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New York City and Me: Große Kleinigkeiten und kleine Großartigkeiten aus der tollsten Stadt der Welt
New York City and Me: Große Kleinigkeiten und kleine Großartigkeiten aus der tollsten Stadt der Welt
New York City and Me: Große Kleinigkeiten und kleine Großartigkeiten aus der tollsten Stadt der Welt
eBook384 Seiten5 Stunden

New York City and Me: Große Kleinigkeiten und kleine Großartigkeiten aus der tollsten Stadt der Welt

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Über dieses E-Book

Eine junge Frau Ende Zwanzig kündigt ihren sicheren Job in Deutschland, um sich ihren Traum zu erfüllen: für rund ein halbes Jahr im Big Apple leben und arbeiten.

In "New York City and Me" lässt Cornelia B. Gräf ihre Leser dieses Abenteuer hautnah miterleben. Mit einer gehörigen Portion Humor und feiner Beobachtungsgabe schildert sie die Achterbahn der Gefühle, die sie dort durchlebt, gewährt Einblicke in das oftmals skurrile Alltagsleben in der Ostküstenmetropole und liefert ganz nebenbei eine Vielzahl an Insider-Tipps für den nächsten New-York-Urlaub.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Dez. 2015
ISBN9783737578646
New York City and Me: Große Kleinigkeiten und kleine Großartigkeiten aus der tollsten Stadt der Welt

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    Buchvorschau

    New York City and Me - Cornelia Gräf

    Prolog

    In New York City and Me möchte ich über die großen und kleinen Dinge, die mir in Manhattan, Brooklyn & Co begegnen und widerfahren, berichten. Für Familie, Freunde und alle, die der Faszination dieser Stadt ebenfalls erlegen sind – oder erlegen werden, sobald das erste yellow taxi hupend an ihnen vorbeigerauscht ist.

    Here I am

    Unentwegt bahnt sich das Flugzeug auf dem Display im Vordersitz seinen Weg über den Atlantik. Und je näher der Flieger der amerikanischen Ostküste und meinem Ziel – New York City – kommt, desto weniger interessiere ich mich für die traumhaften Uniformen der Singapore Airlines Flugbegleiterinnen (kann man die kaufen?!) oder dafür, dass ich mal wieder gut daran getan habe, ein special meal vorab zu beantragen (dieses Mal vegetarian Indian) – sieht nämlich viel besser aus als das Standardessen und schmeckt toll – oder für die neuesten Folgen „Big Bang Theory" im Entertainment-Programm.

    Stattdessen erlebe ich eine Achterbahn der Gefühle: Abschiedsschmerz von Familie und Freunden, von denen ich für einige Monate durch ein Weltmeer getrennt sein werde, Vorfreude in kurzer Zeit wieder in der tollsten Stadt der Welt zu sein, Zweifel, ob ich mich nicht etwas zu schnell in ein zu großes Abenteuer gestürzt habe.  Entsprechend zappe ich bei der Musikauswahl zwischen „Greatest Guitar Riffs", sphärischen Entspannungsklängen und kitschigen Liebesschnulzen hin und her.

    Nach acht Stunden Flug und der Landung heißt es dann ab zur Immigration. Auch mit Visum läuft alles deutlich unspektakulärer ab als erwartet. Dann das bange Warten am Kofferband – doch juhu! Irgendwann purzelt mein Hab und Gut wohlbehalten auf das Karussell. Also nichts wie raus (so gut das eben geht mit zwei Koffern, einer Laptoptasche, einer Reisetasche und einer Handtasche…) zum Taxi. Und los geht die wilde Fahrt.

    Dabei merke ich, dass bei meiner mittlerweile siebten Ankunft in New York sich eine gewisse Routine eingeschlichen hat. Ich starre nicht mehr fassungslos auf die doch recht heruntergekommenen Häuser, die die Wohnviertel rund um den JFK Airport ausmachen und frage mich nicht mehr, ob das etwa New York sein soll und wo ich da nur gelandet bin. Stattdessen tippe ich wild auf dem Handy rum und frage mich, warum O2 keine Begrüßungs-SMS mehr schickt.  Deshalb verpasse ich um ein Haar auch den magischen Moment, wenn das Taxi um eine Kurve biegt und sich auf einmal vor einem die Skyline auftut – Freedom Tower (One World Trade Center), Empire State Building, Chrysler Building. Magisch –  auch beim siebten Mal.

    Nach rund vierzig Minuten hält das Taxi vor meinem neuen Zuhause. Für die nächsten dreieinhalb Monate werde ich ein kleines Studio-Apartment in Chelsea mein Heim nennen. Das chinesische Sprichwort „Lieber eine Hütte, wo man glücklich ist, als ein Palast, wo man weint" muss wohl in solch einem Raum entstanden sein. Über meinem Bett blättert der Putz von der Wand, die Fenster lassen sich nur mit viel Glück und Kraft öffnen beziehungsweise schließen und die Matratze des Betts dürfte jedem Orthopäden die Tränen in die Augen treiben. Dass ich für die monatliche Miete in Deutschland wahlweise eine hübsche kleine Wohnung oder ein Einfamilienhaus (je nachdem, ob man nun München oder Mecklenburg-Vorpommern als Vergleich heranzieht) mieten könnte, verdränge ich in diesem Moment. Immerhin ist es sauber und die Leute, die ich bisher aus dem Haus kommen sah, machten alle einen netten Eindruck.

    Zum weiterhin vorhandenen Gefühlschaos gesellen sich nun langsam aber sicher Müdigkeit und Erschöpfung. Doch es ist erst Mittag und draußen lacht die Spätsommersonne vom Himmel. Also raffe ich mich auf. Ich wandle durch die Straßen. Planlos. Irgendwie getrieben. Richtung Union Square, einem meiner Lieblingsplätze in der Stadt, irre einmal durch den dortigen Whole-Foods-Supermarkt (Randnotiz: Die Autorin dieser Zeilen hat einen Supermarkt-Tick, ich werde noch sehr häufig über die grandiosen kulinarischen Einkaufs-Tempel(chen) dieser Stadt schreiben), dann wieder rein in die U-Bahn zurück zum Apartment. Auf dem Heimweg mache ich noch einen Abstecher in den um die Ecke gelegenen riesigen 24-Stunden-Drogeriemarkt Duane Reade. In den endlosen Gängen bestätigt sich das, was ich als Tourist immer am Rande wahrgenommen hatte: Teeeeuer! Eine Flasche Dove-Duschgel oder entsprechendes Shampoo wird für sieben bis acht Dollar offeriert. „Hätte ich doch von daheim mitbringen sollen", schießt es mir durch den Kopf. Gefrustet kaufe ich gar nichts und wanke heimwärts. Dort angekommen, bin ich durchgefroren, immer noch müde, immer noch hungrig. Ich fühle mich überfordert.

    Da ich nicht einmal mehr Nüsschen aus dem Flieger habe, ziehe ich mir etwas Wärmeres an und wage mich wieder raus auf die Straße; dieses Mal gen Westen zu Ray’s Famous Pizza zwei Blocks weiter. Mit meinem plain slice (Tomatensauce und Käse) setze ich mich an einen der Tische und beiße genüsslich rein. Da sitze ich nun, in einem kargen Raum ohne Fenster mit seltsamen Kacheln an der Wand, die Szenarien aus Italien darstellen sollen.  In der Ecke plärrt ein Fernseher. An zwei weiteren Tischen sitzen noch Gäste, die einen ganz vernünftigen Eindruck machen. In die letzte Spelunke bin ich also nicht geraten. Und mit jedem weiteren Bissen meines fettig-salzigen 3-Dollar-Glücks kehren meine Lebensgeister zurück. (Einschub: In New York gibt es – meiner Meinung nach – zwei Haupttypen von Pizza: Die slices, die man bei den unzähligen pizza joints bekommt. Sie sind günstig, machen satt und schmecken ganz okay und sind perfekt für ein kleineres Abendessen oder als Snack zwischendurch, wenn sich der Hunger meldet. Und es gibt die italienischen Pizzerien, meist mit großem Steinofen, wo man neapolitanische Pizza in Vollendung genießen kann – allerdings im Schnitt für stolze 25 Dollar pro pie, also pro ganzer Pizza.)

    Gut gestärkt gönne ich mir ein paar Schritte weiter bei Billy’s Bakery noch einen red velvet cupcake, den ich einen Block weiter im High Line Park verzehre. Überhaupt der High Line Park. Leider am späten Nachmittag etwas überrannt, aber trotzdem ein wunderbarer Ort, an dem gerade auch diese Zeilen in das Netbook getippt werden. Und während ich so in der Sonne sitze, auf das Empire State Building blicke und mir meinen Nachtisch schmecken lasse, merke ich, wie es in mir hochkriecht: das Fieber. Das New-York-Fieber! Ich laufe weiter die grün bepflanzten Schienen entlang. Als ich an den dort ansässigen Food-Ständen vorbeikomme, denke ich erst: „Mist, schon satt. – Und dann wird mir bewusst: „Ganz egal, du kannst morgen wieder kommen oder übermorgen oder überübermorgen oder nächste Woche oder nächsten Monat – du lebst jetzt hier!!!

    Beflügelt spaziere ich weiter bis zum Chelsea Market. Das große rote Backsteingebäude, in dem einst die berühmten Oreo-Kekse hergestellt wurden, beherbergt heute eine Mischung aus Restaurants, ausgefallenen Geschäften und Kunstinstallationen. Auf den oberen Ebenen gibt es noch Büros. Google hat beispielsweise hier seine New Yorker Zentrale. Zu den dortigen Geschäften zählt unter anderem der Manhattan Fruit Exchange. Bei meinen Urlaubsaufenthalten bin ich immer vorbeigegangen, schließlich kann man als Touristin mit Zucchini und Paprika nicht ganz so viel anfangen. Nun aber muss ich ja mal abchecken, wo ich was für meinen täglichen Bedarf künftig kaufen werde. Außerdem ist es ein Supermarkt – also nix wie rein! Kaum geht die Tür auf, umweht mich ein unglaublich frischer und fruchtiger Duft. Bin ich in der Punica-Oase gelandet?! Nicht ganz, aber trotzdem toll, was es so alles gibt. Bei den Preisen muss man manchmal schlucken – 1,99 Dollar für eine Avocado wird als Angebot gepriesen. Eine Mischung aus klein geschnittenen Pilzen und Karotten würde mit rund sieben Dollar zu Buche schlagen. Aber es gibt ja noch mehr zu schauen. Hinten im Laden, ganz im Eck stehen sie: San-Marzano-Tomaten in der Dose, püriert, gecrusht oder gestückelt. Für tatsächlich super günstige 1,99 Dollar! – That’s a deal, baby!

    Doch ich bin zu faul, nun Dosen zu schleppen, mache mir aber eine Notiz im Hinterkopf. Weiter geht es zu meinem nächsten „Abcheck"-Ziel: Trader Joe’s. Dahinter verbirgt sich eine Supermarktkette der deutschen Albrecht-Brüder. Genau wie bei Aldi in Deutschland gibt es hier auch zahlreiche Eigenmarken zu recht günstigen Preisen. Damit haben sich die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Die Filiale an der 6th Avenue ist ein riesiger, hoher, edler Raum, der von stuckbesetzen Säulen und endlosen Regalreihen durchzogen ist. Am späten Nachmittag brummt der Laden. Aber irgendetwas sollte ich nun schon mal kaufen. Ich schnappe mir ein paar Chiquita-Bananen und weiter geht es von Regal zu Regal. Wahnsinn, diese Angebotsfülle! Und plötzlich finde ich, wonach ich suche. Ich hatte gelesen, dass es bei Trader Joe’s die französische Spitzenschokolade von Valrhona zu fantastischen Preisen geben soll. Tatsächlich! Ein kleiner Riegel für einen Dollar! Unglaublich – sofort rein in den Einkaufskorb!

    Aber noch etwas anderes ist unglaublich oder sagen wir besser kurios. Es ist eine dieser Sachen, die einen (als Deutschen? als Nicht-New Yorker?) nur staunen lassen. Dort läuft ein junger Kerl mit einem Schild in der Hand herum, auf dem End of Line, also Ende der Schlange, zu lesen steht. Die line schlängelt sich zwar tatsächlich durch den halben Laden und ich frage mich, ob es sich für meine vier Artikel lohnt, anzustehen, aber wie ich auf dem Bewertungsportal Yelp gelesen habe, würden die Leute an der Kasse fix arbeiten (ah! doch noch eine Gemeinsamkeit mit Aldi!) und die Schlange sich ganz gut vorwärts bewegen. In der Tat. Nach kurzer Zeit steht ein weiterer Kerl mit dem Schild Middle of the Line neben mir. Gut zu wissen. Nun heißt es, sich auf zwei Schlangen aufteilen.

    Ein paar Meter weiter dann der nächste junge Mann, der den Kunden sagt, an welche der 25 Kassen sie gehen sollen. Die Kassierer recken dafür in der Ferne immer Nummerntäfelchen in die Höhe, um zu signalisieren, dass der nächste Kunde kommen kann. Dann bin ich dran. Kasse 18. Mein Kassierer strahlt mich an und beginnt mit Small Talk. Da ich nun seit über zwanzig Stunden auf den Beinen bin, bin ich wenig gesprächig. Auf sein Bedauern, ob ich mich nicht unterhalten wolle, entschuldige ich mich mit Jetlag und dass bei mir gefühlt zwei Uhr nachts sei. Nachdem er vorsichtig alles in meine Tasche gepackt hat (schön das Obst obenauf), gibt er mir meine Kreditkarte zurück – mit einem breiten Lächeln und den Worten: „Well, Miss Cornelia, I still wish you a great day and sleep well."

    Ich verlasse den Laden, habe selber ein Lächeln auf den Lippen und weiß: „Ja, ich bin in New York, ja, es ist verrückt, aber es wird sich lohnen!"

    Das Fenster des Grauens (und was sonst noch geschah)

    Ich könnte nun sagen: „Hey Leute, ich bin total cool und hip, lebe in Chelsea und habe jetzt sogar einen personal assistant, der mir das Fenster schließt." Das würde jedoch die Wahrheit ein bisschen überstrapazieren. Edwin arbeitet zwar auch als personal assistant, aber leider nicht als meiner, sondern ist als Zweitjob hier für das Haus zuständig. Doch das Fenster – eingangs schrieb ich ja, dass es sich nur mit viel Glück und Kraft öffnen und schließen lässt. Nun, die Sache ist die: Mein gesamtes Glück scheine ich immer schon beim Öffnen verbraucht zu haben, Kraft hatte ich noch nie – also musste ich die erste Nacht in New York mit halb geöffnetem Fenster verbringen. Es zog wie Hechtsuppe. In den frühen Morgenstunden begann ich dann, mit einem Handtuch den offenen Fensterschlitz abzudichten. Es handelt sich nämlich um eines dieser typischen Fenster, die man hochschieben (und bestenfalls eben auch wieder runterschieben) muss. Zusätzlich habe ich das Fenster noch mit meinem Koffer verbarrikadiert. Schon besser. Not macht eben erfinderisch. Gleichzeitig habe ich eine E-Mail an Edwin abgesetzt. Und siehe da, als ich von meinem morgendlichen Spaziergang zurückkehrte, hatte der gute Mann es geschafft mein Fenster zu schließen. Ja, es gehe ein bisschen schwer (bisschen?!), das zweite Fenster gehe aber noch schwerer (na toll…) und ich solle einfach kräftig drücken (ja, was glaubt der, was ich gemacht habe? Ich stand auf dem Fenstersims und habe mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen gestemmt! Hat das Fenster nur leider nicht beeindruckt) und wenn es nicht ginge, solle ich ihm einfach eine E-Mail schreiben, dass er mir das Fenster schließen soll. Sie hätten auch schon Leute beauftragt, sich die Fenster im ganzen Haus anzuschauen, aber das dauere leider. Na prima. Übrigens: Während ich das hier schreibe, neigt sich die zweite Nacht dem Ende zu (Jetlag!). Neben mir auf dem Fenstersims: Handtuch und Kofferbarrikaden…

    Aber hey, schließlich berappe ich hier nicht Unsummen dafür, dass ich ein Dach über dem Kopf habe und sich Fenster ordentlich öffnen und schließen lassen, sondern dafür, wo ich mein Dach über dem Kopf habe. Deshalb schnappe ich mir nach der ersten Nacht in New York mein Frühstück (die Banane aus dem Trader Joe‘s) und spaziere wieder Richtung High Line Park. Es ist noch recht früh am Morgen, die Sonne lacht vom Himmel (kühl ist es aber trotzdem noch), die Luft ist frisch. Ja, ist sie wirklich! Auch wenn ich hier in einer Metropole lebe. Aber sie liegt am Meer, meine Straße ist wie eine Allee von Bäumen gesäumt und überall gibt es kleine oder größere Parks mit Bäumen, die die Luft ebenfalls reinigen. Wenn man also nicht gerade an einer der vielbefahrenen Avenues steht oder neben einem food cart, bei dem mal wieder die chicken und lamb kebabs angebrannt sind, hat man hier durchaus tolle Luft!

    Auf meinem Weg zur High Line lasse ich mich per MP3-Player musikalisch von Billy Joel begleiten: I’m in a New York State of Mind. Bei der High Line angekommen, freue ich mich: Wie erhofft, tummeln sich um diese Uhrzeit erst wenige Menschen hier und ich kann mich auf eine Bank setzen, die Morgensonne genießen und auf das Empire State Building schauen, während Alicia Keys in meinen Ohren den Empire State of Mind besingt. Dieser Moment ist kitschig. Er kommt mir unecht vor und ist trotzdem wunderschön.

    Da sitze ich, lasse meine Gedanken schweifen und beobachte die bewundernswert sportlichen Wesen, die an mir vorbei joggen. Überhaupt, joggen: Ich persönlich kann dieser Art der Freizeitgestaltung rein gar nichts abgewinnen und jedes Mal, wenn ich daheim in Deutschland die Jogger das Flussufer entlang hecheln sehe, denke ich bei mir: „So wie ihr ausseht, könnt ihr das auch nicht." Immer dieser gequälte Gesichtsausdruck, nee nee. Aber hier in New York? Wie die Gazellen laufen sie federleicht an mir vorbei, lächeln oder schauen wenigstens halbwegs zufrieden in die Welt und wirken generell einfach sehr cool, sehr stylisch, sehr New York eben.

    Doch nach einiger Zeit raffe ich mich auf, es gibt Dinge zu erledigen, ich bin ja nicht zum Spaß hier (okay, doch, ein kleines bisschen…). Wie man erahnen kann, ist meine „Hütte" nur äußerst spartanisch eingerichtet und so einiges will besorgt werden: Wasserkocher, Schere, Haartrockner, Messer, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Außerdem fehlte es mir ja immer noch an Duschgel (lang reichen die Probepäckchen aus der Heimat nicht mehr), Shampoo und dergleichen, da ich mich ja geweigert hatte, sieben Dollar für sowas hinzublättern. Die mögliche Lösung meiner Probleme lautet: Jack’s 99 Cent Store. Ich kannte den Laden vom Namen her schon länger, hatte daheim noch ein bisschen recherchiert und gelesen, dass man dort so ziemlich alles und jedes bekommt zu super günstigen Preisen. Das einzige Problem ist, man kann nie vorhersagen, was es gibt, da sich das Angebot stetig ändert.

    Und dann stehe ich da, in einer Art Rudis Resterampe im XXL-Format. Korb geschnappt und losgeshoppt. Giovanni Rana Tortellini für 1,79 Dollar! Schnäppchen! Gekauft! Ziegenfrischkäse mit Kräutern für 1,29 Dollar! Rein damit! Und da – jawooohl, es geht doch! – Marken-Shampoo für vier Dollar. Schwupps, schwupps, schwupps füllt sich der Korb. Auch ein Päckchen Manner-Waffeln kommt noch mit, dazu Föhn, Toaster, Wasserkocher, Messer und und und. Ich schleppe den überbordenden Korb zur Kasse und Bingo – die Kreditkarte streikt. Alptraum. Da stehe ich nun, leicht errötend. Toaster, Wasserkocher und USB-Lade-Port müssen da bleiben und ich kratze das letzte Bargeld zusammen, um wenigstens den Rest mitnehmen zu können.

    Ich verlasse den Laden, der Puls beschleunigt, Schweißausbruch. Haben die mir etwa meine Kreditkarte gesperrt? Ich hatte am Morgen versucht, online eine amerikanische SIM-Karte zu ordern, bei der auch bei mehreren Versuchen die Karte abgelehnt wurde. Möglich wäre es also. Ich fahre heim. Mir rinnt der Schweiß. Bitte keine gesperrte Kreditkarte. Ich versuche mich damit zu beruhigen, dass ich das doch schon öfters hatte, dass die Karte nicht funktioniert hat und später ging es wieder problemlos. Daheim angekommen, werfe ich sofort einen Blick ins Online-Banking. Kein Hinweis, dass mit der Karte etwas nicht stimmen könnte. Nochmal Glück gehabt. Zwar streikt die Karte an diesem Tag noch ein weiteres Mal (im Garden of Eden – ein Supermarkt!! – Der Name ist Programm…), wird aber an anderer Stelle problemlos akzeptiert. Trotzdem sehne ich den Moment herbei, wenn ich mein amerikanisches Konto eröffnen kann und dann im Notfall an der Kasse noch eine amerikanische debit card zur Verfügung habe.

    Ich mache mich frisch, ziehe etwas Leichteres an, schnappe mir das Netbook und ab zur High Line, den ersten (gestrigen) Eintrag verfassen. Und während ich eifrig tippe, mich über das kostenlose Highspeed-WLAN freue (den Google-Büros um die Ecke sei Dank!) und die Wärme genieße, merke ich gar nicht, wie die Zeit vergeht und wie sich die Sonne an meiner Haut zu schaffen macht. Habe ich mir doch tatsächlich einen super Sonnenbrand geholt wie ich ihn schon lange nicht mehr hatte.

    Außerdem meldet sich der Hunger. Die High-Line-Essensstände haben an diesem Tag ausnahmsweise wegen eines Events geschlossen. Also muss eine Alternative her. Es gelüstet mich nach einem Burger von Shake Shack im Madison Square Park. Ich mache mich auf den Weg, zu Fuß, die 23. Straße entlang. Als ich an einer Bushaltestelle vorbeikomme und eine Traube von Menschen wartet, entschließe ich mich das Wagnis einzugehen: Ich benutze den Bus, der mich – laut Aushang – direkt zum Madison Square Park bringen soll. Das Komische: Die subway benutze ich seit meinem ersten Aufenthalt in New York ständig und habe mich in der ganzen Zeit vielleicht dreimal „verfahren". Nur die Busse waren mir irgendwie immer suspekt. Also mutig eingestiegen und siehe da, ein paar Minuten später bin ich an der Haltestelle Broadway/Madison Square Park. Auf der einen Seite erstrahlt das Flatiron Building in seiner ganzen Schönheit, drehe ich mich um 180 Grad, reckt sich das Empire State Building in den blauen Septemberhimmel. Dazwischen der Madison Square Park. Ebenfalls einer meiner absoluten Lieblingsplätze in New York. Nicht nur, weil man zwischen diesen beiden berühmten und faszinierenden Gebäuden sitzt, sondern auch, weil es dort zwei meiner Lieblings-food-destinations gibt. Zum einen Eataly (Hammer Pizza! Hammer Pasta! Hammer gelato! Hammer dolce!), zum anderen Shake Shack, die kultige Burgerbude, bei der es immer eine mehr oder weniger lange Schlange gibt. Doch das Anstehen lohnt sich! Selbst ich, die sich als  „Selektarierin" überwiegend fleischlos ernährt, und wenn dann nur ganz bestimmte Fleischgerichte isst, liebe den Shack Burger. Die Burger sind keine riesigen Monsterteile – jeder Royal TS beim Gasthaus zum goldenen M ist größer – aber sie sind einfach gut gemacht und man schmeckt Qualität. Diese Qualität zeichnet sich auch dadurch aus, dass bei Shake Shack nur frisch gewolftes Fleisch von Angus Rindern zum Einsatz kommt, die nicht mit Antibiotika oder Hormonen behandelt wurden – in Amerika ja leider keine Selbstverständlichkeit.

    Da sitze ich dann also an einem der Tische auf der Flatiron Plaza (denn da scheinen noch die letzten Sonnenstrahlen), mampfe Burger und Pommes und tue das, was ich ebenfalls liebe und wofür der Madison Square Park ganz besonders, aber auch die davorliegende Plaza, toll geeignet sind: people watching. Auch in Deutschland sitze ich in Cafés gerne am Fenster, um die Menschen, die draußen vorbeilaufen zu beobachten (neeeeein, natürlich nicht um zu lästern…). Aber das ist Kindergarten im Vergleich zu dem, was man hier geboten bekommt. Manchmal kommt es mir vor, als wäre New York ein bisschen wie die Arche Noah: Von jeder Art Mensch gibt es hier mindestens zwei Exemplare.

    Irgendwann geht die Sonne unter, es wird kalt. Ich schnappe mein Zeug und mache mich auf den Heimweg. Daheim angekommen, packe ich die Koffer aus und räume meine Sachen in die Schränke. Ich lebe ja jetzt hier.

    Nachdenkliches, Feines, Kurioses

    Am Donnerstag führte es mich zunächst in einen recht verwilderten Teil des Großstadtdschungels, um im Bild zu bleiben. Denn was auf meiner To-Do-Liste noch ganz oben stand, war eine amerikanische Handy-Nummer bzw. SIM-Karte. Das Angebot eines bestimmten Providers schien mir am günstigsten, leider nimmt das Online-Bestellsystem aber nur amerikanische Kreditkarten an. Der Kundenservice riet mir, zu einem bestimmten Geschäft zu fahren. Als ich die Adresse, mitten in Brooklyn gelegen, bei Google Maps eingab, schwante mir schon nichts Gutes. Auch ein Blick mit Street View war nicht unbedingt Mut machend. Aber egal, was soll’s. Ich will die SIM, ich habe immer getönt, dass ich mich in New York super sicher fühle. Wird schon nix passieren. Rein in die Brooklyn-bound A-subway und bis Nostrand geschaukelt. Je näher ich der Haltestelle kam, desto mehr leerte sich der Waggon. „Ach, die sind jetzt einfach alle beim Arbeiten, beruhigte ich mich. Angekommen, stieg ich die steilen Stufen aus der U-Bahn empor und da stand ich und blickte mich um. Ein beklemmendes Gefühl kroch in mir hoch. Hier wirkte alles recht verwahrlost und heruntergekommen. Bei zahlreichen der kleinen Läden waren die Gitter geschlossen, obwohl schon später Vormittag war. Ich atmete einmal tief durch und lief in die Richtung, von der ich meinte, sie mir von der Karte gemerkt zu haben. Während ich die Straße entlang huschte, kam ich mir ständig beobachtet vor. Die Gestalten, die vor den Geschäften hockten, verfolgten mich mit ihren Blicken. Und irgendwann wurde mir bewusst, warum. Ich war weit und breit die einzige Frau. Dazu: weit und breit die einzige weiße Frau. Alle Menschen, denen ich dort auf der Straße begegnete, waren Afroamerikaner, denen das Leben offenbar ein bisschen übel mitgespielt hatte. Und in dieser Tristesse spaziert nun ein junges bunt gewandetes Ding hindurch. Wirkliche Angst, dass mir was passieren könnte, hatte ich nicht, dennoch traute ich mich nicht, Handy oder Fotokamera herauszuholen. Auch war ich mir unsicher, ob ich die Leute einfach freundlich anlächeln sollte oder ob ich doch lieber weiterhin die New Yorker U-Bahn-Mine (neutral – desinteressiert – weder freundlich noch unfreundlich, quasi ein Gesicht im Stand-By-Modus) aufsetzen sollte. Nach einigen weiteren Metern entdeckte ich auf der anderen Straßenseite ein – ebenfalls weißes – Pärchen und unwillkürlich schoss mir durch den Kopf: „Ah, du bist doch nicht allein. Ich erschrak über mich und diesen Gedanken. Doch, wie es aussah, ging es denen ebenso. Zielgerichtet schossen sie auf mich zu, kaum dass sie mich erblickt hatten, um mich zu fragen, wo es zur subway geht. Da ich da ja gerade herkam und an dem Laden, zu dem ich wollte, wie ich dann feststellte, schon vorbei gerannt war, sagte ich, ich würde sie begleiten. Dankbar lächelten sie mich an. Als ich ihnen erzählte, dass ich erst den dritten Tag hier sei und ganz allein, schauten sie etwas entgeistert, die beiden Touristen aus Pennsylvania. Dann fand ich doch noch meinen Laden, verabschiedete mich und versicherte den beiden, dass es nur noch wenige Schritte bis zur rettenden (das sagte ich nicht, aber aus ihren Blicken sprach das) subway-Station waren. Im Geschäft wurde ich dann super nett von einem jungen Mann beraten und hatte wenige Zeit später meine SIM-Karte im Handy und alles hatte geklappt. Auch ein weiterer Mitarbeiter, ein etwas älteres Semester und dem Akzent nach wohl griechischer Herkunft, erklärte hilfsbereit, wie ich Anrufe ins Ausland tätigen könne und was ich wählen müsste, grinste und meinte: „And then you call me!". Ich lächelte unverbindlich, schnappte mein Handy und ging schnellen Schrittes zur subway. Als ich wieder im Waggon saß und zurück Richtung Manhattan zuckelte, sich der Wagen wieder nach und nach mit Menschen aller Herren Länder füllte, wurde ich nachdenklich. Ist man doch rassistischer veranlagt als man denkt? Oder war es einfach nur das Gefühl aus der Masse herauszustechen, gepaart mit dem schlechten Gewissen, dass ich nun einfach wieder in die U-Bahn steigen und in ein anderes Viertel fahren kann? Eines der Dinge, die mich seit jeher an New York fasziniert haben, ist die Widersprüchlichkeit, sind die Extreme, die aufeinander prallen. Und natürlich ist jedem bewusst, dass es diese Widersprüchlichkeit auch (und gerade!) in den Lebensverhältnissen gibt. Dankbar, dass ich das Glück habe, diesbezüglich eher auf der Sonnenseite zu stehen (muss ja nicht gleich Park Avenue sein), stieg ich an 4. Straße West wieder aus. 

    Es war früher Mittag und mein Magen meldete sich. Time for rice balls! Eine italienische Köstlichkeit, die ich erst bei meinem letzten Aufenthalt im Mai dieses Jahres dank einer food tour durch das Greenwich Village kennengelernt hatte. Von der U-Bahn-Station geht es – natürlich! Ehre wem Ehre gebührt! – durch die Cornelia Street zur Bleecker Street. Dann trifft man genau auf Faicco’s Pork, seines Zeichens eine italienische Metzgerei. Nun hatte ich ja schon erwähnt, dass ich nicht unbedingt eine fleischfressende Pflanze bin. Deshalb war mir der Laden zwar bekannt vom Vorbeilaufen, aber ich hatte nie den Drang verspürt hineinzugehen, eher zum direkt nebenan gelegenen Murray’s Cheese. Was für ein schlimmer Fehler! Nicht nur, dass der Laden mit seinen Girlanden, unzähligen Konserven und frischen Waren ein bunter Hingucker ist. Nein, auch für Freunde fleischloser Kost gibt es dort herrliche Dinge. Zum einen besagte rice balls: Sie haben in etwa die Größe einer kleinen Mandarine und bestehen quasi aus einem festen Risotto mit würzigem Käse und frischen Kräutern, das haaaauchdünn paniert und frittiert ist. Ein Gedicht! Dazu unfassbar günstig mit einem Dollar pro Bällchen. Ebenfalls sehr empfehlenswert ist das eggplant bread, bei dem Auberginenstücke in Teig eingerollt und mit Käse überbacken werden. Das Ganze ist geschmacklich dann irgendwo zwischen Pizza und Lasagne anzusiedeln. Doch an diesem Tag sollen es für mich die Reisbällchen sein. Vier Stück lasse ich mir warm machen und einpacken und schlendere damit ein paar Straßenecken weiter zum Washington Square Park.  

    Der große Platz mit Triumphbogen, Springbrunnen und Marmorbänken ist ein weiterer Lieblingsort von mir und ebenso perfekt geeignet zum people watching, außerdem gibt es eigentlich immer irgendwelche Live-Musik zu hören. Dieses Mal hat sich ein Mann ein Schlagzeug aus Plastikeimern und Ähnlichem gezimmert und trommelt die coolsten Beats. Wieso am Broadway ein Vermögen für „Stomp" ausgeben?! Hier gibt’s das hautnah und for free!

    Nachdem ich mein Mittagessen verzehrt habe, beschließe ich, mir bei dem schönen warmen Wetter zum Nachtisch ein Eis bei Eataly zu gönnen. Also geht es durch das Universitätsviertel hinauf zum Union Square und von dort aus Richtung Madison Square Park. Unterwegs mache ich noch Halt in zweien meiner Lieblingsgeschäfte: Fish’s Eddy und Whisk. Neben Supermärkten hege ich nämlich auch eine große Leidenschaft für Haushalts- bzw. Kochutensilien-Geschäfte. Bei Fish’s Eddy gibt es hauptsächlich Geschirr, einiges davon mit ausgefallenen New-York-Motiven und alles dargeboten in einem alternativ-coolen Ambiente mit lautem Bossa Nova Jazz und gut gelaunten Verkäufern. Whisk ist eher ein klassisches Geschäft und verkauft neben Backformen oder Teekannen auch so wunderbare Dinge wie Gerätschaften um den Strunk aus Erdbeeren zu entfernen oder einen avocado slicer. Bei dem Brown Sugar Bear, einem Bärchen aus Ton, das angeblich, wenn angefeuchtet, braunen Zucker, Kuchen und ähnliches feucht und, wenn im Ofen getrocknet, Salz oder Chips trocken und knusprig hält, kann ich dann nicht widerstehen und kaufe ihn. 

    Doch dann gibt’s gelato! Ein medium cup mit salted caramel und Tiramisu lasse ich mir schmecken. Zwar muss ich hierfür rund sechs Dollar hinblättern, aber dafür schmeckt man bei jedem Löffelchen der kalten Verführung, die die Lippen berührt, was für eine tolle Qualität und Geschmack man dafür bekommt. 

    Und während ich mein Eis schlecke und beobachte, wie Nannys mit der Bagage reicher New Yorker kämpfen, gestresste businessmen an mir vorbeihetzen und modische Fashionistas durch die Gegend stöckeln, beschließe ich, es mir nun selber gut gehen zu lassen: Augenbrauen-Waxing in der Benefit Brow Bar bei Macy’s, dem größten Kaufhaus der Welt. Für viele wäre das wahrscheinlich rausgeschmissenes Geld, für mich gehört es mittlerweile als festes Ritual zu meinen New-York-Besuchen dazu. Leider, so muss ich feststellen, beherrscht

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