Die Kaminangler
Von Tom Harrison
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Über dieses E-Book
Tom Harrison
Tom Harrison veröffentlicht mit diesem Kinderbuch sein lange verschollenes Jugendwerk, das er mit 17 Jahren geschrieben und neu illustriert hat.
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Buchvorschau
Die Kaminangler - Tom Harrison
Inhalt
Hunkelstätt
Der Geist der Villa Rosenstein
Himbeereis mit Schlagsahne
265 Groschen
Der staubige Mann
Die Kaminfegertruppe
Nervenbahnen auf Hochtouren
Die weinende Frau
Räuber auf Raubzug
Schatz unter dem Sofa
Feuer!
Die Kaminangler haben zugeschlagen!
Der falsche Dieb
Ehrenwerte Räuber
Schatzsuche im Mondschein
Im Verließ des Gewissens
Eine Familie
Hunkelstätt
Hunkelstätt war so klein und unbedeutend, dass es auf keiner einzigen Landkarte auftauchte. Manche Leute bezweifeln sogar, dass es überhaupt existiert hat. In den umliegenden Städten und Dörfern erzählten die Bewohner belustigt, dass irgendwo, hinter dem großen Wald, in einem von Flüssen eingeschlossenen Tal dieses verträumte Städtchen liegen würde. Irgendwo, zwischen meterhohen Kiefern und Eichen, würden Rauchschwaden aus den kleinen Kaminen der bescheidenen Häuschen dampfen. Dort draußen, weit entfernt von allen Straßen und Häfen, würde Hunkelstätt schon seit Jahrhunderten vor sich hin träumen. Die Einwohner dieses Städtchens waren keine Unmenschen, doch auf ihre eigene Art ganz besonders.
Es gab kaum junge Leute mehr, die Hunkelstätt Leben einhauchten. Eigentlich gab es nur noch ein paar alte Männer, die streng hinter ihren dicken Brillengläsern die wenigen Kinder beim Spielen beäugten oder alte Frauen, die sich um ihre Kaffeetassen-Sammlung sorgten und diese stolz beim Kaffeeklatsch mit den Dorffrauen präsentierten. Das Einzige, was der Dorfgemeinschaft noch Spaß bereite und ihre Augen zum Leuchten brachte, waren Geschichten und Gerüchte.
Stundenlang saßen die Rentner um den Ententeich, warfen Brotkrümel hinein und flüsterten wichtigtuerisch dem anderen etwas ins Ohr. Hauptsache, man blieb unter sich. Aus diesem Grund war schon seit Jahren kaum jemand mehr nach Hunkelstätt gezogen. Jeder, der auch nur eine Woche in Hunkelstätt verbracht hatte, wollte so schnell es geht wieder seine Koffer packen und mit dem nächsten Zug davon zischen. Doch da der Bahnhof schon lange stillgelegt war, tummelten sich nur noch am Wochenende Besucher und Einwohner auf dem Wochenmarkt und tauschten sich über das Leben abseits von Hunkelstätt aus.
Eines Tages jedoch wurde die Ruhe in Hunkelstätt von zwei kleinen Jungen gestört, die ihr ganz eigenes Leben lebten. Sie kümmerten sich nicht darum, was die Nachbarin oder der Lehrer ihnen sagten. Der eine Junge hieß Nickl und der andere Packl. Sie waren so unterschiedlich vom Äußeren und vom Inneren, dass man nie auf die Idee gekommen wäre, dass sie tatsächlich Brüder seien. Doch das waren sie. Nickl war einer, der sich nicht um Uhrzeiten oder Regeln scherte und über jeden Zaun in der Nachbarschaft kletterte. Ständig war er dabei, auf ein neues Abenteuer zu gehen, eine neue Reise in eine neue, unbekannte Welt anzutreten. Er konnte kaum länger als ein paar Augenblicke ruhig sitzen bleiben. Mit seiner großen Brille mit den dicken Gläsern und den Sommersprossen, sah er schon fast wie ein Bücherwurm aus. Ob er aber wirklich lesen konnte, wusste er, glaube ich, nicht einmal selbst.
Packl das war einer, der bei jedem Knarren der Dielen auf dem Dachboden aufschreckte und sich mit einem Regenschirm bewaffnet, aus dem Staub machte. Er fürchtete alles. Von der Spinne an der Zimmerdecke bis hin zu seinem eigenen Schatten. Ständig stolperte er von einem Bein aufs andere und konnte beim Spielen mit den Nachbarskindern nicht einmal den Ball fangen, ohne ins Taumeln zu geraten. Er war ein richtiger Tollpatsch, dem man lieber keine Tasse in die Hand drückte, da man nicht sicher sein konnte, in wie vielen Stücken sie auf dem Tisch ankamen. Dafür war Packl ein sehr geschickter Kletterer, der auf Bäume und Schuppen mühelos hinaufkam. Anscheinend verlor er seine Unsicherheit, wenn er den festen Boden unter den Füßen verließ. Wenn aber da nicht seine Höhenangst wäre…
Doch auch, wenn sie so unterschiedlich waren, wie es nur sein konnte, passten sie auf sich auf und liebten sich so, wie der andere war. Nichts und niemand auf der Welt konnte sie auseinanderbringen. Nicht einmal der böse Nachbarsjunge Frederik, der immer mit seinem großen, die Zähne fletschenden Hund an ihrem Haus vorbei stolzierte. Seit die Brüder auf der Welt waren, ärgerte und hänselte sie Frederik, wie er es nur konnte. Einmal öffnete er heimlich ihren Gartenzaun und ließ Pollux, seinen Hund, in dem Garten zwischen ihren Fußbällen und Springseilen sein Geschäft erledigen. Er wusste, welch eine Angst Packl vor Pollux hatte und lachte sich auf dem Fußweg dumm und dämlich. Noch dämlicher, als er es sowieso schon war. Frederik war ein so frecher Junge, dass seine eigene Mutter es nicht mehr mit ihm ausgehalten hatte und ihn zu seiner Oma an die Nordsee geschickt hatte. Zumindest erzählten sich das die Nachbarn.
Seit diesem Tag hatten Nickl und Packl ihre Ruhe in Hunkelstätt. Nun waren sie frei und konnten hingehen wohin sie wollten, ohne Angst haben zu müssen. In der Schule waren sie schon lange nicht mehr gewesen. Es gefiel ihnen dort nicht und sie hatten keine Eltern mehr, die es ihnen hätten aufzwingen können. Sie lebten in ihrer eigenen kleinen Traumwelt und ließen keinen Störenfried jemals wieder die wunderbare Ruhe in ihren Köpfen unterbrechen.
Der Geist der Villa Rosenstein
Das Einzige, was den Brüdern fehlte, war Geld. Geld ist aber auch ein fieser Kerl, dachten sie sich. Wenn man zu wenig besitzt, hat man Hunger und löchrige Schuhe und wenn man zu viel hat, weiß man nicht, welche Schuhe man kaufen soll. Die Erfindung Geld passte Nickl und Packl so gar nicht in den Kram. Schließlich konnte man Häuser und Schokolade nicht von Blättern oder schönen Blumen kaufen. Man muss sich das Geld verdienen. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Für einen richtigen Beruf waren sie doch noch viel zu klein und dennoch liebten sie es, sich den Bauch mit Erdnusscreme und Zuckerwatte vollzuschlagen, bis ihre Bäuche fast platzten.
Die Geschichte der beiden begann an einem außergewöhnlichen sonnigen Tag. Nickl wurde von dem lauten Klingeln seines rostigen Weckers geweckt und sprang zur Abwechslung direkt aus seinem muckligen Bett heraus und schlüpfte in die alten Wollsocken. Eigentlich ließ er sich sonst nur vom Knurren seines Magens wecken, doch heute mussten die beiden Brüder pünktlicher als die Schulglocke sein. Heute war nämlich Samstag und an einem Samstag ist sogar der friedliche Marktplatz von Besuchern gepflastert. Das war die Gelegenheit, sich ein paar Groschen dazu zu verdienen und gegen Abend mit den Füßen im Teich an einem Eis zu schlecken. Nickl hämmerte gegen Packls Zimmertür. Doch Packl war schon dabei, Brote zu streichen und den grünen Rucksack mit all den Dingen vollzustopfen, die sie zum Geldverdienen brauchten. Einen Drehkreisel, Teddy Dr. Kniffel, die Gartenhandschuhe und eine Blechdose.
Rasch verdrückten die beiden ihre Brote, tranken einen großen Schluck Limonade mit Kakaopulver, das war die Geheimrezeptur von Packl, und machten sich auf den Weg zum Marktplatz.
„Denkst du wir werden heute viel Geld verdienen, Nickl?"
„Natürlich werden wir das, Packl. Mach dir mal keine Sorgen. Ich rieche an allen zehn Fingern den Geruch der Groschen und bald wird jeder Eismann aus Hunkelstätt unsere Lieblingseissorte kennen."
„Letztes Mal haben wir nur so viele Groschen