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Sprachlos: Wähne dich nie auf der sicheren Seite!
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eBook521 Seiten7 Stunden

Sprachlos: Wähne dich nie auf der sicheren Seite!

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Über dieses E-Book

Er bittet mich, ihm für ganz kurze Zeit 15.000 DM zu leihen, erzählt im Flüsterton von einer geheimnisvollen Organisation, der er seit einiger Zeit angehöre, Jedes Mitglied sei verpflichtet, in gewissen Abständen eine Einlage zu leisten. Käme er diesen Auflagen nicht nach, könne es ihn Kopf und Kragen kosten. Die Organisation tätige Geldverleih in ganz großem Rahmen.

Da es sich bei den Mitgliedern fast ausschließlich um Italiener handelt, komme ich zu dem Schluss, dass es sich um eine mafiöse Verbindung handelt. Ich bin entsetzt. Angst beschleicht mich. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben, darum stelle ich ihn vor die Wahl: "Die Mafia oder ich."

Ich warte, ahne nichts Gutes. Ein tiefer Seufzer, ein Stöhnen kommt aus seiner Brust. Dann platzt es aus ihm heraus. "Man hat beschlossen, Pauliano zu liquidieren. Übermorgen, am 26. Juli, will man ihn in Hamburg in eine Falle locken und erschießen.

Zwei von ihnen betreten mit gezogener Pistole meine Wohnung, der dritte gibt uns Rückendeckung. Die Beamten befürchten, dass Peter zurückgekommen ist und sich in meiner Wohnung aufhält. Vorsichtig schreiten sie jeden Raum ab. Wie ernst es den Beamten ist, erkenne ich erst, als sie den Schlüsseldienst rufen.

Zum ersten Mal in meinem Leben betrete ich ein Gefängnis. An der Pforte muss ich meinen Personalausweis abgeben Der Inhalt meiner Jacke wird kontrolliert. Nun durch die Sicherheitsschleuse

Ich lauf über die Straße, von einem Hupkonzert begleitet, renne, als sei der Leibhaftige hinter mir her. Ich habe alles um mich vergessen, sogar meinen Sohn. Plötzlich dringt sein Schreien an mein Ohr, ich erkenne die Panik in seiner Stimme. Wie aus einer anderen Welt, wie eine Traumwandlerin erwache ich und bemerke voller Entsetzen, dass ich eine Absperrung übersehen habe und mich auf militärischem Gebiet befinde. Mitten in Istanbul stehe ich einem Soldaten gegenüber, der eine Maschinenpistole im Anschlag auf mich gerichtet hält.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum22. Mai 2015
ISBN9783737546249
Sprachlos: Wähne dich nie auf der sicheren Seite!

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    Buchvorschau

    Sprachlos - Marlen Knauf

    Widmung

    Ich danke meinem großartigen Sohn Eric,

    seinem Partner Elmar, meinem geschätzten Schwiegersohn,

    für ihr Verständnis, ihre Zeit, ihren Rückhalt,

    ohne deren Hilfe

    ich diese Katastrophe nicht überlebt hätte.

    Ich danke den unzähligen Betrugsopfern die ich kennenlernen durfte.

    Vor allem danke ich Hedwig meiner lieben Freundin

    die das gleiche Schicksal mit mir teilt, für ihren klugen Rat,

    unermüdlichen Einsatz, ohne deren Hilfe ich mein Buch nie

    veröffentlicht hätte.

    SPRACHLOS

    Eine verhängnisvolle Liebe

    Wähne Dich niemals auf der sicheren Seite!

    Du wirst nicht gefragt, ob du ES willst, du bekommst ES übergestülpt wie einen Sack, den du nie mehr los wirst. ES wird zu einem Teil von dir. Du willst ES abgeben, ungeschehen machen. ES ist wie ein Brandmal, ES bleibt. Du kannst darüber erzählen, schreiben, ES bleibt. Je mehr du preisgibst, in der Hoffnung ES loszuwerden, je verletzlicher wirst du. Das was du fühlst, kannst du nicht in Worte fassen. Niemand ist in der Lage dich zu verstehen. Du bist alleine, lebenslang. Du kannst nur für Momente in den Alltag zurückkehren. ES verändert alles, nichts wird mehr so, wie es einmal war.

    Ich erzähle hier von den fünf Jahren meines Lebens, die alles entscheidend verändert haben. Von einem Leben mit einem skrupellosen Verbrecher, einem Soziopathen, der mit seiner Vernichtung vor nichts und niemandem halt macht.

    Nach 30 Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit habe ich mich mit 59 Jahren zur Ruhe gesetzt, mein Geschäft aufgelöst, meine Immobilien verkauft und bin auf Bitten meines Sohnes nach Köln gezogen, um hier, ganz in seiner Nähe eine gemütliche Wohnung zu beziehen.

    In den ersten Wochen gehe ich auf Entdeckungsreise. In dieser Stadt gibt es sehr viel Neues für mich. Ganz bewusst nehme ich die Straßenbahn oder mache mich zu Fuß auf den Weg. Auto und Motorrad, ich hatte mit 59 Jahren den Motorradführerschein bestanden, lasse ich in der Garage und lerne so Köln kennen und lieben. Neugierig dehne ich die Exkursionen aus, mache lange Spaziergänge, oft von meinem Sohn begleitet und fühle mich hier schon bald wohl und zu Hause.

    Finanziell unabhängig, fürs Alter, mehr als gut versorgt, genieße ich den wohlverdienten Ruhestand. Berührungsängste mit anderen Menschen kenne ich nicht, suche geradezu die Begegnung mit ihnen, so wie ich es von meiner Arbeit im eigenen Geschäft gewöhnt bin. Das Leben ist schön und die neuen Erfahrungen erfüllen mich mit Freude.

    Den Tag beschließe ich oft in einem Lokal meines Sohnes in der Innenstadt und berichte ihm von meinen Erlebnissen und Neuentdeckungen. Dabei komme ich immer mehr zu der Erkenntnis, dass es richtig war, in seine Nähe gezogen zu sein.

    Heute hat alles begonnen, heute am 25. November 2001 .

    Seit 8:00 Uhr bereite ich im Deep, einem weiteren Lokal meines Sohnes, das er vor einigen Wochen im Belgischen Viertel eröffnete, wie jeden Sonntag den Brunch. Hier habe ich ein neues Betätigungsfeld gefunden, das mir sehr viel Freude bereitet.

    Prüfend betrachte ich mein Werk. Liebevoll habe ich alles hergerichtet. Die Kaffeemaschine läuft, ich zünde die Teelichter an.

    Ein Blick auf die Uhr sagt mir, es ist Zeit zum Öffnen. Bald schon treffen die erste Gäste ein. Wie immer herrscht eine entspannte fast familiäre Atmosphäre. Ich eile von Tisch zu Tisch, nehme die Bestellungen, oft und gerne auch Sonderwünsche auf. Hier ein freundliches Händeschütteln, dort Küsschen rechts und links auf die Wange. Diesen Beweis der Zuneigung kenne ich zwar von meinem Geschäft nicht, hier in diesen Kreisen ist er üblich und ich kann gut damit umgehen.

    Sind alle Gäste versorgt, setze ich mich mit einer Tasse Kaffee dazu, immer darauf bedacht, allen gleich freundlich zu begegnen. Niemand soll zu kurz kommen. So erfahre ich den neuesten Klatsch, Freude und Kümmernisse der Gäste,

    Zur Verstärkung trifft gegen 11:00 Uhr mein Kollege Andy ein. Viele Gäste erscheinen erst gegen Mittag und so wird es noch einmal richtig stressig. Andy und ich kommen gut miteinander aus. Wie ein Großteil der Gäste ist auch er schwul und wird mal wieder von Liebeskummer geplagt. Ich merke, er brennt darauf, mir sein Herz auszuschütten. Oft nennt er mich seine Ersatz-Ma und tatsächlich komme ich mir langsam, zugegeben nicht ohne Genugtuung, wie die Mutter der Nation vor.

    Die Zeit vergeht wie im Flug. Zufrieden und gesättigt verlassen die ersten Gäste das Lokal. Wir räumen die Tische ab. Ich begebe mich in die Küche und beginne, Torten und allerlei andere Leckereien aus eigener Herstellung für den Nachmittag anzurichten.

    Jetzt ist Zeit für eine Verschnaufpause. Andy und ich setzen uns zu einem vertrauten Plausch zusammen. Es regnet in Strömen, darum rechnen wir am Nachmittag nicht mit großem Andrang . Ich schalte die Außenbeleuchtung ein. Die Kerzen verbreiteten zwar ein heimeliges Licht, ihr Schein dringt jedoch kaum nach draußen, so dass leicht der Eindruck entsteht, dass Lokal sei geschlossen. Um frische Luft hereinzulassen, öffne ich Fenster und Tür.

    Ein einzelner Gast betritt den Raum und setzt sich an einen der Fensterplätze. Ich erhebe mich, bedeute Andy sitzen zu bleiben und gehe zu dem Neuankömmling, um seine Wünsche entgegenzunehmen. „Kakao mit Amaretto bitte." Nach einiger Zeit setzt er sich zu uns an den Tresen. Eine unverbindliche Unterhaltung kommt in Gang.

    Mit der Zeit habe ich mir ein Schema zugelegt, in das ich die Gäste einstufe. Dieser kommt in die Kategorie Angenehmes Erscheinungsbild, weiter mache ich mir keine Gedanken. Seine traurig blickenden Augen fallen mir auf. Was soll ich mir den Kopf zerbrechen über die traurigen Augen eines Fremden, den ich wahrscheinlich nie wiedersehen würde.

    An einem der nächsten Tage fällt mir beim Durchblättern der Zeitung ein Inserat ins Auge. Private Reisegruppe sucht vom 28. Dezember 2001 bis 02. Januar 2002 noch Teilnehmer, die an einer Woche Urlaub im Bayerischen Wald interessiert sind. Spontan verspüre ich Lust, mich einzuklinken. Mein Sohn ermuntert mich zur Mitfahrt. Er hat sich über Weihnachten zum Dienst eingeteilt um die Mitarbeiter zu entlasten, wird also für mich wenig Zeit haben. Das Deep soll an den Feiertagen geschlossen bleiben.

    Kurzentschlossen wähle ich die angegebene Telefonnummer und erhalte Informationen über den Programmablauf. Was ich höre gefällt mir, so dass ich meine Teilnahme an der Reise zusage.

    Am 09. Dezember 2001, wieder einem Sonntag mit seinem üblichen Ablauf, betritt am frühen Nachmittag der Gast Angenehmes Erscheinungsbild unser Lokal. Keinen Gedanken habe ich an ihn verschwendet, werde jedoch durch ein bezeichnendes o, o von Andy auf ihn aufmerksam. Scheinbar hat er sich bei uns wohlgefühlt. Zielstrebig kommt er zum Tresen und nimmt Platz.

    Ohne nachzudenken frage ich, „Kakao mit Amaretto? Ein Lächeln erscheint auf seinem markanten Gesicht, „das haben sie behalten? Täusche ich mich oder klingt in seiner Stimme ein wenig Genugtuung? Ich werde doch tatsächlich verlegen und ärgere mich. Den Kakao servierte ich ihm wortlos. Dem ersten Eindruck füge ich sieht verdammt gut aus hinzu. Meine Schweigsamkeit ignorierend, beginnt er ein Gespräch, in das er auch Andy einbezieht. Meine Befangenheit verfliegt und schon entbrennt eine angeregte Unterhaltung. So erfahren wir, dass er in der Türkei lebt, im Villenviertel von Alanya ein komfortables Wohnhaus sein Eigen nennt und im Zentrum der Stadt als Zahntechniker-Meister eine gut florierende Praxis mit Labor unterhält.

    Um einen kürzlich erlittenen Herzinfarkt auszukurieren, ist er in Deutschland. Dank seines qualifizierten, zuverlässigen Personals, darunter ein aus Belgien stammender Zahnarzt, der ihn in seiner Abwesenheit gewissenhaft vertritt, kann er sich diese lange Auszeit leisten. In seinem Labor, so erzählt er weiter, fertige er spezielle, sehr lukrative Vertragsarbeiten für die Kliniken Köln, Düsseldorf, Aachen. Diese Verbindung besteht aus seiner langjährigen Selbstständigkeit in Deutschland.

    Das alles erzählt er ganz beiläufig, in ruhiger, bescheidener Art, sodass er nicht den Eindruck eines Angebers oder gar Aufschneiders erweckt. Nach seiner gesundheitlichen Wiederherstellung wolle er zunächst nicht mehr arbeiten, sondern eine längere Auszeit nehmen. Aus diesem Grund suche er in Köln eine Wohnung, kaufen oder mieten sei noch offen. Bisher jedenfalls habe er noch nicht das Richtige gefunden.

    Natürlich gebe ich im Laufe der Unterhaltung auch einiges über mich preis. Erzählte von meinem Umzug nach Köln, meiner Liebe zum Motorradfahren, dem sorgenfreien Ruhestand und wie viel Freude mir die Arbeit im Lokal meines Sohnes bereitet. Aufmerksam, ohne mich zu unterbrechen, hörte er zu. Nach dem dritten Kakao mit Amaretto und einem Blick auf die Uhr, verabschiedet er sich. Auf seine Frage, ob er wiederkommen darf, antworte ich unverbindlich: „ Mir ist jeder Gast herzlich willkommen."

    An einem der nächsten Abende betritt Peter Beermann, so hatte sich der angenehme Erzähler bei seinem letzten Besuch vorgestellt, das Lokal. Ich bin nicht erstaunt, habe fast mit seinem Erscheinen gerechnet. Geschmackvoll gekleidet sieht er unverschämt gut aus, kommt auf mich zu und reicht mir zur Begrüßung die Hand, vertraut wie bei alten Bekannten. Nach kurzem Plaudern sind wir beim Du, in Köln, vor allem bei einem Thekengesprächs nichts Unübliches.

    Wieder begegne ich seinem traurigen Blicke. Das bilde ich mir nicht ein, da ist etwas Rätselhaftes, was ich mir nicht erklären kann. Es erweckt in mir das Gefühl, ihm helfen zu müssen, gut zu sein, zu diesem für mich doch eigentlich Fremden. Sicher, so denke ich, ist er in der Vergangenheit zutiefst verletzt worden.

    Nie habe ich Mühe, Abstand zu halten. Hier ist es etwas ganz anderes. Von Anfang an ist da eine Nähe, gegen die ich mich nicht wehren kann, die mich fast in die Pflicht nimmt. Ich finde dafür keine Erklärung.

    Wie selbstverständlich kommt Peter hinter die Theke und macht sich an der Musikanlage zu schaffen. Bei den ersten Klängen nimmt er mich bei der Hand. Ausgelassen drehen wir uns zur Musik. Gott sei Dank oder leider wird der Zauber des Augenblicks von eintretenden Gästen unterbrochen.

    Nun kommt er jeden Abend. Unser Umgang wird vertrauter. Ich lasse die ein e oder andere Zärtlichkeit zu. Ein flüchtiges Berühren, ein Hauch von einem Kuss, eine zufällige kurze Umarmung, halt wie bei guten Bekannten. Seit vier Jahren lebe ich allein, bin nicht auf der Suche, jedoch finde ich Gefallen an diesem Geplänkel. Verspätet er sich, werde ich unruhig. Er hat im Dorint-Hotel in Köln-Junkersdorf Quartier bezogen, wo er ein Seminar für Nachwuchstechniker hält. Außerdem erweist er einem Kollegen aus Düren einen Freundschaftsdienst, indem er ihm bei der Behandlung komplizierter Fälle, wie der Erstellung von Implantaten, Beermanns Spezialgebiet, hilfreich zur Hand geht. Alles nichts Anstrengendes. Warum er seine Selbstständigkeit nicht in Deutschland ausübt, möchte ich wissen. Der Grund ist, dass er 1998 beim Verkauf seiner Anteile an einer Gemeinschaftspraxis von seinen Partner um ca. 200.000 DM betrogen worden sei. Den verbleibenden Erlös habe er am Fiskus vorbei in die Türkei transferiert, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen.

    Peter erzählt von seinem sechsjährigen Sohn aus seiner gescheiterten Ehe, den er abgöttisch liebt. Um den Kontakt zu ihm nicht abbrechen zu lassen, fliegt er mehrmals im Jahr nach Deutschland, wohnt in der Zeit bei seinem Vater in der Nähe von Aachen im elterlichen Haus. Für den Unterhalt von Ex-Frau und Sohn sorgt er in großzügiger Weise.

    Bei seinem letzten Deutschlandbesuch im Mai 2001 wird er wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung verhaftet und sitzt für kurze Zeit in U-Haft. Aus Mangel an Beweisen kommt er wieder auf freien Fuß. Man will jedoch ein Auge auf ihn haben, gibt man ihm zu verstehen. Er äußert den Verdacht, dass hier seine ehemaligen Geschäftspartner die Finger im Spiel haben.

    Am 12. Dez. 2001 lädt Peter mich zum Essen ins Thai-Haus ein, eine Gelegenheit, mich wieder mal so richtig chic zu machen. Während der Arbeit im Lokal trage ich zweckmäßige, sportliche Kleidung.

    Peter sieht mich bewundernd an und macht mir Komplimente. Es wird ein sehr schöner Abend. Anschließend begleitet er mich bis zu meiner Haustür und verabschiedet sich mit einem zärtlichen Kuss. Ich fühle mich wohl in seiner Nähe. Es ist angenehm und unverbindlich. Fast jeden Abend schaut er nun vorbei oder holt mich nach Feierabend ab. In einem der vielen Lokale finden wir nach ausgedehnten Abendspaziergängen immer ein gemütliches Plätzchen, essen eine Kleinigkeit, plaudern angeregt. Der Gesprächsstoff geht uns nie aus. Mal zahlt er, mal ich, so wie bei guten Freunden eben. Ob ich ihn zur Besichtigung einiger Immobilien begleiten würde, will er wissen. Sein Entschluss, sich in Deutschland ein zu Hause zu schaffen, nimmt immer festere Formen an. Es gibt nichts Auffälliges, keinen Grund beunruhigt zu sein, im Gegenteil.

    Weil das Wetter für längere Spaziergänge zu ungemütlich wird, verbringen wir die Abende meistens bei mir, er wohnt weiter im Hotel. Er ist ein perfekter Unterhalter, ich eine geduldig interessierte Zuhörerin. So erfahre ich viele Details aus seinem Leben. Seinen Vater schildert er als unberechenbaren Trinker, der Frau und Kinder, Peter hat eine jüngere Schwester, tyrannisiert. Die Urlaube mit den Eltern, zumeist in Oberstdorf finanziert er sich schon als 14jähriger durch Arbeit bei Bauern auf dem Feld oder in Handwerksbetrieben. Kurz vor dem Abitur fliegt er von der Schule, weil er einen Lehrer, der seinen Vater vor der ganzen Klasse als Alkoholiker bezeichnet, tätlich angreift.

    Mit seinem Berufswunsch Zahntechniker, ist der Vater nicht einverstanden. Das sei etwas für Schwule und Frauen. Durch die Vermittlung einer Tante, die eine leitende Stelle bei der Techniker-Innung bekleidet, beste Verbindungen zu umliegenden Praxen und Labors hat, tritt er trotz des väterlichen Widerstandes die Lehre in einem renommierten Labor an. Schon nach zwei Jahren legt er Dank seiner guten Leistungen, seinem nicht zu übersehenden Talent die Gesellen-Prüfung mit Bestnoten ab.

    In seiner knappen Freizeit engagiert er sich bei der kath. Gemeinde seines Heimatorts als Jugendbetreuer, bereitet den Jugendgottesdienst vor, organisiert Gruppenreisen und begleitet die jungen Leute mehrmals im Jahr in die Freizeit. Mit Freude und Eifer ist er bei der Sache. Auf einer dieser Reisen lernt er seine spätere Frau kennen. Sie ist 15, er 19 Jahre alt. Sehr schnell und mit offenen Armen wird der zielstrebige, fleißige junge Mann im schwiegerelterlichen Haus aufgenommen. Hier lernt er ein Familienleben kennen, das ihm völlig fremd ist. Die zukünftigen Schwiegereltern und ganz besonders die mit im Haus lebende Großmutter umsorgen ihn liebevoll und bereiten ihm ein ganz neues zu Hause. Sabine ist seine große Liebe und er findet in allem seine Erfüllung. Gemeinsame Urlaube führen zumeist in die Toskana, wo die Schwiegereltern Mitinhaber eines alten Weingutes sind.

    Für ihn entwickelt sich alles toll. Der Schwiegervater, ein Bankdirektor nimmt ihn mit zu seinen Kegel- und Herrenabenden. Für Peter erschließt sich eine ganz neue Welt.

    Man feiert Verlobung. Das Dachgeschoss im Haus wird für das junge Paar ausgebaut, großzügig hergerichtet und schon bald zieht Peter aus dem Elternhaus um in das neue Domizil. Es läuft alles perfekt und wunderbar. Bald besucht er die Meisterschule und erlangt schon mit 24 Jahren den Titel des Zahntechnikermeisters.

    Im Beruf erfolgreich, von der Familie anerkannt, schwebt er auf Wolke sieben. Arbeit und Überstunden, Überstunden und Arbeit. Geld, von seinem Schwiegervater gut beraten und gewinnbringend angelegt, spielt schon bald keine Rolle mehr. Er erfüllt sich seinen Traum und kauft einen Porsche, erwirbt einen Anteil an dem Weingut in Italien, die Sonne scheint Tag und Nacht. In allem passt er sich der Familie an, alles wird im Familienrat besprochen und beschlossen. Vor allem Sabine legt sehr viel Wert auf die Meinung der Eltern. Über einen gemeinsamen Telefonanschluss erreichen die eingehenden Anrufe nur über die Schwiegereltern das junge Paar. So werden auch die Gäste der Kinder erst im Parterre empfangen und begutachtet. Hin und wieder stört es ihn, noch überwiegen die Vorteile.

    Der Familienrat drängte auf baldige Heirat. Sabine würde lieber ein Studium auf Lehramt beginnen. Sie fügt sich wie fast immer dem Wunsch der Eltern. Dass sie nun verschlossen und still wird, fällt bei den Hochzeitsvorbereitungen kaum jemandem auf.

    In der Hochzeitsnacht bekommt Peter einen Vorgeschmack auf das künftige Zusammenleben mit seiner jungen Frau. Hat sie ihm bisher immer ihre Liebe beteuert, seine Nähe gesucht, bleib sie nun verschlossen und zeigt ihm die kalte Schulter. Ihr Verhalten gegenüber dem angeblich so geliebten Mann wird fast eisig. Auf Hochzeitsreise begibt sich die komplette Familie, natürlich ist auch die Großmutter mit von der Partie. Das Ziel ist, wie kann es anders sein, die Toskana.

    Es scheint alles perfekt. Sabine gibt ihren Wunsch zu studieren auf, erlernt den Beruf der Chemielaborantin und ist schon bald so erfolgreich, wie ihr Mann. Er wünscht sich von Herzen Kinder, doch Weihnachten so Peter, ist öfter. Er vergräbt sich in seine Arbeit und kommt, meist schläft seine Frau schon, immer öfter sehr spät nach Hause. In diesem Jahr macht er sich selbstständig, richtet ein Labor nach dem modernsten Stand ein und holt ein junges, tüchtiges Team an seine Seite. Ohne jemanden ins Vertrauen zu ziehen, aus einer unguten Ahnung heraus und dem Bedürfnis etwas für sich ganz alleine zu tun, legt er sein schwarz verdientes Geld in den Kauf einer Eigentumswohnung im nahe gelegenen Belgien an. Seine Frau wird immer unzugänglicher. Es beginnt zu kriseln. Von Sabine vernachlässigt, von der Familie erdrückt, hält er diesen Zustand nicht mehr aus. In einer Kurzschlusshandlung bricht er aus dem goldenen Käfig aus und zieht in seine Wohnung nach Belgien. Sein gut gehendes Labor will er nicht aufgeben, darum fährt er nun jeden Tag über die Grenze. Außer seiner Mutter, der er sich anvertraut, kennt niemand seinen Aufenthaltsort.

    Für kurze Zeit muss er mit akuten Magenbeschwerden ins Krankenhaus. Es werden Magengeschwüre diagnostiziert. Natürlich sorgt er für den Unterhalt seiner Frau. Loser Kontakt findet nur in seinen Laborräumen statt. Bald schon stellen beide fest, sie können nicht mit- aber auch nicht ohne einander. Nach einem halben Jahr finden sie wieder zusammen, ziehen aus dem Elternhaus aus, einige Straßen weiter in eine eigene Wohnung. Für kurze Zeit bessert sich alles, das zumindest meint Peter. Das Glück kehrte wieder ein. Sabine wird schwanger und leidet an einer schweren Schwangerschaftspsychose, wechselt die Ärzte wie andere die Hemden. Mit Blaulicht wird sie mehrfach in eine Klinik gebracht, bald wieder entlassen, organisch ist alles in Ordnung. Von nun an hat Peter keine ruhige

    Minute mehr.

    Seine Frau macht ihm wegen der Schwangerschaft Vorwürfe, denkt ernsthaft an Abtreibung, was er mit Unterstützung eines befreundeten Arztes verhindert. Der Sohn wird geboren. Peter ist bei der Geburt dabei. Überglücklich hofft er nun auf eine positive Entwicklung.

    Auf Verlangen seiner Frau ziehen sie wieder ins Elternhaus. Durch ihre Psychose bleibt sie unberechenbar und wird mit dem kleinen Söhnchen zu einer Mutter-Kind-Therapie in eine Klinik eingewiesen. Dort will sie außer den Eltern niemanden sehen, auch ihren Mann nicht.

    Nun steht er erneut außen vor und ist völlig verzweifelt. Oft fährt er abends oder am Wochenende hin, um aus der Ferne Frau und Sohn zu sehen. In dieser für ihn so schweren Zeit lernt er bei einem Fortbildungsseminar eine andere Frau kennen. Lange ist er hin- und her gerissen zwischen Pflicht und Gefühl. Nachdem sich das Verhalten seiner Frau auch nach Beendigung der Therapie nicht bessert, gibt er seinen Gefühlen nach und trennt sich von Frau und Sohn. In der Nähe seines Labors kauft er eine Eigentumswohnung, die er mit seiner neuen Liebe Edith bezieht.

    Sabine reicht die Scheidung ein. Beermann erhält Besuchsrecht. Den Kontakt zum Söhnchen machen ihm die Schwiegereltern und seine Ex-Frau mit fadenscheinigen Argumenten sehr schwer. Um fast jede Minute Zusammensein muss er kämpfen. Das, was ihm seine Frau verweigert, gewährt ihm seine neue Partnerin in großzügigem Maß. Er genießt diese Zuwendung in vollen Zügen. Im Gegenzug verwöhnt er sie mit Geschenken. Auto, Schmuck, teure Garderobe, Urlaub in den besten Hotels.

    Sein Labor floriert durch unermüdlichen Einsatz und Überstunden. Er verdient Geld ohne Ende, hat nichts dagegen, dass seine neue Partnerin mit ihren Freundinnen Alleinunternehmungen startet, Kurztrips nach Paris oder Holland, Tennisunterricht nimmt und auch sonst kein Kind von Traurigkeit ist. Sie arbeitet stundenweise in einem Praxislabor. Im eigenen Betrieb, im eingespielten Team will Peter sie nicht haben, da sie, wie er sehr schnell feststellen muss, vom Niveau nicht zu seinen Leuten passt. Immer öfter erhält er aus seinem Freundeskreis Hinweise auf Ediths zweifelhaften Ruf und dass sie es mit der Treue nicht so genau nimmt. Er schließt vor allem die Augen, denn Frau und Sohn wegen eines Flittchens verlassen zu haben, will er sich nicht eingestehen. Bald basiert die Verbindung nur noch auf rein sexueller Ebene. Edith wird schwanger. Wieder schöpft er Hoffnung, alles wird gut.

    Tochter Alida wird geboren. Sie beschließen, weiter zusammenzubleiben. Nun, da es laut seiner geschiedenen Frau den Bastard gibt, gestaltet sich der Kontakt zu seinem Sohn noch schwieriger. Peter liebt beide Kinder, Joshua ist stolz auf seine kleine Schwester, Peter leidet und schweigt.

    Edith nimmt schon bald ihre alten Lebensgewohnheiten wieder auf, startet viele Alleingänge und stellt als Mutter seiner Tochter unverschämte Forderungen. Er vergräbt sich in seine Arbeit.

    Dann überstürzen sich die Ereignisse. Die Tochter muss wegen eines Herzfehlers operiert werden. Bei den hierzu erforderlichen Untersuchungen stellt sich heraus, Peter ist nicht Alidas Vater. Eine Welt bricht für ihn zusammen. Obendrein erwischte er Edith in Flagranti mit ihrem Tennislehrer. Daraufhin setzt sie vor die Türe. Peter unternimmt einen Suizidversuch, der fehlschlägt. Auf Anraten seines Arztes begibt er sich für 1/4 Jahr in eine Privatklinik in Bad Neuenahr. Vor kurzem fand ich in seinen Unterlagen einen Zahlungsbefehl der Klinik über 25.000 DM. Zur finanziellen Sicherheit Alidas, die er liebt wie eine eigene Tochter, schließt er eine hohe Versicherung ab. Auch seine Familie versorgt er großzügig. Langsam findet er wieder ins Leben zurück. Nach Verlassen der Klinik verkauft er sein Labor und bereitet seine Übersiedlung in die Türkei vor.

    Das ist Peters Version.

    (Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Edith trennt sich von dem untreuen, oberflächlichen Vater ihrer Tochter. Sie, eine fürsorgliche Partnerin und Mutter, hatte nie ein Verhältnis mit dem Tennislehrer. Gegen Peter läuft ein Verfahren wegen unterlassener Unterhaltszahlung in drei Fällen. )

    Für den 15. / 16. Dezember 2001 lädt mich Peter zu einem Wellneswochenende in sein Hotel ein. Erfreut sage ich zu. Er lässt mich mit einem Taxi abholen, beschreibt mir am Telefon den Weg zu seinem Zimmer, sodass mir der Gang zur Rezeption erspart bleibt. Er ist aus dem Dorint Junkersdorf ins Dorint-Messe umgezogen, warum auch immer. Überall steht noch sein Gepäck herum. Was mich allerdings wundert ist, dass ich bei einem Anruft in der vergangenen Woche in Junkersdorf die Auskunft erhalte, dass von mir genannte Zimmer bewohne ein Herr Meuthen. Ein Peter Beermann ist im Haus nicht bekannt.

    Die Zimmernummer habe ich von Peter. Hatte ich mich so verhört? Als ich ihn zur Rede stelle, nimmt er mich lachend in den Arm und erklärt, er halte das Seminar zusammen mit Kollege Meuthen und teile auch das Hotelzimmer mit ihm. Ich habe keinen Grund, seine Erklärung anzuzweifeln.

    (Peters Großmutter heißt Meuthen. Er ist unter ihrem Namen in Junkersdorf abgestiegen. Ohne die Zeche zu zahlen, zieht er um ins Messehotel. Es gibt keinen Kollegen und auch kein Seminar. )

    Peter verhält sich eigenartig zurückhaltend und einsilbig, wirkt verunsichert. Nichts von seinem Charme, seinem sonst so ungehemmten Redefluss. Plötzlich nimmt er mich bei den Schultern und sieht mich eindringlich an. „Ich habe dieses Wochenende mit dir unüberlegt und übereilt geplant sagt er. „Du weißt von meinen Negativerlebnissen mit Frauen. Es liegt mir sehr viel an unserer Beziehung, nur geht mir alles zu schnell. Bitte sei nicht böse, wenn ich dich wieder nach Hause begleite.

    Was soll ich dazu sagen, ich bin völlig überrumpelt. Er bringt mich zurück auf die andere Rheinseite, zu meiner Wohnung. Schon im Flur höre ich das Läuten des Telefons. Am anderen Ende der Leitung entschuldigt sich Peter tausendmal für sein Verhalten und versucht mir seine Berührungsängste zu erklären. Ihm sei erst jetzt klar geworden, wie viel in ihm zerstört ist. Ich will ihn ja verstehen, jedoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

    Sonntag, den 16. Dezember 2001 trete ich wie üblich meinen Dienst im Deep an. Gegen Mittag kommt Peter. Das schlechte Gewissen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zerknirscht fragt er, ob ich ihm noch böse bin. Die Unterhaltung will nicht so recht in Gang kommen. Er wirkte übernächtigt, ist unrasiert. Nervös und zerfahren druckst er herum, was so gar nicht seine Art ist. Und dann kommt etwas, mit dem ich ganz und gar nicht gerechnet habe. Er bittet mich, ihm für ganz kurze Zeit 15.000 DM zu leihen, erzählt im Flüsterton von einer geheimnisvollen Organisation, der er seit einiger Zeit angehöre, deren Namen laut zu nennen äußerst gefährlich sei. Jedes Mitglied sei verpflichtet, in gewissen Abständen eine Einlage zu leisten. Käme er diesen Auflagen nicht nach, könne es ihn Kopf und Kragen kosten.

    Die Organisation tätige Geldverleih in ganz großem Rahmen. Die Einlage bilde das Grundkapital für diese unseriösen Geschäfte, mit sehr hohem Gewinn. Aus eingangs erwähnten Gründen wage er sich nicht an seine Konten in der Schweiz, da er sich noch immer von der Steuerbehörde überwacht fühle. Ich bin überrascht, unangenehm berührt von seinem Anliegen. Angst beschleicht mich. Deutlich gebe ich zu verstehen, dass ich nicht gewillt bin, ihm zu helfen. „Mein Geld ist fest angelegt und so kurzfristig nicht kündbar. Völlig niedergeschlagen, mit den Worten: „Dann muss ich anderweitig um Hilfe bitten, geht er.

    Am Abend kommt er wieder. Unter Tränen offenbart er mir, nicht mehr ein noch aus zu wissen. Die Organisation ließe nicht mit sich spaßen und setze ihn massiv unter Druck. Den Vater, der im Krankenhaus liegt, kann er nicht um Hilfe bitten. So bedrängt und in die Enge getrieben, verlange ich eine Bedenkzeit. Mein Sohn, den ich ins Vertrauen ziehe sagt: „Es ist dein Geld das du dir schwer verdient hast und nur du kannst entscheiden, was damit geschieht. Das bringt mich nicht weiter. Also rufe ich meine Freundin Elke an. Die reagiert empört: „Ein Mann, der eine Frau anpumpt, vor allem nach so kurzer Zeit, ist kein guter Mann. Schieße ihn in den Wind.

    Es ist alles unbefriedigend und nicht das, was ich hören will. „Zeig dich von deiner großzügigen Seite, spring über deinen Schatten und sei mal nicht so knauserig. Außerdem bekommst du ja nach kurzer Zeit das Geld mit hohem Gewinn zurück." Das will ich hören.

    Für Montag Morgen bitte ich meine Kundenberaterin bei der Sparkasse um einen Termin, mit ihr will ich sprechen, sie hat Erfahrung in solchen Dingen. Auch sie rät mir konsequent ab. Aber er ist doch so nett und bemüht um mich, so liebenswürdig und vertrauenerweckend. Das kann ich doch nicht mit Füßen treten. Ich will genau so lieb und nett sein, mich von meiner großzügigen Seite zeigen, nur suche ich jemanden, dem ich die Verantwortung für mein unvernünftiges Handeln übertragen kann. Außerdem, hatte ich nicht im Elternhaus gelernt, und das wurde mir immer wieder vermittelt, sei lieb, sei nett und gefällig, dann wirst du auch geliebt?

    Ich rufe meinen Sohn an und bitte ihn, abends ins Deep zu kommen. Peter wird da sein, um meine Entscheidung zu hören. So kann Eric ihn kennen lernen und sich seine eigene Meinung bilden.

    Es wird ein netter Abend. Die beiden Männer unterhalten sich, mein Sohn findet Peter sympathisch, „aber Ma, was verlangst du von mir? Ich kann dir die Entscheidung nicht abnehmen."

    Peter begleitet mich nach Hause. Mit geschickt gewählten Worten vermittelt er mir das Gefühl, großartig zu sein, würde ich ihn aus der misslichen Lage retten. An der Haustüre verabschiedet er sich, geht nicht mit in meine Wohnung, sondern traurig mit hängenden Schultern davon.

    Ich verbringe eine schlaflose Nacht, schwankend zwischen liebem Mädchen, bösem Mädchen. Dienstagmorgen gehe ich zur Bank, kündige einen Sparvertrag und lasse mir, begleitet von dem verständnislosen Kopfschütteln meiner Sachbearbeiterin 15.000 DM auszahlen. Meine Entscheidung ist gefallen und ich fühle mich gut. Großartig fühle ich mich am Abend, als ich bei der Geldübergabe das Leuchten in Peters Augen sehe. ch spüre seine Dankbarkeit und Erleichterung. Ich komme mir vor wie seine Lebensretterin. Warum habe ich nur so gezaudert? Ist der erste Schritt einmal getan, ist großzügig sein gar nicht so schwer. Außerdem bekomme ich das Geld mit Gewinn zurück.

    (Mit meinem Geld begleicht er seine dringendsten Verbindlichkeiten.Vielleicht die Hotelrechnung in Junkersdorf, oder die ausstehenden Unterhaltszahlungen. )

    Peter kommt weiter jeden Tag, zeigte sich sehr um mich bemüht, behandelt mich wie ein rohes Ei, wie etwas ganz besonderes. Von nun an bin ich das ja auch, nämlich seine Scheinwerferin! Er spielt seine Rolle perfekt, den anständigen überaus dankbaren Mann, der mir in keinster Weise zu nahe tritt. Es bleib weiterhin bei kleinen Zärtlichkeiten und liebevollen Küssen.

    Eines Abends erzähle ich Peter von meiner bevorstehenden Reise in den Bayerischen Wald. Spontan, fast entrüstet reagiert er: „Du glaubst doch nicht, dass ich dich alleine fahren lasse. Ich möchte dich begleiten, natürlich nur, wenn du einverstanden bist. Ich habe Angst, du kommst nicht alleine zurück, bist für mich nicht mehr erreichbar. Ich habe dir noch nichts von meinen Gefühlen gesagt, nur so viel, ich möchte dich nie mehr verlieren." Also bucht er nach.

    (Die Kuh, die sich so leicht melken lässt, will er nicht aus den Augen lassen. )

    Am 23. Dezember 2001 ist mein letzter Arbeitstag. Peter und ich beschließen, die Feiertage gemeinsam zu verbringen. Aus seinen Erzählungen weiss ich, dass er ein leidenschaftlicher Koch ist. Er besteht darauf, das Festmenü für uns zu bereiten und beginnt sofort mit der Zusammenstellung der Einkäufe. Heiligabend holt er mich am frühen Vormittag ab und wir machen uns auf, zu dem geplanten Einkaufsbummel. Was er aussucht und wie er seine Wahl trifft, zeigt mir, dass er wirklich Ahnung hat. Richtig spannend wird es beim Aussuchen der Getränke. Er stellt sich als exzellenter Weinkenner heraus, nicht verwunderlich bei einem Mitbesitzer eines Weingutes in Italien. Wir nehmen hier und da eine kleine Kostprobe, sind beschwingt und ausgelassen. So gut habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

    Es war mir in den letzten Jahren beileibe nicht schlecht gegangen. Durch meinen Erfolg im Geschäft, mein umsichtiges Handeln konnte ich mir einen gewissen Luxus erlauben. Jedoch achtete ich sorgfältig darauf, dass mein finanzielles Polster nicht abnahm. Ich führte ein sorgenfreies Leben. Meine Wohnung, Auto, Motorrad, alles war bezahlt. Den Erlös aus dem Verkauf meines Geschäftes und der Immobilien legte ich Gewinn bringend an, erwarb Aktienanteile. Im Laufe der nächsten Jahre waren vier Lebensversicherungen zuteilungsreif.

    Nun, nach vierjährigem Single-Dasein ist ein Mann an meiner Seite, bei dem ich mich rundherum wohl fühle. Wie lange diese Verbindung hält, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich lebe im Heute und Jetzt. So unbeschwert habe ich das Leben noch nie genossen. Meine Zukunft ist gesichert. Über die 15.000 DM ist bisher kein Wort gefallen. Dieses Thema meiden wir beide. Mir ist es unangenehm ihn auf die Rückzahlung anzusprechen, ihm kann es Recht sein.

    Der Heilige Abend verläuft traumhaft. Peters Essen ist köstlich. Ich habe den Tisch festlich gedeckt, die Wohnung weihnachtlich geschmückt, er bleibt zum ersten Mal über Nacht. Am ersten Feiertag besucht Peter seinen Sohn und auch beim Vater, der das Krankenhaus verlassen hat, will er vorbeischauen.

    Bei seiner Rückkehr verhält er sich, als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen und beteuert: Ohne dich gehe nichts mehr. Beim nächsten Mal will ich dich unbedingt dabei haben und meinem Vater vorstellen. Meinst du, du kannst für immer mit mir leben? Ganz ernst sieht er mir bei der Frage in die Augen. Etwas sperrt sich in mir darauf zu antworten. Schweigend nehme ich ihn in den Arm. Es ist ein beeindruckender Gefühlsausbruch. Da wir ohnehin in drei Tagen den gemeinsamen Urlaub antreten, beschließen wir, nein macht er den Vorschlag, sein Hotelzimmer aufzugeben, und sein Gepäck zu holen. Er zieht bei mir ein, was nur als vorübergehende Lösung geplant ist, denn nach unserer Rückkehr aus dem Bayerischen Wald will er sich ernsthaft nach einer größeren Wohnung umsehen. Kaufen oder mieten, die Entscheidung möchte er erst treffen, wenn er ohne Gefahr Zugriff auf seine Konten in der Schweiz und Türkei hat. Der Fiskus, der Fiskus!!!

    Die Zeit im Bayerischen Wald verläuft sehr harmonisch. Peter überrascht mich mit einer achttägigen Urlaubsverlängerung. Möglicherweise zahlt er die mit einem Teil meiner 15.000,-- DM. Mit dem Pächterehepaar unseres Hotels, Hermann und Resi, haben wir schon bald ein freundschaftliches Verhältnis.

    Abends trifft sich unsere Reisegruppe zum gemütlichen Beisammensein. Es ist nicht zu übersehen, wie beeindruckt alle von diesem charismatischen Mann und seinen interessanten Erzählungen, vor allem über sein Können und Wissen als Spezialist der Zahnmedizin sind. Man hängt gebannt an seinen Lippen. Geschickt weiss er lustige oder auch tragische Episoden und Erfahrungen mit seinen Patienten in Deutschland und der Türkei einzustreuen. Ich spüre den Neid der überwiegend weiblichen Reiseteilnehmer. Dieser charmante Mann gehörte zu mir.

    Peter bucht bei Hermann, zwar noch unverbindlich, Seminarräume für eine Masterwork-Schulung, die er mit seiner Agentur für Februar plant. Die Wahl des Veranstaltungsortes überlässt man ohnehin ihm. Das Hotel und seine Lage bieten sich geradezu für diesen Zweck an. Die Zahl der teilnehmenden Zahnärzte und Techniker steht noch nicht fest.

    Nach unserer Rückkehr drängt Peter darauf, die Suche nach einer passenden Immobilie ernsthaft anzugehen. Er macht mir einen Heiratsantrag. Ich bin sprachlos und bitte um Bedenkzeit. Damit habe ich nicht gerechnet. Eigentlich will ich mich nicht mehr binden. Es ist doch auch so alles wunderschön. Auf mein Zögern reagiert er enttäuscht. „Solch einen Antrag stelle ich nur einmal, es ist mir sehr ernst, du bist meine Traumfrau."

    „Ist das nicht romantisch, geht er nicht toll mit mir um?"

    (Im Rückblick wird mir speiübel.)

    Die nächsten Wochen verlaufen unverändert. Peter fährt weiter jeden Morgen nach Düren, um dem Kollegen zur Hand zu gehen. Auf sein Drängen gebe ich die Arbeit im Lokal meines Sohnes auf. Ich kann ihn ja verstehen. Es missfällt ihm, dass ich oft spät in der Nacht nach Hause komme, außerdem sei er jetzt der Ernährer. Davon merke ich nichts, eigentlich merkte ich gar nichts.

    Wir besichtigen mehrere Immobilien und werden Mitte Januar 2002 fündig. Unsere Wahl fällt auf eine traumhaft schöne Eigentumswohnung in Köln- Dellbrück, die gerade renoviert wird. Eigene Pläne und Veränderungswünsche können noch berücksichtigt werden. Mit dem Makler und den Handwerkern führen wir die notwendigen Gespräche. Alles soll natürlich nur vom Feinsten sein, so will es Peter. Wir besuchen Möbelmessen, Einrichtungshäuser, lassen uns Kostenvoranschläge unterbreiten. Es ist aufregend und wir schwelgen in Zukunftsplänen.

    Meine Freunde und Verwandten, die ihn auf Familienfesten kennen lernen, sind von ihm begeistert. Eine Freundin fragt mich ganz verschmitzt, ob Peter nicht einen Bruder habe. Er beeindruckt alle durch sein charmantes Auftreten und bei seiner Art, spannend und überaus interessant zu erzählen, hängen alle an seinen Lippen.

    Mein Gott habe ich ein Glück, ich kann es manchmal gar nicht fassen. In der letzten Zeit erwähnt Peter wiederholt ganz beiläufig die Organisation, der er angehört. Den Gedanken daran habe ich total verdrängt. Nun erfahre ich Einzelheiten. Da es sich bei den anderen Mitgliedern fast ausschließlich um Italiener handelt, komme ich bald zu dem Schluss, dass es sich um eine mafiöse Verbindung handeln muss. Als ich meinen Verdacht laut äußere, antwortete er: „Ich weiß, du bist ein kluges Mädchen. Ich bin entsetzt, geradezu entrüstet. Angst beschleicht mich. Ich verliere die Beherrschung. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben, darum stelle ich ihn vor die Wahl: „Die Mafia oder ich.

    Ich bin ein äußerst wahrheitsliebender Mensch mit festen Prinzipien, der sein Geld immer auf ehrliche Art verdient hat. So etwas kommt für mich nicht in Frage, da gibt es nichts zu überlegen. Lug, Betrug, gar noch schwerere Vergehen sind mir fremd, passen nicht in meine Gedankenwelt, geschweige in mein Leben. Andere Menschen zu hintergehen, ist für mich unvorstellbar. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, damit kann ich etwas anfangen, das bin ich. Peter zeigt sich bei meinem Ausbruch total zerknirscht und ratlos.

    Er ist schließlich kein einfaches, kleines Licht in dieser Organisation und kommt da nicht so raus, wie aus einem Kegelclub. Die meisten, die solch einen Versuch wagen, bezahlen mit ihrem Leben. Sein Pate Pauliano, dem er vor einiger Zeit in einer spektakulären Aktion das Leben gerettet hatte, sieht in ihm den zukünftigen Schwiegersohn und Ehemann seiner Tochter Ricarda. Es ist eine ganz besondere Geste, nicht nur, dass man einen Deutschen in der Organisation duldet, die Verbindung mit seiner Tochter macht Peter zum Familienmitglied, das ist eine einzigartige Auszeichnung. Gegen ein kleines Abenteuer mit einer Deutschen Frau, eine unbedeutende Lapalie, hat Pauliano nichts einzuwenden, jedoch eine feste Verbindung mit mir wird er nie akzeptieren.

    Peter verspricht, den Paten in einem ernsthaften Gespräch umzustimmen, sich gar mit einer großen Summer freizukaufen. Er hofft auf Verständnis und Paulianos Entgegenkommen, da er mit mir die Liebe seines Lebens gefunden hat.Mich beschleicht ein unheimliches Gefühl. Ich habe Angst, panische Angst um Peter, um mich, unser Leben, unsere gemeinsame Zukunft. Zum ersten Mal in der Zeit mit ihm weine ich. Diesmal nicht vor Glück, sondern aus purer Verzweiflung. Unsere Lage ist so hoffnungslos. „Mafia," um Gottes Willen, in was bin ich da geraten? Wie sollen wir da herauskomme? Peter versucht mich zu beruhigen, Pauliano schon am nächsten Tag um die für uns so entscheidende Unterredung zu bitten. Diese Gespräche führt er nicht von unserem Telefonanschluß, sondern aus einer Telefonzelle, um die Gefahr abgehört zu werden, auszuschließen.

    Beschwingt und guter Laune, mit guten Nachrichten kommt er nach kurzer Zeit zurück. Pauliano hat für einen der nächsten Abende seinen Besuch zugesagt. Auf den Tag genau festlegen kann er sich nicht, da ihn dringende Geschäfte in Italien aufhalten. „Vielleicht bringt er sogar Nicola, seinen Stellvertreter, einen mir sehr wohl gesonnenen Bruder mit, der sicher ein gutes Wort für uns einlegt. Auf seine Meinung hält Pauliano große Stücke. Du wirst sehen, Hase, wir finden schon eine allseits befriedigende Lösung. Wenn sie mein Mädchen erst mal kennen gelernt haben, können sie sich gar nicht gegen uns entscheiden, bei diesen Worten strahlt er mich überzeugend, mit einem Augenzwinkern an. „Ich werde was Tolles kochen. Pauliano ist ein Feinschmecker. Mit einem guten Essen kann ich ihn sicher friedlich stimmen. Natürlich wird es nicht einfach sein, für mich einen adäquaten Ersatz zu finden. Ich bin sein Mann für ganz besonders delikaten Aufträge. Den Job bei Dr. Marescou übe ich doch nur zur Tarnung aus. Nun habe ich dir schon fast zu viel anvertraut. Das hat mit Misstrauen nichts zu tun. Je weniger du weißt, umso sicherer für dich. Liebevoll sieht er mich an, „ich weiß doch, mein Mädchen ist verschwiegen."

    (Nie nennt er mich bei meinem Namen, benutzt immer die gleichen Kosewörter und das aus einem ganz simplen Grund. So läuft er keine Gefahr, sich bei anderen Frauen zu versprechen. )

    Für Januar hat er einen Skiurlaub in Österreich geplant. Peter brennt darauf, in seinem Urlaubsdomizil, einem Nobelhotel im Defreggental seine zukünftige Frau vorzustellen. „Die werden Augen machen. Du musst wissen, ich bin fast so etwas, wie der Sohn des Hauses." Den Urlaub verschieben wir wegen Paulianos Besuch, der geht vor, ist lebensnotwendig für uns.

    Endlich ist es so weit. Morgen Abend kommt der große Boss. Für das geplante Essen kauft Peter ein wie ein Weltmeister. Zutaten, Getränke , alles vom Feinsten. „Was ziehst du an Liebling? Bitte mach dich ganz besonders chic. Wir sind mit den Vorbereitungen früh fertig und warten gespannt und aufgeregt auf unseren Besuch. Der lässt auf sich warten. Je später es wird, je unruhiger wird Peter. Schließlich hält es ihn nicht länger in der Wohnung. „Ich gehe telefonieren, mit den Worten stürmt er aus der Tür. Ganz niedergeschlagen kommt er mit der Nachricht zurück: „Pauliano ist durch nicht vorhersehbare Ereignisse aufgehalten worden, kann den Termin mit uns nicht einhalten. Sein Besuch ist nur aufgeschoben." Wir essen drei Tage Kaninchenragout!

    Das ereignet sich in der letzten Januar-Woche. Nichts wird aus dem Skiurlaub. Wir sollen uns für den nächsten Besuchstermin auf Abruf bereit halten.

    (Pauliano existiert nur in Peters Phantasie, darum werde ich ihn nie kennen lernen.)

    Am 04. Februar 2002 ruft Peter aus der Praxis an. Er hat einen wichtigen Auftrag in Hamburg und will mich unbedingt an seiner Seite haben. „Pauliano muss einsehen, dass ohne dich nichts mehr geht. Bitte, Liebling, packe nicht nur Wintergarderobe ein. Ich habe vor, nach Auftragserledigung mit dir in die Türkei zu fliegen. Du musst endlich meine zweite Heimat kennen lernen. Wenn du siehst, was ich mir dort in diesem wunderschönen Land mit seinen freundlichen, warmherzigen Menschen aufgebaut habe, wirst du stolz auf mich sein. Du weißt, Jan ist sehr daran interessiert, mein Ärztehaus zu kaufen. Vielleicht gelingt es mir jetzt schon alles abzuwickeln und eine größere Summe locker zu machen. Außerdem plane ich noch einen Abstecher in die Schweiz, du musst verfügungsberechtigt über meine Konten

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