Steine der Macht
Von Hartmut Witt
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Buchvorschau
Steine der Macht - Hartmut Witt
Zusammenfassung
graphics1In einer phantastischen Welt drohen mächtige Feinde, die letzten freien Menschen zu unterjochen.
Doch es gibt kleine Zellen des Widerstandes. Auf der kleinen Insel Samobali im zentrischen Meer haben Zauberer mit starken Schutzzaubern eine Insel des Friedens geschaffen.
Aber die Magie schwindet, Verräter bringen Feinde nach Samobali, der magische Weiße Stein von Samobali gerät in Gefahr.
Amon Tih, ein junger Handwerker, fühlt den Drang, etwas Großes zu tun. Er ist kreativ, mutig und rein zufällig mit der begabten jungen Zauberin Mira Falong befreundet. Als er seine Träume der Weisen Durha Maria anvertraut, sieht der Rat der Weisen in Amon und Mira die geeigneten Menschen, um eine äußerst gefährliche Mission zu erfüllen: Der magische Weiße Stein soll mit der Kraft der anderen sechs Steine aufgeladen werden. Doch zwei der Steine befinden sich in den Händen der Feinde.
Hastig brechen sie zu einer abenteuerlichen Reise auf, geraten in unglaubliche, lebensbedrohliche Gefahren, drohen mehrfach zu scheitern, verlieren Freunde und bekommen unerwartete Hilfe. Doch zuletzt lauert ein übermächtiger, schwarzmagischer Feind auf Amon.
Vorwort
Diese Geschichte nahm seine Anfang in meiner Jugend, als ich als Hippie in wilden, wechselnden Wohngemeinschaften eines überbevölkerten, kleinen Hauses am Rand eines kleinen Dorfes in Süddeutschland von der idealen Gesellschaft und alternativen Lebensformen träumte. Inspiriert von der Fantasy-Welt Tollkiens wollte ich eine eigene Welt schaffen, in der übertrieben dargestellt die reale Welt einfließen sollte. Ich wollte auch manche Sichtweisen von Tolkien und anderer Fantasy-Autoren nicht annehmen und habe meine eigene Version der Naturwesen und Fantasy-Völker geschaffen.
Einiges aus dieser Geschichte stammt noch aus meiner naiven Jugend-Vorstellung. Die fröhliche Hippie-Love-and-Peace-Gemeinschaft wurde getrübt durch den Druck der Gesellschaft in den 70ern: Hausdurchsuchungen und ständige Kontrollen durch Ordnungskräfte, wenn ein vollbesetzter bunter Hippie-VW-Käfer in eine Kleinstadt einfuhr. Man vermutete den Unterschlupf der aufkommenden RAF in alternativen Gemeinschaften, in der sich wild zusammengewürfelt junge, meist langhaarige Menschen zusammen taten, im Glauben aus der „normalen" Gesellschaft ausbrechen zu können, in der nur brave Familientradition, biedere Arbeit und Gehorsam gegenüber dem Staat zählte, und alles andere im höchsten Grade verdächtig war.
Sicherlich hatten wir damals junge Menschen manches übertrieben. Zum Beispiel am heiligen Sonntag nackt am Dorfrand über die Straße zu gehen oder in großen Gruppen nackt im Dorfbach oder einem nahen See zu baden, nachts in wilder Lagerfeuer-Romantik zu feiern, zu musizieren und zu singen, statt sittsam ins Bett zu gehen. Die Hippies hatten auch ihre menschlichen Schwächen und Lebensgrundlagen-Realitäten, an denen ihre Gemeinschaften, auch die, in der ich lebte, zerbrachen.
Natürlich wird man einige Anleihen aus meinen Leben in diesem Roman finden. Ich bestehe aber darauf, dass die Geschichte ein frei ersponnener Mischmasch aus eigenen Vorstellungen, Satire, klassischen Fantasy-Bildern, Drogenerfahrungen, Märchen, Mythen und der Anthroposophie ist und nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Ich habe diese Geschichte in größeren Abständen fünfmal neu begonnen. Da ich immer wieder nach meinem Internet-Nicknamen Amon gefragt wurde, den ich dem Protagonisten der Geschichte entliehen habe, habe ich mich entschieden, die auf endlosen Bergen handgeschriebener Zettel und Zeichnungen entstandene Geschichte zu Ende zu bringen. Das Ergebnis liegt hiermit nun vor. Ich wünsche allen interessierten Lesern viel Vergnügen und hoffe, niemanden damit zu langweilen.
Hartmut Witt
Inhalt
1. Ein böser Traum
Amon hörte widerliche Schreie einer ihm unbekannten Art in der Dämmerung. Er nahm wahr, dass sie aus dem nicht weit entfernten Nachbarort kamen. Die Neugier trieb ihn an zu erfahren, was die Ursache wäre. Er rief sein Pferd, das willig von der Weide herantrabte. Ohne es zu satteln schwang er sich auf seinen Rücken. Er ritt im schnellen Trab hinunter in die Furt und über die nächste Anhöhe in das dahintergelegene Dorf.
Der Anblick entsetzte ihn. Die Szene beherrschten riesige, seltsame, grau schillernde Vögel mit großen Schnäbeln, auf deren Rücken krummnasige, lederbeschuppte Kreaturen saßen. Von diesen Vögeln stammten die Schreie, die wie Dissonanzen aufeinander reibenden Metalls klangen. Es roch nach Blut und altem Öl. Der Geruch stammte von den Ausscheidungen dieser Vögel, die fast menschengroße, rotgelbschmierige Kuhfladen aus dem Hinterteil auswarfen und damit das Gras verätzten. Die Menschen des Nachbardorfes waren scheinbar versklavt worden. Sie waren völlig schweißgebadet, dreckig und schafften allmögliche Kisten heran.
Ein großes, himmelhohes Tor aus Nebel führte in eine graue Dunkelheit, aus dem diese Vögel scheinbar gekommen waren. Die Kisten wurden auf die Vögel verladen. Ein glatzköpfiger Mensch mit großem froschartigem Mund stand grinsend, der Szenerie beiwohnend, in der Nähe eines dieser Vögel. Ein älterer Mann ließ erschöpft eine Kiste fallen. Sofort hüpfte ein Vogel heran, schnappte sich den Mann und verschlang ihn mit zwei ruckartigen Bewegungen. Man sah an den Verdickungen des Halses, wie er in der Kehle des Vogels herunterrutschte.
Jetzt sahen einige der Sklaven Amon und deuteten auf das Tor. Ein alter Mann näherte sich ihm, ließ seine Last fallen und rief: „Dich schickt der Himmel. Bitte geh für uns durch das Tor! Befreie uns!" Weiter kam er nicht. Ein anderer Vogel hüpfte heran und verschlang den alten Mann genauso, wie es der andere zuvor getan hatte. Erschreckt scheute sein Pferd und sprang einen Satz zurück. Doch weder die Vögel noch die seltsamen Reiter, und auch nicht der glatzköpfige Mensch schienen ihn zu sehen. Stattdessen wurde ein anderer Mann von dem glatzköpfigen Froschgesicht in der Inselsprache angehalten, die Kiste aufzusammeln.
Flehentlich schauten ihn die anderen Sklaven an. Amon durchzuckte es. Er wollte ihnen helfen. Er nahm seinen Mut zusammen und hielt auf das Tor zu, als plötzlich ein weiterer Vogel hindurch geflogen kam und einen schrecklichen Schrei ausstieß. Da scheute sein braves Pferd erneut. Es bäumte sich wiehernd auf. Amon, der einen Moment zu spät nach der Mähne griff, rutschte vom Rücken des sattellosen Pferdes … und erwachte.
Er hatte nur geträumt. Ein böser Traum. Er schaute sich um. Er lag im Bett seines Zimmers, das er in einer Hausgemeinschaft junger Holzhandwerker hatte. Sie Sonne ging gerade auf. Es war Zeit aufzustehen. Als er von dem schrecklichen Traum noch etwas benommen in die Gemeinschaftsräume eintrat, sah er bereits Linus Falong in der Küche werkeln. Sie grüßten sich und es dauerte nicht lange, da kamen, angelockt vom Duft frischen Brotes und Kräutertee, Britta und Mikel dazu. Alle Vier verband ihre Berufung für das Holzhandwerk und ihre Freude, gemeinsam Musik und Theater zu spielen.
Amon Tih war gerade mal 21 Jahre alt. Er war der jüngste von ihnen. Ein schlanker, kräftiger, goldhaariger, hellhäutiger Mann mit spärlichem Bartwuchs, langen, glatten Haaren und kräftigen Schultern. In seinen blauen Augen lag eine kleine, gelbe Sonnenscheibe. Seine Vorfahren stammten aus dem Norden des Ostkontinents, den Dunlanden. Sein typischer Langschädel zeugte davon.
Linus war 23 Lenze alt und etwas kleiner und schmächtiger im Körperbau. Er hatte lange, schwarze Haare und einen kräftigen Bart. Er war blauäugig und stets braungebrannt. Auch seine Vorfahren stammten nicht von der Insel, sondern aus den Flusslanden von Midarien auf dem Westkontinent.
Mikel war ein kräftiger Bursche, 22 Jahre, blond gelockt, bärtig und blauäugig. Auch ihm sah man sofort an, dass seine Vorfahren keine Einheimischen waren, sondern ebenso nordischer Herkunft wie Amon.
Britta war mit 27 Lenzen die Älteste unter ihnen. Eine hochgewachsene schöne Frau, aber ebenso wenig aus einer einheimischen Familie. Ihre Hellhäutigkeit und strahlend blauen Augen verrieten, dass sie nördliche Vorfahren hatte. Ihr leichter Dialekt ließe sich in den Bergen Ateuras wiederfinden.
Die Hausgemeinschaft erzählte beim Frühstück gerne über ihre Träume, bevor sie zum Tagewerk wechselten. Amon gab seinen Traum zum Besten und die Mitbewohner hörten gefesselt zu. Keiner von ihnen wusste eine Erklärung des Traumes zu finden, denn die Insel Samobali lebte seit 50 Jahren in Frieden. Zwar kam es nach dem letzten der großen Kriege zu großen Wanderungen. Aber da die Insel eigentlich schon als überbevölkert galt, hatte man mit mächtigen Schutzzaubern dafür gesorgt, dass keine bösartigen Völker die Insel in der Mitte des zentrischen Meeres gefunden hatten. Doch aus Büchern und Erzählungen der Vorfahren und Reisenden wusste man, dass außerhalb der Insel immer noch wüste Kriege von Eroberer-Völkern stattfanden und die Reste der Menschheit versklavten.
Auch von großen, menschenfressenden Vögeln und ihren schuppenbesetzten Reitern hatte man gehört: Die Reiter tobten auf dem Westkontinent. Man nannte sie Dumpos. Sie waren gierige, landzerstörende Kreaturen, die gnadenlosen Raubbau betrieb. Der Sage nach waren die Dumpos Schöpfungen des Widersacher-Gottes Argomann und einem Menschenzauberer mit Namen Drago. Drago besaß übernatürliche Drachenkräfte und war zugleich der Fürst seines Volkes.
Bislang war noch nie einer dieser Vögel in oder über Samobali gesehen worden. Insofern empfanden alle Hausbewohner diesen Traum als schreckliche Vision. Sie überlegten, ob es sinnvoll wäre, den Rat der Weisen aufzusuchen, um sich den Traum deuten zu lassen.
Später als üblich beratschlagten sich die Vier, welches Tagewerk sie heute verrichten wollten. Sie sollten im Wald ein paar Bäume schlagen, die sie für den Hausbau benötigten. Denn aus einer andern Hausgemeinschaft entstand ein Paar, das Kinder bekam. So sollte für diese Wohnraum geschaffen werden. Britta hatte mit Hilfe eines alten Baumeisters namens Jabo die Pläne erstellt. Und da kam er auch schon.
Jabo war ein älterer Herr im Alter von etwa 65 Lenzen. Er war ein Einheimischer, der eine kupferbraune Hautfarbe, braune Augen, schwarze Haare, die mittlerweile mehr grau waren, sanfte Gesichtszüge und das typische sonnige Gemüt besaß. Sie begrüßten sich, sattelten ihre Pferde und machen sich ans Werk.
2. Samobali
Die paradiesische Insel Samobali lag im Herzen des Zentrischen Meeres. Sie wurde im Westen von dem Westkontinent, im Osten von dem Ostkontinent, im Süden von einer langen Felseninsel namens Schrecken und im Norden durch das Eismeer begrenzt. Ein subtropisches Klima, das eine ganzjährige Wachstumsperiode brachte, dazu ein reichhaltiger Boden und das Wissen um eine nachhaltige Feldwirtschaft ließ die Samobalikis keine Not verspüren. Landschaftlich hatte Samobali im Süden ein stattliches Gebirge, das nach Norden in eine sanfte Hügellandschaft abfiel. Im Osten lag eine kleine Ebene mit dem Lichtsee und der schönen Stadt Citta, die zugleich die größte der Insel war.
Samobali war nicht gerade groß. 125 km in der Länge und ebenso in der Breite mit leichter Tropfenform und ein paar kleinen vorgelagerten Inseln boten etwa 380.000 Menschen aus den unterschiedlichsten Völkern Lebensraum. Außerdem bevölkerten Zwerge die Berge, in den Wäldern lebten Elfen, in den Gewässern Nixen, die man nie versucht hatte zu zählen. Man kooperierte mit diesen Naturvölkern, teilte und genoss so die Vorzüge deren Wissens und Künste.
Das Wissen um die Schuld an den Kriegen, der Wunsch nach Frieden und die Erfahrung aus den unterschiedlichsten Herrschaftsformen hatte diese fast letzte freie Menschengemeinschaft zusammengeschweißt und ihre unterschiedliche Herkunft größtenteils vergessen lassen. Zudem verfügte man über eine Gesellschaft, die Gemeinnützigkeit unterstützte. Es gibt kein Geld auf Samobali, keinen Grundbesitz. Jeder besaß, was er nutzte, um daraus etwas für die Gemeinschaft zu produzieren. Das persönliche Ansehen richtete sich nach dem Nutzen für die Gemeinschaft. Die angesehensten Bürger wurden in den Rat der Weisen berufen. Und es gab einige, sehr angesehene Weise, denen man nachsagte, dass sie Zauberer bzw. Zauberinnen wären. Sie waren es auch, die den Zauberbann um Samobali zogen und damit die bedrohlichen Wesen von den angrenzenden Kontinenten sowie von der Schreckensinsel im Süden fernhielten.
Doch nicht alle Samobalikis waren grundsätzlich mit der friedvollen Haltung Samobalis zufrieden. Viele hatten ihr Hab und Gut auf dem Festland verloren, hatten Verwandte, die versklavt oder umgewandelt wurden. Dazu hörte man von einigen Widerstandnestern in den unterschiedlichsten Regionen, die sich Beistand erhofften. So gab es Reisende, die, wenn sie aus Samobali kamen, auch wieder zurückkommen durften. Und diese brachten auch regelmäßig Neuankömmlinge mit, wodurch die Bevölkerung Samobalis beständig wuchs. Das konnte auf Dauer bedrohliche Formen annehmen. Zudem konnte man nicht immer kontrollieren, welches Volk mitgebracht wurde.
graphics23. Amon Tih
Amon war ein lebensfröhlicher Holzhandwerksgeselle, dessen Eltern früh an der Knotenkrankheit verstarben. Seine Eltern waren nach dem letzten großen Krieg nach Samobali gelangt, und das auf unterschiedlichen Wegen.
Der Vater Aldermar stammte von der Küstenregion Ateuras. Nachkommen einer dunländischen Kriegerfamilie waren dort nach den zahllosen Kriegen in der äußerst fruchtbaren Gegend hängen geblieben und lebten von den landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Aldermar brach aus der bäuerlichen Tradition mehrerer Generationen aus und erlernte das Holzhandwerk. Als die Feinde aus anderen Kontinenten eindrangen und das Land überschwemmten und unterjochten, riefen die Herrscher der Menschen in allen Ländern zur vereinten Schlacht auf. Es wurden alle waffenfähigen Männer gebraucht und es war auch an Amons Vater, in den Krieg zu ziehen, den die Menschen schließlich verloren, und damit alles Hab und Gut.
Die Furken beherrschten seither den größten Teil des Ostkontinents. Er beschrieb die Furken in etwa so: Sie sahen aus wie Hunde, nur liefen sie auf zwei Beinen. Es gab sehr unterschiedliche Rassen, ein paar davon ähneln Wölfen, andere Schakalen. Eigentlich waren sie nicht grundsätzlich böse, nur durchtrieben vom Jagdfieber und vollständig überzeugt von ihrem Glauben, dass alle Wesen der Welt werden müssten wie sie. Wer in ihrem Herrschaftssystem dienlich wurde, startete sehr tief, konnte aber schnell durch seine Taten in der Hierarchie aufsteigen. Aldermar erzählte seinem Sohn, dass er in der Hierarchie der Furken schnell aufgestiegen war, da sie sein Handwerk schätzten. Dies änderte sich erst, als ihn ein neidischer Konkurrent des Verrats und Mordes bezichtigte. In einem Umwandlungslager wurde er misshandelt und gefoltert. Doch ihm gelang die Flucht. Dank glücklicher Umstände schaffte er es, auf einem Schiff das Land zu verlassen. So kam er spät, völlig ausgemergelt und krank nach Samobali.
Die Mutter Amons hieß Hildega und war lange zuvor in Samobali eingetroffen. Sie stammte aus einer Menschen-Großstadt namens Burnlin im Reich der Borger, die im Krieg restlos zerstört wurde. Wie durch ein Wunder konnte sie mit einem Expressdrachen entkommen, dem letzten, der in der Stadt übrig geblieben war. Hildega entstammte einer Künstlerfamilie, die sich ein zusätzliches Brot mit Herstellung von Kleidungsstücken verdiente. Als sich die beiden fanden, gründeten sie eine Familie, aus der drei Kinder hervorgingen.
Amon hatte einen Bruder namens Gorgen, dessen kriegerische Leidenschaft irgendwann aus ihm herausbrach. Vor vier Jahren folgte er dem Ruf einer Untergrundbewegung auf dem Festland des Westkontinents. Seither gab es keine Nachricht mehr. Seine Schwester Wita zog es ebenso in die Ferne. Sie folgte dem Händler Michelunka, der alle Jubeljahre in Samobali auftauchte, um dann ungeheuerliche Geschichten aus aller Welt zu erzählen.
Amon war der jüngste Sprössling und erbte das handwerkliche Können seines Vaters und die Kunst des Improvisierens seiner Mutter. Er hatte die Seele eines Kriegers, die sich gelegentlich in tollkühnen Aktionen zeigte. Außerdem schärfte er seinen Geist in strategischen Brettspielen, was sein kämpferisches Herz bezähmte. Dieses zeigte sich beim gemeinsamen Musizieren gelegentlich durch wildes Trommeln. Seine Freunde brachen darüber oft in erheitertes Lachen aus. Er wurde von seinen Handwerkerkollegen wegen seiner kreativen Einfälle geschätzt, die nicht immer brauchbar waren, aber häufig auch die Lösungen in kniffligen Fragen brachten. Sein Gesellenstück hatte er diesen Sommer mit Bravour geschafft.
Wie alle Samobalikis besaß er eine einfache Grundausbildung in Magie, die sie mittels Gedankenkraft ausübten. Im Handwerk bedienten sie sich einer einfachen Naturmagie und beschwörten Elementarkräfte, so dass sich manches wie von Geisterhand gerührt bewegte. In Wahrheit halfen ihnen Naturgeister, die für sterbliche Augen unsichtbar waren und nur mit erlernter Hellsichtigkeit sichtbar wurden. Amon hatte den ersten Grad eines Magiers geschafft. Doch der Weg zu einem Meister beinhaltete noch sehr viel mehr. Er war nur ein kleiner Zauberlehrling, und als Handwerker würde er auch nicht viel mehr benötigen. Doch in ihm schlummerten der Wille und die Vision, etwas Großes zu vollbringen. Nur was, das wusste er noch nicht.
4. Tagewerk
An diesem Tage arbeiteten die vier Hausgenossen und der Baumeister Jabo im Wald am Hange des Berges. Jabo wählte die Bäume aus und Britta beschwörte die Naturkräfte. Die anderen Drei setzten die in den Zwergenschmieden gefertigten Beile ein und schlug Kerben und Keile in die Stämme, bis die Bäume fielen. Die entasteten und gedrittelten Stämme zogen sie mit Hilfe der Pferde ins Tal. Die frisch geschlagenen Nadelbäume von schlankem, geradem Wuchs verströmten einen sehr angenehmen Geruch. Im Tal befand sich am Fluss ein Sägewerk. Ein alter Sägewerksmeister arbeitete dort mit seinem Sohn und seiner Tochter. Das Sägewerk wurde mit Wasserkraft betrieben, alles schien mittels Zahnrädern und Antriebsriemen irgendwie miteinander verbunden. Wenn der Sägewerksmeister den Hauptriemen auflegte, lebte das Sägewerk auf und die Stämme wurden auf die entsprechenden Maße zugeschnitten. Ihr Tagewerk war erfüllt, als sie zehn Stämme ins Tal gezogen hatten.
Trotz der Hilfe der Elementarkräfte war dies eine körperlich harte Arbeit. Sie mussten einen weiteren Tag für die Waldarbeit verwenden, um das ganze Holz für den Hausbau der jungen Familie in dem Ort Gran Bellisen zusammen zu bekommen. Die Arbeitspläne hatten sie bereits angefertigt und die Berechnungen angestellt, um später an den richtigen Stellen die Holzverbindungen auszuarbeiten. So ließ sich die Holzkonstruktion nachher einfach zusammenfügen und mit Holzschrauben aus härterem Holz verbinden.
Ja, die Samobalikis bauten zumeist Holzhäuser. Nur vereinzelt mauerten sie mit Stein oder Lehmziegeln. Da das Klima fortwährend warm und angenehm war, reichten leichte Konstruktionen. Oft wurden nicht einmal Gläser eingesetzt. Ein Dach mit großen Überständen, gedeckt mit gebrannten Tonziegeln, sorgte dafür, dass der oft reiche Regen nicht in das Innere des Hauses gelangte.
Bevor die Sonne unterging, waren die Fünf in ihr Haus am Rande von Gran Bellisen zurückgekehrt. Das Haus lag auf einer kleinen Anhöhe keine fünfzig Meter entfernt von dem Fluss Isen, den man hinter dem Uferwald plätschern hörte. Dazwischen lag eine große Wiese, auf denen Pferde, Kühe und Schafe grasten. Die Fünf ließen ihre Pferde auf die Wiese und gaben ihnen für die Tagesarbeit zum Dank einige Körner Getreide und Obst. In der Küche machte sich bereits Jabos Frau zu schaffen. Sie hieß Pia, war etwas jünger als Jabo und ebenfalls Einheimische, eine rundliche Frau mit einem gütigen Blick. Die Ankömmlinge wurden herzlich begrüßt und mit einem herrlich duftenden Abendessen empfangen. Dankbar setzen sich an den Tisch und machten sich hungrig darüber her.
Satt und müde, doch noch nicht ausreichend bettschwer, nahm Mikel seine Flöte, Amon seine Trommeln und Linus seine Gitarre, und schon spielten sie lustige Weisen. Britta stimmte ein und sang dazu. Jabo und Pia hatten Spaß und summten die Melodie oder klatschten im Takt. Als die beiden zu späterer Stunde Abschied nahmen und zu ihrem nicht weit entfernten Haus im selben Ort aufbrachen, musizierten auch die vier Hausbewohner nicht mehr lange, sondern zogen sich für die Nacht in ihre Zimmer zurück.
5. Schlechte Nachrichten
An einem Tag in der Woche pflegten die Samobalikis auszuruhen. Dann dankten sie ihren Göttern für den Reichtum, den sie besaßen, genossen die Freude am Leben und unternahmen, wonach ihnen der Sinn stand, zum Beispiel einen Ausflug, Musizieren, Theater zu spielen oder Jemanden zu besuchen. Die Samobalikis nannten ihn den Tag der Götter.
Eine Brieftaube brachte Linus die Nachricht, dass seine Schwester Mira an diesem Tag zu Besuch kommen wolle. Sie würde jemanden namens Ult mitbringen, ein verwegener Reisender, der nach zehn Jahren Abwesenheit nach Samobali zurückgekehrt war. Das hörte sich spannend an, und sämtliche Hausbesucher freuten sich auf den Besuch aus der großen Stadt Citta am Lichtsee, die etwa 30 Kilometer entfernt lag und in der Mira Falong lebte. Üblicherweise kamen hier die Schiffe an, die ihre Ladung zum Handel anbieten wollten. Scheinbar hatte Ult auf seinen Reisen den Händler Michelunka getroffen, der ihn dann nach Samobali zurückbrachte. So musste auch Amons Schwester Wita wieder in Samobali sein.
Besonders freute sich Amon über