Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht
Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht
Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht
eBook697 Seiten9 Stunden

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der aus dem eisigen Norden stammende Söldner, Kopfjäger und Abenteurer Drakkan Vael rettet auf dem Weg in sein Winterquartier einer Magana das Leben. Leider kann er sie nicht fragen, warum ihr untote Soldaten aus dem fernen Reich Morak auf den Fersen sind, dessen Einwohner seit hundert Jahren niemand mehr gesehen hat, denn sie ist nach einem Schlag auf den Kopf in ein Koma gefallen.
Zur Belohnung jagen die Soldaten nun ihn und seine Gefährten, mit denen er sich eigentlich treffen wollte.
Ein Wettlauf nach Kalteon zum einzigen Geistheiler im Umkreis von hunderten von Meilen entbrennt.
Längst bezwungen geglaubte Dämonen tauchen auf, Morak hat eine ganze Armee entsandt und immer wieder findet der Name von Drakkans Vater Erwähnung, der schon lange tot und begraben sein sollte.
- Drakkan müsste es wissen, denn er hat ihn schließlich getötet, um den Mord an seiner Mutter zu rächen.
Zudem suchen ihn seltsame Träume aus einer längst vergangenen Zeit heim, und die rätselhafte Herkunft seines Volkes scheint auch eine Rolle dabei zu spielen…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum5. Sept. 2017
ISBN9783745016741
Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

Mehr von Christian Linberg lesen

Ähnlich wie Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

Ähnliche E-Books

Action- & Abenteuerliteratur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht - Christian Linberg

    Inhaltsverzeichnis

    - Karte der Ländereien von Kalteon -

    - 1 Reisefreuden -

    - 2 Spielkameraden -

    - 3 Fundstücke -

    - 4 Dörfliche Idylle -

    - 5 Eckige Weltanschauung -

    - 6 Grillfest -

    - 7 Purpurne Steine -

    - 8 Reisepläne -

    - 9 Schützenfest -

    - 10 Ein gemütlicher Hinterhalt -

    - 11 Roter Sand -

    - 12 Bakura -

    - 13 Freudiges Wiedersehen -

    - 14 Jagdausflug -

    - 15 Grenzkontrollen -

    - 16 Hinterausgang -

    - 17 Frische Luft -

    - 18 Angst und Schrecken -

    - 19 Verbranntes Fleisch -

    - 20 Traumdeutung -

    - 21 Brückenzoll -

    - 22 Ohnmächtig -

    - 23 Platzangst -

    - 24 Steinwächter Solon -

    - 25 Schaufeln und Flüchtlinge -

    - 26 Ketten, Rampen und ein Loch -

    - 27 Sternenstahl -

    - 28 Schwarz und Rot -

    - 29 Eine Mahlzeit -

    - 30 Schwarz und… -

    - 31 …tot -

    - 32 Führungsfragen -

    - 33 Zu Hause -

    - 34 Frauenfragen -

    - 35 Seltsame Vögel -

    - 36 Gute Aussicht -

    - 37 Oribas -

    - 38 Zum Steinernen Baum -

    - 39 Peitschen aus Shâo -

    - Glossar -

    - 1 Reisefreuden -

    Welcher Gott auch immer Kopfschmerzen als Strafe für ungehemmtes Saufen erfunden hatte, von mir würde er niemals eine Opfergabe bekommen. – Außer vielleicht den Resten meines Frühstücks, die sich gerade eigenständig den Weg aus meinem Magen gesucht hatten.

    Zum Glück gelang es mir im letzten Moment zu verhindern, mir selbst in den Schoß zu erbrechen. Stattdessen beugte ich mich zur Seite und würgte ein paar Mal.

    Nachdem sich das Gefühl, gleich sterben zu müssen zu einem unentschlossenen „möglicherweise später" abgeschwächt hatte, versuchte ich die tanzenden Flecke vor meinen Augen zum gehen zu bewegen – Natürlich vollkommen erfolglos.

    Mühsam blickte ich mich um. Für den Augenblick hatte ich nicht die leiseste Vorstellung davon wo ich war, und wie ich überhaupt hierher gekommen war.

    Genau in diesem Moment entschloss sich Shadarr dazu, mich mit einem mächtigen Gebrüll zu begrüßen, was so ziemlich das Letzte war, was ich an diesem Morgen hören wollte. Ihm war das allerdings egal, und so nutzten die Kopfschmerzen meine Ablenkung, um wieder Besitz von mir zu ergreifen.

    Dass ich auf ihm reiten durfte, war schon ein gewaltiges Zugeständnis an unser Verhältnis zueinander. Kargat waren der Schrecken aller Länder nördlich von Shâo. Sie hatten eine Schulterhöhe wie ein Kaltblutpferd, waren so breit wie ein Karren mit sechs Beinen, von denen jedes in rasiermesserscharfen Klauen endete. Ihre lederartige Haut hatte abhängig von ihrem Lebensraum eine graue, braune, grünliche oder weiße Farbe.

    Die von Shadarr war dagegen fast schwarz. – Was nicht bedeutete, dass er in einer Kohlenmine zu Hause war. Aber Fragen danach ignorierte er einfach.

    Sein Kopf war so groß wie mein Oberkörper und erinnerte entfernt an den eines Panthers, war aber langezogener und breiter, so dass er von vorne eher dreieckig wirkte. Das Maul wies zwei Reihen gebogener Reißzähne auf, mit denen er mich ohne Probleme in zwei Teile beißen gekonnt hätte. Das wusste ich daher, dass er es bereits einige Male versucht hatte.

    Die Augen waren klein und lagen tief in den Höhlen, während die Ohren lang und flach nach hinten ragten. Er konnte sie wie ein Pferd aufstellen und drehen, was es ihm ermöglichte in eine Richtung zu sehen und gleichzeitig in zwei andere zu lauschen. Seine Nase hatte zwei dreieckige Löcher vorne und mehrere kleine Öffnungen links und rechts davon entlang des Nasenrückens. Dadurch verfügte er auch über einen hervorragenden Geruchssinn.

    In allen Reichen galt ein Kargat als der beste und gefährlichste Jäger. Das obere Ende der Nahrungskette. Und ich hatte eines als Gefährten und Reittier und wurde auch noch als Rudelführer betrachtet. Besser hätte ich es nicht treffen können.

    „Doch, ich hätte ein stummes Reittier erobern können", fügte ich in Gedanken hinzu.

    Ich hätte am Abend zuvor nicht so viel von dem süßen Altenthaler Wildbock trinken sollen. – Als ob der Name allein nicht schon Warnung genug gewesen wäre. Wer sich solche Namen ausdachte, der konnte kein guter Mensch sein.

    Die Einheimischen in der Schenke hatten sich sicher königlich darüber amüsiert, wie ich das Zeug in unmöglichen Mengen in mich hineingeschüttet hatte. Leider konnte ich mich nicht mehr so genau daran erinnern. Irgendwann war ich wieder zurück in meiner Kammer gewesen und war vollständig angekleidet eingeschlafen.

    Jetzt wusste ich immerhin wieder, warum sich mein Helm nicht unbedingt als Kopfkissen eignete.

    Vom Nacken abwärts fühlte sich mein Rücken an, als ob eine ganze Horde Büffel darüber getrampelt wäre. Bei allem, was ich über die Nacht wusste, war das durchaus etwas, das geschehen sein konnte.

    Meine Laune war daher nicht die Beste, als ich an diesem Morgen aufgebrochen war, um die Anderen an unserem üblichen Treffpunkt im Schattenwald zu erwarten.

    Ich war spät dran dafür, vermutlich das erste Mal seit zehn Wintern, dass ich nicht der Erste am Treffpunkt sein würde. Um dem Kater nicht noch mehr Möglichkeiten zu geben, mich zu quälen, ritt ich sehr langsam im Schatten des Waldrands stetig nach Norden.

    Der Wald war eine düstere Mauer aus dornigem Gestrüpp und riesigen Schattenbuchen, deren Blätter größer waren, als meine Hand. Kein Laut drang dazwischen hervor, denn Lärm war in diesem Wald fast gleichbedeutend mit einem Aufruf dazu, von irgendwas gefressen werden zu wollen.

    Obwohl ich so nah am Wald ritt, machte ich mir um die unterschiedlichen Räuber darin keine allzu großen Sorgen. Zwar gab es zweifellos zahlreiche Augenpaare die mir folgten, aber auf der Skala der leichten Beute stand ich ziemlich weit unten.

    Zu den wenigen Vorteilen die es hatte, auf einem Kargat zu reiten, gehörte es auf jeden Fall, dass man von nichts und niemandem mit Verstand als lohnenswerte Beute betrachtet wurde. – Mit Ausnahme eines Drachen vielleicht. Und auch da war ich mir nicht ganz sicher.

    Einer der Nachteile war es jedoch, dass die Kargat das ebenfalls wussten und daher auch dann nicht weg liefen, wenn es einmal sinnvoll oder zumindest zeitsparend gewesen wäre. Es…

    Ein neuerliches, noch lauteres Gebrüll von Shadarr riss mich unsanft aus meinen trägen Gedanken.

    ‚Beute?’

    Über die Gedankenverbindung, die sich unsanft in meine Überlegungen drängte, nahm ich sehr deutlich seine Neugier und seinen Hunger war.

    Ich verfluchte mich innerlich dafür, dass ich heute Morgen zu faul gewesen war, ihm ausreichend Futter zu bringen. Nie wieder dieses widerliche Gesöff, schwor ich mir vielleicht zum hundertsten Mal.

    Angestrengt versuchte ich auszumachen, was Shadarr da überhaupt ins Auge gefallen war. Für einen Moment konnte ich nur sanfte Hügel, kleine zähe Büsche und windschiefe Bäume ausmachen, die sich in einem schmalen Streifen westlich des Waldes bis zum Sumpfland von Gi’tay erstreckten – Und natürlich die lustigen bunten Flecken, die über alles hinweg tanzten.

    Schließlich entdeckte ich eine kleine Staubwolke, die sich rasch auf den Wald zu bewegte.

    „Was ist es?", fragte ich halblaut zurück.

    ‚Grasfresser mit Zweifüßern darauf und ein Zweifüßer der läuft.’

    Also mehrere Reiter und ein Läufer.

    Ich überlegte, wie ich Shadarr am besten davon abhalten konnte, außer den Pferden auch noch die Reiter zu fressen. Leider betrachteten Kargat alles als Beute, was nicht zu ihrem Rudel gehörte und kleiner war als eine mittlere Scheune – Und sie fraßen auch fast so viel, wie man in einer Scheune unterbringen konnte.

    So hatten wir uns auch kennen gelernt: beim Mittagessen – Unnötig zu erwähnen, dass ich dabei das Mittagessen gewesen war.

    Bis heute war mir nicht klar wie ich den Kampf gewonnen hatte, aber ich war nicht auf eine Wiederholung scharf. Die Narben, die ich davongetragen hatte dienten als recht gute Gedächtnisstütze und Erinnerung daran, wie knapp der Kampf ausgegangen war. So richtig hatte ich noch immer nicht verstanden, warum ich überlebt hatte.

    Inzwischen konnte ich die Reiter als Gruppe bereits ausmachen. Wir waren ihnen schon erheblich näher gekommen. Entweder waren sie sehr schnell unterwegs, oder Shadarr hatte an Tempo zugelegt. Sonderlich genau hatte ich nicht darauf geachtet. Der Kater beeinträchtigte wohl mehr als nur meine Gedankengänge.

    „Wo ist denn der Läufer?"

    ‚Rennt vor den Reitern weg’, kam die Antwort in meinen Gedanken.

    Wie um die Aussage zu bestätigen, schoss eine grelle Stichflamme kurz vor den Reitern aus dem Boden, anhand derer man die rennende Gestalt gut erkennen konnte.

    Ich konnte die Magie bis zu unserem Standort hin spüren, die in dem Feuer steckte.

    Das gefiel mir überhaupt nicht. Magie bedeutete immer Probleme. Allerdings mochte ich unfaire Kämpfe auch nicht besonders. Es sei denn, ich war auf der Gewinnerseite.

    Ein Haufen gepanzerter Reiter, die über einen einzelnen Mann zu Fuß herfielen, gehörte eindeutig zu meinem Verständnis eines unfairen Kampfes.

    ‚Der Läufer ist ein Feuerfuß.’

    Die Enttäuschung von Shadarr war deutlich zu spüren. Er hatte eine starke Abneigung gegen Maganer. Ungefähr so wie ich gegen gekochte Leber, was wohl jeder verstehen konnte. Vermutlich schmeckten Maganer ähnlich.

    Maganer waren nur zur Hälfte Menschen. Ihre andere Hälfte verdankten sie einer Verbindung, die irgendwann einer ihrer Vorfahren mit Feuerelementaren eingegangen sein musste. Die meisten sahen aus wie sehr schlanke Menschen mit schwarzer oder rötlicher Haut und fast immer roten, weißen oder schwarzen Haaren.

    Sie waren beinahe immun gegen Hitze, dafür anfällig gegen Kälte und gingen nur selten Schwimmen.

    Feuer und Wasser vertrugen sich einfach nicht. Hier auf einen zu treffen, war eine ziemliche Überraschung, denn Medare, die nächstgelegene Stadt der Maganer – und praktischerweise auch die einzige - lag hunderte von Meilen entfernt im Westen, auf der Insel Kahnan, von der auch die Leoniden stammten.

    Ich schüttelte meine Überraschung über Shadarrs Erkenntnis ab und wandte mich in Gedanken an ihn: ‚Es sind genügend Pferde da’, erwiderte ich trotz meiner Kopfschmerzen.

    Die Zahl der Reiter lag bei sechs oder sieben. Genau war das noch nicht zu erkennen. Aber sie waren in vollem Galopp unterwegs und verkürzten die Distanz zu dem Maganer stetig.

    Um einen besseren Überblick zu bekommen, richtete ich mich hoch in den Steigbügeln auf, die sonst so kurz waren, dass ich meine Beine stark anwinkeln musste, um überhaupt auf dem Rücken von Shadarr sitzen zu können. Mein Kopf und mein Magen waren allerdings überhaupt nicht damit einverstanden, so dass ich mich fast sofort wieder fallen ließ.

    Der Flüchtende rannte so schnell er konnte direkt auf den Wald zu, drehte sich immer wieder kurz um und warf kleine Feuerkugeln in Richtung der Reiter. Sie duckten sich tief über die Köpfe ihrer Pferde und schossen abwechselnd mit ihren leichten Armbrüsten auf den Fliehenden, so schnell sie nachladen konnten.

    Jeder der Reiter trug eine schwarze Rüstung und hatte eine Lanze neben dem Steigbügel in einer Halterung stecken, die bei jedem Schritt der Pferde wild hin und her baumelte. Auf dem Rücken trugen sie große runde Schilde und vermutlich am Gürtel irgendwo ein Schwert oder eine Axt.

    ‚Beute!’, vermittelte mir Shadarr.

    Ich war nicht sonderlich begeistert. Sich in die Angelegenheiten Anderer einzumischen war selten eine gute Idee.

    Während ich noch überlegte, wie ich Shadarr davon abhalten konnte, die Pferde von einem halben Dutzend Ritter zu fressen, begann er bereits einen langsamen Trab auf sie zu, der uns sofort aus dem Schatten der Bäume in ihren Sichtbereich trug. Die Klauen an seinen sechs Beinen gruben sich tief in den weichen Boden und katapultierten uns mit mächtigen Schritten auf die Reiter zu.

    Reflexartig griff ich nach dem Reitgeschirr, um nicht abgeworfen zu werden. Ein stechender Schmerz raste durch meine Wirbelsäule bis hinauf in meinen Kopf.

    Laut verfluchte ich den Alkohol vom Abend zuvor und meine Dummheit. Ich trug weder Rüstung noch Helm! Beides wartete gut verstaut hinter mir in dem großen Bündel am Sattel. Die Vorstellung mit Kopfschmerzen eine Haube aus Kettengeflecht über zu ziehen und darauf den schweren Helm, war mir am Morgen als schlechte Idee erschienen. Also hatte ich beschlossen die Sachen zu verpacken und stattdessen bequeme Reisekleidung zu tragen, ich Trottel. Außerdem verpasste ich bei meinen Überlegungen die Gelegenheit, Shadarr doch noch aufzuhalten.

    Für mehr als mich festzuhalten war keine Zeit mehr, denn Shadarr beschleunigte und jagte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in einem raumgreifenden Galopp auf die Reiter zu.

    Einer von ihnen rief überrascht etwas zu seinen Kameraden und deutete auf mich. Etwas an der Geste wirkte seltsam abgehackt, aber so richtig wollte mir nicht klar werden, was mich daran störte.

    Die Männer verlagsamten kurz ihr Tempo, dann gab eine harsche Stimme Befehle und drei der Reiter ließen von der Verfolgung des Fliehenden ab. Drei Armbrüste hoben sich in fast perfektem Gleichklang und mit einem nahezu simultanen Knall rasten die Bolzen auf uns zu. Ich presste mich so flach es ging auf den Rücken von Shadarr konnte aber nicht verhindern, dass ein Bolzen mein linkes Bein streifte, und einen blutigen Striemen zurückließ.

    Shadarr hatte weniger Glück gehabt. Über die telepathische Verbindung spürte ich seinen Schmerz deutlicher, als meinen eigenen. Ein Bolzen steckte in seiner breiten, muskulösen Brust.

    Er brüllte seine Wut über die Wunde laut hinaus und wurde noch schneller. Ich wollte grinsen, denn es gehörte mehr dazu, ein Kargat zu stoppen, als ein armseliger Armbrustbolzen, aber mein Magen hatte beschlossen, sich einzumischen, und so gelang mir das Kunststück, mich im vollen Galopp doch noch selbst voll zu kotzen. Davon unbeeindruckt, war einem der Pferde wohl aufgefallen, dass es sich soeben in Beute verwandelt hatte. Es scheute und brach zur Seite aus, wodurch der Reiter das Gleichgewicht verlor und aus dem Sattel stürzte.

    Laut wiehernd drehte das Pferd um und raste in die entgegengesetzte Richtung davon.

    Eine kluge Entscheidung, wie ich fand. Der Reiter hatte allerdings nicht viel von der Intelligenz seines Tieres. Er fiel unglücklich, überschlug sich zweimal und blieb dann regungslos liegen.

    Die beiden Anderen ließen ihre Armbrüste fallen und griffen nach Lanze und Schild. Schnell und routiniert legten sie beides an und preschten mit gesenkten Lanzen auf mich zu. Ich löste ebenfalls meinen Schild und zog mein schlankes Schwert mit der wunderbar leichten, leicht grünlich schimmernden Klinge. Gleichzeitig versuchte ich mich genug zu sammeln, um ein wenig meiner ganz eigenen Magie wirken zu können. Kein einfaches Unterfangen mit dem dröhnenden Kopf und den bunten Punkten die meine Sicht hartnäckig zu beeinträchtigen wussten.

    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die anderen vier Reiter – es waren also insgesamt sieben – unbeirrt weiter hinter dem Flüchtenden her ritten.

    Einen Augenblick wunderte ich mich, denn Shadarr allein war sicherlich gefährlicher als ein einzelner Maganer, egal wie gut der auch das Feuer beherrschen mochte.

    Dann war die Zeit zu überlegen vorbei, zumindest wenn man wie ich überleben wollte.

    Ich hob meinen Schild ein wenig höher und duckte mich tiefer dahinter, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Leider war das bei meiner Körpergröße eher eine Geste als tatsächlich hilfreich.

    Die rasiermesserscharfen Schneiden der Lanzenspitzen spiegelten sich in der Mittagssonne wieder und ließen mich blinzeln.

    Die Helme meiner Gegner waren im Feuer brüniert worden und vollständig geschlossen, daher konnte ich ihre Gesichter nicht erkennen. Weil sie ohne Geschrei auf mich losgingen, fühlte ich meine Vermutung bestätigt, dass es sich um erfahrene Kämpfer handelte, die schon öfter solche Attacken geritten waren.

    Meine Chancen, einen Treffer zu vermeiden, schwanden so schnell wie der Abstand zwischen uns. Schon war es nur noch die Länge einer Turnierbahn, die uns trennte. Beide Reiter beugten sich in den Sätteln vor, um den Anprall abzufedern und bildeten dabei eine schmale Gasse, um uns von zwei Seiten in die Zange nehmen zu können, damit wir nicht im letzten Augenblick ausweichen konnten.

    Der Rechte der beiden Reiter senkte seine Lanze ein Stück weit ab, um statt auf mich, auf Shadarrs Brust zu zielen. Und auch für ein Kargat wäre die zwei handbreit lange Stahlspitze aus vollem Galopp eine ernsthafte Gefahr.

    ‚Futter dumm’, meldete sich Shadarr. Ob er damit Recht hatte, würde sich gleich zeigen. Falls nicht, war zumindest meine Übelkeit kein größeres Problem mehr.

    Ich spannte meinen ganzen Körper an und blendete alles um mich herum aus so gut es ging. Es zählte nur noch die Lanzenspitze meines Gegners, die direkt auf meinen Schild zielte.

    ‚Bereit.’

    Kaum hatte ich den Gedanken beendet, grub Shadarr die Krallen seiner vier Hinterbeine hart in den Boden und riss gleichzeitig seine beiden Vorderläufe hoch und vorwärts. Mit einem gewaltigen Satz schoss er durch die Luft, über die Lanze des völlig überraschten Reiters hinweg und prallte direkt gegen den Hals des Pferdes. Die Klauen zerfetzten Fleisch und Muskeln und rissen den Pferdekopf herum, bis es laut knackte, als das Genick brach.

    Der Schwung trug Shadarr herum und sein Körper machte eine Rolle seitwärts über das zusammenbrechende Pferd hinweg. Der unglückselige Reiter, der sich dabei leider im Weg befand, wurde zwischen Pferd und Kargat praktisch zerquetscht.

    Ein Schicksal, dem auch ich erlegen wäre, wenn ich noch im Sattel gesessen hätte. Da ich wusste, was kommen würde, war ich am höchsten Punkt des Sprungs aus dem Sattel gehechtet. Wäre ich auf dem Boden gelandet, hätte ich mir alle Knochen gebrochen. Mein Ziel war jedoch der andere Reiter, dessen Lanze einen Augenblick zuvor noch auf mich gezielt hatte. Der Sprung hatte auch ihn überrascht und er versuchte, die Lanze wieder auf Kurs zu bringen, so dass ich mich beim Sprung selbst aufspießen würde.

    Mit dem Schwert schlug ich die Lanze nach unten, während ich darüber hinweg flog. Den Schild voran, rammte ich den Reiter mit meinem vollen Gewicht. Der Aufprall presste mir die Luft aus den Lungen. Einen Moment hatte ich das Gefühl, gegen eine Mauer gesprungen zu sein.

    Die Kante meines Schildes schlug mir mit voller Wucht gegen die Stirn und mir wurde einen Herzschlag lang schwarz vor Augen.

    Dann ließ der Druck plötzlich nach und ich flog weiter.

    Ich ließ das Schwert los und griff mit beiden Händen nach den Schildgurten. Es gelang mir gerade noch so, den Schild vor mich zu halten, bevor ich auf dem Boden aufschlug. Ein zweites Mal presste mir der Aufprall die Luft aus den Lungen, während ich ein paar Mal auf dem Boden herumrollte. Benommen blieb ich schließlich einen Moment auf dem Rücken liegen.

    Meine Stirn pochte wie verrückt und ich spürte Blut über meine Schläfen laufen. Meine Schultern brannten wie Feuer und ich hatte den Eindruck, als hätte ich mir alle möglichen Knochen gebrochen, sogar ein paar, die ich noch gar nicht kannte. Ächzend beobachtete ich im Liegen einen Moment die Szenerie.

    Shadarr lag mit seinen Vorderbeinen auf dem Kadaver des von ihm getöteten Pferdes und war bereits dabei, den Leichnam zu fressen.

    Mein Magen nahm das zum Anlass, bittere Flüssigkeit loszuwerden. Mein Frühstück war ja bereits gegangen.

    Der Reiter lag reglos und seltsam verdreht gleich daneben. Das zweite Pferd trottete schnaubend und wiehernd kreuz und quer über die Wiese. Der Krieger hing noch immer in einem Steigbügel fest, so dass er mitgeschleift wurde. An seinem ausbleibenden Protest war eindeutig zu erkennen, dass er sich keine Sorgen über blaue Flecken machen musste.

    Fluchend wuchtete ich mich selbst auf einem Ellenbogen hoch, um nach den übrigen Reitern und dem Maganer zu sehen.

    Die Reiter hatten ihr Opfer erstaunlicherweise noch nicht eingeholt, waren aber nur noch ein paar Seillängen von ihm entfernt. Lange würde das Wettrennen nicht mehr dauern. Er drehte sich auch nicht mehr um, um mit Flammen nach seinen Verfolgern zu werfen, sondern rannte so schnell er konnte geradeaus auf den Waldrand zu.

    Der Klang einer Armbrustsehne, die gegen den Bogen schlug, drang zu mir herüber und ich konnte sehen, wie der Maganer plötzlich aufschrie und stolperte. Doch statt zu Boden zu gehen, fing er sich ab und lief weiter. Jetzt presste er einen Arm an den Körper und wurde langsamer.

    Der Waldrand war noch zu weit entfernt. Verletzt war er zu langsam, so würde er es nicht schaffen. Ein paar Schritte später schien ihm dies auch aufzufallen. Er verlangsamte seine Schritte und blieb dann abrupt stehen, drehte sich herum und riss beide Arme auseinander, wobei er einen lauten, schrillen Schrei ausstieß. Eine zwei Mannslängen hohe und mindestens vierzig Schritt breite Flammenwand schoss plötzlich vor den Reitern aus dem Boden. Die Hitze war so gewaltig, dass ich sie selbst eine halbe Bogenschussweite entfernt noch spüren konnte. Die Reiter waren nicht zu beneiden.

    Zwei von ihnen konnten gerade noch ihre Pferde zur Seite reißen und an der Wand entlang reiten. Ihre beiden Kameraden hatten weniger Glück. Sie waren in der Mitte der Formation und konnten nicht mehr rechts oder links ausbrechen. Ihr Ritt trug sie geradewegs durch die Flammen.

    Einem galoppierenden Pferd konnte eine solche Flammenwand normalerweise nicht viel anhaben, dafür waren sie viel zu schnell hindurch.

    Dieses Feuer war anscheinend ein klein wenig heißer. Die Pferde und auch die Reiter zerfielen buchstäblich zu Asche. Von einem Augenblick auf den nächsten gingen sie in Flammen auf, loderten einmal gleißend hell und brachen dann als Aschehaufen in sich zusammen. Einen Herzschlag später wehten ihre Reste über die grasbewachsenen Hügel davon. Der Geruch nach verbranntem Fleisch erreichte mich, aber dieses Mal war ich schneller als mein Magen und hielt mir Mund und Nase zu.

    ‚Feuerfuß Flammentänzer’, meldete sich Shadarr zwischen zwei Bissen zu Wort. Respekt klang in seiner mentalen Stimme mit. Das versprach eine interessante Geschichte. Kargat hatten vor nichts Respekt.

    Ein Flammentänzer war ein Maganer mit sehr starken, arkanen Kräften, die ihm die Beherrschung von Feuer ermöglichte. Gewöhnlich waren sie als Feuerteufel verschrien und nicht besonders willkommen, da man sie für zahlreiche Feuersbrünste verantwortlich machte, die Ernten oder ganze Dörfer verwüsteten – oftmals nicht ganz zu Unrecht.

    So schnell die Flammenwand empor geschossen war, so schnell fiel sie nun auch wieder in sich zusammen. Der Maganer war nicht stehen geblieben, sondern weiter auf den Waldrand zugelaufen. Er lief merklich langsamer und es war ihm anzusehen, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.

    Die beiden übrig gebliebenen Reiter hatten durch den Bogen, den sie um die Flammenwand reiten mussten, an Boden verloren, holten aber jetzt wieder auf. Einer von beiden wirbelte drei steinerne Kugeln an einem Seil über dem Kopf herum.

    Eine Bola. Eine Wurfwaffe, wie sie die Jäger im Grasmeer von Llûn verwendeten. Sollte er treffen, wäre das Rennen entschieden. Durch die Kugeln stramm gehalten, wickelte sich das Seil um die Beine der Beute und machte sie so bewegungsunfähig. Die schnelle Rotation die an Geschwindigkeit zunahm, je weiter sich das Seil um die Beine schlang, verlieh den Steinen am Ende nicht selten so viel Wucht, dass sie sogar Knochen brechen konnten. Traf man den Hals seines Zieles, wurde dieses oftmals entweder erwürgt oder das Genick brach, wenn die Gewichte auf den Körper krachten.

    Ich hatte mich eine Zeitlang damit versucht, aber nachdem ich eher mich als irgendein Ziel damit traf, hatte ich es schließlich aufgegeben. Zum Glück war ich nie so dumm gewesen, das Gerät vom Rücken eines Pferdes aus zu benutzen. So konnte ich nur staunend zusehen, wie der Reiter seine Kunstfertigkeit bewies.

    Er verkürzte hoch aufgerichtet die Distanz zum Ziel. Noch etwa zwei Seillängen trennten die beiden. Während ich zusah, hatte ich mich stöhnend erst auf die Knie, und schließlich gänzlich wieder aufgerichtet. Schwert und Schild ließ ich achtlos im Gras liegen, die hätten mir jetzt nichts genutzt.

    Ein Bogen wäre eine Hilfe gewesen, aber den letzten hatte ich beim Würfelspiel verloren. Also blieb mir nichts anderes übrig, als meine „anderen" Fähigkeiten einzusetzen.

    Mit pochender Stirn, hämmernden Kopfschmerzen und einem geschundenen Rücken sammelte ich mich und versuchte gleichzeitig meinen Atem zu beruhigen und das Geräusch brechender Knochen und reißendes Fleisches auszublenden, mit denen Shadarr das Pferd verspeiste.

    Ganz schwach nahm ich das Aufflackern meiner Kräfte war. Tief in meinem Inneren verbarg sich nach meiner Vorstellung ein großes bodenloses Loch, dass ich die meiste Zeit mit einem unendlich schweren Deckel verschlossen hielt. Nach Möglichkeit dachte ich so wenig wie ich konnte daran.

    Wollte ich den Maganer retten, musste ich jetzt jedoch darauf zurückgreifen.

    Wie Wasser in einem überquellenden Brunnen, stieg aus dem Inneren des Schachts Energie auf. Sie drückte den Deckel zur Seite und floss in meinen Körper. Breitete sich über meine Arme und Beine aus, strömte in den letzten Winkel und füllte mich gänzlich mit Macht. Vor Freude jubelte ich beinahe laut auf, konnte mich jedoch im letzten Moment noch zurückhalten. Nur ein Seufzer der Befriedigung entfuhr mir. Während ich mich gleichzeitig widerlich beschmutzt fühlte.

    Ich konzentrierte mich darauf, die Energie in den linken Arm zu lenken. In meiner Hand ballten sich die Ströme zusammen bis ich sie kaum noch zurückhalten konnte. Ich riss den Arm ausgestreckt nach vorne und zielte damit auf den Reiter mit der Bola.

    Meine Finger wurden von der gewaltigen Kraft wie von alleine weit auseinander gespreizt und ein Blitz raste krachend aus meiner Handfläche, überwand die Strecke von drei Seillängen in weniger als einem Lidschlag und bohrte sich direkt in den Rücken des Reiters. Er bäumte sich ohne einen Laut auf und schleuderte die Bola unkontrolliert nach vorne. Sie wirbelte davon und streifte dabei den Maganer am Hinterkopf, als dieser gerade den Waldrand erreicht hatte. Stolpernd verschwand er zwischen den Bäumen.

    Der Reiter brach im Sattel zusammen und sein Pferd drehte nach Norden ab.

    Die Energie in meinem Körper war noch immer da und ließ meine Muskeln zittern. Alle Haare an meinem Körper richteten sich auf und nur mit Mühe konnte ich verhindern, dass sie ungewollt aus mir hervorbrach. Schweiß stand mir auf der Stirn, während ich sie langsam wieder zurück in das Loch zwang.

    Natürlich gab es kein wirkliches Loch, aber ein Lehrmeister hatte einmal dieses Bild vorgeschlagen, um mir zu helfen, die Energien zu kontrollieren.

    Gefühlte Ewigkeiten später ebbte die Energie endlich wieder ab und der Deckel senkte sich über die Quelle.

    Ich atmete tief ein und hatte prompt den Geruch von Tod, und verkohltem Fleisch in der Nase und den Geschmack von Blut und Eisen auf der Zunge. Das war für meinen Körper anscheinend zu viel, denn ich verlor den Kampf mit meinem Magen erneut und würgte vorn übergebeugt einige Male bittere Flüssigkeit empor.

    Das rettete mir vermutlich das Leben, denn noch im Vorbeugen spürte ich den Luftzug eines Armbrustbolzens, der an mir vorbei pfiff. Ich hatte den letzten Reiter völlig vergessen. Er preschte wenige Mannslängen entfernt an mir vorbei. Hätte er ernsthaft versucht, mich zu töten, wäre es jetzt wohl um mich geschehen gewesen, aber er hatte die Armbrust auf gut Glück auf mich abgefeuert, während er flüchtete.

    Ich sah ihm hinterher, wie er sich entfernte. Einen Moment blieb ich noch vorgebeugt stehen und beobachtete ihn, dann hob ich mein Schwert und meinen Schild auf und ging zu dem Toten, der neben Shadarr lag.

    ‚Um die Beute streiten?’, fragte er mich, während ich den Mann untersuchte.

    ‚Nein. Ich bekomme die Rüstung, Du den Mann’, gab ich ihm zu verstehen.

    ‚Mann riecht schlecht.’

    Überrascht sprang ich ein paar Schritte zurück.

    „Du meinst, er war schon vorher tot?"

    Untote Reiter? Großartig. Schon jetzt war mir klar, dass ich gar nicht wissen wollte, worein ich hier geraten war.

    ‚Riechtschlecht noch nicht lange.’

    „Also erst vor Kurzem gestorben.", überlegte ich laut.

    Die Rüstung war neu, von sehr guter Qualität aber völlig schmucklos. Auch der Helm war völlig ohne besondere Zeichen. Ein komplett geschlossener, brünierter Topfhelm mit runder Kalotte und mit einem für eine Reiterrüstung sehr breiten, einzelnen Sehschlitz.

    Die Hände steckten in Kettenhandschuhen mit rauen ledernen Handflächen und die Füße wurden von eisenbeschlagenen Stiefeln bedeckt.

    Die Machart und der Stil der Sachen verriet normalerweise ihre Herkunft, aber eine Rüstung wie diese hatte ich noch nie gesehen. Das wollte nicht viel heißen, denn es gab sehr viele Rüstungsschmiede.

    Ich sah mich nach dem Schild um. Er lag ein paar Schritte weiter. Keine Zeichen darauf. Immerhin, das Holz aus dem es gemacht war, stammte aus dem Westen und wurde von fingerbreiten Eisenbändern mit dreieckigen Nieten zusammengehalten. Diese Art der Schilde wurde nur in einer Region gefertigt, auch wenn ich noch nie dort gewesen war.

    „Morak. Ziemlich weit weg von hier."

    Kein Wunder also, dass ich die Rüstung nicht erkannt hatte. Das Land war für Ausländer verbotenes Territorium. Dort erwischt zu werden, bedeutete den sicheren Tod. Also hatte ich bisher einen großen Bogen um das wenig gastfreundliche Land gemacht.

    Vorsichtig beugte ich mich wieder zu dem Toten herunter und zog ihm den Helm vom Kopf. Ein übelriechender Gestank wehte mir entgegen. Tatsächlich, der Reiter war schon vor dem Kampf tot gewesen. Lange vorher. Viel länger, als Shadarr gesagt hatte.

    Ein Schädel starrte mich einen Moment lang an, dann fielen die Augenhöhlen plötzlich nach innen, gefolgt von den Zähnen. Vor meinem überraschten Blick zerfiel er plötzlich zu Staub. Der Prozess hörte nicht mit dem Schädel auf, denn Augenblicke später rieselte feines Pulver aus den Öffnungen der Rüstung, auf der sich rötlich-braune Flecken bildeten.

    Erschreckt warf ich den Helm zur Seite und machte in der Luft ein Schutzzeichen gegen Böses. Der Körper und die Rüstung in der er gesteckt hatte, verwandelten sich nach und nach in Staub und Rost. Nach ein paar Herzschlägen war nichts mehr von ihnen übrig als Flecken im Gras, die vom Wind davon geweht wurden. Einzig das Schwert und der Schild waren übrig geblieben. Ein Blick auf das Schwert brachte mir keine weiteren Erkenntnisse. Es war Massenware, die man beinahe auf jedem Markt erwerben konnte.

    - 2 Spielkameraden -

    Ohne neue Erkenntnisse machte ich mich also langsam auf den Weg in Richtung Waldrand, um nach dem Maganer zu sehen, der schließlich irgendwo abgeblieben sein musste.

    Vielleicht erhielt ich von ihm Antworten auf einige der Fragen, die mir durch den Kopf gingen.

    Davon, dass sie sich bei ihrem Tod in einer Stichflamme auflösten hatte ich zwar gehört, glaubte aber nicht wirklich daran. – Andererseits würde das erklären, warum viele von ihnen für große Feuer verantwortlich gemacht wurden.

    Auf halbem Weg sah ich plötzlich einige hundert Schritte nördlich der Stelle, an er verschwunden war, wie mehrere Gestalten aus dem Wald traten. Sie waren zu weit weg, als dass ich sie klar erkennen konnte.

    Großartig, noch mehr ungebetene Gäste.

    Einen Augenblick geriet ich ins Stolpern, doch dann hoben sie grüßend die Arme und winkten mir zu.

    Erleichterung durchflutete mich, als ich sie erkannte. Dann winkte ich zurück. Da endlich fiel mir auch auf, wie nah die Auseinandersetzung an unserem Treffpunkt stattgefunden hatte. Ob der Maganer wohl zu unserem Treffen unterwegs gewesen war?

    Manchmal stießen neue Gesichter zu unserer kleinen Gruppe hinzu, während alte Veteranen sich irgendwo niedergelassen hatten. Ich winkte erneut und verschwand an der Stelle im Wald, an der ich ihn vermutete. Die anderen würden sicher gleich hier auftauchen. So lange konnte ich schon mal mit der Suche beginnen.

    Entschlossen, nicht noch weitere Kopfschmerzen zu erzeugen, indem ich mir den Kopf an einem tief hängenden Ast stieß, tastete ich mich vorsichtig voran.

    Zuerst sah ich in dem trüben Dämmerlicht so gut wie gar nichts. Nach und nach konnte ich einige Umrisse erahnen. Bäume und dichtes Buschwerk, in dem unverkennbar eine Lücke klaffte. Vorsichtig schob ich mich hindurch und sah mich dabei sorgfältig um. Es wäre nicht das erste Mal, dass gleich beim Betreten des Waldes eine freundliche Baumspinne zum Essen einlud. Im Laufe der Jahre hatte ich schon einige Begegnungen der unfreundlicheren Art gehabt.

    Doch dieses Mal war der Weg frei und keine versteckte Gefahr wartete auf mich – Was nicht hieß, dass keine da war.

    Nach wenigen Schritten war es um mich vollends dunkel geworden und nur schemenhafte Umrisse blieben übrig. Möglichst leise bewegte ich mich vorwärts, immer darauf bedacht, den Schild nicht gegen einen Baum zu schlagen.

    Zuerst konnte ich keine Spur finden, doch als ich eine weitere meiner geerbten Fähigkeiten herbei rief, glühten in meiner Umgebung die Lebensenergien aller Lebewesen in der Umgebung in bunten Farben auf. Je heller die Farben, je stärker die Lebenszeichen. So fiel mir etwa drei Mannslängen tiefer im Wald ein besonders heller Schatten auf, der an einem Baum lehnte.

    Langsam näherte ich mich dem Punkt und schlug dabei einen leichten Bogen zur Seite. Je näher ich kam, desto deutlicher wurden die Umrisse. Es war der Maganer. Seine Haut war von einer dunkelroten Farbe wie alter schwerer Wein oder vor langer Zeit getrocknetem Blut. Seine Haare waren Feuerrot, beinahe Orange. Ob er noch lebte, konnte ich in dem Halbdunkel unmöglich erkennen, nur Dank der Dunkelsicht sah ich, dass seine Lebenskraft nicht weiter abnahm. Vorsichtig ging ich dichter an ihn heran. Als ich nur noch etwa eine Mannslänge entfernt war, hielt ich an und sprach leise mit ihm.

    „Hallo? Nicht erschrecken. Lebst Du noch?"

    Wirklich eine sprachliche Meisterleistung.

    Keine Reaktion.

    Ich wartete einen Augenblick und ging dann direkt zu ihm hinüber. Ich hielt meinen Schild zwischen uns und stieß ihn leicht mit dem Schwert an.

    Seine Augen sprangen auf und er sah mich direkt an. Flammen leckten aus seinem Körper und der Baum, an dem er lehnte, ging in einer Stichflamme auf.

    Ich stolperte rückwärts und landete schmerzhaft auf meinem Hintern. Großartig. Während ich mir den schmerzenden Hintern rieb, sah ich im Schein der Flammen etwas, dass mich stocken ließ. Denn die Person vor mir war gar kein Maganer, sondern eine Magana. Noch ziemlich jung dazu – und attraktiv. Ihr ruiniertes Gewand zeigte deutlich mehr von ihrem Körper, als es verdeckte.

    „Hoah, Vorsicht Lady. Ich trage keine schwarze Rüstung und ich schieße auch nicht mit Bolzen auf Euch. Ich bin ein Freund." – naja, nicht direkt, aber immerhin wollte ich sie wirklich nicht töten, jedenfalls noch nicht.

    „Das… werden wir… noch… sehen", krächzte sie mit schwacher Stimme. Dann sackte sie zur Seite und blieb bewusstlos liegen.

    Ich fluchte laut und lange und sah besorgt zu dem brennenden Baum hoch. Bitte nicht flehte ich in Gedanken und lauschte angestrengt auf weitere Geräusche aus den Tiefen des Waldes, während ich mich wieder aufrappelte.

    Einen Augenblick war alles ruhig und nur das Knistern des Feuers war zu hören. - Leider auch zu riechen.

    Die Blätter der Bäume um uns herum raschelten einmal leise.

    „Oh verdammt!", entfuhr es mir unwillkürlich.

    Heute war wiedermal einer dieser Tage.

    Ein kaum wahrnehmbares Zittern erfasste das Geäst.

    Ich stürzte zu der ohnmächtigen Magana hinüber und zog sie von dem brennenden Baum weg. Sie stöhnte die ganze Zeit über dabei, denn ich war nicht besonders vorsichtig, während ich sie über den Waldboden schleifte. Warum auch, wir mussten hier weg. Ihre Haut fühlte sich seltsam kühl an, obwohl sie gerade noch Flammen erzeugt hatte.

    Das Zittern griff auf den Boden über, und ließ die herabgefallenen Blätter und Nadeln tanzen.

    Vom Waldrand erklangen leise Stimmen.

    „Ich glaube hier ist er rein", ertönte eine melodische, weibliche Stimme.

    „Ja, denke ich auch", antwortete eine tiefe männliche.

    „Riecht ihr dass? Hier brennt etwas", erklang eine Dritte, wieder weiblich.

    „Oh verdammt. Drakk?"

    Jetzt konnte ich aus der Tiefe des Waldes zum ersten Mal das leise Donnern von Schritten hören, die das Beben des Bodens begleiteten.

    „Ja hier drin!", rief ich zurück.

    ‚Und macht bitte schnell!’, flehte ich in Gedanken. Dabei fluchte ich, denn lautes Rufen brachte meinen Kopf wieder zum Klingeln.

    Äste und Zweige knackten und das Donnern der Schritte kam schnell näher.

    Doch aus der anderen Richtung tauchte als erstes Anaya auf. Ihre Schritte verursachten keinerlei Geräusche und irgendwie blieb sie auch nie mit ihrem Geweih an den niedrigen Ästen der Bäume hängen.

    Wäre nicht der brennende Baum hinter mir, der die Szenerie in ungewohntes Licht tauchte, hätte man die grau-braun grünliche Haut und die Hufe von Anaya wohl übersehen. So aber hatte ich die Gelegenheit meine Gefährtin einen Augenblick lang zu mustern. Ihre Augen lagen tiefer als sonst in ihren Höhlen, und waren außerdem vergrößert.

    Ihre schlanke Gestalt hatte an Muskeln zugelegt. Sie hielt zwei bösartig glänzende Knochenmesser in den Händen, die aus den Schulterblättern von Dahatschrecken gefertigt worden waren. Sie gehörte zum Volk der Alian, was „Waldbewohner" in der alten Sprache bedeutete.

    Gekleidet war sie wie üblich in ein Gewirr aus kunstvoll geflochtenen Bändern aus weichem Leder, das in den für sie üblichen Grün- und Brauntönen gefärbt war, die sich kaum von ihrem Hautton unterscheiden ließen. Diese einzigartige Kleidung wurde praktisch nur von den Alian getragen. Sie erlaubte es ihnen, sie schnell in der Größe zu verändern. Was auch notwendig war, denn sie waren Gestaltwandler.

    Zwei Umhängetaschen, die sie gekreuzt über ihre Schultern trug, rundeten das Bild ab.

    Einen Moment lang stellte sie sich in Pose und warf mir einen frechen Blick zu. Dann gab sie mir einen langen und intensiven Kuss, den ich ohne zu zögern erwiderte. Es tat gut, sie endlich wieder zu sehen. Für meinen Geschmack hatte es zu lange gedauert, seit wir uns getrennt hatten.

    „Du schmeckst wie das Arschloch einer Kuh", protestierte sie angewidert, als sie sich wieder aufrichtete.

    Woher sie den Geschmack wohl kannte, fragte ich mich insgeheim.

    Das Donnern wurde lauter. Irgendetwas riss Äste ab und knickte kleinere Bäume um.

    Alarmiert sah sie mich und die bewusstlose Magana an.

    „Ich weiß nicht, ob Dir das aufgefallen ist, aber der Baum hinter Dir brennt", sagte sie zu mir, als sie ihre Messer verstaute und den anderen Arm der Magana ergriff.

    Die donnernden Schritte ließen alle Bäume um uns herum beben, und wir hüpften bei jedem Schritt leicht mit.

    „Tatsächlich? Ist mir gar nicht aufgefallen", erwiderte ich säuerlich.

    „Musst Du den Spaß immer alleine haben? Du teilst wohl nicht gerne?", ertönte die vertraute Stimme von Droin direkt neben mir. – Er meinte die fast nackte Magana, deren Arm ich noch immer fest umklammert hatte.

    Dabei hielt er sich an einem Stamm fest, weil er sonst von den Erschütterungen umgeworfen worden wäre.

    Bäume barsten krachend und stürzten donnernd zu Boden.

    Ohne auf eine Antwort zu warten, ergriff er die Beine der Bewusstlosen und half uns dabei, sie durch das Unterholz zu bugsieren. – Natürlich nicht ohne dabei ausgiebig ihre Kurven zu begutachten.

    „Ich freue mich auch, Dich zu sehen, kleiner Mann."

    Droin war ein Naurim. Nur etwas über eineinhalb Schritt groß, war er gut einen Schritt breit und wog vermutlich genauso viel wie ich.

    Er war im Gegensatz zu mir und Anaya vollständig in seine Rüstung gehüllt – Wie immer. Nur den Helm hatte er nicht aufgesetzt. Daher konnte ich einen Blick auf sein schwarzes Haar werfen, dass wirr in alle Richtungen abstand, während er seinen Bart ordentlich zu einer Gabel geflochten hatte. Sein ganzes Gesicht war mit blauen Runen tätowiert, die sich nur wenig von seiner grauen Haut abhoben. Wie ich sehen konnte waren wohl ein paar hinzugekommen.

    Für eine genauere Betrachtung war das Licht zu schlecht. Außerdem konnte man nun bereits umstürzende Bäume sehen, weil sie eine Schneise hinterließen, die genau auf uns zeigte.

    „Kmarr? Jiang?", fragte ich die beiden, während wir fast den Waldrand erreicht hatten.

    „Warten draußen mit den Mahren."

    Droin warf einen Blick über die Schulter als er antwortete.

    „Los, weg hier!", brüllte er mit einem ungewöhnlichen Anflug von Panik in der Stimme.

    Ein Holzsplitter von der Größe meines Oberschenkels sauste an mir vorbei und bohrte sich in den Baum neben mir. Weitere Äste und Splitter regneten auf uns nieder. Dabei waren auch brennende Trümmer. Ein paar davon verfehlten uns nur knapp.

    Wir stolperten aus dem Wald heraus und hinter uns erklang ein wütendes, heiseres Kreischen. Droin grunzte und stolperte einen Schritt, bevor er sich fing und die Magana und uns weiter aus dem Wald heraus schob.

    Weitere Bäume krachten und splitterten, der Lärm war ohrenbetäubend. Aufgewühlte Erde und darin enthaltene Steinbrocken flogen in alle Richtungen aus dem Wald heraus und hinter uns her.

    Zwei Bäume wurden von einer Urgewalt plötzlich zur Seite gerissen, und knickten wie dünne Ästchen um. Krachend schlugen ihre Kronen auf dem Boden auf.

    Wir wollten weiter rennen, aber wie vom Donner gerührt, blieben wir stehen, als zwischen den Bäumen ein Wesen hervortrat, das ich so deutlich noch nie gesehen hatte. Der Baumschleicher war groß, viel größer als ich je in Berichten gehört hatte.

    Die Gestalt entstammte auf jeden Fall einem Alptraum. Fast so hoch wie ein Baum, lange Arme und Beine, die jeweils in vierfingrigen Klauen endeten, die allesamt länger als mein Unterarm waren. Der Körper war dünn und kurz, der Hals wand sich wie eine Schlange und der Kopf, der darauf saß, hatte Ähnlichkeit mit dem eines Drachen, jedenfalls soweit ich das nach den Gemälden, die ich gesehen hatte, sagen konnte.

    Es gab weder Ohren noch Hörner daran. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren riesig groß – und es waren vier. Um den Kopf auszubalancieren hatte der Baumschleicher einen langen muskulösen Schwanz, an dessen Ende eine scharfkantige Spitze von der Größe einer Schwertklinge saß. Wild peitschte er gerade hin und her als der Schleicher zwischen den Bäumen hervor trat. Wenn er dabei einen Baum traf, riss er wie die Axt eines Riesen ein Stück Holz aus dem Stamm. Jeder Holzfäller wäre neidisch darauf gewesen.

    Der Kopf des Schleichers bewegte sich aufgeregt vor und zurück und dabei schossen seine zwei Zungen aus dem weit aufgerissenen Maul hervor und wanden sich suchend hin und her.

    Die Mahre der Anderen waren sicherheitshalber eine Bogenschussweite entfernt stehen geblieben und beobachteten das Ungetüm misstrauisch.

    Ein Nachtmahr war ein fleischfressendes Raubtier, das von weitem beinahe wie ein Pferd wirkte, außer dass es schneller, ausdauernder und schlechter gelaunt war. Es hatte ein gräuliches Fell, rasiermesserscharfe Zähne und dreizehige Klauen statt Hufe. Außerdem versorgten sie sich selbst, so dass man kein Futter für sie mitnehmen musste. Sie schreckten auch nicht davor zurück, ihre Reiter zu fressen, falls diese nicht aufpassten.

    „Oh verdammt!, brüllte Kmarr: „Runter!

    Sein Warnschrei riss mich unsanft aus meinen Überlegungen. Heute war ich einfach nicht bei der Sache.

    Wir ließen uns alle auf den Boden fallen, wobei das Stöhnen der bewusstlosen Magana fast in dem fauchenden Zischen unterging, dass über uns hinweg brauste. Ein beißender, saurer Gestank wusch vorbei, der ein prickelndes Gefühl auf der Haut hinterließ. Ich roch Galle und fauliges Leder und musste an meine eigene Kotze denken.

    „Weiter!"

    Eine riesige Klauenhand packte mich und riss mich wieder auf die Füße.

    Vor mir stand Kmarr, ein fast zwei Mannslängen großer Leonide, gekleidet in einen ledernen Rock, der mit Federn und Perlen bestickt war. In der anderen Pranke hielt er ein gewaltiges Schwert mit gezahnter, fast einen halben Fuß breiter Klinge, das um einiges größer war, als ich.

    Ich packte die Magana und trug sie zusammen mit Droin und Anaya so schnell wir konnten weiter.

    Die Erde unter uns bebte und ein weiterer heiserer Schrei ließ mir fast die Trommelfelle platzen. Beinahe hätte ich die Bewusstlose fallengelassen.

    Der Baumschleicher war tatsächlich aus dem Schatten des Waldes hervorgekommen und blickte sich witternd um. Als sein Blick auf uns – oder vielmehr die Magana fiel, stieß er wieder diesen heiseren Schrei aus und sprang plötzlich in einem riesigen Satz auf uns zu.

    Die Klauen, schnappten weit auf und der Schwanz bog sich wie bei einem Skorpion zurück. Ohne nachzudenken öffnete ich mich der Kraftquelle in meinem Inneren und ließ mich von der Energie durchströmen. Ich stellte mir den Ort, an dem ich Shadarr zurückgelassen hatte vor und mir eröffnete sich in Gedanken ein Tor dorthin. Ich zwang mich, den Schritt hindurch zu machen. Eisige Kälte, Orientierungslosigkeit und ein Gefühl zu ersticken hämmerten von allen Seiten auf mich ein, dann war es auch schon vorbei und ich fand mich mit der Magana zusammen zwischen dem halb gefressenen Pferd und dem Rest der toten Reiter wieder.

    Der Baumschleicher landete krachend an der Stelle, an der ich einen Herzschlag zuvor noch gestanden hatte. Droin rannte vor, rollte sich unter dem Bauch und zwischen den Beinen hindurch ab und kam hinter dem Schleicher wieder auf die Füße.

    Anaya war wie ein Hirsch mit ein paar schnellen Sprüngen zur Seite entkommen. Ihre Beine hatten eine beinahe groteske Länge angenommen, wodurch sie allerdings ungeheuer schnell geworden war. Sie hielt sogar bereits wieder ihre Knochenmesser in den Händen.

    Ich bewunderte ihren Mut, aber hatte ernsthafte Zweifel ob diese durch die rindenähnliche Haut des Ungetüms dringen würden.

    Kmarr rannte bereits dem Schleicher hinterher, als dieser noch die zehn Mannslängen durch die Luft gesegelt war.

    Irgendwie hatte Droin seinen Helm aufgesetzt und hielt Schild und Kriegshacke in den Händen. Er duckte sich unter dem vorbeizischenden Schwanz hinweg und schlug auf das rechte Bein ein. Der Schlag klang wie der einer Axt auf Holz. Mit dem Treffer zog er die sofortige Aufmerksamkeit des Schleichers auf sich.

    Dieser wirbelte blitzartig herum und der Kopf schoss vor. Im letzten Moment kauerte sich Droin hinter seinen Schild und der gewaltige Kiefer schnappte an der Stelle zu, an der  sich einen Augenblick zuvor noch sein Kopf befunden hatte.

    Ich bezweifelte ernsthaft, dass selbst ein so hervorragender Naurimhelm dieser Kraft standhalten würde.

    Anaya bestrich etwas abseits ihre Klingen gerade mit einer sirupartigen Substanz aus einem kleinen Holztiegelchen, vermutlich Gift. Missbilligend runzelte ich die Stirn, aber ich wusste dass hier alle Hilfe nötig sein würde, die wir bekommen konnten.

    Jetzt war auch Kmarr heran und schmetterte seinen Zweihänder gegen den Hals des Schleichers. Der Schlag zeigte ein wenig Wirkung, denn er drängte das Biest immerhin soweit zur Seite, dass es Droin gänzlich verfehlte. Dieser nutzte die Gelegenheit und sprang sofort unter dem Hals hindurch und drosch mit seiner Hacke erneut gegen das rechte Bein.

    Der Schwanz des Ungeheuers schoss unter dessen Bauch hindurch und schlug mit voller Wucht in Droins Schild ein. Er durchschlug die Lagen aus Eisenholz, als wären sie aus Papier, blieb dann aber in der Lage Stahl darunter stecken.

    Droin wog gut und gerne hundertfünfzig Steine, aber der Baumschleicher riss ihn mit einem Ruck von den Beinen und schleuderte ihn hin und her.

    Jeder Schwanzschlag hämmerte den Naurim in den weichen Hügelboden. Ob er noch lebte, konnte ich nicht erkennen, als er schließlich zu Boden fiel.

    Es hätte mich aber überrascht, wenn der zähe Bursche so schnell bezwungen worden wäre. Schläge, die einem normalen Menschen alle Knochen brachen, riefen bei einem Naurim nicht mehr als ein paar Beulen und blaue Flecken hervor. Daher ging ich fest davon aus, dass Droin nur bewusstlos war.

    Der Schild hing noch zwei Schläge lang am Schwanz fest, dann flog er in hohem Bogen davon.

    Die beiden Klauen des Schleichers schossen während dessen unablässig vor wie die Scheren einer Sandkrabbe. Abwechselnd zuckten sie nach Kmarr, der nicht mehr tun konnte, als sein Schwert festzuhalten und zurückzuweichen. Obwohl ich wusste, dass ihm sein Instinkt sagte, anzugreifen. Leoniden waren alle aggressiv und brutal im Kampf. Sie zeigten keine Zurückhaltung und kannten keine Vorsicht.

    Hier hätte dieses Verhalten allerdings nur den Tod gebracht. Zum Glück hatte Kmarr dazugelernt. Er brüllte und knurrte, hielt sich aber zurück.

    Den Kampf würden wir so nicht gewinnen.

    Trotz meiner weichen Knie musste ich etwas tun.

    Shadarr!’

    ‚Hinter Baumstinker.’

    Tatsächlich, mein Kargat war im Begriff dem Baumschleicher auf den Rücken zu springen.

    Nun gut, dann eben mit Gewalt.

    Ich zog meine mentale Verbindung zurück und öffnete mich wiederum der Kraftquelle in meinem Inneren. Wieder zwang ich die Kraft in meinen Linken Arm und ein Blitz schoss aus der Handfläche hervor. Er traf den Baumschleicher hinter dem rechten Schultergelenk in den Rücken. Kreischend fuhr der Kopf zu mir herum und der Schleicher stieß einen unglaublich lauten Schrei aus, der mich mit der Gewalt eines Hammers traf und rückwärts zu Boden warf.

    Ich wälzte mich mühsam wieder zurück auf die Knie und konnte gerade noch sehen, wie Jiang neben Kmarr aus dem Gras aufstand. Ich hatte sie bisher völlig übersehen. In der Hand hielt sie senkrecht einen hellgrünen, fast weiß leuchtenden Pinsel, kaum länger als eine Handspanne. Aus dem Ende zuckten zwei grünrote Flammen und bohrten sich tief in die Brust des Baumschleichers wo sie in alle Richtungen auseinander spritzen, bevor sie an seinem Körper entlang bis zu seiner Schwanzspitze liefen.

    Der Schleicher heulte dieses Mal vor Schmerz auf. Aber er war noch lange nicht besiegt.

    Anaya rannte unter dessen wie ein Blitz hinter dem Ungetüm vorbei und schlug mit beiden Dolchen auf die Beine ein. Um besser an sie heranzukommen, hatte sie ihre Arme verlängert, bis sie ihr fast bis zu den Knöcheln reichten. Ohne auf eine Reaktion des Schleichers zu warten, lief sie auf der anderen Seite außer Reichweite von Schwanz und Hals. Ich bewunderte sie für ihre Schnelligkeit, mit der sie schon häufiger Hirsche im Wettrennen besiegt hatte.

    Der schlangenförmige Hals des Untiers bog sich wie ein Schwanenhals in einer S-Kurve zurück. Die flachen Nüstern blähten sich gewaltig auf.

    Kmarr brüllte eine Warnung und warf sich rückwärts,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1