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Big Brother 5.0
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eBook243 Seiten3 Stunden

Big Brother 5.0

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Über dieses E-Book

"Bitte nicht noch so einen Überwachungsskandal-Roman", stöhnen Sie? Keine Sorge, ich arbeite mich nicht an NSA, Google & Co. ab. Nein, darüber ist die Wissenschaft längst hinaus. Die nächste Stufe der Überwachung beginnt in Ihrem Kopf. Helfen Sie mir, das zu verhindern! Oder haben Sie diesmal auch nichts zu verbergen?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Jan. 2016
ISBN9783738055146
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    Buchvorschau

    Big Brother 5.0 - Cornelia Nolte

    Prolog

    „Jeder Mensch möchte gerne ein Held sein, der für seine Taten gefeiert wird. Aber nicht alle haben die Gelegenheit dazu. Ich schon, und meine Gelegenheit war jetzt. Nur das mit dem Feiern ist so eine Sache..."

    Das Leben hätte so schön sein können. Mit 34 Jahren führte ich einen angenehmen Lebensstil und konnte mich in keinster Weise beklagen. Ich zählte mich zur Mittelschicht und mein geregeltes Einkommen als Wissenschaftler an der Universität erlaubte mir ein bisschen Luxus in Form von Reisen, einer für einen Single großzügigen Wohnung in guter Großstadt-Lage und Kontakte rund um den Globus zu pflegen.

    Bis ich dann vor zwei Jahren den Unfall hatte. Ein Fahranfänger hatte mich beim Abbiegen übersehen und einfach umgefahren. Wer erwartet auch einen Radfahrer mitten in der Stadt? Mein Helm – und ich war so froh, dass ich immer einen trug, auch wenn das die Frisur ruinierte und nicht gerade sexy war – verhinderte zwar Schlimmeres. Aber trotzdem kam ich so unglücklich auf dem Bordstein auf, dass meine Schädelplatte in Stücke brach und mein Kopf quasi nur noch von den Resten des Helms in Form gehalten wurde. Abgesehen von der gebrochenen Schulter, den Prellungen am Bein und dem verdrehten Knöchel, was allerdings vernachlässigbar war.

    Eigentlich war es nicht sein Fehler. Die Kamera seines autonomen Autos hatte meinen Fahrweg wegen meiner Geschwindigkeit und der „nicht gradlinigen" Fahrweise nicht richtig berechnet. Zwar wurde der Bremsvorgang noch eingeleitet, aber das Auto kam nicht rechtzeitig zum Halten. Vielleicht hätte der Fahrer noch ausweichen können, wenn er sich nicht zu sehr auf die Automatik verlassen hätte. Aber selbst wenn er aufmerksamer am Verkehr teilgenommen hätte, wäre er mit der Situation vermutlich überfordert gewesen. Die jungen Leute heutzutage lernen ja nicht mehr, manuell Auto zu fahren. Ein Jammer.

    Jedenfalls stand der Pechvogel offensichtlich mehr unter Schock als ich, wobei ich mich nicht mehr an viel erinnere. Ich sehe die Ereignisse eher in verschwommenen Bildern; die Menschen, die auf mich zustürzten, Dinge sprachen und wahrscheinlich auch versuchten zu helfen. Ich fühle und höre nichts, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. In Anbetracht der Schmerzen, die ich gehabt haben musste, war das mit Sicherheit besser so.

    Den Krankenwagen hat bestimmt das im Auto eingebaute Unfall-Melde-System gerufen. Mit GPS und Außenkamera-Bildübermittlung durch die permanente Funkverbindung war das ja kein Problem. Von den anwesenden Passanten hätte ich das auch nicht mehr erwartet. Die waren viel zu aufgeregt; der erste schwerere Unfall seit Langem ist nun einmal eine Sensation. Ein Wunder, dass das Auto nicht gleich die Presse mitinformiert. Wobei die Reporter noch nicht vor Ort gewesen wären, als schon die ersten Fotos auf Facebook hochgeladen wurden. Da lohnt sich die Anreise kaum noch.

    Später wurde mir dann vor Gericht Schmerzensgeld zugesprochen und die Versicherung des Unfallfahrers übernahm den Schadensfall. Dabei kam mir zugute, dass die Gesetzgebung zu diesen Zeitpunkt noch nicht auf die neue Sachlage eingestellt war. Denn trotz der selbstständig fahrenden Autos lag die Verantwortung für das Auto und die Sicherheit im Straßenverkehr noch beim Fahrer, auch wenn dieser tatsächlich nicht mehr in den Verkehr eingriff. In meinem Fall hätte sich der Fahrer also wie früher vergewissern müssen, dass der Weg frei war, bevor er abbog. Das waren noch Zeiten! Heute hätte ich beweisen müssen, dass ich mit meiner vorausschauenden Fahrweise eine zuverlässige Berechnung des Fahrtweges durch die autonomen Verkehrsmittel gewährleistet hatte und daher keine Verkehrsgefährdung darstellte, um nicht selbst die Schuld zugewiesen zu bekommen. Was ich nicht gekonnt hätte, denn das widerspricht meiner Meinung nach dem Grund, weswegen man das Fahrrad noch dem Auto vorzieht.

    Außerdem hatte ich Glück, dass bei meinen Gesundheitswerten nichts gegen eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse sprach. Immerhin zahlte sich so die Investition in diverse Fitnessprogramme aus. Die ganze Schinderei mit regelmäßigem Sport verlangte mir ein penibles Zeitmanagement ab, aber dadurch behielt ich trotz Bürojob eine durchschnittlich athletische Figur mit Cholesterin-Werten im grünen Bereich, einem akzeptablen Verhältnis von Muskel- zu Fettmasse und genug Ausdauer im EKG-Belastungstest.

    Mit den gesammelten Daten meines Gesundheits-Trackers, den ich u.a. immer für meine Jogging-Runden im Einsatz hatte, konnte ich meinen verantwortungsvollen Umgang mit meiner Gesundheit nachweisen. Ich hielt mich an einen ausgewogenen Spannungsbogen zwischen Aufwärmphase, mäßiger und höchster Belastung im empfohlenen Wechsel und einem Auslaufen vor dem Dehnen, alles perfekt zugeschnitten auf meine Körpergröße und mein Gewicht. Zusätzlich zur gesunden Ernährung, versteht sich. Daneben hatte ich Pluspunkte als Nichtraucher und wegen meines unterdurchschnittlichen Alkoholkonsums. Mein Arzt bescheinigte mir außerdem gute Gene, wodurch die Genesungschancen und vor allem die vollständige Wiederherstellung meiner Arbeitskraft eine günstige Beurteilung erfuhren.

    Ich will gar nicht daran denken, wie es ausgegangen wäre, wenn ich mich an den Kosten hätte beteiligen müssen, weil ich mich nicht gut genug um meine Gesundheit bemüht hätte oder die Erfolgsaussichten einer Wiedereingliederung in den Berufsalltag nicht hoch gewesen wären. Und nicht zu vergessen: wie ich die Reha-Maßnahmen hätte überstehen können, wäre ich nicht vorher schon einigermaßen sportlich gewesen.

    Als ich nach qualvollen Monaten harten Physiotrainings und speziell zusammengestellter, nicht gerade leckerer Aufbaukost mühsam zu meinem alten Lebensstandard zurückfand, wollte ich natürlich dort weitermachen, wo ich aufgehört hatte. Schließlich war ich physisch geheilt und wieder ausreichend fit. Außer der dünnen Metallplatte, die meine Schädeldecke stabilisierte, war ich ganz der alte, so dass im Grunde nichts dagegen sprach.

    Dachte ich.

    1

    Während ich wieder einmal über jenen schicksalhaften Tag in meiner Vergangenheit sinnierte, wartete ich in der Schlange an der Supermarktkasse. Das war inzwischen äußerst ungewöhnlich, da man üblicherweise per Funk die Waren scannte und bargeldlos bezahlte. Wahrscheinlich hatte irgendwer nicht mehr genügend Guthaben auf seinem Chip oder kein Smartphone dabei, so dass eine echte Kassiererin in Aktion treten musste.

    Ich seufzte und sah auf meine Uhr. 19:20 Uhr. Keine neuen Mails. Mittwoch, 17.03., mit einer Regenwahrscheinlichkeit von 45% bei aktuellen 12 Grad Celsius und bewölktem Himmel. Durch die Warterei wechselte meine Herzfrequenz in den gelben Bereich, weshalb die Wetterinformationen zugunsten einer entsprechenden Warnmeldung ausgeblendet wurden. Da ich mich nicht im Fitness-Modus befand, registrierte das System meine erhöhten Werte als alarmierend. Mich beunruhigte das aber keineswegs, denn ich hasste unnötiges Warten und führte meine gesteigerte Herzfrequenz auf meine Ungeduld zurück.

    Ganz so intelligent waren die Geräte doch noch nicht. Sonst hätte mir die Uhr eher ein langsames Lied auf die Ohrstöpsel gelegt. Immerhin gaben sie aber auch kein präventives Beruhigungsmittel ab. Wenigstens das konnte ich gut heißen, damit die Weltbevölkerung nicht den halben Tag wie Zombies durch die Gegend lief. Wobei das sicher nur eine Frage der Zeit war, denn dieses Szenario wäre für die Pharmaindustrie absolut lukrativ. Ich entschied, lieber nicht weiter darüber nachzudenken, und passierte wenige Minuten später die Kasse. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wurden meine Einkäufe erfasst und mit einem Piepen die erfolgte Abbuchung quittiert.

    Draußen auf der Straße registrierte meine Hausregelung aus der Kombination Uhrzeit und Standort, dass ich auf dem Heimweg war. So konnte sich die Heizung einen Vorsprung verschaffen, damit meine Wohnung mollig warm war, wenn ich zu Hause eintraf. Selbstverständlich wurde der Energiebedarf zum Erreichen der vorgegebenen Temperatur präzise von meinem aktuellen Standort und der daraus errechneten Dauer bis zu meiner Ankunft kalkuliert. Theoretisch hätte ich das auch per Knopfdruck von unterwegs einstellen können, aber die Mühe musste ich mir nicht machen, da mein Tagesablauf gleichförmig genug war, so dass das Smart Home eine riesige Arbeitsersparnis darstellte.

    Ein leichtes Vibrieren am Handgelenk bedeutete mir, eine Mail erhalten zu haben. Mein Kühlschrank trug mir auf, Eier einzukaufen. Das hätte er mal früher melden können! Vielleicht sollte ich ihm doch erlauben, direkt einzukaufen. Allerdings brauchte man dazu ein Depot vor der Wohnung, in das der Lieferservice die Lebensmittel ablegen konnte, das hygienisch genug war und gleichzeitig nicht von Dritten geplündert werden konnte. War mir zu kompliziert. Alternativ könnte ich die Bestellung meines Kühlschranks auch in der Filiale meiner Wahl abholen, aber dann wäre ich dem Rhythmus meines Mobiliars unterworfen. Es sei denn, ich würde Regeln für den Onlineeinkauf aufstellen, die mir eine Synchronisierung mit meinem Tagesablauf erlaubten. Auch das war mir zu aufwändig. D.h. also kein Rührei, zumindest nicht heute.

    Im Treppenhaus beleuchteten die Lampen nach einem ausgeklügelten System meinen Weg zur Wohnung im zweiten Stock, wobei die Sensoren die Lampen vor mir ein- und hinter mir wieder ausschalteten. Eine Weile hatte ich ein ähnliches System in meiner Wohnung installiert, aber nach einiger Zeit störte mich das ständige Aus und An dermaßen, dass ich lieber wieder zur manuellen Schaltung überging. Auch wenn die Automatik bei vollen Händen ganz praktisch war, wie ich zugeben muss.

    Ich machte mir also eigenständig Licht, räumte meine Sachen in den Kühlschrank und setzte mich auf die Couch. Einen kurzen Moment des Innehaltens gönnte ich mir dann immer, um den Stress des Tages von mir abzuschütteln, wenn ich nach Hause kam. Freunde hatten mit dem Licht im Flur sofort Musik dudeln, ich dagegen brauchte meine Ruhe, ein kleines Ritual zum Ankommen. Erst danach griff ich zur Fernbedienung und schaltete die Nachrichten ein.

    Dort hörte ich zum ersten Mal von der neuen Erfindung, deren Prototyp nun zum ersten Mal einer ausgesuchten Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte.

    In dem Beitrag wurde der „große Durchbruch" des ortsansässigen Technologie-Unternehmens gefeiert. Ein neues Gerät, mit dem es nun auf unkomplizierte Weise möglich sein sollte, die Gefühle von Personen zu analysieren und ihnen entsprechend das zu geben, was eine Person zu einem konkreten Moment wirklich braucht. Selbstverständlich, und wie könnte es anders sein, versprach sich der Hersteller eine Revolution des Marktes, insbesondere im Einzelhandel. Inklusive der Sicherung bzw. Schaffung tausender Arbeitsplätze.

    Meine Neugier als Wissenschaftler war geweckt und ich beschloss, mir eine Einladung zu der semi-öffentlichen Demonstration der neuen Erfindung zu verschaffen. Zwar war mein Fachgebiet im Bereich Soziologie der geschichts- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät nicht die Auswirkung der Technik auf die Gesellschaft, wohl aber die Modelle gesellschaftlichen Zusammenlebens im Allgemeinen, und das greift in gewisser Weise schließlich ineinander. Wenn dieses Gerät tatsächlich Strukturen revolutionieren sollte, beträfe das auch meine Forschungen. Ich hoffte, das wäre Argument genug.

    Gleich am nächsten Morgen wollte ich mich um die Teilnahme kümmern. Dass es schwierig werden würde, hätte mir dabei schon beim Aufstehen klar sein können. Ich erwachte nach einer äußerst unruhigen Nacht. Mein Schlaf-Tracker fasste das Offensichtliche zusammen, indem er mir das Verhältnis von Tiefschlafphase zu Wach- und Leichtschlafphasen mit einem roten Warnsignal markierte. Den Daten entsprechend hatte der Tracker dem Wecker erst zum allerletzten Zeitpunkt das Klingeln erlaubt. Normalerweise hätte ich innerhalb einer definierten Zeitspanne geweckt werden sollen, wenn mein Schlafrhythmus ohnehin auf eine Wachphase zusteuert. Nur war das heute nicht möglich, ohne dass ich verschlafen hätte. Der zweite Punkt, weswegen ich mich wie gerädert fühlte.

    Ich schlurfte ins Bad unter die Dusche. Um meine Lebensgeister zu wecken, entschied ich mich für die radikale Lösung – kaltes Wasser. Grundsätzlich eine schöne Idee, wenn nicht die Dusche schon gewohnheitsmäßig das Wasser erhitzt hätte. Schicksalsergeben seufzte ich und ließ das warme Wasser sowie den Schaum an mir herunterrinnen, bevor ich länger als sonst das Wasser strömen ließ. Wenn der Wechsel langsam vonstattengeht, ist es mit der Kneippkur zwar nicht so weit her, aber immerhin gab mir das nun kalte Wasser einen Kick. 20 Liter mehr als üblich verbrauchte ich auf diese Art und Weise. Aus Umweltgesichtspunkten reine Verschwendung, aber andererseits sparte ich sonst mit der genau abgemessenen Menge aufbereiteten Wassers. Insofern konnte man das eine Mal vertreten, fand ich.

    In der Küche hatte sich meine Kaffeemaschine ebenfalls schon aufgewärmt und war bereit, mich mit dem köstlichen Duft von frisch gebrühtem Kaffee und dem heißen Koffein zu verwöhnen. Ich ließ mir eine Tasse durchlaufen und scrollte mich nebenbei durch den News-Ticker auf meinem Tablet. Der „große Durchbruch" schien doch eher lokal begrenzt zu sein, da die überregionalen Medien keine Notiz davon nahmen. Lag vielleicht daran, dass es noch nichts zu sehen gab. Ohne Bilder ist die Aufmerksamkeitsspanne der Leser nicht groß genug. Die meisten Klicks haben nun einmal Artikel mit spektakulären Bildern, also warum kostbaren Platz mit wenig lukrativen Nachrichten verschwenden, die sowieso nur wenige lesen? Soviel zur Informationsrelevanz im ehemaligen Qualitätsjournalismus...

    Wie gerne wäre ich jetzt mit dem Rad zur Uni gesprintet! Das macht mir immer den Kopf frei und regt meinen Kreislauf an. Ich will zwar nicht wissen, was ein Arzt zum Adrenalinausstoß sagen würde, könnte er mich durch den Stadtverkehr kurven sehen. Für Menschen, die sich zu sehr auf ihre kleinen Helferlein verlassen, wäre es vermutlich Stress pur. Aber ich bin hier aufgewachsen und brauche weder Navi noch Abstandsmesser, automatische Bremsen oder Informationen zur Straßenlage der Autos zwei Blocks weiter. Ich freue mich immer über die verdutzten Gesichter jüngerer Mitbürger, die solch einen Anblick nicht mehr häufig zu sehen bekommen. Außerdem bin ich wesentlich schneller dort, wo ich hin will, und bin auch nicht aufgeschmissen, wenn die Elektronik eine Macke hat. Was nicht selten vorkommt, da inzwischen alles damit vollgestopft ist.

    Heute jedenfalls vermeldete meine Uhr eine Regenwahrscheinlichkeit von 75% bei kühlen acht Grad Außentemperatur. Da ich ungern nass auf der Arbeit ankommen wollte, würde ich das Fahrrad zugunsten der U-Bahn stehen lassen. Ganze Menschenströme schoben sich über die Treppen in den Untergrund, viele vorsorglich mit einem Regenschirm bewaffnet. Unwillkürlich musste ich daran denken, dass das von oben wahrscheinlich so aussah, als würden sich Ameisen über die diversen Zugänge in ihren Heimathaufen drängen. Nur dass die Ameisen nicht maschinell weiter transportiert wurden und sicher auch nicht dafür bezahlen mussten. Ein vertrautes Piepen verkündete mir beim Eintritt in die Fahrkartenzone, dass mein Smartphone ein Ticket gelöst hatte. Beziehungsweise den Startpunkt markiert hatte, denn über den endgültigen Kartenpreis würde das System entscheiden, je nach dem, wo ich ausstieg. Während ich darüber nachdachte, wie ich meinen Plan in die Tat umsetzen könnte, quetschte ich mich neben die anderen Pendler in die Bahn.

    Alles in allem ein mauer Start in den Tag.

    Endlich im Büro überflog ich meine Post, sowohl die elektronische als auch jene auf Papier. Ja, die gab es immer noch, auch wenn sie immer weniger wurde und ihr Untergang schon oft prognostiziert wurde. Nun ja, die Mühlen einer Behörde mahlen ohnehin langsamer. Aber ein hippes, junges Unternehmen konnte mit Sicherheit bereits ohne Papier auskommen. Ich hatte Studien dazu gelesen, aber das ist ein anderes Thema und ich hatte Wichtigeres zu tun, als mich ablenken zu lassen.

    Zunächst suchte ich im Internet nach passenden Artikeln und dem Nachrichtenbeitrag, in der Hoffnung, dort vielleicht weitere Informationen oder Kontaktdaten zu finden. Allerdings beschränkte sich das Suchergebnis auf den Sender, der den Beitrag in dem Abendmagazin verbreitet hatte, und das Video war für Nicht-Abonnenten mit einer Bezahlschranke versehen. Da ich davon ausging, hier keine Zusatzinformationen zu erhalten, sparte ich mir das und verlegte meine Suche auf den Hersteller und das Produkt im Allgemeinen.

    Auf seiner Website hielt sich der Hersteller erstaunlich bedeckt. Ich hätte eine offensivere Werbung für das neue Produkt erwartet, aber dazu war nichts weiter zu finden. Lediglich auf der News-Seite war ein Verweis auf den Nachrichtenbeitrag zu finden. So erfuhr ich aber nebenbei, dass es sich um ein etabliertes Hightech-Unternehmen handelte, das für seine Produkte bereits mehrfach Innovationspreise gewonnen hatte und offensichtlich in Geld schwamm. Jedenfalls war es finanzstark genug, um kostspielige Forschung zu betreiben. Andererseits muss der Erfolg irgendwo begründet sein, nicht wahr?

    Prinzipiell half mir das aber auch nicht weiter, schließlich gab es keinerlei Hinweise auf die Produktvorstellung, zu der ich unbedingt wollte. Also griff ich zum guten alten Telefon.

    Mir blieb nichts anderes übrig, als zuerst den allgemeinen Kontakt anzurufen. Die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung hörte sich meine Anfrage an und verband mich in die Pressestelle. Nach wie vor freundlich, aber bestimmt, musste ich ausführlich erklären, wie ich dazu kam, mich für diese Veranstaltung zu interessieren und darüber hinaus die Frechheit zu besitzen, mich selbst einladen zu wollen (auch wenn sie es höflicher ausdrückte, sagte sie mir genau das).

    Irgendwie schien Frechheit aber zu siegen, denn sie leitete mich in das Eventmanagement weiter. Während ich in der Warteschleife flotter instrumenteller Musik lauschte, rutschte ich auf meinem Stuhl unbequem hin und her. Ich fühlte mich wie in einem Bewerbungsgespräch, bei dem man merkt, dass die Chemie überhaupt nicht stimmt, man aber mit wachsender Verzweiflung den idealen Kandidaten

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