SAVANT - Flucht aus Niger 3
Von Michael Nolden
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Über dieses E-Book
Michael Nolden
Michael Nolden arbeitet seit einigen Jahren als Autor: Romane, Kurzgeschichten, Hörspiele. Kriminalhörbücher: 31 TAGE, 2 WOCHEN, gesprochen von ENGELBERT VON NORDHAUSEN. Live-Hörspiele: FRÖHLICH SAUER, AMOK sowie AMOK27. Veröffentlichte eBooks sind u.a. DER KLEINE MORDRATGEBER, SAVANT - FLUCHT AUS NIGER (Trilogie), MONO - 1. Akt: Der Köder. Hörspielaufnahmen in Produktion: FRÖHLICH SAUER, HAPPYLAND, DER KLEINE MORDRATGEBER … Nach BÄR – CHIMÄRA ist bereits das nächste eBook in Arbeit.
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Buchvorschau
SAVANT - Flucht aus Niger 3 - Michael Nolden
Kapitel 1: Mittwoch, 10. Juni 2009 – 0:00 Uhr
[Eddie Trick]
Rumpelnd, auf der Ladefläche eines Lastwagens, verlassen wir Timia. Ich weiß noch nicht, ob ich froh darüber sein soll, von der kleinen Insel glückseliger Zivilisation herunterzukommen, ganz gleich, was sie uns für Scherereien bereitet hat. Die Wüste lacht uns in der Dunkelheit aus. Selbst schuld, wenn ihr freiwillig in meine Arme zurückkehrt!
Andererseits? Besser weg hier. Wenn ich an die Paviane denke! Das ist doch mal ein Auftritt gewesen! So reif für Las Vegas, wie ich's für die Insel bin! Sie kamen, geiferten herum, wie als kleine King Kongs verkleidete Dschinnies im Dienste kleiner Jungens und brachten einen Haufen erwachsener Männer hinter Schleiern dazu sich einzupinkeln. Ich jedenfalls hätt's getan, wären sie noch weiter über die Dächer gekraxelt und hätten uns eingekreist. Aber jetzt sind sie weg. Keiner hat versucht, mir zu erklären, warum sie plötzlich aufgetaucht sind, noch warum sie wie die Staubgeister wieder verschwunden sind.
Die Targi schauen zu den Dächern und Seitengassen, sie führen Gespräche in ihrer eigenen Sprache, unverständlich für mich, und ich denke, auch für Pascale, der den Kopf in ihren Richtungen schwenkt, so oft er sie reden hört. Französisch reden die Targi untereinander kaum.
Nathalie sieht mich unschlüssig an. Und ich erwidere das zwischenmenschliche Looky-Looky, mehr hilflos und von den stechenden Schmerzen in meinen Fingerstümpfen gepeinigt, so dass ich glaube, mein Blick fällt einigermaßen daneben aus. Wie von einem langen Irren. Nicht wie von einem langen Mr.-UNO-Kollegen, der sie noch alle beisammen hat.
Begleitet von einem aufmunternden Lächeln setzt sich Nathalie neben mich. Achtlos legt sie die beiden Gewehre vor sich auf den Boden.
»Wie geht's?«, lautet meine sehr einfallsreiche Frage, obwohl mir ganz andere Fragen auf der Zunge brennen.
Sie schüttelt die langen weißen Haare aus dem Gesicht. In eher gequält klingender Tonlage antwortet sie: »Es geht.«
Selbst schuld, denke ich. Sei direkter. »Darf ich erfahren, was eben vorgefallen ist?«
»Eine Erklärung? Die hätte ich selber gerne. Es war nicht die erste Begegnung dieser Art. Begriffen, was da los war, habe ich trotzdem nichts.« Nathalie legt los mit einer Begebenheit aus der jüngeren Vergangenheit. Ein Kind war gestorben, und die Affen belagerten daraufhin das Dorf seines Stammes. Die nächtlichen Ereignisse von damals sind verdammt gruselig. Schauerlicher als eben dieser primatöse Line Dance. Ich will sie nicht erlebt haben. Daneben nimmt sich die nächste geschilderte Episode in einer Höhle wie ein harmloser Epilog aus. Und jetzt zuletzt der nächtliche Überfall sei die Spitze einer Entwicklung, die sie, Nathalie, nicht überschauen könne. Kämen die Tiere, weil sie gerufen würden oder suchten sie aus einer Art merkwürdigem Instinkt heraus die Nähe der Jungen?
»Mann! Ich meine – Wow! Nathalie, ich verstehe nur Bahnhof! Sonst nichts. Aber, wie auch immer, wir können alle von Glück reden, dass die Männer besonnen genug waren und keiner auf die Affen geschossen hat.«
Sie legt eine Hand auf meinen Unterarm und schiebt die andere unter meine unverletzten Finger meiner rechten Hand. »Es ist«, beginnt sie zaghaft. »Ich habe noch keinem Fremden außerhalb der Schule davon erzählt.« Nathalie schaut auf.
»Na, ja«, sage ich ein wenig beleidigt.
»Außenstehenden. Einem Außenstehenden«, korrigiert Nathalie.
Auf dem schaukelnden Lastwagen, von jeder Bodenwelle durchgeschüttelt, nun am Rande von Timia angelangt, kümmert sich keiner der Targi um unser Gespräch. Im spärlichen Licht erkenne ich den seitlich geneigten Kopf von Pascale. Seiner Mutter bleibt die neugierige Haltung ihres Sohnes nicht verborgen. Sie scheint in einer unheimlichen Melancholie versunken, als sie fortfährt: »Pascale kam zu mir, er kam zu mir, fand mich, da war er fünf Jahre alt. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt noch nicht lange in Niger. Ich arbeitete bereits für die UN, aber wir hatten noch keinen Standort für unser Projekt gefunden. Man könnte sagen, ich lungerte zu der Zeit in Niamey herum. Die Stadt, sie war fremdartig. Und doch allem so ähnlich, was ich schon von der Welt gesehen hatte. Nigers Hauptstadt imitierte eine westliche Zivilisation, mit seinen Häusern, der herkömmlichen, einfallslosen Architektur und tupfte es mit Sand und Palmen, manchmal dichtem Straßenverkehr, dem nötigen Gestank und Krach. Dann gab es da das, was Niger ebenfalls ausmacht. Bunte ...«
Kapitel 2: Nathalies Erinnerungen
[Nathalie Pagnol]
»... Gewänder der Frauen. Frauen, die Körbe mit Einkäufen, mit Waren auf den Köpfen tragen. Gleichzeitig fahren Regierungslimousinen oder Konzernfahrzeuge an ihnen vorbei. Hier flattern die Kleider im Wind, dort geht ein in Europa herangezüchteter Wirtschaftsstudent in gestärktem Anzug und Aktentasche an einem vorüber. Wir sollten Kontakte knüpfen, das Land dadurch kennenlernen. Ich traf einen Mann vom Außenministerium.« Ich zögere. »Benoît Moussa«, sage ich, bevor die Pause zu lange dauert, »sehr europäisch eingestellt, im besten Sinne, wie ein englischer Butler, der eine französische Adelige zur Mutter hatte, nett, zuvorkommend ...«
Eddie blinzelt. »Moussa?«, fragt er. »Ich kenne den Namen! Ich habe ihn von ...«
Ich sehe ihn aufmerksam an. Ist das der Moment? An dem der Damm bricht? Oder eine Mauer auf der alten in die Höhe wächst? Es gab diesen Moment mit Antoine. Und ein paar ganz wenigen auf diesem Planeten. »Von wem?«
Da ist das schelmische, unverschämte Lächeln wieder. »Bertrand. Von meinem Freund Bertrand«, antwortet Eddie. »Er hat mir den Namen genannt. Ich solle ihn für den Notfall behalten. Er hat ihn mir ...« Seine Miene versteinert mitten im Satz. »Vorgestern genannt«, sagt er. Noch einmal das Lächeln. Aufgesetzter. Künstlich unverfroren. »Als ich noch alle Finger hatte.« Eddie strafft den Oberkörper, reckt das Kinn vor. »Gut«, meint er daraufhin, »ich kenne nur den Namen.« Eddie wirft einen Seitenblick über die Heckseite des Lastwagens auf die nachfolgende Kolonne.
Im zweiten Fahrzeug sitzen Samir und Bertrand Forbach im Führerhaus. Ihre Gesichter liegen im Schatten. Die fast verdeckte Beleuchtung des Armaturenbretts legt einen rötlichen Glanz auf ihre Kinnpartie.
»Bertrand kennt Moussa sicher persönlich. Kontakte sind das Alpha und Omega für ihn. Obwohl ich bisher keinen konkreten Nutzen bemerkt habe«, spricht Eddie weiter. »Wie man sieht.« Sein Kopf deutet mit einem Nicken auf die Ladefläche. »Wir wären sonst nicht hier.« Eddie wartet.
Ich bin wieder an der Reihe. »Benoît Moussa sollte Nigers Verbindungsmann zur UNPF sein. Ich verstand mich gut mit ihm. Wir trafen uns privat. Ich erzählte ihm von meiner Arbeit. Von meinem beruflichen Interesse an Autisten.«
Eddie mustert mich, äußert sich jedoch nicht.
»Nach ein paar Tagen rief er mich an. Es gehe um einen Jungen in seinem Heimatdorf, meinte er. Er wolle ihn mir zeigen. Es sei dringend. Am besten machten wir uns gleich auf den Weg.« Ich schildere meinem – ich denke – unfreiwilligem jungen Begleiter die lange Fahrt mit einem alten Geländewagen, den Benoît für viel zu viel Geld gemietet hatte. »Geld, das er eigentlich nicht besaß. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten wir das Dorf, nach einer Reise ins Landesinnere. Den ganzen Tag waren wir unterwegs gewesen. Benoît wurde sofort empfangen. Zwei aufgeregte Frauen zogen ihn zu einer Ansammlung von Hütten und einer Reihe von Grünpflanzen dahinter. Nichts Besonderes, keine richtige Oase. Nur Wasserlöcher. Selbst gegraben, mit schmutzigem Wasser, eine lehmige, schlechte Brühe. Bis auf eines. Die Frauen weinten. Vor dem letzten Wasserloch hatten ein gutes Dutzend Frauen Aufstellung genommen. Wie eine Phalanx, in Doppelreihe. Ein Mann schrie sie lautstark an. Der Hausa tigerte vor den Frauen auf und ab, drohte ihnen mit der Faust und stieß manchmal auch gegen eine von ihnen. Aber jede, die er schubste, tat sogleich einen Schritt nach vorn und demonstrierte Stärke. Ihre verkniffenen Mienen zeugten von großer Angst. Lange hätten sie das Spiel nicht mehr mitgemacht. Bei unserer Ankunft drehte sich der Mann um. Benoîts bedeutungsvoller Auftritt ließ ihn zurückweichen. Ein Mann in Anzug und Schlips in dieser Gegend? Offizielle sind in Niger, das kann ich bestätigen, selten ein gutes Omen. Die Frauen schienen aufzuatmen. Sie traten beiseite. Jetzt erst sahen wir noch zwei Frauen am Boden knien und jeweils mit einem Arm in die Grube hinuntergreifen. Sie rührten sich nicht von der Stelle. Sie hielten einen Jungen fest, zogen, schafften es nur nicht, ihn hochzuziehen. Von dem Jungen kam kein Laut. Er hing wie eine Puppe in ihren Fingern. Benoît half ihnen. Er packte das Kind an den Schultern und hievte es nach oben. Ich werde – ich werde niemals dieses Häufchen Elend vergessen. Benoît wechselte einige Worte mit den jetzt völlig hysterischen Frauen. Wie es sich herausstellte, hatte der Mann, der Vater ...«
[Eddie Trick]
»... versucht, den teilnahmslosen Jungen zu ertränken. Ersäufen!«, sagt Nathalie in tiefe Bitterkeit versunken.
Für den Vater sei das Kind ein nutzloser Nachkomme gewesen. Ein überflüssiger Esser, also eine Gefahr für das Leben in einem ärmlichen Dorf. Ein Sohn, der niemals heiraten, die Familie vergrößern oder für den Unterhalt der Familie sorgen würde. Ein körperliches Verderbnis, ein lebendig gewordener Makel. Der Vater sei deshalb angefeindet worden. Wie könne ein Mann ein solches Kind in die Welt setzen? Was hatte er angestellt? Wer hatte ihn verhext? Oder die Mutter? Dann hatte sich seine Absicht im Dorf verbreitet. Ein Ende mit Schrecken! Besser als ein Schrecken ohne Ende! Er hatte den Jungen aus der Hütte gezerrt, Frauen der Familie, die Mutter, niedergeschlagen! Aber es hatte sich etwas Unerhörtes ereignet! Andere Frauen widerstanden ihm. Die Tanten, die Mutter, eine Großmutter kam hinzu, von blauen Flecken gezeichnet. Und sie wehrten sich! Als Benoît Moussa die Nachricht um den Zustand des Kindes zuteil geworden war, über eine Stafette von Händlern aus der Gegend, die eine Strecke bis nach Niamey bereisten, hatte er rasch einen simplen Plan bei der Hand. Mich zu rufen. Hinfahren. Das Schlimmste verhüten. Der Vater floh. Beschämt, erniedrigt von Frauen! Kaum zu glauben! Moussa suchte das Gespräch mit dem Rest der Familie.
»Ich kümmerte mich um den Jungen. Was nicht leicht war, denn jede Fürsorge wurde mit Angst beantwortet. Er schrie nicht. Das kam später. Er wimmerte. In einer endlosen furchtbar traurigen Melodie. Sie wurde erst unterbrochen, wenn eine Entkräftung einsetzte. Atemlosigkeit. Durst. Seine Verletzlichkeit rührte mich. Seine Blindheit zu erkennen, dazu brauchte es nicht viel, keinesfalls einen Experten.« Nathalie denkt nach. Sie blickt in weite Ferne, weit, weit zurück. »Benoît bot mir an, den Jungen der Familie abzukaufen. Für einen Monatslohn.«
Meine Augen weiten sich vor Bestürzung.
»Ein nigrischer Monatslohn.« Ein Nicken unterstreicht ihre Feststellung. »Im Vergleich zum Rest der Welt, besonders Europa oder die Staaten, ist das ein Geschenk. Sie schenkten mir praktisch den Jungen für das berühmte Butterbrot.« Ihre Stimme erstickt. Sie hustet.
Eine Staubwolke hüllt uns ein. Wir passieren eine trockene Senke, fahren rund zwanzig Meter weiter eine Anhöhe hinauf, der eine stetige Berg- und Talfahrt folgt. Ein Gefühl wie auf einem Schiff macht sich in meinem Bauch breit.
»Zuerst«, erzählt Nathalie weiter, »fand ich keinen Zugang zu ihm. Über gar nichts. Ich fürchtete, ihn zu verlieren. Er aß so gut wie nichts. Trank kaum. Nach einigen Monaten, ich hatte ihn offiziell adoptiert, fiel mir ein Bericht in die Hände. Ich erhalte immer noch Nachrichten von früheren Kommilitonen. Darin hieß es, man trainiere Affen zur Pflege von Behinderten und Autisten. Von Hunden zu diesen Zwecken wusste ich. Blindenhunde, klar! Aber Affen?«
Sie redet schneller. Sie informierte sich über das Programm und seine Möglichkeiten. Gleichzeitig konzentrierte sie mehr Zeit auf den Jungen. Ein halbes Jahr darauf zeigten sich kleine Erfolge. Auf die Ängste folgte eine wachsende Liebe, ihre, später die von Pascale, der sogar den neuen Namen zu schätzen lernte und den alten offensichtlich vergaß – der ohnehin nur als Beschimpfung verwendet worden war. »Ungefähr zu der Zeit begannen mich die Hausa Geisterfrau zu nennen. Die auf den blinden Jungen, mit der seltsamen Art zu sprechen, aufpasst.«
Ich freue mich über das plötzlich aufblitzende Lächeln.
»Ziemlich genau anderthalb Jahre nach der Adoption traf Zet in Niger ein.«
Der Pavian hebt den Kopf. Die sofortige Reaktion ist bemerkenswert. Nathalie tätschelt beruhigend meine Hand.
»Er hat das beste Gehör aller drei Affen. Mit ihm fing das Training erst richtig an. Für die Schule blieb da gar keine Zeit mehr. Antoine hat mir viele meiner hauptsächlichen – die beruflichen Pflichten abgenommen. Meine anderen Kollegen ...« Neuerlich taucht sie in Schwermut ab. »Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Ob es ihnen gut geht? Ob sie noch leben?« Danach fällt Nathalie in ein unangenehmes Schweigen.
»Das war erst einer«, erinnere ich sie. »Pascale.«
Ein grüblerischer Ausdruck legt sich über ihr Gesicht. »Ja, Pascale«, meint sie nach einer kleinen Weile. »Sieben Jahre hat es gedauert, bis der Junge diesen Entwicklungsstand erreicht hat und er ein Potential entwickelte, wie ich es niemals ...« Mitten im Satz wendet sie den Kopf und sagt etwas, das ich nicht sogleich begreife. »Pascale, du musst auch ...«
[Nathalie Pagnol]
»... schlafen! Glaubst du, ich merke nicht, dass du lauschst? Das ist keine Bitte. Kein guter Rat. Zet und du, Claude, Vau und Ix, ihr alle müsst schlafen. Versucht noch zu schlafen.« Wie vermutlich viele Mütter sitze ich dem Drang der Wiederholung auf, in der Hoffnung, damit sorgenvoller zu wirken und eindringlicher für das kindliche Gemüt zu sein.
Eddie schickt verwunderte Blicke zwischen uns hin und her.
Antoine macht mit der Handfläche eine kreisende Handbewegung auf Claudes Kopf, unser Zeichen für Schlaf. Die Jungen gehorchen und ziehen sich in die Schatten der seitlichen Befestigungen zurück. Antoine umhüllt sie mit Decken gegen die nächtliche Kälte. Ihre Nasen schauen vorwitzig heraus. Zet und Vau sind unter den Decken anfangs noch unruhig, bis auch sie ihren Schlafplatz finden und in engem Körperkontakt zu ihren Schützlingen ruhen.
»Es funktioniert nur, wenn der Affe einen Freund in seinem jeweiligen Menschen sieht. Zet wurde hier angeliefert, begleitet von seiner Trainerin. Afrika machte ihn zeitweilig – verrückt. Die Gerüche, die Luft, Hitze, Kälte, Regen. Vielleicht wurden Urerinnerungen geweckt? Keine Ahnung. Zet ist in einem amerikanischen Zoo geboren worden. Erst nach und nach begriff er hier seine Rolle. Es ist eine Sache, den Primaten in einer künstlichen Umgebung zu dressieren und eine andere, ihn in seine Arbeitsumgebung unter realen Bedingungen zu entlassen. Normalerweise finden Annäherungen zwischen Affe und Schützling schon während des Trainings statt. Aus nachvollziehbaren Gründen war mir das nicht möglich. Der Aufenthalt der Trainerin drohte zu lange zu dauern. Zu teuer für mich. Das Geld.« Ich grinse unverschämt. »Ich hatte es meinem Vater für ein Auto abgeschwatzt. Ein Auto besitze ich in Niger bis heute nicht.« Die Berührung, seine Hand in der meinen, spüre ich mit einem Mal wieder, als hielten wir uns erst seit Sekunden. Seine Hand ist trocken, kühl, der Griff ist aufmerksam, nicht zu fest. Ich freue mich darüber, ihm aus meiner Vergangenheit zu erzählen. »Claude. Er kam zu mir, als hinter vorgehaltener Hand über die Frau mit dem seltsamen Jungen getuschelt wurde. Einmal nicht die Geisterfrau. Aber seltsam. Die Frau, die mich in Begleitung weiterer Frauen aufsuchte, war weithin bekannt. Wenn von der Targia gesprochen wurde, konnte nur sie gemeint sein. Saloua war beeindruckend. Sie verschaffte sich ein Bild von unserer Schule. Niemand, am allerwenigsten ich, hätte gedacht, dass sie einen Jungen in meine Obhut geben wollte. Pascale war damals drei Jahre bei mir. Claude, wie ich den neuen Jungen nannte, erinnerte mich in