Island für Anfänger
Von Marlene Lytke
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Island für Anfänger - Marlene Lytke
Island für Anfänger
Für Reisende ab 10 Jahren
von Marlene Lytke
Inhaltsverzeichnis
Was bisher geschah
Kapitel: Auf dem Golfplatz
Kapitel: Abseits der Ringstraße
Kapitel: Gefangen
Kapitel: Abseits der Ringstraße
Kapitel: Reykjavik 1
Kapitel: Entfesselt
Kapitel: Reykjavik 2
Kapitel: Flucht
Kapitel: Flucht 2
Kapitel: Aftartunga
Kapitel: Alles andere als eine Versöhnung
Epilog
Was bisher geschah
Die Ereignisse, die sich in Albern am Buckel abgespielt hatten, lagen nun schon ein paar Monate hinter Adele und ihren 4 Katzen. Adele saß gelangweilt in einer kleinen Holzhütte, die unweit eines kleinen Kiefernwaldes am Rande von Novosibirsk stand. Sie blätterte in wochenalten Zeitschriften und betrachtete die Hochglanzfotos des Stadtparks von Albern am Buckel.
Der Park, den Adele mit Hilfe ihrer 4 Katzen, ihrer russischen Tante Olga und deren ewig schlechtgelaunten Kater Duma Dumaschewsi in Albern am Buckel angelegt hatte, war fertig gestellt. Wunderschön war der Park geworden, elegant schlängelten sich rotgepflasterte Wege unter Alleen prächtiger Bäume. In ein paar Jahren würde sich niemand mehr daran erinnern, dass eine Zaubergärtnerin es in nur 3 Nächten geschafft hatte, das Bauprojekt des Bürgermeisters zu stoppen und so der kleinen Stadt in Deutschland den wundervollen Stadtpark zu erhalten.
Adele seufzte, während Minzer neben ihr auf der Ofenbank lag. „Fett bist du geworden, sagte sie und streichelte sein blaues Fell. „Zu wenig los in Novosibirsk, was?
Minzer döste ungerührt und ohne Antwort zu geben. Sie blätterte weiter und warf die Zeitschrift dann traurig zu Boden. Auf dem Küchentisch lag der getigerte Kater Minx Munx und starrte auf Tante Olgas Hände, die eine Masse aus klebrigem Teig kneteten. „Was los, Adelschiki?", fragte Tante Olga und leckte sich dabei den Teig von den dicken Fingern. Dabei fiel ein Stück des Teigs auf den Boden und der sonst so schüchterne Kater Minx Munx sprang sofort hinterher, um die süße Speise aufzulecken.
„Was soll schon los sein?, erwiderte Adele müde. „Mir ist langweilig.
Sie machte eine Pause und konnte eine Träne nur mühsam unterdrücken. „Ich will nach Hause, klagte sie leise, kaum hörbar. „Mir fehlt mein zu Hause. Ich will nach Albern am Buckel, in mein schönes kleines schmales Haus. Hätte ich doch nur nie diesen dummen Park gebaut!
Wütend erhob sie sich.
„Adelschiki, jammere nicht! Ich rede mit Onkel Igor. Vielleicht kannst du noch etwas für ihn bauen. Seit du Garten für ihn scheen gemacht hast, is er sehr glücklich unn außerdem, du bist jetzt reiche Frau! „Tante Olga, Geld nützt mir nichts, wenn ich nicht dahin kann, wo ich am liebsten wäre.
„Kind, ja snaju, ich weiß, aber du machen kannst gar nix. Denk doch mal nach. Du hast Geld wie Heu, kannst überall hingehen, wo du willst! Rastlos lief Adele in der kleinen Küche auf und ab. „Hier, iss erst mal was!
, versuchte Tante Olga ihre Nichte zu trösten und schob ihr eine heiße Pirogge hin. Noch ehe Adele zufassen konnte, hatte sich bereits Minx Munx auf die Pirogge gestürzt. Gierig schlang er und erwartungsgemäß verbrannte er sich das Maul dabei. Er sprang entsetzt davon. „Verfressen sind deine Katzen, meckerte Tante Olga. „Fressen einem die Haar von Kopf. Warte ich gebe dir eine neue Pirogge.
„Olga!, Adele brüllte fast. „Ich will keine Pirogge! Ich will auch keine Bortsch oder irgendwas anderes aus roter Bete. Auch keine Lammkottelets oder heißen Tee! Mir ist der Appetit vergangen. Ständig soll ich essen. Das nervt.
Mit einem heftigen Ruck trat Adele vor einen Hocker, der mit lautem Krachen umfiel. Olga stemmte die Hände in ihre üppigen Hüften. „Kind, jetzt is aber genug! Du musst weg hier, mach Reise, das hilft! Einen Handgriff später hatte Tante Olga ein dickes, großes Buch in der Hand und warf es Adele zu. „Atlas!
, sagte sie bestimmt. „Such dir aus, wo du hinwillst, los! Welt is groß."
Auf dem Golfplatz
Adele stand ratlos um sich blickend auf dem 17. Loches des Golfplatzes von Vestamanneyjar, der südlichsten Insel Islands. Sie versuchte ihren Golfball zu finden, den sie einige Minuten zuvor quer über den Platz geschossen hatte. Offenbar war dieses Vorhaben schief gegangen, denn der kleine, weiße Golfball war nirgends zu sehen. Geduldig suchte Adele zwischen den dunklen Felsspalten des Lavagesteins.
Jemand räusperte sich hinter ihr. „Na, hast du´s endlich geschafft, mich einzuholen?", fragte Adele mit einem knappen Seitenblick auf die am Boden schleifende Wampe ihres korpulenten Katers, der auf den Namen Minzer hörte und sprechen konnte. „Sehr witzig. HA! HA!, erwiderte Minzer und legte sich ohne ein weiteres Wort quer auf den Rasen der Abschlagfläche des 17. Loches, um sich auszuruhen. „Hast du mal nach unten gesehen?
, fragte er betont lässig. Adele´ s Blick wanderte über den Rand des Golfplatzes, doch da war nichts, außer schwarze Felsen und strahlend blauer Himmel. Mit vorsichtigen Schritten tastete sie sich über die scharfkantigen Steine bis zum Rand der Steilküste. Meterhohe Wellen tobten tosend gegen den Fels. Sie blickte hinab in den schwindelerregenden Abgrund und zog sich hastig zurück. „Nun weißt du, wo dein Golfball ist!", sagte Minzer gähnend und ein wenig schadenfroh.
„Und 1000 andere Golfbälle auch", lächelte er im Stillen, während er liegend die selten so warmen isländischen Sonnenstrahlen genoss. „Was musste es auch Island sein", dachte er träge.
Überall hätten sie hinfahren können. Die Welt stand ihnen offen, nachdem Adele von Tante Olga´ s Freund Igor Igorowitsch aus Novosibirsk für die Verschönerung seines riesigen Gartens ein hübsches Sümmchen in Dollar bekommen hatte. Igor war in den langen Monaten in Novosibirsk ein guter Freund geworden und tat praktisch alles für Adele; hatte sie es doch geschafft, dass in seinen Gewächshäusern nun Orangen- und Zitronenbäume wuchsen. Seinen Garten zierte ein Olivenbaum, der auf Grund des kalten sibirischen Klimas mit einer Fußbodenheizung ausgestattet worden war. Igor besaß dank Adele nun den schönsten Garten Sibiriens, und mit dem vielen Geld von Igor hätten er und Adele beispielsweise nach Brasilien fahren können, zur Fußball WM.
Mehr als alles auf der Welt liebte Minzer Fußball und träumte vom Finalspiel, das er sich schlussendlich im Fernsehen hatte ansehen müssen. Sehnsüchtig zuckten bei dem schönen brasilianischen Tagtraum seine Pfoten im Halbschlaf. Er summte kaum hörbar die Melodie zum WM-Song „Atemlos durch die Nacht." „Kanada wäre auch schön gewesen", träumte er weiter. „Mal so eine kanadische Luchsfrau kennenlernen und gemeinsam einen Schneeschuhhasen verspeisen, ja, das wäre wirklich schön gewesen." Ein wohliges Wabern wanderte durch Minzer´ s Körper, seine Beine zuckten dabei im Halbschlaf.
Minzer war durch seine Studien überzeugt davon, dass die kanadische Luchsfrau ihm eine gute Gefährtin gewesen wäre. Das Gewicht der Luchsfrau stimmte jedenfalls; er hatte, genau wie eine Luchsfrau, gut 12 kg auf den Rippen.
Minzer übersah dabei geflissentlich, dass ein kanadischer Luchs das doppelte seiner Größe Maß, denn er war einfach nur eine europäische Hauskatze. Allerdings eine blaue europäische Hauskatze, wie man neidlos zugestehen musste und damit sehr selten. „Nein!", dachte Minzer und schüttelte sich angewidert, während er erwachte. Es hatte dieses triste, ungemütliche Island sein müssen. Eine Insel südlich des Nordpolarkreises, auf der es nichts gab, außer schwarzbraune, qualmende Gebirge und wollige, blökende Schafe nebst Schafkacke.
Dazwischen weites, dunkles Land und Islandpferde samt Islandpferdkacke.
Unendliche Lavafelder, rauchend-blubbernde Schlammlöcher und wieder Schafe, die am kargen Gewächs zwischen den Steinen grasten.
Ein Land durchzogen von holprigen, unpassierbaren Feldwegen.
„Na gut", dachte Minzer zu Islands Ehrenrettung. „Jedes Dorf hat hier ein Schwimmbad. Aber was interessiert das mich, wo ich Wasser überhaupt nicht leiden kann?" Er schüttelte sich erneut. „Und überhaupt", führte er sein inneres Zwiegespräch fort. „Die haben hier in Island nur eine einzige richtige Stadt!"
Die Stadt, die Minzer im Sinn hatte, ist Reykjavik, die Hauptstadt Islands und ein Besuch dort würde Minzer sicherlich nicht erspart bleiben. Adele wollte das ganze Land bereisen. Minzer war nicht glücklich bei diesem Gedanken, sehnte er sich doch zurück nach Albern am Buckel, dahin, wo sie einst ein schönes Haus mitten in der Stadt ihr Eigen genannt und ein glückliches, zufriedenes Leben geführt hatten. Bis Adele sich einbildete, den Rathausplatz in einem Park umbauen zu wollen, obwohl dort gerade ein Einkaufszentrum errichtet werden sollte. Weltweit stand das Ereignis in den Zeitungen. „Hexerei am Rathausplatz", hatte es geheißen und „War da Zauberei im Spiel?" Adele und ihre Helfer bekamen weltweit Publicity und sie hatten es nicht einmal genießen können!
Jäh wurde Minzer aus seinen Gedanken gerissen. Er schreckte hoch und machte einen Buckel nach Katzenart. Vor ihm stand hocherhoben ein Herr in graubraun-karierten Knickebockerhosen. Er trug eine gleichfalls karierte Weste und darüber eine rote Stickjacke mit weißem Kragen.
Der Kopf des Mannes lugte lustig unter einem Käppi hervor.
„Mach dich weg, dickes Vieh!", meckerte der feine Herr in seiner Heimatsprache isländisch.
Minzer, der wie man weiß, Sprachen sehr schnell und flüssig erlernt, hatte auch isländisch längst für sich entdeckt und hielt es für unhöflich, zu schweigen.
„Sig þykkur naut!" Mit diesen Worten erhob sich Minzer gemächlich und dem Herrn in der Kniebundhose blieb der Mund noch etwas länger offen stehen.
Noch nie hatte eine Katze >Selber dickes Vieh< zu ihm gesagt. Der Herr sah an sich hinunter und betrachtete seinen Körper.
„Ich bin doch gar nicht dick", stammelte er verlegen und verfolgte mit seinem Blick den Weg des langsam auf den gepflegten Wegen des Golfplatzes davon schlendernden Katers….
Sigurd Lasse Sigurdson, der Mann in den Knickerbockers, spielte gern Golf und war darüber hinaus Leiter des Meteorologischen Instituts von Island. Heute war sein freier Tag und den wollte er sich nicht von einer vorlauten Katze verderben lassen.
Nach dem Zusammentreffen mit der Katze spielte er deshalb zunächst unbeirrt weiter. Er setzte zum Abschlagen des Golfballs an. Stehend und nach vorne gebeugt, hielt er dann doch jäh inne und schüttelte verwundert den Kopf. Seine hübsche Golfer-Mütze fiel hinunter und landete neben dem Golfschläger.
„Was war denn jetzt BITTE SCHÖN das?", fragte er laut in den Wind, verlor die Kontrolle über seinen Abschlag und verfehlte die Richtung, so dass der Golfball mit einem nicht hörbaren Platsch im Atlantik landete.
Wütenden Schrittes folgte er entschlossen dem Kater, der es nicht eilig zu haben schien. Der Kater lief hinter einer jungen Dame in einer blauen Hose und einer gelben Jacke her, deren blondes Haar steil im Wind stand. Diese stand reglos am letzten Loch des Golfplatzes und war offenbar hoch konzentriert.
Keine 5 Minuten später hatte Sigurd Lasse Sigurdson zeitgleich mit dem Kater die junge Frau erreicht. „Guten Tag", sagte der Herr auf Englisch, hatte er doch sofort erkannt, dass die junge Frau keine Einheimische sein konnte.
Adele antwortete höflich und wünschte das Gleiche. „Schönen guten Tag!" Fröhlich blickte sie den Herrn an, der seine schlechte Laune nicht ganz hinter der aufgesetzten Freundlichkeit verstecken konnte.
„Ist das ihre Katze?" Der Blick des Mannes schweifte zu Minzer, der ein wenig verlegen nicht weit von Beiden lag und gespannt in ein Loch starrte. Minzer versuchte, sich wie eine normale Katze zu benehmen, das war offensichtlich für Adele. Der Kater täuschte Mäusefang vor.
„Katze?, Adele´ s Blick schweifte scheinbar suchend über den Golfplatz, fand Minzer und antwortete: „Nein, ich nehme doch keine Katze mit auf den Golfplatz!
„Aha, der Mann drehte sich abrupt um und erreichte innerhalb weniger Sekunden Minzer, bückte sich und wollte den Kater ergreifen. „Keine Marke!
, brüllte er wütend. Seine Hand hing jetzt nur noch wenige Zentimeter über Minzer´ s Nacken, schwebte quasi über ihm und war kurz davor, zuzugreifen, als Minzer mit einem beleidigtem „Miau" aufsprang und schneller als man es ihm zugetraut hätte, davonlief.
Adele verkniff sich ein Lächeln, als sie dem Mann hinter her blickte, der mit stampfenden Schritten versuchte, den Kater zu fangen. „Das wird dir nicht gelingen", dachte Adele vergnügt. Sie schulterte den Golfschläger und machte sich geraden Schrittes in entgegengesetzter Richtung davon.
Minzer würde sie bei der „Hexe" treffen, einer alten Damen, die sehr hässliche, aber trotzdem gemütliche Zimmer auf Vestamannayjar vermietete und bei der sie die letzten Nächte verbracht hatten. Die Hexe war nicht nur Besitzerin einer kleinen Pension, nein, sie kochte auch für ihre Gäste Spiegeleier auf den noch glimmenden Resten eines kleinen Vulkans namens Helgafell. Adele hatte keine Zweifel, das Minzer den Knickebockerhosenmann abhängen würde.
Womit sie recht hatte, denn Sigurd Lasse Sigurdson gab seine Jagd auf den Kater am Fuße des Eldfell auf, einem Zwillingsvulkan, direkt gegenüber dem Helgafell gelegen.
Der Vulkan Eldfell entstand im Jahr 1973 durch 6 Monate andauernde, heftige Erdbeben. Die Insel Vestamannejyar wuchs durch die ausbrechende Lava einige Quadratkilometer und das Örtchen Heimaey wurde stark zerstört. Viele Menschen verließen die Insel, auf der nun wieder beinahe 4000 Menschen leben. Wie durch ein Wunder überlebten alle Bewohner der Insel und konnten mit Schiffen gerettet werden – bis auf einen.
Das ist eine aber andere Geschichte.
Vor dem Herrn vom Golfplatz flüchtend, kletterte Minzer auf den Rest des halbrunden Vulkans und blickte von oben hinab in den Krater. Die Umgebung war schwarz und braun von Lavagestein und der Verfolger farblich kaum von seiner Umgebung zu unterscheiden. Nur seine rote Jacke leuchtete fröhlich. Keuchend hatte der