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People- und Lifestyle-Journalismus. Eine theoretische und praktische Einführung: Georg Francks Ökonomie der Aufmerksamkeit und ihre Auswirkungen auf den People- und Lifestyle-Journalismus im 21. Jahrhundert
People- und Lifestyle-Journalismus. Eine theoretische und praktische Einführung: Georg Francks Ökonomie der Aufmerksamkeit und ihre Auswirkungen auf den People- und Lifestyle-Journalismus im 21. Jahrhundert
People- und Lifestyle-Journalismus. Eine theoretische und praktische Einführung: Georg Francks Ökonomie der Aufmerksamkeit und ihre Auswirkungen auf den People- und Lifestyle-Journalismus im 21. Jahrhundert
eBook421 Seiten4 Stunden

People- und Lifestyle-Journalismus. Eine theoretische und praktische Einführung: Georg Francks Ökonomie der Aufmerksamkeit und ihre Auswirkungen auf den People- und Lifestyle-Journalismus im 21. Jahrhundert

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Über dieses E-Book

Die Medienbranche erlebt durch die Digitalisierung einen gewaltigen Umbruch. Alte Monopole und Oligopole brechen auf, Machtverhältnisse verschieben sich. Dieses Buch widmet sich der Frage, wie professioneller Journalismus im 21. Jahrhundert aussehen muss, um zukunftsträchtig den Wandel mit zu gestalten statt sich selbst aufzugeben. Ausgehend von Georg Francks Entwurf einer Ökonomie der Aufmerksamkeit zeigt die Arbeit Wege auf, in Form des People- und Lifestyle-Journalismus Ansätze für einen zeitgemäßen Journalismus zu finden. Das Buch beschäftigt sich intensiv mit den wissenschaftlichen Wurzeln des People- und Lifestyle-Journalismus als zwei Sonderformen des Boulevard-Journalismus, die sich in der Praxis beim Konsumenten besonderer Beliebtheit erfreuen. Es analysiert, welche Gedankenmodelle aus Soziologie, Psychologie und Philosophie hinter den Begriffen Lifestyle stehen und was unter People-Journalismus zu verstehen ist. Kritisch wird die Verschiebung journalistischen Arbeitens hin zum Content Marketing analysiert. Die Unterschiede zwischen Paid-, Earned- und Owned-Media werden dargestellt, Begriffe wie Native Advertising, Storytelling und Siegelgeschäft erörtert. Diese Verschiebung ursprünglich journalistischen Handwerks hin zum Marketing wird aufgezeigt und medienrechtlich wie ethisch eingeordnet. Zwei qualitative Interviews mit der langjährigen BUNTE-Chefredakateurin Patricia Riekel und der langjährigen INSTYLE-Chefredakteurin Annette Weber beleuchten die praktische Seite des People- und Lifestyle-Journalismus. Im praktischen Teil werden konkret Methoden erläutert, die den erfolgreichen Einstieg in den People- und Lifestyle-Journalimus ermöglichen.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Okt. 2017
ISBN9783745027860
People- und Lifestyle-Journalismus. Eine theoretische und praktische Einführung: Georg Francks Ökonomie der Aufmerksamkeit und ihre Auswirkungen auf den People- und Lifestyle-Journalismus im 21. Jahrhundert

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    Buchvorschau

    People- und Lifestyle-Journalismus. Eine theoretische und praktische Einführung - Claus Dreckmann

    1. Einleitung

    1.1 Themenfeld und Schwerpunkte

    Die Begriffe People- und Lifestyle-Journalismus werden in Deutschland umgangssprachlich verwandt, wenn es um die Beschreibung oder Auseinandersetzung mit besonders populären Formen des Journalismus geht: Gemeint sind Formate, in denen entweder prominente Namen (engl. people) den Stellenwert der Nachricht bestimmen, oder Formate, die eine ganze Produkt- und Lebenswelt (engl. lifestyle) in den Vordergrund stellen. Mischformen ergeben sich, wenn die vorgestellten – und oft zugleich beworbenen – Lebens- und Produktwelten einen Star und sein Star-Sein charakterisieren. Wochenzeitschriften wie „CLOSER1 oder INTOUCH2 gehören zu den jüngeren Presseerzeugnissen, die sich in Deutschland als Mischformen diesem Genre verschrieben haben. Populäre Lifestyle-Blogs (Stand: 2017) wie BIBIS BEAUTY PALACE3 der Kölnerin Bianca Heinicke gehen noch weiter: Hier wird der Blogger selbst zum Star auf YOUTUBE.DE. Der Blogger selbst stilisiert sich zum prominenten Produkttester und zur Lifestyle-Ikone. Aber ist das Lifestyle-Journalismus oder eine neue Spielart von Public Relations4 (PR)? Was genau meinen wir, wenn wir von People- und Lifestyle-Journalismus reden? Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Thomas Hanitzsch hat 2012 einen Internet-Beitrag über den Boom des Lifestyle-Journalismus unter der vielsagenden Überschrift „Ein Stück Orientierung in der Welt des Konsums" 5 veröffentlicht, demnach der Lifestyle-Journalismus die Funktion eines Leit- und Orientierungssystems für den Konsumenten einnimmt. Auch das deutet darauf hin, dass die Grenzen zwischen Journalismus und Content Marketing6 ins Fließen geraten sind. Ein Grund mehr, sich diese modernen journalistischen Formen anzuschauen. Ihr Siegeszug ist mitentscheidend für das Selbstverständnis der Journalisten im 21. Jahrhundert. Ihre Entwicklung entscheidend für eine fundamentale Ortsbestimmung: Wo sind die Grenzen des Journalismus? Wie grenzt sich ein selbstbestimmter Journalismus von der Werbeindustrie ab? Ist eine Abgrenzung überhaupt noch möglich oder nötig?

    Im Zentrum dieses Buches stehen der deutsche People- und der Lifestyle-Journalismus und seine oben genannten Mischformen. Die sind auf den ersten Blick dem Bereich des Boulevard-Journalismus zuzuordnen: Superlative, Skandalisierungen, Emotionalisierung und Personalisierung von Themen, knallige Layouts, einfach zu verstehende Texte und der Focus auf die visuelle Darstellung sind typische Boulevardelemente. Beide teilen mehrheitlich Stil- und Erscheinungsformen mit dem klassischen Boulevard-Journalismus, sind aber eigenständige Formate, wie im Rahmen dieser Betrachtungen gezeigt werden soll. Ein Ziel ist es zu zeigen, was diese Formate so einzigartig und so erfolgreich macht.

    Häufig wird von Print-Formaten die Rede sein. Dies mag altmodisch erscheinen angesichts des Booms der digitalen Medien. An dieser Stelle möchte ich vorgreifen und behaupten: Es spielt keine wesentliche Rolle, über welchen Medienkanal – Internet, Rundfunk, Print – und in welchem Format – Film, Video, Radio, Print-Online oder Multimedia-Mix – People- und Livestyle-Inhalte angeboten werden, Die Objekte und Personen, die im Zentrum stehen, sind die selben. Die Mechanismen, welche ich aufzuzeigen und zu erklären beabsichtige, sind grundsätzlich die gleichen. Die Frage ist eher: Wie werden sie angewandt? Wie werden sie dem jeweiligen Format angepasst?

    Der erste Blick gilt der Presse, also dem Printbereich, der Wiege des deutschen People-Journalismus. Marktführer ist im People-Segment seit Jahren die BUNTE7, ein Magazin mit einer über 60-jährigen Geschichte8, für das ich seit 2001 als Journalist arbeite (Stand 2017). Herausgeberin Patricia Riekel richtete als Chefredakteurin (1997-2016) in den 1990er Jahren die damals klassische Illustrierte inhaltlich und stilistisch neu aus. Sie stellte die Berichterstattung über Prominente aus allen Gesellschaftsbereichen in den Mittelpunkt und prägte dafür in Deutschland den Begriff People-Journalismus. Bis heute gilt die BUNTE als das führende Print-Magazin, wenn es um Prominenten-Geschichten aus der deutschen Gesellschaft geht. Sie ist das vielfach kopierte Vorbild des deutschen People-Journalismus. Weil BUNTE exemplarisch für diese Form des Journalismus  in Deutschland steht, wird sie phänotypisch im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Ein Gespräch mit Herausgeberin und Ex-Chefredakteurin Patricia Riekel soll veranschaulichen, wie BUNTE als People-Magazin neue Wege gegangen ist – und warum.

    Ein besonders erfolgreicher Print-Titel im Lifestyle-Bereich war lange Zeit die monatliche Zeitschrift INSTYLE9, deren deutsche Lizenzausgabe 1999 BUNTE-Chefin Patricia Riekel als Chefredakteurin mit übernahm. Unter Chefredakteurin Annette Weber wurde sie in den Jahren 2007 bis 2015 weiter auf Erfolgskurs gebracht. INSTYLE ist laut Selbstbeschreibung „Das Magazin für Fashion, Beauty, Lifestyle & Stars"10. Dies ist für unsere Betrachtungen des People- und Lifestyle-Journalismus interessant: Hier wird augenscheinlich zwischen Mode- (Fashion), Körperpflege- (Beauty) Lifestyle- und People-Journalismus (Stars) unterschieden – und zugleich alles vermischt. Das wirft Fragen auf: Was ist mit Lifestyle überhaupt gemeint? Was unterscheidet und verbindet Lifestyle- und People-Journalismus mit seinem Blick auf Prominente? Das ist eine der zentralen Fragen, die zu klären sein wird.

    Es ist kein Zufall, dass die INSTYLE ihren Erfolgskurs unter der Führung von Patricia Riekel aufnahm. BUNTE wie INSTYLE folgen einem bestimmten theoretischen Konzept, das von zentraler Bedeutung für das Verständnis des People-Journalismus und eines auf People abgestellten Lifestyle-Journalismus ist: der „Ökonomie der Aufmerksamkeit" 11 von Georg Franck, deren Entwurf er 1998 präsentierte. Sie steht im Zentrum der theoretischen Erörterung dessen, was People- und Lifestyle-Journalismus ausmachen. Sie ist das entscheidende Instrument zum Verständnis eines nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Journalismus, für den ich mit diesem Buch mit Blick auf die Transformation des Journalismus ins 21. Jahrhundert eintreten möchte. Dazu später mehr.

    Was ist mit dem Rest der Welt? Im englischsprachigen Raum wird der Begriff ,Tabloids’ für Boulevardformate aller Art verwendet und das Genre als ,yellow press’ betitelt – wegen der historischen Vorliebe für gelbe Farbe bei den Titelzeilen. Hier findet augenscheinlich das, was wir People-Journalismus nennen, durch den wachsenden Starkult ebenfalls große Verbreitung. In den USA ist der Online-Dienst TMZ12 einer der Vorreiter, wenn es darum geht, exklusives Wissen über die VIP-Einwohner Hollywoods zu sammeln und zu verbreiten. Ein weiteres Angebot dieser Art stellt RADAR.ONLINE dar. Das Erfolgs-Rezept: RADAR.ONLINE bezahlt für Informationen aus dem Promi-Umfeld ein Honorar und übernimmt deren Aufarbeitung und digitalen Vertrieb. Der Informant muss kein Journalist sein.13 Er muss weder schreiben noch sendereif sprechen oder filmen können, er muss nicht vor die Kamera treten. Die Weiterverwertung der Informationen ist Sache der Profis. Dort gilt: Es gibt keine Schlagzeilen ohne ein prominentes Gesicht. Wir werden allerdings sehen, dass das Verhältnis zwischen RADAR.ONLINE und der Prominenz ein anderes ist als das, was dem Konzept eines qualitativ hochwertigen People- und Lifestyle-Journalismus deutscher Prägung entspricht.

    Ein weiteres Anliegen dieses Buches besteht darin zu verinnerlichen, welche journalistischen Ansprüche wir erfüllen müssen, um bei aller Effizienz den Erwartungen der Kunden (User) und unseren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und am Markt erfolgreich zu sein. Damit verbunden ist ein Plädoyer für einen qualitativ wertigen Journalismus, der mehr sein will als ein vereinnahmtes Marketinginstrument.

    Soweit ein erster Umriss unseres Themenfelds. Fassen wir kurz zusammen: Wir wollen uns hier mit dem People- und Lifestyle-Journalismus und seinen Mischformen beschäftigen. Im Mittelpunkt dieser stehen Menschen, die durch ihr berufliches oder soziales Agieren von sich Reden machen. Ihr Lebensstil, ihre modischen Präferenzen oder normativen Ausrichtungen werden ebenso thematisiert wie soziales Fehlverhalten oder Beziehungskrisen. In den selbsternannten Lifestyle-Medien des Boulevards wird über Pflegemittel, Wohnaccessoires, kosmetische Tricks oder Ernährungsweisen berichtet, die den VIPs durch ihren VIP-Alltag helfen oder dem Normalverbraucher ein wie auch immer geartetes Wohlgefühl versprechen.

    Was aber ist anders am deutschen People—und Lifestyle-Journalismus als am klassischen Boulevard-Journalismus? Die Antwort ergibt sich, wenn wir uns das Beispiel Burda Media anschauen. Das Verlagshaus Burda folgt in seiner strategischen Ausrichtung der erwähnten Theorie der Aufmerksamkeit. Dass eine wissenschaftliche Theorie zur Grundlage eines Medienverständnisses wird, welches den Journalismus des 20. Jahrhunderts ins 21. Jahrhundert transformieren soll – und zwar über einzelne Publikationen und Publikationsformen hinweg, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Wobei zunächst zweitrangig ist, ob dies in jedem Fall funktioniert hat. Zumindest für BUNTE und INSTYLE kann ich dies aus eigener Erfahrung bejahen.

    Verleger Hubert Burda und Patricia Riekel als Chefredakteurin (1997-2016) von BUNTE- betonen und betonten seit den 2000er Jahren in ihren Reden14, wie wichtig Georg Francks Essay Ökonomie der Aufmerksamkeit aus dem Jahr 1998 für ihre Arbeit und ihr Denken war beziehungsweise ist. Daher ist ein Hauptanliegen dieses Buches zu klären, was es mit dieser Ökonomie der Aufmerksamkeit auf sich hat. Dass sich ihre Umsetzung keineswegs auf Print beschränkt, zeigen die vielfältigen Aktivitäten des Medienhauses in den unterschiedlichsten Bereichen (u.a. INSTYLE, BUNTE, HUFFPOST, FOCUS, CHIP, das Sozialnetzwerk XING, DLD – Digital Life Design Conferences, die Suchmaschine CLIQZ).

    Weil sich dieses digital verlegte Buch vor allem an junge und angehende Journalisten richtet, folgt der Theorie eine Einführung in die Praxis des People- und Lifestyle-Journalismus. Selbstgesetztes Ziel ist die Vermittlung grundsätzlicher methodischer Ansätze. Dabei ist es unerheblich, ob der Leser oder User ausschließlich für TV-, Radio-, Online- oder Printformate arbeitet oder arbeiten will. Bei allem technischen Fortschritt bleiben viele journalistische und psychologische Erkenntnisse aus der Arbeit im Alltag trotz neuer digitaler Formate gültig. Der Konsument bleibt der Mensch. Und der ändert in der Regel nur sehr langsam sein einmal entwickeltes Konsumverhalten so, dass es erst langfristig zu einer radikalen Veränderung kommt.

    Eine Entwicklung in den Medien besteht darin, dass sich der Journalismus durch die Möglichkeiten des Internets und das dortige Wild-West-Gebaren mit Riesenschritten vom selbstauferlegten Pressekodex15 verabschiedet und sich vom Marketing vereinnahmen lässt. Native Advertising ist einer der Begriffe, der für die bewusste Vermischung von ursprünglich journalistischen Inhalten (Content) und Anzeigengeschäft (Advertising) steht. Drei weitere Begriffe, die Journalisten heute kennen sollten, fallen häufig im Zusammenhang mit dem Begriff Content Marketing im Internet:

    Paid Media – der Anzeigenkunde zahlt für mediale Auftritte.

    Owned Media – der Produktvermarkter, Händler oder Produzent bedient sich eigener Medienkanäle und entfällt den klassischen Medien im Zweifelsfall als Anzeigenkunde.

    Earned Media – Produktvermarkter oder Produzent verdienen sich die mediale Berichterstattung, weil das Produkt oder der Hersteller oder die Geschichte hinter dem Produkt interessant ist.

    Schon auf den ersten Blick wird deutlich, welche Folgen solche Abhängigkeitsverhältnisse auf den Content und den Hergang seiner Erzeugung haben können. Über diese Entwicklung des Journalismus hin zum Content Marketing wird zu sprechen sein.

    1.2 Hypothesen, Ziele und Methodik

    Das Buch will eine theoretische und praktische Einführung in den People- und Lifestyle-Journalismus sein. Allgemein werden beide journalistische Formate dem Boulevard-Journalismus zugeordnet, was in manchen vermeintlich intellektuellen Kreisen schon ausreicht, um eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema im Keim zu ersticken. Meines Erachtens verkennt eine solche Pauschalablehnung das Potenzial des People- und Lifestyle-Journalismus. Zudem stelle ich die Hypothese auf, dass Lifestyle- und People-Journalismus zwei Spielarten des Journalismus darstellen, die in besonderem Maße zukunftsträchtig für die Branche sind – wenngleich die Gratwanderung zwischen Journalismus und Marketing schmal ist, wie wir sehen werden.

    In einem ersten Schritt soll herausgestellt werden, wo wir auf dem Medienmarkt dem Lifestyle- und People-Journalismus begegnen. Und es soll kurz dargestellt werden, wie der boulevardeske Zugang beider Formate themenunabhängig an Einfluss gewinnt – begünstigt durch die Ausdifferenzierung des Medienmarktes durch mehr Special Interest-Publikationen und die Konvergenz der Medien16.

    In einem zweiten großen Schritt geht es um den Wettbewerb auf dem Medienmarkt. Ich will kurz erläutern, wie sehr die Durchkapitalisierung des Journalismus aufgrund des Wegbrechens der klassischen Werbeerlöse das Erscheinungsbild der Medien verändert hat und wieso dies die Boulevardisierung der gesamten Medienlandschaft vorantreibt. Darüber kommen wir zu dem, was meines Erachtens der Schlüsselbegriff für die Medien-Branche im 21. Jahrhundert ist: die Aufmerksamkeit.

    Eine meiner Thesen ist, dass People- und Lifestyle-Journalismus das Grundgerüst für zwei zentrale (virtuelle) Plattformen sind, um den Austausch von Aufmerksamkeit industriell zu steuern und Aufmerksamkeitsgewinne zu generieren. Außerdem möchte ich erklären, warum die Veränderungen in der Medienbranche so revolutionär sind und nichts mit einer gewöhnlichen Krise zu tun haben.

    Im Dritten Abschnitt des Buches stelle ich Georg Francks Entwurf einer Ökonomie der Aufmerksamkeit vor – ein Buch, das dem Verleger Hubert Burda als strategisches Grundsatzkonzept zur Ausrichtung seines Konzerns gedient hat. Ich möchte zeigen, wie dieses Werk den Blick auf den Mediennutzer und die Rolle der Medien verändert hat – wenn man sich des Denkmodells annimmt. Eine meiner Hypothesen ist es, dass Franck nahezu prophetisch eine Welt des Tauschens und Schenkens von Aufmerksamkeit beschreibt, die im 21. Jahrhundert mit Social Media realer denn je wird. Die Erörterung der Ökonomie der Aufmerksamkeit soll zeigen, warum der Wunsch nach gegenseitigem Austausch, nach prominenten Lebens-Vorbildern und der öffentlichen Bühne so stark ist. Sie soll zeigen, wie Aufmerksamkeit industriell entsteht – ein entscheidender Punkt, weil dies die zentrale Funktion des People- und Lifestyle-Journalismus als Aufmerksamkeitstauschplattformen ist. 

    Das vierte Kapitel ist der kritischen Rezeption der Ökonomie der Aufmerksamkeit gewidmet. Hier sollen die Einwände gegen Francks Konzept kurz erörtert und gezeigt werden, warum bei aller berechtigten akademischen Kritik das Modell Francks für die Medien-Praxis so relevant ist. 

    Warum meine These von der praktischen Relevanz der Ökonomie der Aufmerksamkeit meines Erachtens richtig ist, erläutere ich im fünften Kapitel. Das Medienunternehmen Burda hat die Ökonomie der Aufmerksamkeit zur Neuausrichtung genutzt. Im Bereich Lifestyle- und People-Journalismus waren und sind BUNTE und INSTYLE Paradebeispiele für die Umsetzung der Theorie in die Praxis. Experteninterviews mit den ehemaligen Chefredakteurinnen Patricia Riekel und Annette Weber sollen als eine qualitative Untersuchungsmethode17 Einblick in die Art der Umsetzung geben und die Zusammenhänge zwischen Theorie und Praxis aufzeigen. Im Folgenden zeige ich, was genau sich hinter den Begriffen People-Journalismus und Lifestyle-Journalismus verbirgt, und warum es ein Fehler ist, beiden Formaten grundsätzlich die alleinige Befähigung zu Oberflächlichkeit zu unterstellen. Insbesondere für den Bereich Lifestyle soll aufgezeigt werden, wie eng dieser Begriff mit den philosophisch und soziologisch wichtigen Begriffen wie Lebensführung und Lebensstil verbunden ist und welche Kapazitäten hier freigesetzt werden können.

    Das sechste Kapitel widmet sich der Frage, warum Boulevard-Formate so erfolgreich sind und die Unterschiede zwischen sogenannter ernster Kultur und populärer Unterhaltung weiter verwischen werden. Anhand des Pressekodexes als selbstverpflichtendem Qualitätsmaßstab will ich zeigen, dass Boulevard-Journalismus und insbesondere der People- und Lifestyle-Journalismus nicht per se qualitativ minderwertige, journalistische Formate sind. Mit einem kurzen Verweis auf das Medienrecht möchte ich zeigen, welche Kriterien helfen, sich im journalistischen Alltag auf der Seite eines qualitativ hochwertigen Journalismus zu bewegen.

    Im Kapitel Nr. 7 steht die Praxis im Vordergrund. Die wichtigen Stilmittel des People- und Lifestyle-Journalismus werden mit Blick auf die Erkenntnisse der Ökonomie der Aufmerksamkeit vorgestellt.

    Mehrfach habe ich zuvor auf das kritische Verhältnis zwischen Journalismus und Marketing hingewiesen. Kapitel Nr. 8 stellt einige für Journalisten relevante Marketingbegriffe vor. Marketing-Instrumente wie Native Advertising, Siegelgeschäfte und Storytelling werden kritisch analysiert und mit Blick auf die Gefahren, die von ihnen für einen unabhängigen, qualitativ hochwertigen Journalismus ausgehen bewertet. 

    Im neunten Kapitel wird der Zusammenhang zwischen Journalismus und Ökonomie vertieft. Die veränderte ökonomische Situation der Medienhäuser, die über ihre klassischen journalistischen Kanäle – Print und Rundfunk – lange ein Monopol auf den Werbemarkt hatten, hat zerstörerische Wirkungen auf die Medienlandschaft. Disruptive Innovation heißt das Stichwort. Der Existenzkampf der Traditionshäuser führt zu einer Durchkapitalisierung aller Bereiche. Der verlegerische und journalistische Ehrgeiz ist in weiten Teilen der Branche bereits der Kosten-Nutzen-Analyse der kaufmännischen Geschäftsführer gewichen. Warum das so ist, soll in diesem Kapitel erörtert werden. 

    Einen Blick in die Zukunft mit drei möglichen, radikalen Szenarien für den Journalismus im 21. Jahrhundert bildet das neunte Kapitel. Ich will aufzeigen, potentiellen Richtungen der Journalismus der Zukunft einschlagen kann.

    Kapitel zehn umfasst die Schlussbetrachtungen und soll die wesentlichen Aspekte der Arbeit bündeln und nochmals zur Rekapitulation aufgreifen. Es soll zusammenfassen, was wir an Erkenntnissen gewonnen haben und welche Probleme sich noch stellen.

    2. Journalismus: Der Kampf um Aufmerksamkeit

    2.1 People und Lifestyle-Journalismus. Eine erste Standortbestimmung

    Wenn wir uns mit Presseprodukten aus dem Bereich People- und Lifestyle-Journalismus wie BUNTE und INSTYLE beschäftigen, bewegen wir uns im Bereich der Publikumszeitschriften18. Das bedeutet: „periodische Druckwerke mit kontinuierlicher Stoffdarbietung (...), die mit der Absicht eines zeitlich unbegrenzten Erscheinens mindestens viermal jährlich herausgegeben werden, soweit sie keine Zeitungen sind".19 Der Begriff Publikumszeitschriften ist abzugrenzen von den wissenschaftlichen oder berufsbezogenen Fachzeitschriften für Spezialisten: der Fachpresse.

    Die inhaltliche Bandbreite der Publikumszeitschriften ist entsprechend der oben zitierten Definition sehr groß. Sie reicht vom Männer-Magazinen und Sport-Publikationen bis hin zur Frauenzeitschriften, Rätselheften und diversen Hobby-Magazinen. Allgemein wird die Auflagenstärke als weiteres Kriterium zur Abgrenzung gegen die Fachpresse hinzugefügt sowie die Verständlichkeit für Nicht-Fachleute angeführt, um die Publikumspresse von der Fachpresse abzugrenzen. Alle Titel haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen am Markt erfolgreich sein, ihr Publikum finden und müssen deshalb um Aufmerksamkeit kämpfen. 

    Ein Sonderfall sind die modernen Special-Interest-Publikationen. Sie sind deshalb interessant, weil auf der Suche nach Marktnischen immer mehr dieser Angebote erscheinen – eine Entwicklung, die vom Internet kommend auf den Pressemarkt einwirkt. Wie kommt das? Die Zukunft des Journalismus liegt im Bereich der Special Interest-Angebote, diese These stellte 2014 Andreas Wolfers in einem Youtube-Video auf. Der Ex-STERN-Textchef und Chef der Hamburger Journalisten-schule Henri-Nannen erklärte, dass kleinere Publikationen im Special-Interest-Bereich für ein kleines Marktsegment die besten Überlebenschancen auf dem expandierenden Multimedia-Medienmarkt hätten: „In fünf Jahren gibt es keine General-Interest-Magazine mehr". Seine Prognose stellt sogar die Zukunft von Generalisten im Onlinebereich in Frage: „Die Zukunft liegt in Special-Interest-Angeboten im Netz. Kleine Zielgruppen, die hochwertigen Inhalt genau auf ihre Interessen zugeschnitten erhalten und dann aber auch bereit sind, dafür hohe Preise zu zahlen. Das ist meines Erachtens die Zukunft des digitalen Journalismus." 20 Ob Wolfers recht hat? Dann gäbe es in rund zwei Jahren nur noch Special-Interest-Anbieter, was bei allen realistischen Abwägungen 2017 unwahrscheinlich erscheint. Doch eine Tendenz ist, dass seit Jahren mehr und mehr Special-Interest-Angebote auf dem klassischen Print-Markt auftauchen und teilweise schnell wieder verschwinden. Handelt es sich bei diesen Formaten um Publikumszeitschriften oder Fachzeitschriften?

    Die traditionellen Fachzeitschriften des 20. Jahrhunderts werden in der Fachliteratur im Allgemeinen wie folgt definiert: Fachpresse sind „periodische Publikationen über bestimmte Fachgebiete, die der beruflichen Information und Fortbildung eindeutig definierbarer, nach fachlichen Kriterien abgrenzbarer Zielgruppen dienen und überwiegend postalisch vertrieben werden."21  Hat diese Definition noch Gültigkeit in einer Zeit, in der sich praktisch sämtlich Printformate mehr oder weniger multimedial aufstellen? Mit Blick auf die zu Beginn des Abschnitts zitierte Definition von Publikumszeitschrift, die der Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten in seinen Ausführungen22 vom Statistischen Bundesamt (1992) übernommen hat, sind die modernen Special-Interest-Publikationen meines Erachtens viel mehr den Publikumszeitschriften zuzurechnen. Durch die zunehmende thematische Vielfalt und fortschreitende Spezialisierung von Medienpublikationen sind moderne Special-Interest-Publikationen Angebote für den Massenmedienmarkt. Sie agieren  gleichberechtigt mit den traditionellen Publikumszeitschriften am Markt – und sie agieren multimedial. Damit verlassen sie die klassischen Sektor der Publikumszeitschriften und das reine Printgeschäft. Laut Statistik des Vereins der deutschen Fachpresse wuchs der Umsatz der Fachzeitschriften 2016 um 1,5 %. (2015: 1,5 %). Der Erlös der Digitalmedien in diesem Bereich stieg 2016 um 9,6 % (2015: 8,6 %).23  Mit der klassischen wissenschaftlichen und berufsfachlichen Presse im Postvertrieb hat das nur noch wenig zu tun. Voraussichtlich werden die Unterschiede zwischen Fachpresse und den Special-Interest-Publikationen aus dem Bereich der Publikumspresse thematisch weiter verschmelzen und sich wohl in erster Linie durch ihre Allgemeinverständlichkeit abgrenzen. In diesem Bereich gibt es seit Jahren eine interessante Entwicklung: Dadurch, dass die digitale Medienproduktions-Hardware und -Software frei zugänglich, relativ leicht bedienbar und praktisch für jedermann erschwinglich geworden ist, verfallen die historisch gewachsenen Produktionsmonopole oder –oligopole der Medienunternehmen. Parallel fallen die alten Wissensbastionen. ,Abtrünnige" Experten und Idealisten bieten ihr Wissen vor den abwehrenden Burgmauern der Allgemeinheit an, so dass sich beispielsweise unter youtube.de Beiträge zur Quantenmechanik finden lassen oder zu komplexen Problemen der Mathematik. Der gesamte Medienmarkt erlebt eine Revolution – oder die Zerschlagung durch disruptive Innovation, je nach Standpunkt des Betrachters.

    2.1.1 Disruptive und evolutionäre Innovationen 

    An dieser Stelle ist ein Exkurs zur Begrifflichkeit der disruptiven Innovation notwendig, weil wir immer wieder über die Beziehung zwischen Medien, Medienmärkten und Ökonomie sprechen werden: Moderne Wirtschaftswissenschaftler unterscheiden grundsätzlich zwischen zwei Innovationstypen – der evolutionären und der disruptiven Innovation. Die evolutionären Innovationen sind klassische Verbesserungen grundsätzlich bekannter Techniken. Ihr Ziel sind beispielsweise Leistungssteigerung, größere Effizienz oder preiswertere Herstellungsverfahren. Disruptive Innovationen hingegen fallen in der Leistung häufig hinter dem ,state of the art’ zurück haben aber andere Qualitäten24. Die daraus resultierenden Produkte „weisen im Vergleich zu konventionellen Produkten hinsichtlich der Anforderungen der wichtigsten Kunden zunächst deutliche Leistungsnachteile auf. (...) Indes zeigen disruptive Innovationen eindeutige Vorteile bei anderen, neuen Kriterien, die zunächst allerdings nur bei einer Randgruppe von Kunden von Bedeutung sind. Disruptive Produkte sind meist billiger, einfacher, kleiner und in der Summe anwendungsfreundlicher. (...) Der Markt und/oder die Produktanwendungen sind anfangs in aller Regel nicht klar zu bestimmen. (...) Für etablierte Unternehmen sind disruptive Innovtionen zunächst uninteressant, da sich ihre wichtigsten Kunden dafür nicht interessieren." 25 Eine Grundlage der Analysen von Clayton M. Christensen, Kurt Matzler und Stephan Friedrich von der Eichen sind Beispiele aus der Entwicklungsgeschichte der Computer-Diskettenlaufwerke von 14-Zoll (um 1970) auf , 8-Zoll (um 1978) über 5,25 Zoll (1980) bis zu 3,5-Zoll (ab 1985),  2,5-Zoll (1990) und 1,8 Zoll (1992). Das Entscheidende: Die Minimalisierung der Laufwerke ging nicht mit einer grundsätzlichen Leistungssteigerung einher. Im Gegenteil: Die Speicherkapazität war meist geringer, der Preis pro Speichereinheit in Relation gesehen viel höher. Aber die Einführung von Mini-Computern, Desktops, Laptops und schließlich Notebooks  revolutionierte jeweils den Markt, weil neue Käuferschichten mit anderen Präferenzen von neuen Marktteilnehmern erschlossen wurden. Das brachte die etablierten Produzenten in ein Dilemma. Zwar war nicht jede Laufwerkminimierung Ergebnis einer disruptiven Innovation, sondern teilweise nur ein evolutionärer technischer Fortschritt.26 Aber die großen Revolutionen – vom Mainframe-zum Mini-Computer oder vom Desktop zum Laptop – zeigen eindeutig den Charakter disruptiver Innovationen.  Man muss kein Ökonom sein, um zu erkennen, welche Parallelen sich zur Entwicklung der Medienbranche ergeben. Die Eroberung der Medienmärkte durch Onlineangebote ist so eine disruptive Innovation: zunächst qualitativ schlechtere, journalistische Inhalte fanden die Aufmerksamkeit von Randgruppen, bevor sich plötzlich große Interessentenkreise fanden – zumal sie äußerst preisgünstig oder gar kostenlos waren. Bevor die Masse der traditionellen Medienunternehmen die Chancen von Multimedia richtig einschätzten, waren die neuen Marktteilnehmer an ihnen in Sachen Innovation vorbeigeschossen.   

    2.1.2 Special-Interest-Angebote ohne Zugangsbeschränkung – die Revolution durch das Internet

    Zurück zur Ausweitung des Felds der Special-Interest-Angebote. Ein Nebeneffekt von größter Tragweite ist, dass Themen,

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