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Die schwarzen Männer
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eBook321 Seiten4 Stunden

Die schwarzen Männer

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Über dieses E-Book

Ewen Kerber, Leiter der Mordkommission von Quimper, hat einen kurzen Urlaub auf der Insel Groix verbracht und war dabei die Insel wieder zu verlassen, als ihn ein Anruf von seinem Kollegen, Paul Chevrier, erreichte. Kriminelle haben ein Juweliergeschäft in Douarnenez überfallen, Geiseln genommen, Lösegeld gefordert und sich mit einem Hubschrauber auf den Weg nach Groix gemacht. Bei dem Überfall ist der Inhaber des Ladens ums Leben gekommen. Ewen Kerber will versuchen, die Verbrecher, mit Hilfe der Gendarmen der Insel, dingfest zu machen. Als diese aber das Schiff in ihre Gewalt bringen, eskaliert die Angelegenheit, und ein Sondereinsatzkommando der Marine muss eingreifen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Jan. 2018
ISBN9783742757395
Die schwarzen Männer

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    Buchvorschau

    Die schwarzen Männer - Jean-Pierre Kermanchec

    Kapitel 1

    Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, sind rein zufällig.

    Impressum

    © 2018 Jean-Pierre Kermanchec, Ulrike Müller

    Cover: Atelier Meer Kunst, Oetrange

    Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Printed in Germany

    Ewen Kerber war mit sich und der Welt im Einklang. Einige Urlaubstage standen an, die er mit Carla auf Groix verbringen wollte. Inselurlaub löste bei Ewen normalerweise keine Begeisterungsstürme aus, nicht weil er etwas gegen Inseln hatte, einzig die Anreise war ihm ein Dorn im Auge. Das Betreten eines Schiffes war für ihn gleichbedeutend mit der Vorstellung, sich permanent übergeben zu müssen.

    Groix war Carlas Wunsch gewesen, nachdem ihre Tochter Marie von den herrlichen Stränden, dem angenehmen Klima und den wunderschönen Spazierwegen rund um die Insel erzählt hatte. Letztlich hatte aber die Lektüre eines Buches, das Carla Ewen vor langer Zeit geschenkt hatte, ihn dazu bewegen können, seine Zustimmung zu geben. Die Beschreibungen über den Mineralienreichtum der Insel und über die Geologie ihrer Entstehung hatten in ihm die Neugierde geweckt, die Insel in Augenschein nehmen zu wollen. Nachdem Marie und Carla ihn darüberhinaus überzeugen konnten, dass die Überfahrt von Lorient aus nur eine gute Stunde dauerte, und das Schiff so groß sei, dass auch ein bewegtes Meer keine negativen

    Effekte bei ihm aufkommen lassen würde, war er endgültig zur Zustimmung bereit.

    Morgen ging es los. Die beiden hatten geplant, eine Woche auf der Insel zu verbringen. Eine Woche ohne Anrufe aus dem Büro und in absoluter Abgeschiedenheit von den kriminellen Vorfällen rund um Quimper. Paul Chevrier, sein Partner und Freund, hatte ihm versprochen, ihn zu informieren, falls seine Anwesenheit unausweichlich werden sollte. Ewen konnte sich auf seinen Kollegen verlassen, daran gab es keinen Zweifel. Bestimmt würde Paul auch seine Nachfolge antreten, wenn er selbst in den nächsten Jahren in Pension gehen würde.

    Paul war seit geraumer Zeit damit beschäftigt, seine Tätigkeit in Quimper zu überdenken. Davon wusste Ewen jedoch noch nichts. Seitdem Paul Alice Branilec kennengelernt hatte, wuchs sein Wunsch, nach Brest versetzt zu werden. Nur Ewen hielt ihn noch in Quimper zurück. Von Alice konnte er nicht fordern, dass sie nach Quimper zog. Ihrer Tätigkeit in der Abteilung Cybercriminalité konnte sie nur in Brest nachgehen, die Abteilung hatte dort ihren Sitz. Paul wollte seinen Freund Ewen auf keinen Fall in Quimper alleine zurücklassen. Sobald Ewen aber in Pension gehen würde, stünde einem Wechsel des Dienstortes nichts mehr im Wege.

    In den letzten Tagen war es ruhig im Kommissariat. Die Morde von Locronan waren aufgeklärt, die Menschen in dem Wallfahrtsort konnten wieder friedlich schlafen. Nourilly, der Chef der police judiciaire, hatte alle Hände voll zu tun mit den Pressekonferenzen und den Interviews der lokalen Fernsehsender. Breizh TV, der bretonische Kanal, France 3 aber auch die überregionalen Sender berichteten schon seit Tagen von der inzwischen aufgeklärten Bluttat. In den Augen der Presse war es eine unfassbare Mordserie. Drei Menschen mussten sterben, weil ein ehemaliger Bürgermeister unbedingt verhindern wollte, dass an dem Ablauf der Wallfahrt, den Pardons von Locronan, etwas geändert wurde.

    Die Auflösung der Morde war eine Meisterleistung von Ewen Kerber, auch wenn Kommissar Zufall ihm zu Hilfe geeilt war.

    „Und, Ewen, hast du schon alle Vorbereitungen für den Urlaub auf Groix erledigt?", fragte Paul seinen Freund, als er dessen Büro betrat.

    „Da gibt es von meiner Seite nicht viel vorzubereiten, Paul. Carla hat bereits alles zusammengesucht, was wir an Kleidung mitnehmen werden. Wetterfeste Kleidung dürfte das Wichtigste sein. Für eine Woche benötige ich nicht viel. Etwas Wäsche, zwei Jeans, eine zum Wechseln, falls wir einmal nass werden sollten, T-Shirts und einen warmen Pullover. Vielmehr brauche ich nicht. Wir gehen schließlich zum Wandern und nicht auf eine Modenschau."

    „Ich habe auch weniger an deinen Koffer gedacht, Ewen. Ich meinte eher deine mentale Vorbereitung. In den nächsten Tagen soll der Wind deutlich auffrischen. Du weißt was das bedeuten kann?"

    „Auffrischen, der Wind soll auffrischen? Wie stark soll er denn werden?"

    „Nun, er wird nicht gerade Orkanstärke erreichen, aber im Wetterbericht gestern hieß es, dass es bis zu Windstärke sechs kommen kann. Aber bis ihr morgen fahrt, kann sich das Wetter schon wieder geändert haben."

    „Das ist das Gute an unserem bretonischen Wetter. Man kann sicher sein, dass es sich schnell wieder ändert. Allerdings, planen lässt sich damit nicht sehr gut."

    „Habt ihr euch ein schönes Hotel ausgesucht für die Woche?"

    „Carla hat das erledigt. Sie hat das Hotel Ty Mad, direkt am Hafen von Port Tudy, ausgesucht. Es ist ein Hotel mit zwei Sternen. Das reicht uns bestimmt für die eine Woche. Wir haben ein Zimmer mit Sicht zum Hafen bekommen. Wir brauchen kein Taxi, um ins Hotel zu gelangen, das ist ein Vorteil. Ich habe mir angesehen, was über das Restaurant geschrieben worden ist, das Essen ist mir wichtiger als das Zimmer. Es scheint alles in Ordnung zu sein, die Kritiken sind gut."

    „Dann ist ja alles in bester Ordnung. Hoffen wir, dass die Wetterfrösche sich geirrt haben."

    „Hoffen wir es!"

    Paul verließ das Büro und Ewen beugte sich wieder über die lästigen Formulare, die es, für die von Nourilly gewünschte Statistik, auszufüllen galt. Eine absolut unnötige Arbeit aus seiner Sicht. Dumme Fragen wie zum Beispiel: Wie viele Tage haben Sie an der Aufklärung gearbeitet? War die Unterstützung durch das Kommissariat ausreichend? Welche Verbesserungen sollten wir einführen? Welche Kosten sind durch die Ermittlungsarbeit entstanden? Wären diese Kosten durch eine bessere Koordination vermeidbar gewesen? Solche und ähnliche Fragen wollte der Chef beantwortet haben, um seine Auswertungen bezüglich der Kostenminimierung und der eventuellen Neuausrichtung der einzelnen Abteilungen zu erstellen. Ewen schien das eine Zeitvergeudung. Er füllte diese Formulare auch nur in den Zeiten aus, in denen gerade keine Ermittlungsarbeiten anstanden.

    Langsam rückte der Feierabend näher und Ewen begann seinen Schreibtisch aufzuräumen. Dann machte er sich auf den Weg nach Hause. Er nahm sein Jackett vom Besucherstuhl, zog es an und verließ das Zimmer, nicht ohne nochmals seinen Blick durch das Büro schweifen zu lassen, um sicherzugehen, dass er auch nichts vergessen hatte. Dann zog er die Bürotür zu. Ein absolut sicheres Zeichen für jeden im Kommissariat, dass Ewen Kerber in Urlaub ist. Üblicherweise stand seine Tür offen.

    „Bis nächste Woche, Paul! Du vergisst nicht, was du mir versprochen hast?"

    „Nein, Ewen, bestimmt nicht. Sollte es ohne dich nicht mehr weitergehen, werde ich dich sofort anrufen."

    „Grüß mir bitte Alice, die ich immer noch nicht kennenlernen durfte."

    „Steht schon auf meiner Agenda, Ewen. Grüß du mir Carla, und erholt euch gut."

    Ewen nickte und machte sich jetzt endgültig auf den Heimweg.

    Kapitel 2

    Die Fahrt nach Lorient am nächsten Morgen verlief problemlos. Sie mussten schon sehr früh losfahren, die Fähre verließ wenige Minuten nach acht Uhr den Hafen von Lorient. Ihrer Buchung hatten sie entnommen, dass sie 40 Minuten vor der Abfahrt vor Ort sein sollten. Von Quimper bis nach Lorient benötigten sie etwa eine dreiviertel Stunde, so dass Ewen entschieden hatte, viertel nach sechs loszufahren.

    Sie stellten ihren Wagen in eine Parklücke auf dem öffentlichen Parkplatz, in der Rue Gilles Gahinet. Damit ersparten sie sich die Kosten für den bewachten Parkplatz am oberen Ende der Straße. Die Gebühren waren dort hoch, zwanzig Euro für die ersten zwei Tage. Wie hoch die Kosten für eine Woche waren, wusste Ewen nicht. Aber durch ihre frühe Ankunft fanden sie einen Platz auf dem öffentlichen Parkplatz und konnten sich diese Kosten also sparen. In der Nebensaison war auch der andere Parkplatz kostenlos, aber ihre Fahrt fiel gerade noch in die Hauptreisezeit.

    Das Schiff, Le Saint Tudy, lag bereits am Pier, und die Vorbereitungen für die Überfahrt waren in vollem Gange. Zwei LKW standen auf der Wartespur für die Fahrzeugverladung, und sieben PKW parkten daneben. Ewen und Carla betraten die Vorhalle des Gare Maritim und gingen an einen freien Schalter. Carla, die die Buchung Online getätigt hatte, reichte der Dame hinter dem Schalter ihre Reservierung und erhielt von ihr die Fahrkarten und einige Broschüren über die Insel. Ewen sah auf die Uhr und fragte sich, warum sie so früh hier sein mussten. Sie hatten jetzt noch beinahe eine halbe Stunde Zeit, bis sie an Bord gehen konnten.

    Der Wartesaal war noch nicht sehr belebt, als Ewen mit Carla durch die automatische Glastür in den Raum trat. Sie suchten sich einen Platz am Fenster, und Ewen betrachtete das Schiff. Er schätzte die Länge des Schiffes auf mehr als 40 Meter. Die Breite konnte er nicht gut einschätzen. Aber 10 bis 11 Meter konnten es schon sein. Dann fiel ihm der Prospektständer auf. Er erhob sich und ging auf den Ständer zu. Ein Prospekt der Compagnie Océane steckte darin. Ewen zog ein Exemplar heraus und öffnete es. Da standen alle Daten zu den beiden Schiffen der Gesellschaft. Die Länge betrug 44,5 Meter und die Breite 11 Meter. Das zweite Schiff, die Ile de Groix, war etwas größer, 46 Meter lang und 12 Meter breit. Die Kapazität, den Transport von Fahrzeugen betreffend, war bei dem größeren Schiff deutlich höher. Anstelle von 20 PKW konnten 32 geladen werden. Die Geschwindigkeit von 12 Knoten war für beide gleich.

    Ewen setzte sich wieder zu Carla, die den Eindruck hatte, dass Ewen seine notorische Angst vor Seereisen durch die Lektüre dieser Prospekte überspielen wollte.

    „Ist das sehr interessant?", fragte sie ihn.

    „Ich interessiere mich eben für unser Schiff. Ich möchte informiert sein über seine Größe, Geschwindigkeit und Zuladung. Es kann doch nicht schaden, wenn ich mich damit beschäftige?"

    „Nein, Ewen, schaden kann es nicht, aber du könntest dich vielleicht auch für mich interessieren. Auch das könnte nicht schaden, was meinst du?"

    Ewen fühlte sich ertappt und legte den Prospekt sofort zur Seite.

    „Aber natürlich interessiere ich mich für dich, mein Schatz, sagte er, nahm seine Frau zärtlich in den Arm und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf den Mund.

    Als der Ausgang geöffnet wurde, strömten die Passagiere in Richtung des Schiffes. Bestimmt waren es an die 200 bis 300 Menschen, die inzwischen im Warte-saal ausgeharrt hatten.

    Ewen nahm ihren Koffer und marschierte mit Carla in Richtung der wartenden Fähre. Die Fußgänger betraten den großen Laderaum des Schiffes und stiegen sofort die Treppe nach oben, während die Fahrzeuge langsam an ihnen vorbei auf das Parkdeck fuhren. Noch lag das Schiff ruhig am Pier, und Ewen registrierte keinerlei Schwankungen. Wenn es dabei bleibt, würde die Überfahrt bestimmt unproblematisch werden. Die Fahrt nach Ouessant, vor der er enormen Respekt gehabt hatte, wegen der überall beschriebenen gefährlichen Fromveur-Strömung, war damals sehr gut verlaufen. Außerdem dauerte die heutige Fahrt lediglich fünfzig Minuten.

    Carla suchte für sie beide einen Platz auf dem offenen Deck, um etwas mehr von der herrlichen Landschaft zu profitieren. Jetzt am frühen Morgen war die Luft noch recht frisch, und sicherlich würde der Wind deutlich zunehmen, wenn das Schiff erst auf dem offenen Meer fuhr. Sie waren beide warm bekleidet, so dass die Temperatur ihnen im Augenblick nichts anhaben konnte.

    Pünktlich um acht Uhr wurden die mächtigen Taue, die das Schiff am Pier gehalten hatten, gelöst und eingezogen, und das Schiff nahm Fahrt auf. Der Hafen von Lorient ist der größte Fischereihafen der Bretagne, und so lagen jetzt zahlreiche Fischkutter, die die Nacht über auf dem Meer waren, an den Molen und löschten ihre Ladung.

    Die Saint Tudy glitt sanft an ihnen vorbei. Ewen stellte sich an die Reling und betrachtete die Bugwelle, die das Schiff erzeugte. Eine Segelyacht, die vom Meer zurückkam und in Richtung des Hafens fuhr, wurde von den Wellen kräftig angehoben. Ewen war heilfroh, dass er nicht auf dem Segelboot sein musste. Diese Bewegungen wären bestimmt schon zu viel für seinen Magen gewesen. Jetzt kam der erste der drei mächtigen U-Boot-Bunker von Lorient ins Blickfeld. Die Nazis hatten sie errichtet, und sie dienten den deutschen U-Booten während des zweiten Weltkrieges als Schutz vor den alliierten Bombenangriffen. Der Bunker K3, so hatte Ewen in einer Fernsehsendung gehört, besaß eine sechs Meter dicke Betondecke, die anderen beiden hatten lediglich drei Meter Beton zu ihrem Schutz. Die Stadt Lorient war während des Krieges praktisch ausradiert worden, aber die Bomben hatten an den Bunkern so gut wie keinen Schaden angerichtet. Die französische Marine nutzte sie bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts noch für ihre U-Boote. Jetzt waren die Bunker zu einem Museum umfunktioniert worden. Teile wurden als überdachte Liegeplätze für diverse Yachten genutzt oder dienten zahlreichen Firmen als Lager, Werkstätten und Fabrikräume. Die enorme Größe dieser Anlagen erlaubte es, dass hier sogar Tri- und Katamarane für die Wettrennen über den Atlantik gebaut werden konnten.

    Auf der anderen Schiffsseite kam Vaubans gewaltige Festung Port Louis näher. Ewen kannte die Festung von früheren Besuchen. Sie beherbergt das Museum der indischen Kompanie, das er mit Carla an einem Sonntag besucht hatte. Es war absolut sehenswert. Die hohen Mauern erschienen Ewen von See aus noch mächtiger. Langsam kamen sie aufs offene Meer hinaus. Der Wind frischte nur unwesentlich auf, und das Schiff glitt ruhig durchs Wasser. Nach einer knappen halben Stunde kam auch schon die Île de Groix in Sicht. Schon vom Weitem konnte Ewen die Hafeneinfahrt mit dem rotweißen Leuchtturm auf der linken Seite der Hafeneinfahrt erkennen. Als sich das Schiff der Einfahrt näherte, reduzierte es seine Geschwindigkeit und passierte die, aus Ewens Sicht, sehr enge Einfahrt. Vorsichtig wurde es an die Kai-Mauer bugsiert und vertäut.

    „Na, war das jetzt so schlimm?", fragte Carla ihren Mann, während sie die Treppe nach unten stiegen und das Schiff verließen.

    „Die Herfahrt nicht, hoffen wir, dass die Rückfahrt auch so gut verläuft."

    „Ach Ewen, kannst du nicht einfach nur entspannen. Lass uns jetzt die Tage auf Groix genießen. Du wirst sehen, es wird dir gut gefallen."

    Sie gingen über die recht breite Kaimauer und folgten dann der Straße in südliche Richtung. Ihr Hotel lag genau vor ihnen. Nach nur wenigen Metern hatten sie es erreicht. Der Innenhof diente als Parkplatz für die Gäste, die mit eigenem Fahrzeug auf die Insel kamen, und dem Hotelbesitzer. Im hinteren Bereich, links neben dem Eingang, sah Ewen eine recht nett angelegte Terrasse mit Tischen und Stühlen für die Gäste. Bestimmt konnten sie hier ihren Aperitif einnehmen.

    Die Anmeldung war schnell erledigt, die Zimmer leider noch nicht zu beziehen, was nicht weiter tragisch war. Sie stellten ihren Koffer ab und starteten sofort zu einem ersten Erkundungsgang.

    Sie entschieden sich für den Weg nach Osten, der über dem Hafenbecken verlief und einen freien Blick auf die Küste und Lorient gestattete. Ewen war sogleich begeistert von den herrlichen Ausblicken auf den Hafen, das Festland, die sanft im Wind treibenden Segelboote und den wunderschönen Farben des Wassers, des Sandes und der südländischen Flora.

    Das Meer, das am Horizont in dunklem Azurblau leuchtete, veränderte seine Farbe mit der Annäherung an den Strand von tiefdunklem Grün über Smaragdgrün, um dann in ein zartes Hellgrün zu münden. Die sich bildenden und schnell wieder vergehenden weißen Schaumkronen der Wellen verliehen dem Ganzen eine Leichte und Lebendigkeit. Die verschiedenen Strände schienen den Wettbewerb mit dem Farbenspiel des Wassers aufnehmen zu wollen. Anstatt die üblichen hellbraunen bis gelblichen Farbtöne, die Ewen kannte, schillerten diese hier rötlich bis weiß. Das satte Grün der Bäume, der Farne und der übrigen Pflanzen gab diesen hellen Stränden ein subtropisches Antlitz. Jetzt verstand Ewen die Erzählungen von Carlas Tochter Marie, die von den Stränden geschwärmt hatte, und deren Freunde sie in der Südsee vermuteten, als sie ihnen die Bilder gezeigt hatte. Der Strand, Les Grand Sables, einer der seltenen konvexen Strände Europas, faszinierte Ewen. Sie folgten dem Küstenweg weiter, vorbei an dem Plage, Les Sables Rouges, dem roten Strand, der seine Farbe vom granathaltigen Sand erhalten hatte, und folgten dem Weg weiter in südliche Richtung, bis zur Pointe des Chats. Nach zwei Stunden hatten Ewen und Carla das Ziel, das sie sich für den ersten Spaziergang vorgenommen hatten, erreicht. Sie folgten der Küste in westliche Richtung und kamen an den kleinen Strand der Ortschaft Locmaria. Von dort aus wollte Ewen den Rückweg quer über die Insel zum Hotel antreten. Der Weg hatte sie ermüdet und hungrig werden lassen. Sie entdeckten die Crêperie, L´Ocre Marine, setzten sich auf die schattige Terrasse mit Blick aufs Meer und bestellten Crêpes und Getränke.

    Kapitel 3

    Douarnenez war mit Touristen überfüllt. Seit Jahren hatten sich nicht mehr so viele Gäste in ihren Gassen getummelt. Das herrliche Wetter sorgte dafür, dass der Zustrom von Touristen ins Finistère noch einmal kräftig angestiegen war. Die Bretagne führte die Liste der beliebtesten Ferienlandschaften der Franzosen schon seit geraumer Zeit an. Auch in diesem Jahr war die Saison sehr erfolgreich, und die Straßen, Plätze und die Promenade am Hafen waren gut besucht. Die Geschäftswelt zeigte sich zufrieden. In den letzten Wochen war der Umsatz der Boutiquen, der Bar-Tabaks, der Restaurants und der Souvenirläden auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Schon lange war der Tourismus zu einem wichtigen Geschäftsfeld angewachsen. Die Fischerei, die im vergangenen Jahrhundert noch die treibende Kraft war, ging beständig zurück. Für Douarnenez war das bisher noch nicht so schmerzlich zu spüren, denn die weltbekannte Marke, Petit Navire, konservierte hier immer noch den Thunfisch in den kleinen blauen Dosen.

    Die Passanten schlenderten durch die Einkaufsstraßen, trugen zahlreiche Einkaufstüten mit den Logos der verschiedenen Boutiquen und achteten nicht so genau auf das Geschehen, das sich vor dem Juwelierladen in der rue Duguay Trouin abspielte.

    Ein schwarzer Peugeot 406, mit vier Männern besetzt, hatte geduldig gewartet, bis ein Parkplatz vor dem Juweliergeschäft frei geworden war. Drei Männer stiegen aus dem Wagen, während der vierte bei laufendem Motor im Auto sitzen blieb. Die Männer gingen zielstrebig auf die Eingangstür des Ladens zu. Kurz bevor sie die Tür erreichten, zogen sie sich schwarze, wollene Sturmhauben übers Gesicht, rissen die Tür auf und stürmten in das Geschäft. Mit gezückten Pistolen schrieen sie die wenigen Besucher an:

    „Auf den Boden! Los, auf den Boden! Schneller!"

    Die erstaunten Kunden reagierten zögerlich, sahen sich ängstlich um und ließen sich dann langsam zu Boden gleiten. Drei Frauen und zwei Männer waren im Geschäft, als die drei hereingestürmt waren.

    Der Juwelier hob seine Hände hoch und wollte sich ebenfalls auf den Boden legen.

    „Du nicht", schrie einer der Männer und reichte ihm eine Plastiktüte.

    „Den ganzen Schmuck hier rein, aber schnell und keine Mätzchen, sonst knallts." Der Juwelier griff nach der Tüte und füllte sie.

    „Nur die wertvolleren Stücke, den Modeschmuck kannst du denen hier verkaufen!" Er zeigte auf die Menschen auf dem Boden. Der Inhaber bewegte sich langsam hinter der Ladentheke. Er hoffte, den Alarmknopf betätigen zu können, noch zwei Schritte, dann würde er ihn erreicht haben. Erneut griff er in die Vitrine vor sich und holte Ketten, Armbänder und Ohrringe heraus.

    „Schneller, nicht so lahm!", rief ihm einer der Männer entgegen.

    „Auch die Sachen in den Schubladen!", brüllte ein anderer. Der Juwelier war beinahe dankbar für diese Bemerkung. Jetzt konnte er sich etwas bücken und den Alarmknopf drücken, bevor er die Schublade aufzog. Er füllte die Plastiktüte weiter. Langsam kam er zu den teureren Uhren. Der Mann vor ihm fuchtelte mit der Pistole hin und her und schrie:

    „Schneller, schneller, wir haben nicht ewig Zeit."

    Einige Minuten später, er hatte gerade die letzten beiden Schubladen mit den Uhren und Broschen geleert, waren die Sirenen der sich nähernden Gendarmeriefahrzeuge zu hören.

    „Merde, die Bullen!", schrie der am nächsten beim Juwelier stehende Gangster in Richtung seiner Kollegen, griff nach der Tüte und riss sie dem Juwelier aus der Hand. Die drei Männer rannten zur Tür, es war zu spät. Die Gendarmen waren bereits vor dem Geschäft eingetroffen, und ihre Fahrzeuge machten es unmöglich, dass sie mit ihrem Fluchtwagen verschwinden konnten.

    „Los zurück", schrie der erste Mann und drängte seine Komplizen wieder in den Laden.

    „Du hast uns die Bullen auf den Hals gehetzt!", brüllte der Mann mit der Tüte und zielte auf den Juwelier. Ohne zu zögern drückte er ab, der Knall drang durch die Scheiben nach draußen. Die Fußgänger vor dem Laden schrieen auf, die Gendarmen stürmten an die Hausmauer und postierten sich links und rechts der Eingangstür. Die Passanten wurden aus der Gefahrenzone gebracht und das Geschäft großräumig abgesperrt.

    Einem Gendarmen fiel der Fahrer in dem Peugeot 406 auf, dessen Motor immer noch lief. Mit vorgehaltener Pistole lief er zu dem Fahrzeug und riss die Tür auf. Der Fahrer machte keinerlei Anstalten sich zu wehren. Er hob die Hände und ließ sich von dem Gendarmen aus dem Fahrzeug holen und abführen. Ein zweiter, schnell herbeigeeilter Gendarm, stellte den Motor ab und schloss die Tür des Fahrzeugs. Dann bestellten sie das Einsatzkommando, das in Quimper stationiert war. Es würde bestimmt noch eine halbe Stunde dauern, bis das Team einsatzbereit vor Ort war.

    Mit einem Megafon versuchte ein Gendarm die Räuber zum Aufgeben zu bewegen.

    „Kommen Sie mit erhobenen Armen heraus. Sie haben keine Chance. Ergeben Sie sich und kommen Sie sofort heraus."

    Alles blieb ruhig, von drinnen kam keine Antwort. Seit dem Schuss war nichts mehr zu hören. Der Beamte wiederholte seine Aufforderung mehrfach. Keine Antwort.

    „Haben die jemanden erschossen?", fragte einer der Gendarmen seinen Kollegen.

    „Keine Ahnung, ich habe nur den Schuss gehört, so wie du auch."

    „Aber falls die jemanden erschossen haben, müssen wir auch die Mordkommission rufen."

    „Du kannst sie ja schon informieren", sagte er zu seinem Kollegen und sah wieder gebannt auf die Eingangstür des Ladens. Durch die Fensterscheiben war nichts zu erkennen. Die Scheiben, mit den dahinter hängenden Werbeplakaten, waren durch einen Vorhang vom Innenraum getrennt.

    „Was machen wir jetzt?", fragte einer der maskierten Männer seinen Komplizen.

    „Wir müssen hier weg, mit dem Auto kommen wir nicht mehr fort. Bestimmt haben sie Maurice schon verhaftet. Hoffentlich hält er dicht."

    „Die Bullen müssen uns einen Fluchtwagen stellen. Wir nehmen die hier als Geiseln!"

    „Alle? Die stören uns doch nur auf der Flucht. Wir schnappen uns die Frau da hinten, die muss reichen. Was hast du mit dem Besitzer gemacht?"

    „Dem habe ich eine Kugel verpasst, der ist doch

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