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Giftmord statt Goldschatz: Ein Rheinsberg-Krimi
Giftmord statt Goldschatz: Ein Rheinsberg-Krimi
Giftmord statt Goldschatz: Ein Rheinsberg-Krimi
eBook239 Seiten2 Stunden

Giftmord statt Goldschatz: Ein Rheinsberg-Krimi

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Über dieses E-Book

Gerade noch glaubte der Rheinsberger Bauarbeiter Bernd Bergner, einen wertvollen Goldfund gemacht zu haben. Doch die Freude währt nicht lange. Schon bald liegt der Mann tot auf der Straße. Der Mord erschüttert die Kleinstadt. Doch Kommissarin Anna Klettner und ihr viel zu kleines Team bekommen noch weit mehr zu tun. Ein illegales Bordell brennt ab, wenig später ein in der Restaurierung befindliches Bürgerhaus im Zentrum der Stadt. Im Laufe der Ermittlungen fallen viele Masken. Ein anscheinend ehrbarer Bürger entpuppt sich als religiös-fanatischer Psychopath. Rheinsberg wird zum Zentrum des Medieninteresses. Das erhöht zwar die Zahl der Touristen deutlich, schmeckt aber vielen Einwohnern überhaupt nicht. Sie wollen eine Bürgerwehr gründen. Doch dann können die Ermittler die Täter dingfest machen. Und die Stadt kommt zu gänzlich neuen Ehren: Hollywood verfilmt die Mordsgeschichte.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum2. Sept. 2014
ISBN9783847605850
Giftmord statt Goldschatz: Ein Rheinsberg-Krimi

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    Buchvorschau

    Giftmord statt Goldschatz - Holger Rudolph

    Fundsache

    Einer seiner Weisheitszähne macht ihm Probleme. Die Bohrmaschine im Nachbarraum schrillt. Erst gestern hatte Bernd Bergners Zahnarzt ihn eindringlich darauf hingewiesen, dass der Zahn raus müsse, und dies möglichst bald. Doch der Bauarbeiter will jetzt nicht darüber nachdenken, was sein sollte. Allerdings macht das energische Geräusch von nebenan es schwierig, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Zu sehr erinnert der alles durchdringende Ton an das verhasste Bohrgerät beim Stomatologen. Trotzdem wird er seinen Bekannten aus Jugendtagen in absehbarer Zeit aufsuchen müssen. Setzt er doch großes Vertrauen in dessen Fähigkeiten als Arzt.

    Die Holzdielen unter seinen Füßen sind bald 200 Jahre alt. Vorsichtig hebt er eine von ihnen an. Nur nichts beschädigen, was noch gerettet werden könnte. Die Denkmalschützer fordern, dass möglichst viel von der alten Substanz bei der Sanierung dieses zentral gelegenen Rheinsberger Ackerbürgerhauses erhalten bleibt.

    Bergner arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten im Baubetrieb Kegel. Er weiß, wie viel Zeit für eine ordentliche Instandsetzung nötig ist. Oft würde er deshalb so manchen Arbeitsgang gern mit deutlich mehr Ruhe erledigen, als es im stressigen Alltag möglich ist.

    Wieder einmal hat es Norbert Kegel geschafft, bei einer der größeren Ausschreibungen in seiner Heimatstadt billiger als die anderen zu sein. Ein fettes Grinsen erfüllte das Gesicht des schwergewichtigen und klein gewachsenen Firmenchefs, als er seinen Leuten vor ein paar Wochen mitteilte: „Wir haben den Zuschlag für die Bautischler-Arbeiten erhalten." Für Bergner und sechs weitere Angestellte bringt der Auftrag mindestens ein Jahr der beruflichen Sicherheit. Allerdings hat der Handwerker, dem seine Arbeit an sich sehr gut gefällt, seit der erfreulichen Botschaft massenweise Überstunden leisten müssen, ohne Bezahlung natürlich. Es handelt sich um Mehrarbeit, die es offiziell nicht gibt. Wer sich darüber aufregt, der könne gehen, poltert Kegel, wenn sich in den Reihen der Mitarbeiter auch nur die geringste Kritik regt. Dabei entwickelt seine linke Augenbraue ein markantes Eigenleben. Unkontrollierbar zuckt sie auf und ab. Doch das geschieht nur selten, denn meist kuschen Kegels Leute. Ihm Kritik ins Gesicht zu sagen, das könnte schiefgehen. Und es ist nicht leicht, im Nordosten Deutschlands wieder eine Festanstellung zu bekommen, erst recht, wenn man als aufmüpfig gilt.

    Bergners Handy klingelt. Es sitzt griffbereit aber sicher in einer der tiefen verschließbaren Taschen der Arbeitsweste. Er drückt die grüne, reichlich abgenutzte Taste des mehr als zehn Jahre alten Telefons. Bergner braucht ein Handy, das gut funktioniert und kein miniaturisiertes mobiles Büro, wie es viele seiner Kollegen mit sich herumtragen. Dass einige von ihnen über seinen Steinzeit-Knochen witzeln, stört ihn nicht. Die Anruferin ist seine Frau Susanne. Sie möchte wissen, wann er heute nach Hause kommt. Bergner ist zwar froh darüber, dass sie sich auch nach 17 Jahren Eheleben noch fast täglich besorgt danach erkundigt, wie es ihm geht. Doch wie so oft weiß er auch heute nicht, wann Arbeitsschluss sein wird. Susanne kennt seine Probleme nicht aus eigenem Erleben. Sie hat als Krankenschwester in einer Allgemeinmedizinischen Praxis einen echten Acht-Stunden-Arbeitstag. Oft genug bekommt Bergner den Ärger der Ehefrau über seine ausgedehnte Arbeitszeit zu spüren. Sie wirft ihm in solchen Momenten vor, er setze sich nicht genügend durch. Eigentlich brauche er seinem Chef gegenüber doch nur im Falle erneuter ungesetzlicher Mehrarbeit auf die vertraglich verbürgte Stundenzahl hinzuweisen. Diese Möglichkeit hätte er natürlich tatsächlich. Doch die Auswirkungen wären vollkommen anders, als von ihr erhofft. Seine Vorarbeiterstelle würde er dann höchstwahrscheinlich nur noch kurze Zeit behalten. Irgendein Vorwand, ihn zu degradieren oder gar zu kündigen, wäre schnell gefunden.

    Manchmal scheint Susanne ihrem Mann überhaupt nicht zu glauben, wenn er wieder einmal sein spätes Heimkommen mit den Unwägbarkeiten des Arbeitslebens begründet. Es kommt ihm dann so vor, als ob sie glaubt, dass er eine Andere haben würde. Er versteht nicht, dass sie an so etwas auch nur im Entferntesten denken kann. Wie zur Selbstberuhigung spricht er vor sich hin: „'ne Neue, würde ich doch niemals machen, ich mag dich doch, Suse, was soll ich da mit 'ner Anderen. Wir sind doch glücklich."

    Die beiden Kinder sehen ihn nur selten. Oft ist er abends erst dann zu Hause, wenn sie bereits im Bett liegen und schlafen. Manchmal kommt es vor, dass beide Eltern noch bis spät in die Nacht unterwegs sind. Das geschieht immer dann, wenn Bernd wieder einmal länger arbeiten muss und Susanne Zeit mit ein paar Freundinnen verbringt. Bernd akzeptiert, dass sie sich mit ihnen immer montags, mittwochs und freitags zum Mädelsabend in verschiedenen Cafés trifft. Weniger Verständnis bringt er dafür auf, dass sie nach einem solchen Treffen meistens erst gegen 3 Uhr morgens wieder zu Hause ist. Ein paar Mal hat er zu erfahren versucht, weshalb es derart lange gedauert hatte. „Weiberkram, den Du sowieso nicht verstehen würdest", antwortete sie ihm. Frauen hätten sich stets viel zu erzählen. Längst fragt er nicht mehr nach. Soll sie nur machen, denkt er. Kaffeetrinken und quasseln könne so schlimm doch nicht sein.

    Ja, er wird sich heute Abend beeilen, mehr kann Bernd Bergner seiner Frau nicht versprechen. Er beendet das Telefonat rasch, denn Norbert Kegel hat sich breit vor ihm aufgebaut: „Na, wie lööft ett, meen Juta?, will er wissen. Bergners Chef berlinert immer dann, wenn er seinen Mitarbeitern gegenüber Fürsorge demonstrieren möchte. Das ist gespielt – und nicht einmal gut. Jeder auf der Baustelle fühlt sich genervt von dem Eiapopeia-Kindergarten-Ton, den der angeblich Besorgte an den Tag legt. Er mimt dann den großen und wissenden Erzieher, seine Leute aber sind die lieben Kleinen, denen er von ganzem Herzen nur das Allerbeste will. Jeder weiß, dass Kegel in Wahrheit ein eiskalter Rechner ist, der vor allem befürchtet, dass seine Mitarbeiter in Verzug kommen könnten. Das würde für ihn Ärger mit dem Auftraggeber bedeuten, den er sich nicht leisten kann. Gehört das mehr als 200 Jahre alte Haus doch einem der einflussreichsten Prinzenstädter. Als Vorarbeiter hat Bernd dafür zu sorgen, dass niemand schludert, die Zeitvorgaben aber trotzdem eingehalten werden. Der Bautischler kann seinen Vorgesetzten für heute beruhigen: „Alles bestens, kein Grund zur Sorge. Nach einem allzu intensiven Schulterklopfen zieht Kegel ab. Er muss weiter, zwei andere Baustellen, ein Museum in der Kreisstadt Neuruppin und der Anbau einer Klinik in Kyritz, sind heute noch zu besuchen.

    Die meisten Dielen im alten Bürgerhaus, das zuvor über Jahrzehnte leer gestanden hatte, sind von Holzwürmern zerfressen. Trotzdem hebt Bergner jedes Brett mit großer Sorgfalt an. Nur bei wenigen davon lohnt sich das Aufarbeiten. Als er eine weitere alte Bohle aus der Verankerung löst, schlägt ihr hinterer, nun abgesenkter Teil lautstark auf Metall. Zumindest klingt es so. Rasch entfernt der Arbeiter auch die beiden Nachbardielen.

    Ungewissheit

    Die freigelegte Schatulle ist alt. Bernd Bergner hatte sich zunächst vergewissert, dass keiner seiner Kollegen in der Nähe ist, ehe er sie sich näher ansah. Das Tuch aus Leinen, in welches das Gefäß eingehüllt war, wies nur an einer Stelle zwei, drei kleine Löcher auf. Ansonsten hatte es über Jahrhunderte hinweg den Inhalt geschützt. In all den Jahren, die er schon alte Häuser saniert, hat der Arbeiter noch keinen derartigen Fund gemacht. Das Interessanteste, was es bisher für ihn zu entdecken gegeben hatte, war ein Schaukelpferd, entstanden in einer märkischen Manufaktur um 1910. Der Bauherr hatte damals nichts dagegen, dass Bergner das Spielzeug mit nach Hause nimmt. Er sah davon ab, dem Pferdchen eine neue Lackierung zu verpassen. Danach hätte es zwar mit Sicherheit noch besser ausgesehen, doch sein Wert als Antiquität wäre gesunken. Ungenutzt herumstehen sollte das Holztier dann aber doch nicht. Bergners Kinder Maria und Björn vergnügten sich damit über Jahre hinweg.

    Heute geht es wohl um mehr als ein Holzpferdchen. Das Innere der offenbar sehr alten Schatulle ist mit Stoff ausgekleidet. Ungefähr 100 Münzen, jeweils etwa so groß wie ein Ein-Euro-Stück, scheinen aus purem Gold zu bestehen. Auf der einen Seite ist der Kopf eines Mannes mittleren Alters abgebildet. Sein Gesicht ist rundlich, obenauf eine Rokoko-Perücke, wie sie in herrschaftlichen Kreisen ab 1730 üblich war. Unter der bildlichen Darstellung auf dem Avers der Münze stehen die Initialen M. G. F., ohne dass es eine Erläuterung dafür gibt. Der Revers der sämtlich identischen Münzen zeigt Schloss Rheinsberg noch ohne jene Umbauten, die erst später realisiert wurden, als Prinz Heinrich von Preußen, Friedrichs jüngerer Bruder, dort bis zu seinem Tode lebte. Auch der Grienericksee, der das Schloss vom nahen Boberow-Forst trennt, ist erkennbar. Allerdings fällt Bergner auf, dass die Proportionen der gezeigten Objekte etwas ungewöhnlich dargestellt sind. Was ihm als falsch erscheint, könnte damals vielleicht als besonders kunstvoll gegolten haben, vermutet er rasch. Vielleicht wäre es auch eine sehr spezielle Note des Künstlers.

    Für ein paar Minuten dachte Bergner darüber nach, ob er den vermutlich sehr wertvollen Fund seinem Chef melden sollte. Dann stand für ihn fest, dass er den Schatz behalten würde. Die schnörkellose Schatulle misst nur ungefähr zehn mal vier Zentimeter und ließ sich daher bestens in der alten Leder-Arbeitstasche verstecken, die schon seinem Vater gute Dienste geleistet hatte. Zum Arbeitsschluss legte er sie in den Kofferraum seines Kleinwagens. Wieder einmal ist es spät geworden. Mehrfach war er im Verlauf des Nachmittags in Versuchung geraten, mit den Kollegen über den Fund zu sprechen. Doch er schwieg. So muss es Lottogewinnern gehen, die trotz Millionen auf dem Konto nach wie vor täglich arbeiten, um nur kein Aufsehen zu erregen, dachte er. Leicht war das nicht. Und es würde bestimmt noch sehr viel schwieriger werden. Nachher würde er es vielleicht Susanne sagen. Nein, besser doch nicht. Es reicht, wenn er sein eigenes Gewissen belastet. Seine Frau sollte besser nichts von dem Fund erfahren. Später würde er schon eine glaubhafte Ausrede erfinden, woher der zu erwartende neue Reichtum kommt. Verdient hätte seine Familie das Geld allemal, ist sich Bernd Bergner sicher.

    Suche

    Es hat über Nacht geschneit, das erste Mal in diesem Winter. In der Vorweihnachtszeit hatten die Rheinsberger nicht zum ersten Mal vergeblich auf ein bisschen Weiß gehofft. Der Weihnachtsmarkt wurde zum Desaster. Schnee und Kälte ließen auf sich warten. Stattdessen fegte ein Sturm über den Kirchplatz. Einige Stunden zuvor hatten die Meteorologen das Unwetter angekündigt. Gerade noch rechtzeitig konnte die Stadtverwaltung das Markttreiben absagen. Ohnehin waren bei derart misslicher Witterung nur wenige Tagestouristen angereist, die nun auch noch enttäuscht wurden. Jetzt hält Väterchen Frost doch noch im Städtchen Einzug.

    Hinter Bernd Bergner liegen unruhige Stunden, fast ohne Schlaf. Er hat seiner Suse nichts von den Goldmünzen erzählt. Mehrfach hatte sie ihn im Verlauf des Abends auf seine ungewöhnliche Schweigsamkeit angesprochen. Seine Antworten waren tatsächlich auffallend kurz. Mehr als vier Worte am Stück brachte er nicht heraus. Offenbar war ihr schnell klar, dass er etwas vor ihr verbarg. Auch ohne ihre berufsbedingten Grundkenntnisse der Psychologie wäre ihr das Außergewöhnliche in seinem Verhalten nicht entgangen. Ihr Ehemann saß zwar vor dem Fernseher, verinnerlichte aber nichts von dem, was ihm die Glotze bot. Seine Gesichtszüge waren maskenhaft erstarrt. Auch, wenn ihm nichts davon anzumerken war, grübelte er, wie es sich am besten anstellen ließe, einen Interessenten für die Münzen zu finden.

    Später, als seine Frau schon schlief, setzte er sich an den Computer in der Hoffnung, im Internet Näheres über die Münzen und ihren vermutlichen Wert zu erfahren. Vergebens, es fand sich dort kein Exemplar, das jenen von der Baustelle auch nur ähnlich war. Um Geldstücke konnte es sich kaum handeln, fehlte ihnen doch jegliche Wertangabe. Vielleicht sind sie eine Sonderprägung, die nicht als Zahlungsmittel vorgesehen war, denkt Bergner. Unklar blieb auch, wer der dargestellte Mann ist und was die Buchstaben M. G. F. bedeuten sollen. Handelte es sich tatsächlich um reines Gold, dürfte allein der Materialwert nicht unerheblich sein, glaubt er. Doch das Abbild des Schlosses auf den 100 Exemplaren lässt ihn mutmaßen, dass es sich um einen echten Schatz handeln könnte, der in einem engen Zusammenhang mit dem preußischen Königshof steht. Eine Hinterlassenschaft des Kronprinzen und späteren Preußenkönigs Friedrich II. vielleicht, oder die seines Bruders Heinrich, der weit länger in der Residenz am Grienericksee lebte?

    Er hatte im Internet zwar nichts Konkretes über seine Münzen gefunden, zumindest aber einige brauchbare Informationen entdeckt, wem der Fund nach den Buchstaben des Gesetzes am ehesten gehören könnte. So hatte 1984 ein Baggerfahrer in Schleswig-Holstein bei Abbrucharbeiten eine große Menge sehr wertvoller Gold- und Silbermünzen aus dem Mittelalter gefunden. Der Bundesgerichtshof entschied, dass jeweils die Hälfte der Geldstücke dem Land Schleswig-Holstein und dem Arbeiter zustünden. Anders wäre das Urteil ausgefallen, wenn der Arbeitgeber den Baggerführer konkret dazu aufgefordert hätte, neben seiner üblichen Tätigkeit auch nach Schätzen zu suchen. Dann wäre der Auftraggeber zum Entdecker geworden, weil die Idee zum Suchen von ihm stammte. Er hätte die Hälfte des Fundes erhalten, die andere das Land. Der Bauarbeiter aber wäre leer ausgegangen. Nein, Firmenchef Kegel hatte ihm keinen solchen Auftrag erteilt. Trotzdem würde Bergner selbst im Höchstfall die Hälfte des Fundes zustehen. Den Rest bekäme das Land. Auch der Eigentümer des Gebäudes würde unter bestimmten Umständen 50 Prozent der Goldmünzen erhalten. Das alles kommt für Bergner nicht in Frage. Er will endlich einmal zu den ganz großen Gewinnern zählen. Lange genug hat er geschuftet. Viel zu oft bestand sein Leben in den zurückliegenden Jahren vor allem aus Arbeit: Aufstehen, 12 bis 13 Stunden malochen, danach ein bisschen fernsehen, meist aber vor der Glotze einschlafen, etwas Sex, schlafen – und schon wieder aufstehen. Eine echte Tretmühle. Auch die freien Wochenenden wurden seltener. Immer häufiger nahm der Chef keine Rücksicht darauf, dass seine Mitarbeiter auch mal Ruhe brauchen und viele von ihnen Familie haben. Sie sollten sich in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit für das Unternehmen aufopfern, forderte der Fettwanst. Tatsächlich, den Begriff aufopfern hatte Kegel allen Ernstes verwendet, als ginge es darum, die letzte Schlacht der Gerechten zu gewinnen.

    Auf dem Weg zur Baustelle fabuliert er. Sollte sich der Fund zu Geld machen lassen, dann könnte die Familie aus der kleinen Doppelhaushälfte am Stadtrand ausziehen. Ein eigenes Haus ganz ohne direkte Nachbarn wäre traumhaft. Absolut real aber ist der dicke rotbraune Kater, dessentwegen Bernd Bergner voll auf die Bremse seines Autos tritt. Der Wagen kommt wenige Zentimeter vor dem Tier zum Stehen, das Bergner von der Straßenmitte her einen unwirschen Blick aus gelbgrün leuchtenden Augen zuwirft. Glück im Unglück, der Kater hat überlebt. Vielleicht gibt es schon bald noch mehr Grund zur Freude, denkt Bergner und grinst dabei. Er erinnert sich an das alte Sprichwort, das auf die Straße rennenden Katzen eine Wirkung auf ihre menschlichen Betrachter zuspricht: „Rechts nach links, Glück bringt's. Eine Glückssträhne sollte man zumindest nicht ausschließen. Erfreulicherweise kam die Katze nicht von links, denn „Links nach rechts, bringt's Schlecht's. Nein, er glaubt nicht an die in dieser kleinen Stadt auch im 21. Jahrhundert vor allem bei den älteren Einwohnern noch immer beliebten Sprüche. Sind sie doch nicht mehr als Aberglaube, entlehnt aus nicht oder falsch verstandener Religion, der zu einer ganz eigenen Form der Religiosität führt. Statt sich bis ins Detail in der Bibel auskennen zu müssen, zimmerten sich die einfachen Leute schon vor Jahrhunderten ihre schlicht-schöne Glaubenslehre. Nur nicht mit dem Bösen einlassen, schon eine schwarze Katze könnte etwas unerwartet Übles bedeuten, ist sie am Ende gar eine Hexe? Er lacht über solchen Unsinn. Bergner braucht keine Religion. Er glaubt ja nicht einmal an Gott, ganz anders als seine Susanne, die als Katholikin an jedem Sonntag zur Kirche geht.

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