Dann rufen wir in der Botschaft an, die können doch sagen, wo Jürgen gerade ist und ihn vielleicht ans Telefon holen.«

    Thomas fing sofort an auf seinem Smartphone zu googeln. Marek sah ihm zu, begann dann selbst auf seinem Gerät zu suchen.

    »Ich habe da eine Nummer«, rief Thomas plötzlich.

    »Die siebenundsiebzig sechsundsechzig am Ende?«

    »Ja, genau, Vorwahl null, null, neun, drei.« Thomas tippte die Zahlen in sein Telefon, musste aber feststellen, dass ein Besetztzeichen erklang noch bevor er die vollständige Nummer gewählt hatte. Er versuchte es dreimal.

    »Lass es, hier steht, dass es von Deutschland aus derzeit nicht möglich ist, eine Verbindung zu bekommen. In dringenden Fällen soll man sich an das Auswärtige Amt wenden, wenn man Kontakt zur Botschaft oder dem Botschafter aufnehmen will.«

    »Das ist doch ein dringender Fall«, rief Thomas. »Lass uns beim Auswärtigen Amt anrufen.« Er stockte, und obwohl er den Vorschlag gemacht hatte, schüttelte er jetzt den Kopf. »Ich denke, es ist einfacher, Kerstin zu finden und diese Sache erst einmal zu klären.«

    Marek nickte und tippte dabei etwas in sein Smartphone. »Ich schreibe Jürgen eine Mail. Vielleicht meldet er sich, noch bevor wir uns beim Auswärtigen Amt lächerlich machen. Ich nehme dich in Kopie.«

    Thomas hatte sich noch einmal den PDF-Ausdruck genommen und studierte den Text. »Hier steht, der Verlauf der Entführung kam so überraschend, dass die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere das Auswärtige Amt einen Nachrichtenstopp verhängt haben. Über den Vorfall soll bis auf weiteres nichts nach außen dringen ...«

    »So etwas können die gar nicht verheimlichen«, sagte Marek. Er tippte wieder auf seinem Smartphone. »Irgendwo im Netz muss es einen Hinweis geben, das Teil hier ist nur so langsam. So ein Mist.«

    Er sprang auf, griff sich im Vorbeigehen das Festnetztelefon vom Sideboard und verließ den Raum. Thomas folgte ihm ins Arbeitszimmer. Es dauerte ein paar Minuten, bis Mareks Laptop hochgefahren war. Dann saßen sie weitere zehn Minuten vor dem Rechner, ohne dass die Suche zu einem konkreten Ergebnis führte.

    »Also glauben wir das jetzt, was hier abgeht?«, fragte Thomas schließlich.

    »So lange wir Kerstin nicht erreichen ...«, antwortete Marek unschlüssig. Er überlegte. »Wenn es stimmt, dann stellt sich nur die Frage, ob nicht vielleicht auch der Innensenator gewusst hat, was mit Jürgen passiert ist, wenn überhaupt etwas passiert ist.«

    Thomas zuckte mit den Schultern. »Das sind doch zwei unterschiedliche Behörden, der Innensenator von Berlin und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. Das sind sogar zwei verschiedene Welten.«

    »Ja, aber der Innensenator muss doch was gewusst haben. Die haben Jürgen doch auch nur freigestellt und nicht zum Auswärtigen Amt versetzt.« Marek überlegte. »Wie hieß noch der Typ, der uns damals den Reisebürofall wegnehmen wollte, der mich angerufen hat, dieser Referent?«

    »Jürgen Haitmann«, sagte Thomas, »aber den kannst du nicht fragen, der nimmt dir die Sache doch noch immer übel. Der hat doch auch einen Anschiss bekommen, als wir Lorenz Mittag in Babelsberg geschnappt haben.«

    »Wer könnte uns das mit Jürgen denn sonst noch bestätigen?«

    »Na, vielleicht doch der Polizeipräsident«, meinte Thomas und schüttelte gleichzeitig den Kopf.

    »So kommen wir nicht weiter. Also können wir das, was mit Jürgen passiert ist, glauben oder nicht.« Marek nahm das zweite Blatt. »Ob wir es glauben, ist allerdings entscheidend für das hier. Kennst du diesen Harald Prossmann?«

    »Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, aber mir fällt nicht ein, warum. Der ist auch beim Auswärtigen Amt. Das sind doch gerade die Typen, die uns mit Jürgen verarscht haben, wenn das Ganze selbst keine richtig große Verarsche ist. Was macht ein Staatssekretär eigentlich?«

    »Das ist ein Beamter, der höchste Beamte in einem Ministerium«, erklärte Marek. »Kommt wahrscheinlich gleich nach dem Minister. Allerdings gibt es im Auswärtigen Amt drei Staatssekretäre. Michael Roth ist von der SPD und Staatsminister für Europa. Maria Böhmer ist das Gegenstück von der CDU.«

    Thomas nickte. »Staatminister, was du alles weißt.«

    »Ich habe das vorhin auch erst gegoogelt, da findet man wirklich alles.«

    »Wenn das immer so stimmt«, stellte Thomas fest.

    Marek zuckte mit den Schultern. »Wird schon alles richtig sein. Das darf man nicht unterschätzen, was alles plötzlich im Internet auftaucht und der Wahrheit entspricht.«

    »Nur von der Sache mit Jürgen stand da nirgends etwas«, warf Thomas ein.

    »Das hast du ja eben selbst überprüft«, sagte Marek und überlegte.

    »Egal, was ist jetzt mit diesem Prossmann?«

    Marek nickte. »Ja, Harald Prossmann ist ebenfalls von der SPD. Er steht eigentlich hinter Roth und Böhmer, aber er hat Ambitionen.«

    »Ambitionen?«, wiederholte Thomas.

    »Prossmann ist derzeit in den Medien stark vertreten, Er steht seit einem guten halben Jahr sogar

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