GODKILL
Von Sönke Hansen
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Über dieses E-Book
Fremdenlegionär Ben ist im selben Hotel gerade dabei, sich das Leben zu nehmen.
Und Vater Kai will mit seiner Familie einfach nur Urlaub machen.
Im Schleswig Tower kreuzen sich die Wege der drei Männer, und das Unheil bricht über sie herein.
Etwas Altes ist in diese Welt eingedrungen. Etwas, das lange ruhte. Doch jetzt ist es erwacht, um sich zu holen, was einst ihm gehörte.
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Buchvorschau
GODKILL - Sönke Hansen
Danksagung
Wenn ich schreibe, denke ich nicht darüber nach, ob das jemandem gefallen könnte. Ich mache es aus Spaß an der Sache. Wenn es anders wäre, würden Sie jetzt einen Liebesroman, einen Ratgeber oder eine beliebige Biographie irgendeiner alten Rockband oder einer anderen mehr oder weniger schillernden Persönlichkeit in Händen halten. Und keine Horrortrash-Novelle mit einem Plott, der aus dem letzten Jahrtausend stammen könnte.
Nein, ich schreibe in erster Linie für mich. Aber würde ich auch schreiben, wenn ich wüsste, dass niemand meine Texte lesen wird? Ich weiß es nicht, aber die Möglichkeit besteht durchaus, dass die Schreibdisziplin deutlich darunter leiden würde.
Doch woher kommt dann mein Vertrauen, dass es Menschen da draußen gibt, die meinen Kram tatsächlich lesen?
Das muss man sich mal vorstellen. Mir fällt das schwer. Und dennoch vertraue ich darauf.
Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen.
Und jetzt viel Spaß mit GODKILL.
1
Marvin hetzte am Ufer der Schlei entlang. Er musste unbedingt untertauchen. Schnell.
Zwar hatte er heute Abend den bisher größten Deal seines Lebens gemacht, aber es war nicht ganz so glatt gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Als er nach Hause gekommen war, fand er das Mehrfamilienhaus von Einsatzfahrzeugen der Polizei umstellt vor. In seiner Wohnung brannte Licht und durch die Fenster hatte er beobachten können, wie Polizisten seine Sachen durchwühlten.
Bis jetzt hatte er keinen Schimmer, wer ihn verpfiffen hatte.
Doch darum musste er sich später kümmern, denn es gab eine viel wichtigere Frage zu klären: Wohin mit dem Rucksack voll Ketamine, der auf seinem Rücken auf- und abhüpfte?
Keiner seiner Kumpels würde ihn mit dieser heißen Fracht aufnehmen. Aber auf der Straße damit rumlaufen war auch keine gute Idee.
Er brauchte dringend eine Verschnaufpause. Keuchend setzte Marvin sich auf eine Bank an der Promenade. Tausend kleine Nadeln stachen in seine Lungen. Er zwang sich, seinen amoklaufenden Atem unter Kontrolle zu kriegen.
Seine Kondition ließ zu wünschen übrig. Aber was erwartete er bei dem wilden Cocktail aus Bier, Schnaps, Beruhigungsmitteln und Drogen, den er sich jeden Tag reinzog?
Sein Blick schweifte über die Schlei.
Undurchdringlicher Nieselregen hing über dem Flussbecken. Einzig die Umrisse des Schleswig Tower, der aus den Fluten herausragte, waren zu erkennen. Man sah ihn immer, bei jedem Wetter und von jeder Stelle der Provinzstadt aus. Er war die Attraktion. Seit das Hotel vor über einem Jahr eröffnet hatte, wurde es zwar von Urlaubern heiß geliebt, aber von den Einheimischen gehasst, weil er den Ausblick verbaute und für Touristenfluten sorgte.
Der kreisrunde Turm, der alle anderen Gebäude an Land weit überragte, verfügte über etliche Zimmer und Suiten, aber auch über eine Boutique, einen Wellness-Bereich, ein Restaurant, Bars und Cafés, sowohl unter dem Wasserspiegel als auch auf dem Dach. Sämtliche Außenzimmer hatten spiegelnde Glasfenster vom Boden bis zur Decke, weshalb der Turm wie eine glitzernde Glasrakete aus dem Flussbecken hervorstach. Oder wie ein Glasphallus, dachte Marvin. Direkt aus der Zukunft oder gleich von einem anderen Planeten. Zumindest aber sah er aus wie ein Fremdkörper inmitten der rauen nordischen Landschaft.
Grellrote Positionsleuchten, die in drei Querreihen um das Gebäude angebracht waren, bewahrten Schiffe und Flugzeuge vor einer Kollision, sorgten aber auch dafür, dass man den Turm sogar nachts sah.
Der Turm.
Ein Rucksack voll Ketamine.
Ein prall gefüllter Geldbeutel.
Marvin grinste.
Um die Polizei und seine Wohnung konnte er sich morgen kümmern. Oder nächste Woche.
Er stand auf, wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg.
»Ich seh‘ ihn«, quäkte Lilly vom Rücksitz.
»Ich hab‘ ihn zuerst gesehen«, protestierte ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Ole neben ihr.
Lilly schnaufte. »Hast du gar nicht. Ich hab’s zuerst gesagt.«
Kai König warf einen Blick in den Rückspiegel. »Schluss jetzt. Alle beide.« Dann fügte er in versöhnlichem Ton hinzu: »Wer von euch Quälgeistern weiß noch, wie hoch der Schleswig Tower ist?«
Lilly kreischte: »250 Meter und damit ist er das höchste Gebäude in Schleswig Holstein!«
»Und wie viele Zimmer hat er?«
Lilly holte schon tief Luft - für eine Elfjährige hatte sie ein erstaunliches Erinnerungsvermögen -, doch Ole kam ihr zuvor: »280, davon 18 Luxussuiten in den oberen Etagen.«
»Und was befindet sich im Keller?«, fragte Kai.
Die Kinder schrien aus voller Brust: »Waterworld!«
Auf dem Beifahrersitz presste Sandra die Hände auf die Ohren. »Hört sofort mit dem Rumgeschrei auf, davon wird man ja wahnsinnig.«
»Aber Papa hat doch - «, setzte Ole an.
»Ich meine auch alle drei Nervensägen. Und das ist mein voller Ernst. Wenn ihr so weiter macht, dann werde ich verrückt. Ich fange an zu lachen, dabei sabbere ich und brabbele unverständliches Zeug vor mir hin. Ihr könnt mich dann hier in der Psychiatrie abgeben und ohne mich heimfahren.«
»Wieso?« Kai zuckte mit den Schultern. »Wo ist der Unterschied zu sonst?«
Er und die Kinder brachen in Gelächter aus, auch Sandra wieherte los und verpasste ihrem Mann einen Schlag auf die Schulter. »Na warte. Du wirst schon sehen, was -«
Der Gurt rammte in ihre Brust, sämtliche Luft schoss aus ihren Lungen.
Ihr Kopf wurde so brutal nach vorne gerissen, dass ihre Nackenwirbel knackten.
2
Der Wagen rutschte über die nasse Fahrbahn, während Kai das Lenkrad mit beiden Händen festhielt und den Fuß auf die Bremse presste.
Er biss die Zähne zusammen, die Augen aufgerissen, den Blick auf die Gestalt gerichtet, die mitten auf der Fahrbahn stand.
Es war ein Mann. Kai erkannte einen Kopf, von dessen Kinnbereich zottelige Barthaare abstanden. Ein Umhang oder ein Mantel flatterte im Wind. In der einen Hand hielt er etwas, das wie ein Stock aussah oder wie - war das etwa ein Schwert?
Was Kai völlig irritierte und das Gefühl in ihm hervorrief, sich in einem Traum - einem Alptraum - zu befinden, war, dass die Scheinwerfer den Mann nicht erfassten. Der Lichtkegel traf auf den feucht glitzernden Asphalt, auf die Reflektoren am Straßenrand, auf die Sträucher und Büsche und vereinzelte Bäume - aber von der Gestalt war nur die schwarze Silhouette zu sehen, mehr nicht.
Der Wagen schlitterte durch den Mann hindurch und blieb schließlich stehen.
Kein Zusammenprall, kein Geräusch, das auf eine Kollision hinwies, niemand schrie oder sagte etwas.
Es war gespenstisch still im Wagen.
Der Erste, der das Schweigen brach, war Ole. »Was ist los?«, flüsterte er.
Kai König warf einen Blick in den Rückspiegel.
Die Fahrbahn hinter ihnen leuchtete rot im Schein der Rücklichter, es lag niemand auf der Straße. Zumindest nicht, soweit das Licht reichte.
Aber Kai war sich sicher, hundertprozentig sicher, dass er gesehen hatte, wie die Motorhaube den