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Genesis I: Wundervolle Welt
Genesis I: Wundervolle Welt
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eBook643 Seiten8 Stunden

Genesis I: Wundervolle Welt

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Über dieses E-Book

Jorik ist absolut zufrieden mit seinem Leben.
Er hat seine Traumfrau geheiratet und er ist beruflich sehr erfolgreich.
Auch bei seinen besten Freunden kann er sehen, dass sich ihr Liebes- und Lebensglück hervorragend entwickelt.
Als sich dann auch noch Nachwuchs bei ihm einstellen will, ist er sicher, dass es nirgendwo im Universum einen besseren Platz zum Leben gibt, als auf diesem wundervollen und prächtigen Planeten namens Santara, den er stolz sein Zuhause nennt.
Doch ihre Welt wurde von einer fremden, kriegerischen Rasse ins Visier genommen und das Böse ist bereits auf dem Weg zu ihnen. Die Gier Einzelner nach Macht und Ruhm verhindert eine rechtzeitige Reaktion und so gelingt den Fremden ein furchtbarer Überraschungsschlag.
Es sind so unendlich Viele und mit ihren Maschinen fegen sie gnadenlos über den Planeten hinweg.
Sie stellen keine Fragen, sie wollen keine Antworten.
Alles, was ihnen wichtig scheint, ist die vollständige Vernichtung einer ganzen Rasse.

Genesis I - Wundervolle Welt ist der Auftakt zur großen Saga um das Schicksal eines ganzen Planeten
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Dez. 2017
ISBN9783742759528
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    Buchvorschau

    Genesis I - Alfred Broi

    Der Schrei nach Leben

    Die kleine, völlig verängstigte Gruppe war nun schon seit mehr als zwei Stunden in dem Kellergewölbe.

    Doch über ihnen tobte noch immer ein furchtbarer Kampf.

    Fast sekündlich waren Granateneinschläge zu hören, die ihre dumpfen, bedrohlichen Druckwellen unheilvoll in den Raum trugen.

    Mindestens einmal in der Minute erzitterte die Holzkonstruktion des Kellers unter der Wucht eines mächtigen Raketeneinschlages, ließ Erde und Staub herabregnen.

    Aber niemand schrie, kein Wort kam über ihre Lippen.

    Die Frauen umklammerten ihre Kinder fester, wollten ihnen Trost und Sicherheit geben, die sie selbst nicht finden konnten.

    Die wenigen Männer schauten auf, richteten für eine Sekunde ihr Flehen in den unsichtbaren Himmel und senkten dann wieder ihre Köpfe, um weiter für das Ende der Knechtschaft zu bitten.

    Doch eines hatten sie alle gemeinsam.

    In ihren Augen gab es keine Hoffnung mehr.

    Dann schien es ihnen, als wollte alles um sie herum in einem gnadenlosen Stakkato aus Feuer und Donner vergehen, als die Geräusche immer lauter und furchterregender wurden und eine scheinbar niemals enden wollende Explosion dabei war,  ihr aller Leben auszulöschen.

    Und binnen weniger Sekunden stand ihnen Todesangst im Gesicht und Tränen der Verzweiflung rannen an ihren schmutzigen Wangen herab.

    Doch urplötzlich verstummte innerhalb eines einzigen Augenblickes über ihnen jegliches Geräusch und zurück blieb Totenstille.

    Eine schreckliche, beängstigende Stille, denn sie wussten, dass der Kampf über ihnen geendet hatte und das all die tapferen, jungen Männer ihre Leben für eine weitere, grausame Niederlage im Kampf gegen die Knechtschaft der Fremden gegeben hatten.

    Alles, was ihnen blieb, war die furchtbare Ungewissheit, ob die Sieger mit dem Blut ihrer Opfer zufrieden waren oder das Schlachtfeld nach Überlebenden absuchen würden.

    Doch sie konnten nichts tun, außer abwarten. Und während die Minuten vergingen, flehten sie gen Himmel, sie zu verschonen und es entstand eine nervenzerreißende Spannung.

    Bis die Stahlplatte in der Decke ihres Unterschlupfs aufgerissen wurde und sie alle sicher waren, einen grausamen Tod zu finden.

    ¤

    Jorik ließ die Platte hinten überklappen, hockte sich nieder und lugte vorsichtig in den Kellerraum hinein.

    Als er die fast fünf Dutzend Gestalten - Männer, Frauen und Kinder - sah, zog er überrascht die Augenbrauen hoch, denn er hatte nicht erwartet, Überlebende und dann auch noch so viele zu finden.

    Als er sah, das die Gruppe seine khakifarbene Uniform erkannte und dann sehr froh war, einen Freund und keinen Feind zu sehen, huschte ein kurzes, aber müdes Lächeln über seine Lippen.

    „Die Schlacht ist vorüber. Der Feind geschlagen! rief er. „Aber wir müssen uns beeilen. Die nächste Angriffswelle ist bereits im Anmarsch. Also los jetzt. Rauf mit euch!

    Zuerst wurden Frauen und Kinder geborgen, dann folgten die Männer.

    Alles ging sehr schnell und reibungslos voran.

    Binnen zweier Minuten waren insgesamt 58 Personen an der Oberfläche.

    Dann stockte ihr Abmarsch, denn sie alle konnten nun mit eigenen Augen sehen, was sie bis jetzt nur gehört hatten.

    Ein grausames Schlachtfeld tat sich vor ihnen auf. Trümmer und Leichen, soweit das Auge reichte. Der Boden blutgetränkt. Schreie Verwundeter, Sterbender.

    Feuer und Rauch überall, der Gestank von Tod und Vernichtung lag deutlich in der Luft.

    Während sie langsam weiterzogen, begannen viele zu weinen, einige wieder zu beten.

    Jorik konnte sie verstehen, denn ihr Weg führte sie geradewegs durch die schlimmste Hölle des Krieges, wo es keine Gnade mehr gab und keine Ehre.

    Und doch war keine Zeit, derer zu gedenken, die ihr Leben hier auf furchtbare Art und Weise gelassen hatten.

    Der Feind näherte sich bereits wieder, schickte eine neue Armada seiner schier unerschöpflichen Vorräte an Kampfmaschinen und Krieger.

    Deshalb mussten sie sich beeilen, durften nicht verharren.

    Und er wollte sie gerade antreiben, als er nur wenige Meter hinter sich eine junge Frau schreien hörte und sofort danach Bewegung in einem Trümmerhaufen neben ihr registrierte.

    ¤

    Das Schlachtfeld war nicht nur ein Platz der Toten.

    Die Schreie der Verwundeten waren deutlich zu hören.

    Und so wie es einige wenige Einheimische überlebt hatten, war auch der Feind nicht vollständig ausgelöscht.

    Doch im Gewirr der reglosen Leiber war er nur schwer auszumachen gewesen.

    Deshalb hatte die junge Frau, die die verwundete Kreatur als erste sah, auch nicht die geringste Chance zu entkommen.

    Denn als sie schrie, hatte sich der Feind bereits blitzschnell auf seine mächtigen Hinterbeine erhoben und seine linke, rasiermesserscharfe Klaue derart wuchtig in ihren Brustkorb getrieben, dass es laut und widerlich krachte, als sie spielend leicht die Rippen durchschlug und auf ihr Herz traf, das durch den Schlag buchstäblich zerplatzte.

    Während der Schrei der Frau so innerhalb eines Wimpernschlages bestialisch erstarb, stieß die Kreatur einen tiefen, dröhnenden Freudenschrei aus, bevor sie ihr Opfer fallen ließ und einen Schritt nach vorn auf ein halbwüchsiges Mädchen machte, das starr vor Schreck zu keiner Reaktion fähig war.

    Obwohl Jorik sofort herumwirbelte, dabei instinktiv seine Waffe zog, konnte er die grausame Hinrichtung der jungen Frau nicht verhindern.

    Und er war für den Bruchteil einer Sekunde so starr vor Schreck, wie alle anderen auch. Unfähig sich zu bewegen, zu reagieren.

    Der Anblick des Feindes ließ ihm, wie schon so oft, das Blut in den Adern gefrieren.

    Denn vor ihm erhob sich zu ihrer vollen Größe von fast drei Metern die widerliche Mutation einer Art Heuschrecke - furchterregend, grausam, bestialisch.

    Ja, ihre Feinde waren auch Insekten.

    Und die Jahre des Krieges hatten gezeigt, dass es keinen gnadenloseren Gegner als sie hätte geben können.

    Dann hörte Jorik das Mädchen schreien. Im selben Moment kehrte er zurück in die Wirklichkeit und sofort drückte er ab.

    Das Geschoss traf das Insekt unterhalb der linken vorderen Klaue in der Brust, durchschlug seinen Panzer, zerfetzte innere Organe und trat im Rückenteil wieder aus dem Körper heraus.

    Die Bestie schrie auf, doch wusste Jorik, das es kein Schmerzensschrei war.

    Aber das Monster ließ von dem Mädchen ab, dessen Beine unter ihm nachgaben. Es fiel hinterrücks zu Boden und gab Jorik damit die Schusslinie vollkommen frei.

    Sofort lud er durch, feuerte erneut.

    Und im nächsten Moment war der unförmige, massige Kopf des Insektes eingehüllt in einem Feuerball, als die Granate explodierte und Blut, Knochen und Gehirnmasse torpedogleich durch die Luft spritzten.

    Für eine Sekunde stand das Szenario völlig still, waren alle zutiefst geschockt von der ganzen Aktion.

    Dann verlor der leblose Körper der Bestie das Gleichgewicht und fiel vornüber zu Boden.

    Das Mädchen schrie erneut auf, doch war ein Mann zu ihr getreten, der es auf die Beine zog und mit ihnen schleifte, während er verzweifelt versuchte, Worte zu finden, die ihm den Verlust der Mutter begreiflich machten.

    „Also los jetzt! rief Jorik und deutete nach vorn. „Beeilt euch!

    Etwa einhundert Meter von ihnen entfernt wartete ein Flugboot auf sie, das in der Form an einen großen Helikopter erinnerte, da es nur senkrecht zu starten und zu landen war, es jedoch keine Rotoren besaß.

    Über den stählernen Landekufen wölbte sich ein massiger, ovaler Rumpf empor, der nach oben stark abgeflacht war. Am hinteren Ende waren zwei Düsentriebwerke befestigt, ebenso kleinere zwischen den Kufen.

    Am Heck war eine große Einstiegsluke geöffnet, auf die die kleine Gruppe zustrebte und durch die sie in den Laderaum der Maschine gelangten.

    Jorik betrat als letzter den Frachtraum, betätigte sofort den hydraulischen Schließmechanismus der Luke und sprach dann in sein Head-Set. „Paket eingesackt! Startfreigabe!"

    Nur wenige Sekunden später gab der Pilot Energie auf die unteren Triebwerke, das Fluggerät hob in einer Staubwolke vom Boden ab, seine Nase kippte vornüber, als es sich in Flugrichtung drehte, dann zündete der Pilot die hinteren Triebwerke und sie gewannen sehr schnell an Geschwindigkeit.

    ¤

    Nachdem er die Startfreigabe gegeben hatte, stieg Jorik die Leiter hinauf in den oberen Frachtraum und betrat dann das Cockpit.

    Durch das Fenster dort konnte er vor ihnen die blutrote, untergehende Sonne erkennen, unter ihnen die bizarren Felsformationen des nördlichen Hochlandes.

    Während er sich seiner Waffe entledigte und Platz an einem Computerterminal hinter dem Sitz des Copiloten nahm, hörte er plötzlich einen schrillen Piepton.

    „Abfangjäger auf fünf Uhr!" sagte der Copilot. Sein Name war Biggs. 

    „Roger! gab der Pilot namens Kabus zurück. „Festhalten!

    Im selben Moment jagte die Maschine im Sturzflug auf den Boden zu, Kabus beschleunigte auf die Höchstgeschwindigkeit von mehr als vierhundert Meilen die Stunde, hielt den Kurs bis dicht vor einen, fast einhundert Meter hohen Felsbrocken, bevor er auswich und nur wenige Meter parallel zum Boden weiter dahin schoss.

    Doch der Feind ließ sich von diesem Manöver nur eine Sekunde ablenken, dann schloss er wieder auf, verkürzte die Entfernung zum Zielobjekt und feuerte kurz hintereinander vier Leuchtspurraketen ab.

    Kabus reagierte sofort, riss ihre Maschine in einen Zick-Zack-Kurs immer wieder dicht an die vor ihnen liegenden Felsen heran.

    Alle vier Geschosse verfehlten ihr Ziel nur knapp, brachten die Maschine zum Erzittern.

    „Gegenmaßnahmen!" brüllte Kabus.

    „Eigene Zielerfassung ist aktiviert!" erwiderte Biggs.

    „Raketen scharfmachen!"

    „Raketen sind scharf!"

    Kabus riss die Maschine nach links, pendelte sie aus, bis die Zielerfassung den Jäger im Fadenkreuz erfasst hatte.

    Im selben Moment schossen erneut ein halbes Dutzend Raketen auf sie zu, waren jedoch zu tief angesetzt und strichen unter ihnen hinweg.

    „Ziel erfasst! rief Biggs. „Feuer! Er drückte den Auslöser und sofort klinkte sich eine Rakete am Rumpf aus und raste auf ihren Gegner zu.

    Noch bevor sie ihn erreicht hatte, drückte Biggs ein zweites Mal ab.

    Und er sollte Recht behalten.

    Konnte ihr Gegner dem ersten Geschoss noch ausweichen, hatte er gegen das zweite keine Chance.

    Die Rakete erwischte seine linke Tragfläche, zerfetzte sie, der Pilot verlor die Kontrolle, der Jäger kippte seitlich weg und raste zu Boden, wo er augenblicklich auf den Felsen zerschellte und wuchtig explodierte.

    Die Pilotencrew jubelte kurz auf, doch dann ertönte erneut ein schriller Piepton.

    „Zwei Jäger auf drei Uhr!" meldete Biggs sofort.

    „Wie weit noch?" fragte Kabus.

    „Zwei Meilen!"

    Eine Sekunde später erzitterte ihre Maschine erneut wuchtig, als nur wenige Meter neben ihr eine Rakete detonierte.

    Kabus reagierte sofort, riss das Schiff schonungslos fast senkrecht in die Höhe, verringerte die Geschwindigkeit, ließ die Nase dann vornüber kippen.

    „Wasser voraus!" meldete Biggs und am Horizont waren deutlich die Gischtkronen der Wellenkämme am Ufer des ekelhaft schmutzigen, braunen galpagischen Meeres zu erkennen.

    Kabus beschleunigte wieder auf Höchstgeschwindigkeit, hielt auf die letzte Felserhebung am Ende des Plateaus zu, hüpfte förmlich darüber hinweg und ging dann in den Sturzflug.

    „Eintrittsphase einleiten!" befahl er.

    Jorik betätigte einige Schalter an seiner Konsole. „Eintritt vorbereitet!"

    Die Maschine wurde wenige Meter über der Wasseroberfläche abgefangen, dann in einen leichten Sinkflug mit Höchstgeschwindigkeit gebracht.

    Als die Entfernung weniger als fünf Meter betrug, wurden rechts und links der Maschine Wasserfontänen aufgewirbelt.

    Den beiden Jägern, die ihnen dicht gefolgt waren, wurde so für Sekunden die Sicht genommen.

    Instinktiv gaben sie noch ihre Raketen frei, doch trafen sie die Maschine des Gegners nicht.

    Stattdessen verriss der Pilot des führenden Jägers sein Steuer und er krachte auf die Wasseroberfläche.

    Bevor er in einem gleißenden Feuerball explodierte, konnte sein Hintermann gerade noch ausweichen und seinen Jäger in die Höhe reißen.

    Dadurch kam er zwar mit dem Leben davon, hatte aber den Kontakt zum Feind verloren. So konnte er nicht verhindern, dass das Flugboot beinahe sanft in das Wasser eindrang und verschwand, ohne dabei langsamer werden zu müssen.

    Kabus drosselte die Geschwindigkeit behutsam auf etwa hundertdreißig Meilen die Stunde.

    „Höhenruder zehn Grad. Auspendeln in sechshundert Fuß!"

    „Ey, Captain!" erwiderte Jorik.

    „Passivsonar aktivieren!"

    „Passivsonar ist aktiviert!" Biggs hatte den entsprechenden Schalter betätigt.

    „Geschwindigkeit neunzig Knoten!"

    „Schiff ausgependelt in sechshundert Fuß!" gab Jorik zu verstehen.

    „Alles klar! Kabus atmete hörbar aus. „Lehnt euch zurück Leute und entspannt euch. Wir haben es überstanden. Geschätzte Ankunftszeit?

    „In zehn Minuten. Gerade Zeit für eine Pinkelpause!"

    ¤

    Verdammt, sie hatten es wieder einmal geschafft.

    Waren den Jägern des Feindes entkommen und jetzt hier in den unendlichen Weiten der Meere in Sicherheit.

    Und vor ihnen tat sich im Licht der vier leistungsstarken Scheinwerfer eine einstmals faszinierende, jetzt nur noch zerstörte, trostlose Unterwasserwelt auf, die irrsinnig schnell an ihnen vorbeischoss, dass das Auge kaum mehr als eine dunkle Brühe erkennen konnte.

    So konnte Jorik tatsächlich so etwas wie entspannen, bevor Kabus die Geschwindigkeit auf unter zwanzig Knoten drosselte und sich vor ihnen eine fast senkrechte Felswand auftat, die zur kimurischen Steilküste gehörte, der sie sich jetzt näherten.

    Unterhalb des Meeresspiegels war hier eine Fahrrinne geschaffen worden, die sie tief in das Felsgestein führte, wo sie die Wasseroberfläche wieder durchbrachen und in einer riesigen Grotte das Boot anlegen konnten.

    ¤

    Als Jorik das Boot verließ, hatte er Danksagungen einiger Überlebender in den Ohren, doch überwiegte in ihm noch immer der Schock über den Tod der jungen Frau.

    Aber er durfte seine Empfindungen nicht zeigen. Nicht hier und nicht jetzt.

    Später, wenn er allein war, würde er weinen, wie so oft. Weinen um seine Freunde, die er verloren hatte, weinen um das Leiden seines ganzen Volkes – weinen um seine eigenen, schrecklichen Verluste.

    Oh, tief in seinem Inneren hasste er Gewalt und Jorik hätte sich nie träumen lassen, das er einmal einer der Anführer seiner Rasse in diesem widerlichen Krieg werden würde.

    Und doch gehörte er unmissverständlich zu den besten und tapfersten Kämpfern, die den Leuten einen Funken Hoffnung in dieser ansonsten schrecklichen Welt gaben.

    Und um diese Hoffnung weiterhin aufrecht zu erhalten, galt es immer wieder dort hinauszugehen und die dem Feind noch immer schutzlos ausgelieferte Mehrheit seines Volkes in den Schutz der Meere zu führen.

    Hierfür war eine Lagebesprechung angesetzt worden, wo er mit seinen Männern die weitere Vorgehensweise für den morgigen Tag festlegen wollte.

    Sein Weg führte ihn deshalb aus der Grotte in einen Gang zum hinteren Ende ihres Unterschlupfs.

    Während er zügig voranschritt, versuchte er etwas durchzuatmen, um genügend Kraft zu haben, um seine Männer gleich entsprechend zu motivieren.

    Doch er kam nicht weit.

    Schon hinter der ersten Biegung wurde sein Blick beinahe magisch von einer kleinen Gruppe Kindern, alle zwischen sechs und vierzehn Jahre alt, angezogen.

    Die armseligen mageren Gestalten in ihren zerlumpten Kleidern und den so traurig blickenden, großen Augen saßen um ein kleines Lagerfeuer herum und aßen gierig die wenige Nahrung, die ihnen dieser geknechtete Planet noch geben konnte.

    Und bei diesem Anblick war es vorbei mit seiner Suche nach etwas Ruhe und Kraft und hervor kam wieder dieses ihn innerlich zerreißende Gefühl von ohnmächtiger Wut und gnadenloser Hilflosigkeit.

    Jorik spürte, wie ihm fast augenblicklich Tränen in die Augen schossen.

    Sofort  wandte er sich ab. Er durfte es nicht hier tun. Er durfte es einfach nicht.

    „Sir?"

    Er hörte die Frage zwar, reagierte jedoch nicht sofort.

    „Ist alles in Ordnung mit ihnen?"

    Er hob seinen Kopf, konnte in die besorgten Augen eines wissenschaftlichen Offiziers sehen, und nickte dann. „Ich bin Okay! Er atmete einmal tief durch, bekam seinen Kopf dadurch wieder frei. „Was gibt es?

    „Sir, ich habe hier die letzten meteorologischen Auswertungen vorliegen. Ich denke, sie sollten sich das einmal anschauen!" Der Offizier deutete ihm an, ihm in den angrenzenden Raum zu folgen.

    Vollgepackt mit Elektronik befand sich dort auch die Luft- und Sonarüberwachungs- Einheit.

    Als beide Männer eintraten, wurden sie von einem schmächtigen Mann mit zerzaustem, schlohweißem Haar freundlich begrüßt, das ihn deutlich älter erscheinen ließ, als er es mit seinen achtunddreißig Jahren tatsächlich war.

    „Hallo Jorik!" sagte er mit einem traurigen Lächeln und nickte ihm zu.

    „Hallo Shamos! Auch er lächelte kurz. „Ich habe nicht viel Zeit, alter Freund. Also, was hast du für mich?

    „Ja, natürlich, das verstehe ich!" Shamos nickte erneut. „Aber es ist wichtig. Wirklich wichtig!" Er reichte ihm den Computerausdruck mit dem Ergebnis einer meteorologischen Untersuchung.

    „Ich bin kein Wissenschaftler, Shamos. Sag mir, was da steht!" wehrte Jorik sofort ab.

    „Ähm...! Shamos atmete einmal tief durch. „Wie du weißt, untersuchen wir ständig den gesamten Planeten im Hinblick auf Veränderungen, die durch den Krieg hervorgerufen werden!

    „Ich weiß! Jorik nickte. „Du liegst uns schon lange mit der Möglichkeit in den Ohren, dass wir uns auf einer Strasse ohne Wiederkehr befinden!

    Shamos schaute Jorik einen Moment stumm an, dann verdunkelte sich sein Gesichtsausdruck zusehends. „Die Möglichkeit ist zur Gewissheit geworden!"

    „Was?" stieß Jorik geschockt hervor.

    „In den letzten Jahren wurden hier Waffen eingesetzt, die teilweise extreme chemische und biologische Kampfstoffe beinhalteten. Und die Zerstörung der Atmosphärenwandler war kein Erfolg für uns, sondern hat den Vergiftungsprozess der Luftschichten noch beschleunigt! Das musste unweigerlich zu einer Reaktion der Natur führen!" Shamos nahm eine Blechschale von einem Tisch neben ihm und reichte sie Jorik.

    „Was ist das?"

    „Die Reaktion der Natur!"

    Was ist das?" fragte Jorik noch einmal, denn er konnte diese stinkende, graue, faulige Masse nicht einordnen.

    „Kannst du dich noch an die weitläufigen Gemüsefelder südlich von Ara Bandiks erinnern, in denen wir als Kinder gern gespielt haben?"

    „Ja, das kann ich allerdings. Und ich würde vieles darum geben, noch einmal diese herrlichen Karotten essen zu dürfen!"

    „Bitte schön Shamos deutete auf die Blechschale. „Bedien dich!

    Jorik schaute ihn verwirrt an. „Aber..?"

    „Doch, Jorik, das ist möglich. Die Natur hat reagiert. All das Gift, das wir in die Atmosphäre gebracht haben, es kommt wieder zu uns zurück. Es ist der Regen, Jorik. Hier steht es! Er deutete auf den Bericht. „Kein sauberes klares Wasser, sondern vergifteter, tödlicher Regen! Und er fällt überall. Auf dem ganzen Planeten!

    Jorik schaute Shamos entgeistert an, sah dann die vergifteten Karotten und dachte sofort an die Kinder, die in dem Raum gegenüber saßen. „Wie lange noch, bis...?"

    „Bis alle Nahrungsmittel vernichtet sind?"

    „Ja"

    „Ich weiß nicht. Aber es wird geschehen, Jorik. Es ist nicht mehr aufzuhalten!"

    Jorik schaute seinen Freund noch für eine Sekunde lang ausdruckslos an, dann nickte er, senkte seinen Blick, blieb so einige Sekunden reglos stehen.

    „Doch das ist noch nicht das Schlimmste!" meinte Shamos dann.

    Jorik hob seinen Blick, zog seine Augenbrauen zusammen und starrte seinen Freund ungläubig an. „Was?"

    „Heißes Plasma, Jorik! erwiderte Shamos. „Erinnerst du dich an den Versuch, die erste Anomalie über Ara Bandiks mit heißem Plasma zu vernichten?

    „Ja! gab Jorik säuerlich zurück. „Es war ein Fiasko!

    Shamos nickte. „Ein Fiasko mit ungeahnten, aber schrecklichen Folgen. Diese teuflische Substanz hat nie aufgehört zu arbeiten und sich unaufhörlich immer weiter in die Tiefe gefressen. Und als wir vor einem Jahr die Atmosphärenwandler im Stadtgebiet zerstört haben, gelangte das Gift in ihnen auch in den Krater, in dem sich das heiße Plasma befindet. Das führte, wie wir alle noch zu gut wissen, zu einer verheerenden Explosion im Planeteninneren. Doch was wir nicht wussten, war, dass sich beide Stoffe dabei miteinander verbunden haben und etwas Neuartiges daraus entstanden ist, was sich wesentlich schneller in die Tiefe frisst!"

    „Und?"

    „Die Art und Weise, wie sich diese unbekannte Substanz durch unseren Planeten frisst, dabei alle Schichten jeglicher Art und Beschaffenheit durchdringt und zerstört, lässt darauf schließen, dass es ihm gelingen wird, bis in den Kern vorzudringen...! Er wartete, bis Jorik ihn ansah, dann fügte er hinzu. „...und ihn zu zerstören!

    „Aber, das ist ja...!"

    „Ja! stimmte Shamos zu. „Das ist das Ende aller Tage. Die Apokalypse, die globale Vernichtung. Das Ende der Menschheit und das Ende Santaras. Die Folgen werden den gesamten Planeten zerstören und ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollkommen aus dem Universum fegen, sodass nichts mehr zurückbleiben wird, außer Staubpartikel!

    Jorik starrte seinen Freund zutiefst entsetzt an. „Wie...? Er musste schlucken. „...lange noch?

    „Bei der jetzigen Geschwindigkeit der Substanz in dem Krater...! Shamos Blick wurde säuerlich, während er tief durchatmete und dann in den Achseln zuckte. Maximal ein Jahr!"

    Für einige schmerzhafte, quälende Momente wurde es sehr still um sie herum.

    „Ich...! begann Jorik stockend, atmete hörbar ein, hob dann seinen Blick wieder und atmete aus. „Ich danke dir Shamos, aber ich muss jetzt zu einer Besprechung Er nickte seinem Freund zu, drehte sich um und ging aus dem Raum.

    Shamos sah ihm nach, konnte erahnen, was in ihm vorging und wollte um nichts in der Welt in diesem Moment mit diesem Mann tauschen.

    ¤

    Jorik konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sein Kopf war wie leergefegt.

    Wie in Trance ging er langsam den Gang entlang Richtung Besprechungsraum.

    Alles, was er vor seinen Augen sah, waren noch immer diese Kinder, die er gesehen hatte.

    So nahm er nicht wahr, dass er an der provisorisch eingerichteten Krankenstation vorbeikam, in der gerade große Aufregung herrschte.

    Auf einem Behandlungstisch lag eine junge Frau, schweißnass, stöhnend, schreiend.

    Um sie herum eine Schwester und ein Pfleger.

    Am Fußende des Tisches zwischen den gespreizten Beinen der jungen Frau die Ärztin.

    „Pressen! rief sie. „Kommen sie schon. Nur noch ein bisschen. Ich kann den Kopf schon sehen. Pressen sie!

    Die junge Frau fluchte etwas, was am Ende gar nicht so böse gemeint war, sondern lediglich dazu diente, den Schmerz zu ertragen.Dann spannte sie sich an und presste, bis ihr Kopf knallrot anlief.

    „Ja, weiter so. Sie haben es gleich! Die Stimme der Ärztin klang zufrieden, ermutigend. „ Es kommt. Es...

    Im nächsten Moment wurde der ganze Saal erfüllt von dem mächtigen Schrei der jungen Frau, als ihr Baby aus ihrem Unterleib rutschte.

    Die Ärztin nahm es auf, ließ die Nabelschnur von einer Schwester durchtrennen und schaute es einen Moment ausdruckslos an.

    Dann gab sie es wortlos zurück an die Schwester, die das Baby, das noch nicht geschrien hatte, weiter untersuchte.

    Im selben Moment erzitterte die junge Mutter erneut unter einem gewaltigen Schrei, ihr Körper bäumte sich auf, fiel in sich zusammen, jede Bewegung an ihr erstarb.

    „Kammerflimmern!" rief der Pfleger an ihrem Kopfende.

    Die Ärztin, die gerade auf dem Weg zu dem Baby war, drehte auf der Fußspitze um, sprang zum Tisch zurück, erkannte in einer Sekunde das Problem und gab kurze, präzise Anweisungen.

    Doch sie brauchte mehr Hilfe, das sah sie sehr schnell.

    „Kaila, kommen sie, ich brauche sie hier!" rief sie.

    „Aber...! Die Schwester drehte sich mit dem Neugeborenen auf dem Arm zu ihr. „Was ist mit dem Baby?

    Marivar schaute auf, sah in den Korridor hinein und erkannte Jorik. Doch sie zögerte, denn ihr war nur allzu klar, dass ihr Freund die denkbar schlechteste Alternative für diesen Job war, die es nur geben konnte. Aber da niemand sonst zu sehen war, atmete sie kurz tief durch und rief dann nach ihm.

    Ihr Ruf brachte ihn zurück in die Wirklichkeit, sein Kopf fuhr herum.

    Als Jorik in die Krankenstation hineinsah, konnte er das hektische Treiben dort sehr schnell erkennen.

    Und er sah auch die Ärztin, die ihm direkt in die Augen schaute.

    Er kannte sie sehr gut. Sie hieß Marivar und war die einzige Medizinerin in diesem Stützpunkt.

    Sie war eine ausgesprochen hübsche Person, Mitte Dreißig, verwitwet.

    Ein langes Band der Freundschaft verband sie und Jorik mochte sie sehr.

    „Ja, dich meine ich! schnauzte Marivar schon beinahe, als sie sah, das Jorik sie zwar anschaute, sich aber nicht bewegte „Nun komm schon!

    Jorik betrat den Raum.

    „Kaila, geben sie ihm das Baby!"

    Die Krankenschwester sah sie irritiert an.

    „Geben sie es ihm. Ich brauche sie hier. Hier können wir wenigstens noch ein Leben retten!"

    Die Krankenschwester schaute noch einmal auf das Baby, dann trat sie zu Jorik und gab es ihm in den Arm.

    „Aber ich kann doch nicht ...!" protestierte er.

    „Doch du kannst! fuhr Marivar ihm dazwischen. „Es wird nicht lange dauern. Gib ihm ein bisschen Nähe. Es wird alles sein, was es jemals empfinden wird!

    „Aber was ist denn mit ihm?"

    „Sieh es an...!" sagte Marivar, musste sich dann aber auf die junge Frau konzentrieren.

    Jorik bemerkte sofort, das er das Baby tatsächlich noch gar nicht angeschaut hatte. Dann senkte er seinen Blick und im selben Moment hatte er arge Schwierigkeiten, an sich zu halten.

    Denn das Baby auf seinem Arm bot einen furchtbaren Anblick.

    Ihm fehlte der linke Unterarm, der Kopf war deformiert, sodass das linke Auge tiefer lag als das rechte, die Stirn wölbte sich unnatürlich nach vorn.

    Der Atem des Kindes ging rasend schnell, war nicht rhythmisch.

    Aus dem Mundwinkel floss bei jedem Atemzug ein dünner Blutfaden herab.

    Und doch wurde Jorik beinahe magisch angezogen von den großen, braunen, wachen Augen, die ihn anschauten, als wollten sie ihm sagen: Hallo, hier bin ich. Los, zeig mir die Welt!

    „...das gottverdammte Gift auf diesem verfluchten Planeten hat es in der Gebärmutter innerlich förmlich aufgefressen. Ein Wunder, das es überhaupt am Leben ist. Aber es hat nicht die geringste Chance. Noch bevor die Sonne sinken wird, hat dieser Krieg ein neues Opfer. Und nun geh und lass mich etwas für die tun, denen ich noch helfen kann." Marivar sah für eine Sekunde von ihrer Arbeit auf und schaute ihm wieder direkt und tief in die Augen.

    Und da wusste Jorik, das ihre Worte im direkten Gegensatz zu ihren Gefühlen standen, denn er konnte genau erkennen, wie sehr das Schicksal dieses Babys an ihr riss.

    Doch sie hatte keine Wahl. Wenn sie ihren Gefühlen freien Lauf ließ, würde sie auch noch die Mutter verlieren.

    Jorik konnte sie verstehen, sehr gut sogar, war seine eigene Situation doch sehr ähnlich.

    Also nickte er ihr zu, drehte sich um, überließ die kleine Gruppe ihrer Arbeit.

    Er selber würde jetzt langsam und unauffällig aus diesem Gang verschwinden und die Treppe hinauf an die Oberfläche nehmen.

    Marivar hatte das Kind in seine Obhut gegeben und ihm somit die Verantwortung über dieses, wenn auch nur kurze Leben, übergeben.

    Und es kam in ihm der Wunsch auf, diesem Wesen wenigstens einmal das Licht der Sonne zu zeigen, bevor es sterben würde.

    Nichts anderes war jetzt wichtiger.

    Da begann das Baby nach Atem zu ringen und er wusste, dass er sich beeilen musste.

    Also begann er zu rennen.

    Der Anblick dieses kleinen Wesens auf seinem Arm erinnerte ihn sofort und mit einer derart schrecklichen Wucht an jene Szene vor fast sieben Jahren, die so furchtbar und endgültig mit seinem eigenen, grausamen Schicksal verbunden war, dass sein Herz zu rasen begann. 

    Und plötzlich war es ihm, als hinge sein ganzes Leben davon ab, diesem Kind, und sei es nur für einen Augenblick, die Sonne zu zeigen.

    Alles andere würde er sich niemals verzeihen können.

    ¤

    Shamos sah ihn aus den Augenwinkeln rennen.

    Dass er etwas in den Armen hielt, erkannte er jedoch nicht.

    Und so verband er Joriks Lauf die Treppe hinauf an die Oberfläche als verspätete, aber dennoch direkte Reaktion auf die schlimme Nachricht, die er ihm vor wenigen Minuten hatte verkünden müssen.

    Also war es seine Pflicht, ihm beizustehen und ihm bei der Suche nach Lösungen aus dieser fast ausweglosen Situation zu helfen.

    Deshalb gab Shamos seinem Assistenten die Papiere zurück, die er gerade überflogen hatte und machte sich seinerseits auch auf den Weg an die Oberfläche.

    ¤

    Seine Lungen brannten und Jorik spürte deutlich, wie ihm der Schweiß auf der Stirn stand.

    Doch er hatte das Ende der Treppe hinter sich gebrachtund lief die etwa zwanzig Meter unter dem riesigen Felsvorsprung im Höchsttempo entlang, bis er endlich die Oberfläche des Planeten erreicht hatte.

    Er stoppte ab und sein erster Blick galt dem Baby.

    Er war sehr froh, als er sah, dass es noch immer lebte.

    Sein Atem wurde wieder schneller, doch schien er etwas leichter zu gehen.

    Sein Arm und seine Beine bewegten sich langsam und schwach und seine großen, wachen Augen sahen ihn noch immer fordernd und musternd an.

    Jorik verschnaufte eine Sekunde, atmete tief durch.

    Er schaute dabei hinaus auf das Meer, auf das er von seiner Position aus einen kilometerweiten, ungehinderten Blick hatte. Und er sah deutlich den riesigen glutroten Ball der Sonne, die sich anschickte, den Horizont zu berühren und in etwa einer Stunde vollständig untergegangen sein würde.

    Dann sah er wieder hinab zu dem Baby, schob dabei seine linke Hand unter seinen Po und zog seinen rechten Arm unter ihm hinweg, bis er mit der rechten Hand den Kopf stützen konnte.

    „Sieh sie dir an, kleiner Wurm. Das ist deine Welt. Wenigstens für einen Augenblick gehört sie ganz dir!"

    Jorik streckte seine Arme aus und drückte das Baby in die Höhe, soweit er nur konnte, dem Himmel entgegen, hielt den Kopf dabei so, dass das Kind aufs Meer schauen und die Sonne sehen konnte.

    Und das Baby lag ganz still, bewegte sich nur sehr wenig, schien den Anblick, der sich ihm bot, in vollen Zügen zu genießen.

    Und Jorik war so glücklich, dass ihm das Schicksal die Möglichkeit gegeben hatte, diesem kleinen Geschöpf dies alles zeigen zu können, das ihm die Tränen in die Augen schossen.

    So stand er da, solange er konnte, bis ihm seine Arme so schwer wie Blei wurden und er das Baby wieder herabsinken lassen musste.

    Er schob seinen rechten Arm erneut komplett unter das Kind und schaute es mit weinenden Augen an.

    Aber er hatte nicht das Gefühl, als hätte sich am Ausdruck in den Augen des Babys irgendetwas geändert und er zweifelte schon, ob es überhaupt noch fähig war, etwas zu registrieren.

    Doch er sollte sich böse täuschen.

    Denn was dann geschah, brachte alles in ihm in einem einzigen Aufschrei zur Explosion.

    Das Baby, das kleine Wesen auf seinem Arm, das in jeder Sekunde, da es noch lebte, qualvoll mit dem Tode rang, umklammerte plötzlich mit seinem winzigen Händchen, seinen linken Zeigefinger, so kraftvoll, als wolle es ihm zeigen, dass es sehr wohl verstanden hatte, was er eben getan hatte.

    Und dann begannen die Augen des Babys zu leuchten, so unglaublich hell, und ein strahlendes, wundervolles Lächeln erschien auf seinem Mund.

    Jorik überkam ein gewaltiger Schauer wärmenden Glücks.

    Dieses kleine Lebewesen hatte ihm in den wenigen Minuten, da sie zusammen waren, mehr gegeben als irgendjemand sonst in all den furchtbaren Jahren des Krieges.

    Und er wünschte sich nichts sehnlicher, als das dieser Moment niemals zu Ende gehen mochte.

    Doch das Schicksal holte ihn in Sekundenschnelle gnadenlos wieder ein.

    Er bemerkte es, als der Griff des Babys schwächer wurde, das Lächeln von seinen Lippen verschwand und es zu husten begann.

    Blut schoss aus seinem Mund, viel zu viel Blut.

    „Nein! Das war alles, was er sagen konnte. „Nein, bitte...bitte nicht!

    Doch das Leben ließ den Körper des Babys nur noch einmal aufbäumen, dann wich es von ihm, in einem letzten schmerzvollen Atemzug, endgültig, unwiderruflich.

    Jorik schossen die Tränen nur so über die Wangen, als er jammerte und stöhnte, während er das Kind fest in seine Arme schloss und an seinen Körper drückte.

    „Es tut mir leid Er schrie diese Worte beinahe. „Es tut mir so leid!

    Dann verlor er jede Kraft in seinen Beinen und er krachte wuchtig auf seine Knie.

    Doch Jorik spürte keinen Schmerz, denn tief in ihm ballte sich sein ganzer Schmerz, seine ganze Ohnmacht, sein ganzer Hass zusammen und jagte nach außen.

    ¤

    Shamos erreichte die obere Treppenstufe in dem Moment, da Jorik zum ersten Mal aufschrie und als sein Körper herumwirbelte, konnte er noch sehen, wie sein Freund auf die Knie fiel.

    Doch irgendetwas in ihm, sagte ihm, dass er ihn jetzt nicht stören durfte, dass er ihn allein lassen musste.

    Da hörte er hinter sich ein Geräusch und er sah Marivar neben sich treten.

    Die junge Frau hatte sich erstaunlich schnell wieder gefangen, sodass Marivar sie in die Obhut der Schwester geben konnte.

    Und da ihr nicht entgangen war, das Jorik an die Oberfläche gelaufen war, wurde sie förmlich ebenfalls hier herauf getrieben.

    Denn in seinen Augen hatte sie deutlich sehen können, was er vorhatte.

    Und so sahen beide die von Tränen geschüttelte Gestalt ihres Freundes vor sich und konnten Sekunden später auch seine Worte hören, die sie niemals mehr vergessen sollten und die ihnen binnen weniger Momente die Tränen in die Augen trieben.

    ¤

    Sieh her, oh Gott. Sieh uns an. Sieh dieses Baby!" Oh er schrie diese Worte laut heraus, konnte gar nicht anders. Alles, was sich so lange in ihm aufgestaut hatte, musste hier und jetzt hinaus, bevor er unwiderruflich daran ersticken würde. „Ist es das, was du gewollt hast? Was haben wir verbrochen? Wo liegt unsere Schuld? Warum diese Prüfung, all die furchtbaren Jahre eines gnadenlosen Krieges in dem es keinen Sieger mehr geben wird? Siehst du es nicht? Du bist zu weit gegangen. Dieser Planet wird sterben und mit ihm alles, was auf ihm lebt. Oh, ich wünschte wir könnten diesen verfluchten Ort für immer verlassen und irgendwo im Universum neu beginnen!

    Hörst du? Du bist zu weit gegangen. Weißt du wirklich noch, was du tust?

    Gib uns eine Antwort. Gib uns ein Zeichen, oh Gott. Gib uns eine Chance. - Oder vernichte uns alle in einem Augenblick!"

    ..............

    Acht Jahre zuvor...

    I

    Ein wundervoller Ort

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    1

    „Was ist das?" fragte Mavis, während er fasziniert auf den Bildschirm schaute. Sein muskulöser, 1,92 Meter großer Körper mit dem Stoppelhaarschnitt, den stechenden blauen Augen und den markanten Gesichtszügen wirkte seltsam deplatziert vor dem kleinen Computerdisplay. Die Uniform aus makellosem feinen Tuch und sauberstem Weiß, die seinen drahtigen Körper wie eine perfekte Hülle umgab, tat ihr übriges.

    An seiner Brust prangten mehrere Orden, die er sich in einigen – wie er fand – eher harmlosen Zwischenfällen während des Guerillakrieges in den mandorischen Sandwüsten im Südosten durch Rettungseinsätze verdient hatte.

    Und genau das war seine Welt: Das Militär, zu dem er gleich nach Abschluss der zentralen Lehren überwechselte und innerhalb kürzester Zeit seine große Ausbildung absolvierte, die ihn zu einem der besten Absolventen der Militärakademie seit Bestehen machte.

    Ja, er hatte schon von Klein auf immer gewusst, dass er zum Militär gehen würde, selbst als er im Jünglingsalter noch die elementaren Lehren büffeln musste.

    Die anschließende Lehre der zentralen Wissenschaften stellte ihn auf eine harte Geduldsprobe, dauerte ihm das alles doch viel zu lang und beinhalteten sie doch Dinge, die er gar nicht wissen wollte.

    Dennoch war er stets ein gelehriger Schüler, denn er wusste nur zu genau, dass ihm nur ein guter Abschluss den Sprung auf die Militärakademie ermöglichen würde.

    Als dies erst einmal geschafft war, konnte ihn in Kos Kampalot, dem legendären Ausbildungszentrum der poremischen Truppen kaum jemand aufhalten.

    Er absolvierte alle Stufen seiner Ausbildung, die Panifa, mit Auszeichnung und nach nur vier Planetenzyklen sollte er einer der wenigen Poremier sein, der den 7. und damit höchsten Panifa verliehen bekam.

    Das war jetzt vier Zyklen her und in dieser Zeit hatte man ihn bereits vom 2. Nori, dem Befehlshaber der hinteren Boden-Eingreiftruppen zum Noni, dem Oberbefehlshaber aller Bodeneingreiftruppen gemacht.

    So war er mit seinen 30 Planetenzyklen Anführer von über hunderttausend Kriegern und Kämpfern und gehörte schon jetzt zum inneren Kreis der Pandemi, dem exekutiven Gremium seines Volkes, zu dem neben den Befehlshabern der anderen Truppengattungen und einer Vielzahl von Politikern natürlich auch der Nuri, der Oberbefehlshaber aller Truppenverbände, und der Baslami, das gewählte Oberhaupt seines Volkes gehörte.

    Und hier hatte er zum ersten Mal seit er denken konnte, einen Dämpfer in seiner Leidenschaft als Vollblut-Krieger bekommen, als er verwirrt erkennen musste, dass in diesem obersten aller Entscheidungsgremien, in der die Zukunft eines ganzen Volkes bestimmt wurde, Intrigen, Machtwahn und Arschkriecherei an der Tagesordnung waren und seine Ablehnung hiergegen ihn zu einem Außenseiter machten.

    Doch Mavis vertraute darauf, dass bei der Wahl zum nächsten Nuri, der er sich zu stellen beabsichtigte, ausschließlich militärische Führungsqualitäten bewertet werden würden und zumindest er sich gegen seine Widersacher Cassifu und dem äußerst ekligen und schleimigen Pantos würde durchsetzen können, um mit der Macht des Nuri die Geschicke innerhalb der Pandemi und letztlich auch seines gesamten Volkes in ehrliche, gradlinige und aufrechte Bahnen leiten konnte.

    Dieser Gedanke ließ ihn kaum noch los und führte eine Veränderung seines Wesens herbei. War er stets mit Freude an der Arbeit und konnte seine Untergebenen mit Herz und Leidenschaft für ihre Aufgabe begeistern, so entwickelte er sich fortan zu einem zunehmend harten, wenn auch weiterhin gerechten Noni, der seine Truppen verbissen führte.

    Mavis erkannte diese Veränderung selbst auch an sich, doch war ihm das Wohl seines Volkes viel wichtiger, als seine eigene Existenz. In seiner Familie wollte er niemanden mit seinen Gedanken belasten und auch von seinen Freunden gab es keinen, dem er dieses Geheimnis anvertrauen wollte.

    Er behielt es für sich und verlor so immer mehr den Anschluss an die Menschen, die er liebte oder die ihm etwas bedeuteten.

    Die Nachricht, dass sein Freund Vilo das Band der gemeinsamen Existenz mit seiner großen Liebe Kaleena knüpfen wollte, kam ihm da gerade recht und er beschloss, seine Abgeschiedenheit und seine Distanz gegenüber seinen Freunden zu beenden und durch diesen Anlass wieder den früheren Kontakt mit ihnen zu pflegen.

    Aus diesem Grunde hatte er sich mit Shamos in Verbindung gesetzt, einem Freund seit den Zeiten der zentralen Lehren, um mit ihm zu vereinbaren, dass sie gemeinsam zu der Zeremonienfeier fahren könnten.

    Shamos war das ganze Gegenteil von Mavis. Sechzehn Zentimeter kleiner und mindestens zehn Kilo schwerer als sein Freund, war es neben einem zerzausten Lockenkopf und schmuddeliger Kleidung in den unmöglichsten Farben, nicht nur das äußerliche Erscheinungsbild, das die beiden eigentlich meilenweit voneinander trennte.

    Shamos war ein klarer Gegner jeglicher Art von Waffengewalt und somit ein Verfechter von friedlichen Verhandlungen zur Konfliktlösung.

    Er selbst aber hatte für sich nicht den Weg in die Politik gewählt, sondern seine eigene Leidenschaft für die Wissenschaft zu seiner großen Ausbildung gemacht.

    Und es war genau dieser Umstand, weshalb Mavis immer an der Freundschaft zu Shamos festgehalten hatte.

    Mavis war sich natürlich der Tatsache bewusst, dass nicht jeder mit einer Waffe in der Hand herumrennen konnte. Er respektierte ohnehin jede andere Art von Ausbildung. Nur eines war ihm wichtig: Das jeder für sich so viel für das Wohl und die Zukunft seines eigenen Volkes tun sollte, wie ihm möglich war.

    Und das war bei Shamos absolut der Fall. Mochte sein Freund auch das offensichtliche Gegenteil seiner eigenen Existenz sein, so war sich Mavis immer absolut sicher, dass Shamos all sein Wissen und all sein Können stets in den Dienst ihres Volkes stellte, so wie er selbst es tat.

    Mavis hatte den höchsten Respekt vor Shamos, obwohl er sich dies nie anmerken ließ, er war stolz darauf, sein Freund zu sein und ganz nebenbei bewunderte Mavis ihn sogar ein wenig, denn seine Kenntnisse über die Wissenschaften ihrer Welt machten Shamos in seinen Auge zum verdammt besten Wissenschaftler, den er je gesehen hatte.

    Shamos seinerseits war immer etwas schüchtern und zurückhaltend, was Mavis anging.

    Das amüsierte Mavis regelmäßig, denn alle Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen hatten bis heute kläglich versagt.

    So genoss Mavis die Unsicherheit seines Freundes sogar ein wenig, wirkte Shamos doch gerade so, als schämte er sich an seiner Seite, als wäre er nicht gut genug für Mavis.

    Doch das stimme nicht, hatte es nie und würde es niemals, denn auch wenn diese Vorstellung völlig absurd war, so wäre es Mavis eine große Ehre gewesen, Seite an Seite mit Shamos zu kämpfen – und zu sterben...

    ¤

    „Nach was sieht es denn aus?" gab Shamos die Frage an Mavis zurück.

    Während er schon seit einigen Minuten vergeblich versuchte, sich eine Krawatte zu binden, wurde er zusehends nervöser, denn als Mavis vor gut zehn Minuten vor der Tür stand, war ihm schlagartig bewusst geworden, dass er doch glatt die Zeit vergessen hatte und nicht rechtzeitig fertig war.

    In Windeseile zog er seine Arbeitsklamotten aus und schlüpfte in den besten – und einzigen – Anzug, den er hatte.

    Mavis bot er etwas zu trinken an, was sein Freund jedoch ablehnte und damit ihm nicht langweilig wurde, zeigte Shamos ihm den Bildschirm und das, was darauf zu sehen war.

    Es war der Grund dafür, dass Shamos die Zeit vergessen hatte, denn es war in der Tat etwas Außergewöhnliches und zugleich Merkwürdiges, was er dort gestern Abend mit seinem Teleskop, mit dem er regelmäßig den Himmel absuchte, aufgedeckt hatte.

    Seither versuchte er es zu analysieren und zu verstehen, aber das war ihm bis jetzt noch nicht gelungen.

    Dass er es Mavis gezeigt hatte, diente nur der Ablenkung von seiner dummen Nachlässigkeit, doch als er aus dem Badezimmer wieder in sein Arbeitszimmer trat und erkannte, dass sein Freund noch immer interessiert auf den Bildschirm schaute, war er sichtlich erfreut.

    Es gab nicht viele Momente, in denen er Mavis Aufmerksamkeit hatte und diese Momente hatten regelmäßig mit der Wissenschaft zu tun.

    Shamos hatte nicht unbedingt eine wirkliche Ahnung davon, weshalb Mavis stets darauf bedacht war, die Freundschaft mit ihm zu pflegen, denn er hielt sich selbst für keine gute Gesellschaft für einen derart imposanten Mann wie ihn.

    Doch Mavis wollte davon nie etwas hören, ganz im Gegenteil, und so akzeptierte Shamos es als eine der wenigen Tatsachen, die er nicht verstand.

    Umso glücklicher war Shamos dann, wenn er Mavis durch seine Kenntnisse der Wissenschaften beeindrucken konnte - so wie gerade jetzt.

    Und wenn er sah, wie sehr sich Mavis für seine Arbeit interessierte, erfüllte es ihn jedes Mal mit Stolz, einen so aufrechten, ehrlichen und geradlinigen Mann zum Freund zu haben.

    „Ich weiß nicht...?" Mavis wusste, dass das, was er sah, ein Bild dessen war, was das Hochleistungs-Teleskop, das Shamos sich von seinem ersten selbstverdienten Geld gekauft hatte und das auf dem Dach seines kleinen Hauses installiert war, gerade aufnahm.

    Neben dem üblichen Schwarz des Weltalls und dem obligatorischen Funkeln von Milliarden von Sternen hatte Mavis zunächst nichts anderes erkennen können.

    Doch wusste er, dass da etwas sein musste, sondern hätte Shamos ihn nicht darauf aufmerksam gemacht.

    Und als er sich einige Momente still davor gesetzt hatte und das Bild auf sich wirken ließ, erkannte er tatsächlich Bewegung auf dem Bildschirm.

    Es war eine Art Schimmern, ganz schwach nur und undeutlich, reflektiert von dem Licht der

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