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Das Karma verzeiht nichts
Das Karma verzeiht nichts
Das Karma verzeiht nichts
eBook263 Seiten3 Stunden

Das Karma verzeiht nichts

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Über dieses E-Book

Zwei Leichen, ein Serienmörder und nur noch sieben Tage Zeit. Hauptkommissar Harald Janus steht kurz vor seiner Pensionierung. Vierzig Jahre lang mordet der Karma-Killer schon im Ruhrgebiet. Öffentlichkeit und Presse feiern den Karma-Killer als modernen Helden, weil er Menschen ermordet, die es verdient haben und da weitermacht, wo die Polizei und die Justiz hilflos zusehen müssen. In Polizeikreisen geht das Gerücht herum, dass der Karma-Killer ein Polizist sein könnte, aber Ermittlungen in den eigenen Reihen sind heikel, deswegen ist niemand dieser Spur nachgegangen - bis die Zielfahnderin Julia Brandt in den Fall hineingezogen wird. Aber da ist es bereits zu spät - denn Janus verfolgt eigene Pläne mit dem Karma-Killer.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum31. März 2017
ISBN9783742792693
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    Buchvorschau

    Das Karma verzeiht nichts - Kaspar Lunt

    Prolog

    29. März 2015

    Deine Augen sehen die Welt anders.

    Du fühlst es in dir, dieses Gefühl, das sich aufwärts frisst. Erst ist es nur eine Ahnung in deinen Eingeweiden, die sich langsam vom Magen aus in Richtung Mitgefühl vorkämpft. Auf dem Weg zu deinem Gewissen verwandelt sich diese Ahnung in einen Brechreiz, in puren Hass, der deinen Körper verlassen muss, weil du die Welt und die Gesellschaft, so wie du sie siehst, am liebsten wieder auskotzen möchtest.

    Eine Welt mit lauter abstoßenden Menschen, die sich in ihrer unreflektierten Selbstgefälligkeit suhlen, dabei sind sie nichts weiter als die Nahrung des bulimiekranken Lebens, das sie wieder erbricht, sobald ihre erbärmliche Existenz zu Ende ist. Es wird sich nie etwas ändern, wenn du nichts unternimmst. Deinen Blick für die Abgründe der Menschheit trägst du schon dein ganzes Leben mit dir herum, leidest an einer besonders schlimmen Form von Gesellschafts-Brechsucht, siehst dich als gegenregulatorische Maßnahme, damit eine ungünstige Gesellschaftszunahme verhindert wird.

    Du bist die letzte Bastion gegen diesen Abschaum, der dir tagtäglich als Verschwendung von Genmaterial auf der Straße begegnet. Heute wolltest du eigentlich nur einkaufen gehen, aber vor dir an der Kasse steht ein besonderes Exemplar von Genabfall, das dir keine Ruhe lässt.

    Du siehst dem Mann tief in die Augen, merkst, wie deine Finger anfangen zu kribbeln, weil du das Geheimnis, das hinter seinen Pupillen lauert, sofort durchschaut hast.

    Du lächelst diese Missgeburt freundlich an. Dieses überflüssige Exemplar der Gattung Mensch, ohne das die Welt ein Stück besser wäre. Am liebsten würdest du ihn gleich hier und jetzt umbringen, aber vor den Augen seiner Kinder tut man so etwas Schreckliches nicht, das weißt du besser als jeder andere.

    Der Mann lächelt zurück, weil er nicht weiß, wie er deinen sezierenden Blick deuten soll. Seine sadistischen Augen lassen dir keine Ruhe – und da weißt du, dass du dein nächstes Opfer gefunden hast.

    Du willst auf Nummer sicher gehen, aber die Gesichter seiner beiden Kinder nehmen dir deine letzten Zweifel. Du vergleichst die Familie dieser Missgeburt mit der Vorzeigefamilie, die vor ihnen in der Schlange steht und gerade bezahlt.

    Von dem Glück, das du in dieser Familie beobachtest, ist in seiner Familie nichts zu sehen. Sein Sohn trägt ein Tuch um den Hals, die Würgemale sind nicht mehr gut zu erkennen, aber so oft wie du Menschen erwürgt hast, lässt du dich von der wahren Bedeutung dieser Flecken nicht täuschen.

    Du bemerkst zu spät, dass du den Mann zu lange angesehen hast. Er wird misstrauisch und lässt dich nicht mehr aus den Augen. Es ist die Art von Chance, auf die sein Sohn gewartet hat. Ein paar Sekunden Freiheit von der Ungerechtigkeit des Lebens, das in einer Genlotterie die Schicksale ausknobelt. Sein Sohn nutzt das winzige Zeitfenster, das sich ihm bietet. Er ist wie gefesselt von der Vorzeigefamilie, weil er das Leben dieser normalen Menschen nicht versteht. Er beobachtet den blonden, gut gekleideten Jungen, der er hätte sein können, wenn er nicht das verschissene Pech hätte, er selbst zu sein.

    Der Junge sieht dich kurz an, überprüft aber nur, ob sein Vater ihm ein paar weitere Sekunden Freiheit schenkt. Die Narben unter den Augenbrauen des Jungen erwecken dein Interesse. Diese Missgeburt ist nicht so dumm, wie sie aussieht, schlägt nur auf die Stellen am Körper seiner Kinder, die in der Schule die Aufmerksamkeit der Lehrer nicht erregen und zu unangenehmen Fragen führen würden.

    Der Blick seines Vaters umgarnt dich wie ein Raubtier, wartet in Lauerstellung ab, bis der richtige Moment kommt, in dem die Beute einen dummen Fehler macht. Du weißt, dass du in Wahrheit das Raubtier bist, aber dir gefällt die Vorstellung, dass die Beute dieses Mal direkt in deinen Mund springt.

    Du hältst seinem Blick stand, willst diesem armen Jungen seinen Moment nicht kaputt machen. Interessiert verschlingt der Junge jede Nuance der Bilderbuchfamilie, verfolgt, wie sein Ebenbild eines alternativen Lebens im letzten Moment einen Schokoriegel auf das Band wirft, obwohl sein Vater der Kassiererin schon das Geld gereicht hat.

    Der Vorzeigevater lächelt seinen Sohn kurz an, tätschelt ihm die blonde Mähne und in seinem Blick ist so viel Liebe und Zuneigung, die der Sohn der Missgeburt nicht richtig einordnen kann. Er will auch dieses Gefühl spüren, das siehst du in seinen Augen, als er erneut überprüft, ob sein Vater dich noch anstarrt.

    Es ist der Versuch eines Jungen, seine Sterne und sein Schicksal neu zu ordnen. Dieses Gefühl ist dir nicht fremd. Der Junge will sich eine neue Zukunft geben, fern ab der Niete, die er in der Schicksalslotterie gezogen hat und die ihm diese Missgeburt von Vater eingebrockt hat.

    Du weißt, was jetzt kommt. Du siehst es an dem Blitzen in den Augen des Jungen. Sein Griff geht in Richtung Schokoriegel. Er legt einen der Riegel aufs Band, will dieses ihm fremde Gefühl spüren und ein bisschen davon festhalten, während die Vorzeigefamilie glücklich und zufrieden den Supermarkt verlässt und sich die Glastüren wie der Vorhang zu einer Utopie verschließen, von der noch ein Hauch in dem Jungen zurückbleibt.

    Im Gegensatz zu seiner älteren Schwester – die ihren Bruder mit entsetzten Augen maßregelt und ihm signalisiert, er solle den Schokoriegel gefälligst wieder zurückpacken – hat der Junge seinen Traum von einem besseren Leben und einer besseren Familie noch nicht aufgegeben. Als seine Schwester den Schokoriegel vom Band nehmen will, hält der Junge demonstrativ seine Hände darüber. Nein, dieser Junge hat sich mit seinem Schicksal noch nicht abgefunden.

    Die Parallelen zu deinem eigenen Leben machen dir für einen kurzen Moment Angst. Alte Gefühle fressen sich aus deinem Langzeitgedächtnis zurück in die Gegenwart, die deinen Blick für einen kurzen Augenblick schwach erscheinen lassen. Die Missgeburt fühlt sich als moralischer Sieger, das erkennst du an seinem triumphierenden Lächeln, während seine Augen kurz in Richtung seiner Kinder schnellen.

    Ihm ist die Szene nicht entgangen, er sieht alles und weiß alles, ähnlich wie dein eigener Vater.

    Die Mutter schaltet sich in den Streit ein, schaut ängstlich zu ihrem Mann und denkt, dass es noch nicht zu spät ist, um ihre Kinder zu schützen – aber dafür ist es längst zu spät und deswegen musst du auch sie töten. Sie erinnert dich an deine eigene Mutter, die untätig mit ihrem normalen Leben weitermachte, während du von deinem Vater auf seelische, körperliche und psychische Weise misshandelt worden bist, dazu gezwungen wurdest, mit drei Jahren Dinge anzusehen, die du bisher nicht einmal in den brutalsten Filmen gesehen hast, weil sich niemand so eine kranke Scheiße ausdenken kann.

    Du hast dich damals selbst befreit, führst ein einigermaßen normales Leben. Dieses Geschenk willst du dem Jungen auch machen. Die Missgeburt grinst dich ein letztes Mal an, greift sich den Schokoriegel, ohne den Blick von dir abzuwenden und drückt ihn seinem Sohn in die Hand.

    »Manchmal müssen wir unseren Kindern etwas Gutes tun, oder?«, sagt die Missgeburt zu dir und du weißt, was er damit meint.

    Du nickst nur, kannst dir die Konsequenzen, die Zuhause auf den Jungen warten, ziemlich genau vorstellen, dafür braucht es nicht einmal Fantasie. Für den Moment mag der Junge glücklich sein, vielleicht glaubt er sogar an seine Chance auf eine bessere Zukunft, die du selbst auch gehabt hast, aber schließen sich die Türen zur Hoffnung erst einmal hinter ihm, verliert der Junge seinen Glauben an ein besseres Leben.

    Du beobachtest, wie die Familie den Supermarkt verlässt. Du weißt, dass du bald mit dem Töten aufhören musst, aber diese Familie ist der perfekte Abschluss. Mit dieser Familie schließt sich der Kreis. Es ist, als würden deine Eltern ein zweites Mal sterben, aber dieses Mal hast du die Chance, das Leben dieser Kinder zu retten – aus diesem Grund folgst du der Familie unauffällig.

    Du stehst mit deinen Einkaufstüten im strömenden Regen etwas abseits, beobachtest, wie der Vater seinem Sohn den Schokoriegel aus der Hand reißt, als er gerade hineinbeißen will. Die Missgeburt zerdrückt den Schokoriegel und schlägt seinem Sohn damit ein paar Mal direkt ins Gesicht, bis sich die Schokolade mit dem aus der Nase tropfenden Blut vermischt. Bis die Tränen des Jungen eins mit dem Regen werden, der in dicken Tropfen vom Himmel prasselt, und die Hoffnung des Jungen auf ein besseres Leben zerstören.

    Seine Mutter wirft sich schützend vor den Jungen, aber es hat keinen Zweck. Das Brechen ihrer Nase hörst du bis auf die andere Straßenseite, bis in dein Versteck hinein, aus dem du heraus die Umgebung beobachtest. Du schaust dich auf der Straße um, ob jemand in der Nähe ist, aber keiner interessiert sich bei diesem Wetter für die Missgeburt auf der anderen Straßenseite, dessen Familie in ein paar Minuten einen Krankenwagen benötigt. Alle verkriechen sich unter ihren Regenschirmen. Es ist, als lebten alle Menschen in einem Kokon der Blindheit, nur du siehst die Welt, wie sie ist und wie sie sein könnte, wenn nur genügend Menschen wie du wären.

    Du suchst in deinen Einkaufstaschen nach etwas Brauchbarem und stößt dabei auf eine Dose Ravioli, die dein Abendessen werden sollte. Du hast noch nie jemanden mit einer Dose gefüllter Nudelspezialitäten getötet, aber für diese Missgeburt ist jedes Mittel recht.

    Du willst gerade die Straße überqueren, um diesem Drecksvater mit dem Dosenfraß ein gebührendes Ende zu bereiten, als sich die Familie wieder in Bewegung setzt.

    Dein Rendezvous mit ihm muss noch warten.

    Du steckst dein Mittagessen wieder zurück in die Einkaufstüte, hängst dich an die Familie heran und verfolgst sie bis zu einem abgelegenen und heruntergekommenem Häuschen am Rande der Vorstadt. Im Vorgarten suchst du dir ein Plätzchen in der ersten Reihe.

    Du beobachtest, wie die Lichter im Haus angehen, die Tragödie ihren Schleier lüftet und der zweite Akt beginnt. Die Missgeburt schickt seine Frau mit dem Einkauf in die Küche. Du verfolgst den Abgang der Mutter durch ein zweites Fenster, siehst, wie sie in der Küche einen Zusammenbruch erleidet, weil sie im Gegensatz zu dir weiß, was jetzt kommt.

    Dein Blick wandert zurück zum anderen Fenster.

    Der Sohn bekommt eine zweite Abreibung für den Schokoriegel, aber Schläge ins Gesicht sind der Missgeburt zu langweilig geworden. Seine Hand wandert in Richtung Genitalien. Die ältere Schwester steht wie ein Zinnsoldat regungslos daneben, erträgt mit leerem Blick, was der eigene Vater ihr und ihrem kleinen Bruder antut. Die Schreie des Jungen hörst du durch das geschlossene Fenster, du musst mit ansehen, wie die Missgeburt mit all seiner Kraft die Hoden des Jungen zu Brei quetscht. Danach öffnet er eine Tür, die offenbar zum Keller herunterführt, und du siehst tatenlos dabei zu, wie er seinen jämmerlich weinenden Sohn mit einem Tritt die Kellertreppe hinunterstößt.

    Du weißt, dass jetzt die Kleine dran ist, die vielleicht elf oder zwölf Jahre alt sein mag und die bereits in der Pubertät ist. Die winzige Seele, die sich eben im Supermarkt noch in ihrem Körper befand, hat längst den Raum verlassen, das siehst du in ihrem Gesicht.

    Die Missgeburt bleibt direkt vor seiner Tochter stehen. Du siehst, wie ihm der Sabber förmlich runterläuft, wie seine Zunge bei offenem Mund von rechts nach links schlackert. Am liebsten würdest du wegsehen, aber es ist wichtig, dass du dir alles ansiehst, jede Einzelheit dieses menschlichen Abgrunds erfasst.

    Du beobachtest durch das kleine Fenster, wie er sie antatscht, ihr unters T-Shirt greift, um ihre Brüste zu massieren und als sie beginnt, ihrem Vater die Hose zu öffnen, um seiner Erektion Luft zu verschaffen, hast du genug gesehen.

    Du setzt deine Skimaske auf, greifst in deine Einkaufstasche und holst die Ravioli raus.

    Heute gibt es Ravioli mit Missgeburt, das neue Leibgericht der Kleinen, die gerade den Schwanz ihres Vaters in den Mund nehmen muss.

    Du verschaffst dir mit deinem Werkzeug leise Zutritt zum Haus, schleichst dich von Hinten an dieses überflüssige Leben heran, das nie hätte geboren werden dürfen. Du stehst mitten im Wohnzimmer. Zwei Meter hinter der Missgeburt. Du riechst seinen Schweiß, den modrigen Gestank einer Kreatur, die das Leben nicht verdient hat.

    Du umklammerst die Konserve.

    Nein, mit gefüllten Nudelspezialitäten hast du wirklich noch nie jemanden umgebracht, aber vielleicht bringst du ihn nicht gleich sofort um, vielleicht lässt du dir ein wenig Zeit, damit er etwas von dem Leid zurückbekommt, das er seiner Familie angetan hat.

    Die Kleine beendet das inzestuöse Vorspiel, weil sie dich bemerkt hat.

    »Töten Sie meinen Vater oder helfen Sie mir dabei, ihn zu töten?«, fragt dich die Kleine.

    Sie hat Schneid, das muss man ihr lassen.

    »Was soll der Scheiß … «, keift die Verschwendung von Genmaterial, aber ein dumpfer Schlag bringt ihn zum Schweigen.

    Du stehst eine Weile da, schaust die Kleine an.

    Ihre Seele atmet erleichtert auf.

    Du bildest dir ein, du könntest es hören. Zufriedenheit legt sich wie ein Orgasmus auf deine Sinne, durchströmt deinen Körper, weil dich das alles an deine eigenen Eltern erinnert.

    Ein Wichser von Vater und eine blinde Mutter.

    Der Kreis schließt sich.

    Du forderst die Kleine auf, in den Keller zu ihrem Bruder zu gehen, drückst ihr die Dose Ravioli in die Hand und erklärst ihr, wie du dich um alles kümmern wirst. Du verschließt hinter der Kleinen die Kellertür und schiebst den Riegel vor.

    Es muss ein guter Abschluss werden.

    Das große Finale für dein Lebenswerk.

    Du hörst das Schluchzen der Mutter in der Küche.

    Sie ist zuerst dran.

    Genau wie deine Mutter.

    TEIL I

    JANUS

    1

    31. März 2015

    Das tote Fleisch der Leichen knirschte dumpf unter den Hufen. Jedes Mal, wenn ein Damhirsch auf den leblosen Körpern der Opfer rumtrampelte, zuckte es leicht im Auge von Hauptkommissar Harald Janus.

    Die letzte Chance, den Fall seines Lebens zu lösen, von lebendem Hirschgulasch weich geklopft.

    Das Karma hasste ihn, es zeigte ihm auf seine spezielle Art, dass die beiden Leichen, die im Wildgehege im Volkspark des Duisburger Stadtbezirks Rheinhausen lagen, wieder keine brauchbaren Spuren lieferten.

    Janus hasste derartige Verzögerungen, die ihn von seiner Arbeit abhielten. Auf dem Rasen neben ihm stapelte sich ein recht ansehnlicher Haufen Kippen, weil die Wildhüter erhebliche Probleme damit hatten, den letzten Damhirsch von seinem Tatort wegzubekommen.

    Er verfolgte die Bewegungen des Damhirsches, der im Zickzack durch das Gehege lief, einen Wildhüter nach dem anderen abschüttelte und im großen Stil alle Spuren an seinem Tatort zerstörte.

    Warum er bereits mit den Kollegen von der Kriminaltechnik am Tatort sein wollte, wusste er nicht genau, aber bei diesem Fall hatte er so ein ungutes Bauchgefühl. Der Ablageort und die Platzierung der Leichen schrien förmlich nach dem Karma-Killer. Sollte sich seine Ahnung bestätigen, waren diese beiden Leichen die letzten Spuren und Hinweise, die er als Leiter der Duisburger Mordkommission vom Karma-Killer noch analysieren konnte.

    Janus wippte ungeduldig von einem Bein auf das andere. Das Alles hier ging ihm nicht schnell genug. Ein Wildhüter landete bei dem Versuch, dem Damhirsch ein Seil um den Hals zu werfen, im Morast.

    Diese elendigen Dilettanten schafften es tatsächlich noch, dass er in Rente ging, bevor er auch nur einen Blick auf den Tatort werfen konnte. In einer Woche hieß es für ihn Abschied nehmen, dann schickten sie ihn in den Ruhestand, aber er wollte nicht mit dem unschönen Gefühl in Rente gehen, etwas nicht erledigt zu haben – und der Karma-Killer-Fall ließ ihm einfach keine Ruhe.

    Schlimm genug, dass das Damwild und die Wildhüter all die Spuren zertrampelten, die der Karma-Killer vielleicht am Tatort hinterlassen hatte, aber diese ganze Farce dauerte jetzt schon eine Stunde und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er diesen dämlichen Hirsch längst mit seiner Dienstwaffe abgeknallt und Gulasch aus ihm gemacht.

    Der Hirsch wechselte erneut die Richtung, schüttelte seine Verfolger ab und galoppierte direkt auf Janus zu, der seine aufgerauchte Zigarette auf den Haufen neben sich schmiss und sie austrat. Er musste etwas unternehmen, sonst dauerte dieses Trauerspiel noch den ganzen Tag.

    Janus hob den Riegel des Tores hoch, öffnete das Gatter und schob die Tür des Geheges so weit auf, dass der Hirsch ohne Probleme in die Freiheit flüchten konnte. Dann hob er seine Arme in die Höhe und wedelte wild mit ihnen hin und her, als ob er einem Passagierflugzeug beim Landeanflug in den Volkspark helfen wollte. Der Damhirsch behielt seinen Kurs bei, nahm Janus Angebot an und galoppierte direkt auf seine Freiheit zu.

    »Ey, was machen Sie da, schließen Sie sofort wieder das Gatter«, brüllte einer der Wildhüter, aber Janus trat ein paar Schritte zur Seite und machte den Weg frei. Der Hirsch lief an Janus vorbei in Richtung Freiheit, fünf Meter hinter ihm folgte der Wildhüter, der Janus strafend ansah.

    »Das wird Folgen für Sie haben, ich beschwere

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