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Abfall der Lust: Die Impotenz des Mannes
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eBook113 Seiten1 Stunde

Abfall der Lust: Die Impotenz des Mannes

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Über dieses E-Book

Von der Impotenz gibt es keine Bilder. Das ist seltsam, weil das Thema seit Jahrtausenden so viele Männer betrifft. Es existiert trotzdem kein Mythos, keine Idee, denn es ist ein Tabu über Schwäche zu sprechen – doch könnte das gut sein. Dennoch gibt es keine Abbildung, keinen Akt, ein Versagen der Bilderwelt. Das Denken über Impotenz offenbart eine Lücke. Es ist eine Normalität, die nicht vorkommt. Üblicherweise sprechen Pierre, die Kunstfigur des Buches und alle anderen über das, was sie auf Bildern sehen, aber nicht darüber, was sie nicht sehen. Sie reden über etwas Abgebildetes, etwas Vorhandenes. Sie beschreiben, ordnen, deuten Sichtbares. Aber Pierre möchte sich erklären können, warum es für die Impotenz keine Bilder und einen entsprechenden historischen Wandel gibt. Wo ein Void, Nicht-Existentes der Geschichte und der eigenen Erfahrung zu orten ist. Seltsam ist, dass Impotenz nicht greifbar ist, obwohl alle davon wissen und sie selbst erfahren. Ohne dass man sich ein Bild von ihnen machen kann, existieren diese Emotionen des In-der-Watte-Seins; aber ihre Eindringlichkeit endet an der Schädelgrenze. Die Impotenz ist dennoch ein gewaltiger Beweger.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum3. Nov. 2014
ISBN9783737512817
Abfall der Lust: Die Impotenz des Mannes
Autor

Christoph Geissmar

Christoph Geissmar ist Kunsthistoriker, Kurator und Autor sehr verschiedener Bücher. Er lebte an ganz unterschiedlichen Plätzen, in London, New York und Wien, aber auch in der Lüneburger Heide in einem Dorf. Jetzt arbeitet er in Berlin-Prenzlauer Berg.

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    Buchvorschau

    Abfall der Lust - Christoph Geissmar

    Für Ines

    Christoph Geissmar

    Abfall der Lust

    Die Impotenz des Mannes

    Eine Novelle

    Inhalt

    A Prolog

    Bilderlosigkeit – Ahnungslosigkeit

    Gewächse

    B Pierre

    Wege

    Der Körper und sein Pierre – wer er ist

    Bericht vom Blumenkohl

    Die Distanz von der Welt und von den Leibern

    Allein mit dem Trieb – die Permanenz des Wollens

    Der Luststau nach innen gewandt

    Wiederkehrende Erinnerungen

    Der Busen – der Po

    Der Tod - das sterbende Glied

    Gewalt

    Fixierung, Eindringen

    Pierre geht unter

    Lache!

    C Geschehnisse

    Das tote Kind

    Generationen verleben – Schönheit vergehen lassen

    Kastration – Sterilisierung – Angst vor Kindern

    Karriere machen ohne Kinder – ein Vorwurf

    Der Mann als Mutter – Kinder und Männer

    Abgeschnitten von den Kinderwelten

    Die konstante Nebenlinie

    Sichtbeziehungen

    Projektionsflächen

    Ästhetische Unentschlossenheit

    Banalität

    Frauen am Drücker

    Das Feuer des Feminismus

    Die Wiederkehr eines alten Mannes: der Vater

    D Frauen

    Nähe, Häute

    Vorbilder

    Verbunden

    Der Typ Berit

    Polyamorie

    Sprösslinge

    Die ausgeschlossene Lüge und Leugnen

    Das Cécile Wesen

    Körperzeichen

    E Umgebungen

    Abbreviation

    Zur Liebe per Datenbank

    Das pornographische Bild

    Die blaue Pille – Steifheit today

    Der süße Druck

    Geschmeckte Lust

    Dauerkontakt

    Aufgelöst im Fluss

    Wie befreit sich Pierre?

    A Prolog

    Bilderlosigkeit – Ahnungslosigkeit

    Von der Impotenz gibt es keine Bilder. Das ist seltsam, weil das Thema seit Jahrtausenden so viele Männer betrifft. Es existiert trotzdem kein Mythos, keine Idee, denn es ist ein Tabu über Schwäche zu sprechen – doch könnte das gut sein. Dennoch gibt es keine Abbildung, keinen Akt, ein Versagen der Bilderwelt. Das Denken über Impotenz offenbart eine Lücke. Es ist eine Normalität, die nicht vorkommt. Üblicherweise sprechen Pierre und sein ganzes Fach, die Kunsthistoriker und Image People über das, was sie auf Bildern sehen, aber nicht darüber, was sie nicht sehen. Sie reden über etwas Abgebildetes, etwas Vorhandenes. Sie beschreiben, ordnen, deuten seit mehr als 150 Jahren Sichtbares. Aber Pierre möchte sich erklären können, warum es für die Impotenz keine Bilder und einen entsprechenden historischen Wandel gibt. Wo ein Void, Nicht-Existentes, der Geschichte und der eigenen Disziplin zu orten ist.

    Seltsam ist, dass Impotenz nicht greifbar ist, obwohl alle davon wissen und sie selbst erfahren. Ohne dass man sich ein Bild von ihnen machen kann, existieren diese Emotionen des In-der-Watte-Seins; aber ihre Eindringlichkeit endet an der Schädelgrenze. Die Impotenz ist dennoch ein gewaltiger Beweger.

    Pierre kennt das – man schließt sie im Handeln aus, aber sie bleibt Hintergrund jeder Aktion – die so oft vorgestellte unsichtbare Kraft jenseits des Bildes des tosenden Liebens und Ermüdens im täglichen Bett, den Wunschträumen eines körperlichen Umfangs. Impotenz, Kraftlosigkeit ist auch ein Prinzip, etwas, was aus der Welt auf die ahnungslosen Körper- und Gedankenhülsen zukommt. Sie mag stärker sein als Bilder. Ohne das Bild vor sich zu haben, beginnt der Tag für Pierre mit der Vorahnung einer Möglichkeit: der des Scheiterns seiner gedanklichen Versuche. Sein Körper und die ihm in der Konkurrenz der anderen attestierte Kraftschwäche hat sich noch gar nicht bewegt, da weiß er schon, dass er gegen die Welt ein Bild entwerfen muss, das seiner Existenz in Unvollkommenheit trotz seiner Fähigkeiten entspricht. Was sein Gedächtnis als Lücke speichert, erscheint frühmorgens als Unzulänglichkeit, vorhersehbarer, zu bestimmender Fehler, die Pierre zu überwinden angeht, um täglich wieder zu scheitern.

    Pierre erlebt Kräfte, die ihn normen wollen, in Gedanken ist es seine Hüllenlosigkeit, die Übermacht des Tages gegen die ihn verfolgenden, langsam erlöschenden Gedanken der Nacht, die ihn wehrlos machten. Was ihm nun zu denken gibt, ist die wahre Impotenz, eine bilderlose Einsicht in die Notwendigkeit von Schwächen und Fehlern. Impotenz ist nicht etwas unvollkommen Erregtes wie ein lahmes Glied, sondern die Unfähigkeit Dinge zu steuern und in die richtige Richtung zu lenken. Jeder Mann würde Pierre sagen: sie zu beherrschen. Jede Frau würde ihm auf seinem Thron sagen: einen Weg zu finden. Impotenz ist Pierre allgegenwärtig nicht nur als sexuelle Unterlassung und das alltägliche Scheitern darin. Sondern auch als ein Verlust einer nicht gewonnenen Überlieferung, einer misslungenen Überhöhung im historischen Hintergrund von Pierre. Da ist gar nichts zu finden. Impotenz ist nicht sublimiert worden. Und daher bleibt sie bilderlos. Niemand kann daher ahnen, was Impotenz bewirkt.

    Gewächse

    Der Blumenkohl - Brassica oleracea – ist ein weltweit verbreitetes Gemüse. Zu ihrem Wachstum bevorzugt die Pflanze nährstoffreiche Böden, sie lässt sich das Jahr über bei entsprechender Pflege lange Zeit züchten und ernten. Das Gewächs ist auf den Wochenmärkten und im Supermarkt zum Kauf präsent. Als Kohl im Angebot finden die Sorten ihre Abnehmer und ihren Weg in die Küchen. Das Gemüse stinkt beim Kochen, ist banal und fad. Es ist billig beim Kauf wie auf dem Herd, selbst wenn man sich alle Mühe gibt. Man kann seinem Geschmack kaum nachspüren, im besten Fall sättigt es. Trotzdem ist das Gemüse gekocht weich, warm und subtil seinem beim Kochen kaum mutierenden Bild nach. Es bietet aber keinen Genuss, keinen Thrill.

    Der gewöhnliche Blumenkohl quer durchgeschnitten besteht einfach aus einem Strunk und den Röschen. Beim Betrachten erinnert dieses Bild an das des menschlichen Hirns in einer Röntgenaufnahme oder einer Computertomographie vom Hals ab aufwärts gesehen. Der Blumenkohl wächst elfenbeinfarben eingebettet und verschattet in eine weite Umgebung von grünen Blättern, welche die Knolle umhüllen, dieses Bild bietet die Draufsicht. Lückenlos ineinandergefügt bilden die Röschen eine gewachsene, leicht gerundete Oberfläche von eher kleinteiligen, mikroskopischen visuellen Reizen auf einigen Quadratzentimetern. Obwohl ein wenig ordinär ist, das präzise Geschaute doch eine miniaturisierte Pracht.

    In seiner ganzen Gewöhnlichkeit steht der Blumenkohl aus der vergangenen Küche unserer Mütter neben dem Erscheinungsbild der frischen, köstlichen Salate der modernen Küche, dieser sich aus einem Zentrum heraus entfaltenden Blätterpracht aus nahen Falten, Spalten und der zu gleichen Kompaktheit in einem satten Grün. Der Klischeevorstellung.

    Die Kraft, die von diesen Pflanzen ausgeht, hat eine Parallele im Fühlen und Sehen der zunächst verdeckten Weiblichkeit, ihrem sich entfaltendem Körpervolumen und ihrer Macht im Bild. Es gibt zwei, drei mächtige Bildmuster, die alles belegen, was unsere westlichen Sinne erfassen können: zunächst die des Opfertodes von jungen Männern, der Kreuzigung, des Hara-Kiri, der Suicide Bomber. Dann den Blick auf die Frauen, das Bild der Zeugung, das seit

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