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Genesis IV: Ein Funken Leben
Genesis IV: Ein Funken Leben
Genesis IV: Ein Funken Leben
eBook1.077 Seiten15 Stunden

Genesis IV: Ein Funken Leben

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Über dieses E-Book

Es ist grauenvolle Gewissheit:
Der seit sieben Jahren andauernde Krieg, wird nicht nur alle Lebewesen auf Santara auslöschen, sondern auch den Planeten selbst aus dem Universum tilgen.
Es sei denn, es gelingt Shamos und seinen Freunden, doch noch eine Lösung zu finden und ihre Heimat vor dem Untergang zu erretten.
Eine uralte, längst vergessene Legende scheint hierbei ihre einzige Chance zu sein.
Der Hohe Rat in Eshamae jedoch verweigert ihnen jede Hilfe und verfolgt stattdessen eigene Interessen, die unzählige Opfer fordern werden. Als sie sich dem entgegenstellen, werden sie urplötzlich zu Feinden ihrer eigenen Rasse und anstatt den Krieg zu beenden und den Planeten zu retten, werden sie gnadenlos gejagt.
Um das Schicksal Santaras dennoch abwenden zu können, müssen alle weit über ihre Grenzen hinausgehen, denn die Zukunft des Planeten ist letztlich nicht nur eine Frage von Mut und Entschlossenheit, die sie an fantastischen, aber auch grausamen und letztlich vollkommen unerwarteten Orten unter Bewies stellen müssen, sondern vor allem auch eine Prüfung…des Glaubens.

Genesis IV – Ein Funken Leben ist das vierte Kapitel der großen Saga um das Schicksal eines ganzen Planeten – spannend, schonungslos und emotional
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum8. Jan. 2020
ISBN9783750219854
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    Buchvorschau

    Genesis IV - Alfred Broi

    Das kranke Herz

    Boliro war weit gekommen. Sehr weit. Viel weiter, als er es je geglaubt hatte.

    Und doch war seine Mission, die vor über sieben Jahren in den Wäldern im Norden von Orotash begonnen hatte, noch immer nicht beendet.

    Sein Weg hatte ihn zunächst über viele Monate und Jahre immer weiter nach Süden geführt. Er hatte Orotash durchquert und schließlich auch Tibun. Dabei hatte er unzählige faszinierende Orte gesehen und war ebenso vielen Lebewesen begegnet.

    Ihnen allen hatte er von dem furchtbaren Krieg erzählt und sie nach dem Herz des Waldes befragt. Die meisten konnten mit diesem Begriff nichts anfangen, einige aber gaben ihm nützliche Hinweise und so gelangte er in den Tiefen des südlichen Regenwaldes Tibuns tatsächlich auf ein weiteres Exemplar dieser Spezies.

    Sein Bericht wurde mit ebensolchem Entsetzen aufgenommen, wie es schon das Herz in Orotash getan hatte. Am Ende versprach es zu helfen und die Natur gegen die feindlichen Aggressoren zu vereinen.

    Zufrieden machte Boliro sich wieder auf den Weg, der ihn nun nach Osten führte. Er durchquerte Oritos und Warribant, bevor er sich wieder nach Norden wandte.

    Nachdem er die heißen Sandwüsten von Tarimi hinter sich gelassen hatte, erreichte er Boritas und hielt sich dort im Osten in Sichtweite des Meeres.

    In all der langen Zeit war er sehr oft allein unterwegs gewesen und dachte dann viel an seine Mutter Leira, die mit den Menschen gegangen war, weil sie in jenem mit dem Namen Vilo einen erkannt hatte, der das Wohl aller Lebewesen auf dem Planeten im Blick hatte und dem sie im Kampf gegen den schier übermächtigen Feind zur Seite stehen wollte. Manchmal fragte er sich, ob sie wohl noch lebte, doch dann überkam ihn stets eine innere Ruhe und er wusste, dass er sich keine Sorgen um sie zu machen brauchte. Oft spürte er dann auch eine wohltuende, wunderbare Wärme in seinem Herzen und er wusste, dass sie in diesen Momenten ebenso an ihn dachte.

    Stets waren seine Gedanken mit der Hoffnung verbunden, dass er seine Mutter eines Tages wiedersehen mochte. Doch obwohl sich seine lange Reise ganz allmählich ihrem Ende entgegenneigte, war ihm klar, dass es keinerlei Grund für Optimismus gab.

    Denn mehr noch als die prachtvolle und grandiose Vielfalt an Pflanzen, Tieren und Landschaften, die dieser wundervolle Planet zu bieten hatte, wirkten in ihm die furchtbaren und ehrlosen Bilder, denen er auf seiner Reise gewahr wurde.

    Bilder von einer solch gnadenlosen Grausamkeit, dass er keine Worte fand, um sie zu beschreiben und er sich nicht vorstellen konnte, dass es überhaupt möglich war, auch nicht in der so hochdifferenzierten Sprache der Menschen, dies zu tun.

    Ihr Feind fegte mit einer solchen Konsequenz und Brutalität über den gesamten Planeten, dass er nur die komplette Ausrottung aller Lebewesen im Sinn zu haben schien.

    Unzählige Kämpfe hatte er gesehen, tausendfachen, schmerzhaften und grausamen Tod erlebt, Furcht, Panik und Entsetzen in den Augen der Opfer gespürt und ihre Schreie an der Schwelle zur Dunkelheit begleiteten ihn auf jedem seiner Schritte.

    Doch er hatte auch Siege gesehen, wenn sich die Natur erfolgreich gegen die Insektenbestien zur Wehr gesetzt hatte. Allerdings zahlte sie stets einen hohen Preis an eigenen Verlusten dafür und die bittere Gewissheit, dass schon bald weitere Monstren folgen würden, ließ kein Hochgefühl aufkommen.

    An einigen Kämpfen hatte Boliro selbst teilgenommen und dabei viele, noch immer sichtbare Verletzungen davongetragen. Zweimal hatte er dabei schon so dicht vor dem Tor in das dunkle Reich des Todes gestanden, dass er keine Hoffnung mehr gehabt hatte. Und doch hatte er am Ende überlebt, gerade so, als würde eine unsichtbare Kraft ihm helfen, seine Mission zu beenden.

    Anfangs hatte er auch noch keinerlei Zweifel, dass er hier das Richtige tat und seine Aufgabe einen tieferen und vor allem erfolgreichen Sinn hatte, auch wenn es immer wieder mehr Rückschlage, als Fortschritte gab.

    Seit einiger Zeit aber wich seine Zuversicht mit jedem neuen Tag, der anbrach, denn immer deutlicher und intensiver konnte er die Veränderungen spüren, die von dem Planeten selbst ausgingen und so tiefgreifend waren, dass er wusste, dass sie allumfassend sein würden.

    Und so schwanden mit jedem neuen Tag sein Mut und seine Zuversicht, noch irgendetwas in diesem schrecklichen Krieg ausrichten zu können, wenn er mit ansehen musste, wie der Planet selbst ebenso qualvoll, aber auch ebenso konsequent starb, wie die Lebewesen, die ihn einst so zahlreich bevölkert hatten.

    Dennoch zwang er sich, seinen Weg trotz aller Zweifel fortzusetzen, da er sich einredete, dass erst dann alle Hoffnung sinnlos war, wenn er selbst sich aufgab.

    Vor einigen Tagen hatte er einen sehr guten Hinweis darauf erhalten, dass sich in der Nähe ein weiteres Herz des Waldes befand und vor etwa einer Stunde hatte er es tatsächlich erreicht.

    Der Regen, der auf der Haut brannte, hatte mittlerweile nachgelassen, die Wolkentürme waren verschwunden. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich die Temperatur um mehr als dreißig Grad erhöht und eine feuchte Schwüle lastete schwer in der stickigen Luft. Doch es war erst Vormittag. Die Sonne würde noch einige Stunden scheinen und das Land weiter ausdörren und verbrennen.

    Wie immer wurde das Herz des Waldes von Wächtern beschützt, die ihm zunächst den Weg versperrt hatten, ihn aber vorließen, sobald er ihnen den Grund seines Erscheinens mitgeteilt hatte.

    Man brachte ihn immer tiefer in den Urwald hinein und er rechnete damit, dass sich die Umgebung verändern würde. Ein Herz des Waldes war stark und würde dem allgegenwärtigen Sterben noch am ehesten trotzen können. Boliro freute sich daher schon auf ungewohnt kräftige Farben und frische, klare Luft. Doch nichts davon sollte sich ihm offenbaren, die Umgebung blieb schmutzig und stinkig und wirkte so krank, wie der Rest der Landschaft.

    Die Stimme des Herzens zeigte schließlich, dass das Gift, das überall zu finden war und den Planeten allmählich zerstörte, auch hier schon deutlich gewirkt hatte. Es war nicht das gewohnt kräftige, tiefe Summen, das so wunderbar in den Ohren klang und den gesamten Körper in Schwingungen zu versetzen schien, sondern nur ein leises, schwaches Krächzen, dass kaum noch Kraft in sich barg.

    Dennoch brachte Boliro seinen Bericht vor und natürlich war auch dieses Herz ebenso entsetzt, wie jeder, dem er von dem furchtbaren Krieg berichtet hatte.

    Nach einem langen Moment schmerzhafter Stille über die schlimmen Geschehnisse, begann das Herz wieder zu reden und versprach seiner Bitte, alle Lebewesen im Kampf gegen ihre Feinde zu vereinen, zu entsprechen, als urplötzlich ein widerlich schrilles Kreischen hinter ihnen ertönte.

    Sofort horchte Boliro auf, doch Im Gegensatz zu dem Herzen und seinen Bewachern, die eher überrascht und irritiert wirkten, spürte er bereits deutliches Entsetzen in sich.

    Und er sollte sich nicht getäuscht haben. Nur wenige Augenblicke später preschten etwa zwei Dutzend Insektenbestien in hohem Tempo auf die Lichtung und hielten direkt auf sie zu, während sie aufgeregte Rufe ausstießen.

    Boliro hatte gerade noch die Zeit, die anderen vor diesen Monstren zu warnen, als der Kampf auch schon in einer irrsinnigen Geschwindigkeit und Wucht begann.

    Die ersten Bestien schlugen wie ein Meeresbrecher gegen eine Steilküste, doch beinahe schien es so, als könnten die Bewacher des Herzens, im Allgemeinen von Größe, Statur und Kraft Boliro ähnlich, den Angriff der Feinde schon im Keim ersticken. Die schier wahnsinnige Gnadenlosigkeit und der unbändige Blutdurst der fremden Kreaturen aber ebbte nicht ab und schon gab es die ersten grausamen Opfer unter den Bewachern.

    Auch das Herz beteiligte sich an dem Kampf und konnte einige Bestien mit seinen Lianen ergreifen und ihre Körper damit zerquetschen, doch war es lange nicht mehr stark genug, sich dauerhaft zu stellen und musste ebenfalls schmerzhafte Wunden hinnehmen.

    Offensichtlich erkannte es die Ausweglosigkeit der Situation und rief Boliro zu, er solle alle anderen Lebewesen außerhalb der Lichtung warnen.

    Obwohl er sich innerlich dagegen sträubte, wandte er sich ab und rannte hinaus aus dem Urwald, wo er bereits auf eine Herde Inu-Rinder traf – halb so groß wie er selbst mit kurzem Fell in dunklem orange und ihren charakteristischen, wie Klingen vor der Stirn gekreuzten Hörnern. Es waren rund fünfzig Tiere, davon sicherlich ein Dutzend Halbwüchsige oder gar Kleintiere. Sie alle hatten panische Angst ob der furchtbaren Geräusche, die sie hörten, doch glaubten sie offensichtlich noch immer, das Herz des Waldes würde ihnen Schutz bieten. Wie auch sollten sie verstehen, dass hier eine Macht wütete, die stärker war, als alles, was sie je erlebt hatten? Obwohl Boliro sich ihnen entgegenstellte, konnte er nicht verhindern, dass die Herde auf die Lichtung und somit in ihr eigenes Verderben lief.

    Kurzerhand drehte er wieder um und folgte ihnen.

    Als er die Lichtung erneut erreichte, war er überwältigt von der brutalen Gnadenlosigkeit und der furchtbaren Wucht mit der der Kampf hier andauerte. Das Herz und seine Bewacher kämpften mit all ihrer Kraft, doch konnten sie sich gegen diesen schier unbändigen Hass und die unstillbare Gier der Insektenmonstren nicht aus der Defensive befreien.

    Schon erkannten die ersten Bestien die weitaus leichter zu erlegende Rinderherde und stürmten darauf zu.

    Boliro versuchte noch, sich ihnen entgegen zu werfen, doch hatte er nicht die geringste Chance und schon nach wenigen Momenten war die Hälfte der Herde überrannt und die Lichtung übersät mit Blut, abgetrennten Körperteilen und Innereien.

    Boliro selbst hatte eine schmerzhafte Wunde an der linken Schulter davongetragen, als er eines der Monster töten konnte und war für einen Moment außer Gefecht. Während er kurz verschnaufte, sah er, dass die Bewacher des Herzens den Insektenbestien, die sich jetzt fast ausschließlich um die Rinderherde kümmerten, geschickt in den Rücken fielen und innerhalb kürzester Zeit, jedoch auch mit großen eigenen Verlusten, fast alle töten konnten. Ein Sieg schien greifbar nahe zu sein.

    Doch alles sollte so furchtbar anders kommen.

    Sieben Bewacher stellten sich vier Monstren entgegen, als urplötzlich ein Rütteln durch den Boden ging. Kaum war es vergangen, ertönte ein dumpfes Grollen, das direkt aus den Tiefen der Welt zu kommen schien, sehr schnell irrsinnig laut wurde und weitere, immer heftigere Erschütterungen mit sich brachte. Der Kampf endete, denn alle hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Im nächsten Moment ertönte eine Art Fauchen und schon brach die Erde unter ihnen auf, zeigten sich gezackte Risse im Untergrund, die blitzartig und schubweise über die gesamte Lichtung zuckten. Immer wieder schossen Fontänen aus heißem Wasserdampf in den Himmel, wo sie zischend vergingen.

    Das Beben erreichte nach wenigen Sekunden seine volle Stärke, brachte den Urwald ins Wanken. Bäume stürzten um, Erdreich drückte sich wie durch riesige Fäuste getrieben in die Höhe, die Risse wurden breiter. Innerhalb weniger Augenblicke stürzten Rinder, Bewacher, aber auch Insektenmonster kreischend in die Tiefe. Nur wenige entgingen der Macht der Natur, auch nicht das Herz des Waldes.

    Als einer der Risse seine Wurzeln erreichte, stieß es einen schmerzhaften Schrei aus und eine dunkle Flüssigkeit schoss wie Blut als gewaltige Fontäne in die Höhe, klatschte wie ein heftiger Regenguss über die gesamte Lichtung. Dann kippte der mächtige Baum langsam nach vorn und stürzte schließlich mit einem ohrenbetäubenden Krachen in den sich auftuenden Schlund, riss dabei die letzten Monstren, aber auch alle Bewacher mit sich.

    In dem Moment, da alle in der Tiefe verschwunden waren, endeten die Erschütterungen des Bodens allmählich.

    Boliro fing sich als Erster und schaute sich um. Die Lichtung, einst ein Ort prachtvoller Blüte und Wunder, war vollkommen zerstört worden. Der Platz, an dem sich das Herz befunden hatte, wies einen Krater wie nach einem Bombeneinschlag auf und glänzte feucht in der Sonne. Überall lagen leblose Kadaver herum, Blut, Körperteile und Gedärme waren weithin verteilt. Und doch konnte Boliro auch Bewegung ausmachen. Er sah zwei ausgewachsene Rinder, die unter schmerzhaftem Stöhnen versuchten, sich auf die Beine zu bringen. Eines von ihnen brach jedoch sofort wieder zusammen und starb im nächsten Moment. Das andere aber fand unsicheren Stand, während es starr in eine Richtung blickte und dabei immer wieder besorgte Rufe ausstieß.

    Boliro folgte seinem Blick und konnte eines der Neugeborenen erkennen, das vollkommen verängstigt nach seiner Mutter rief, dabei stocksteif stand und am ganzen Körper erbärmlich zitterte.

    Das Muttertier zeigte eine erstaunliche Energie und schaffte es, sich auf den Weg zu seinem Jungen zu machen. Boliro spürte eine gewisse Freude und brummte sanft. Mochte sich hier auch ein Ort des Grauens und der Vernichtung zeigen, so war das Überleben dieser beiden Tiere zumindest ein kleiner Grund zur Hoffnung.

    Kaum aber hatte er diesen Gedanken formuliert, da erschütterte ein Nachbeben von nicht mehr als zwei Sekunden den Boden erneut, doch reichte es aus, um dem Muttertier das Gleichgewicht zu nehmen. Obwohl es sich mit aller Kraft dagegenstemmte, konnte es nicht verhindern, dass es in eine der Spalten rutschte, die das Hauptbeben gerissen hatte. Verzweifelt versuchte es mit seinen Hufen Halt zu finden, doch war es einfach zu schwach. Im Angesicht des sicheren Todes brüllte es erbärmlich auf, dann verschwand es in der Tiefe und seine Rufe erstarben abrupt.

    Dafür kreischte jetzt das Jungtier vollkommen irrsinnig auf, weil seine Ängste es schier zerspringen lassen wollten.

    Sofort wusste Boliro, was er zu tun hatte, denn natürlich konnte und wollte er das Kleine nicht sich selbst überlassen. Während er sich in Bewegung setzte, stieß er beruhigende Rufe aus und erreichte tatsächlich, dass sich das Tier ein wenig beruhigte und ihn fixierte.

    Plötzlich spürte Boliro eine neuerliche Erschütterung des Bodens und ein tiefes Grollen war zu hören. Sogleich stieg Entsetzen in ihm auf, instinktiv rannte er schneller. Einen Augenblick später aber erstarb beides schon wieder. Boliro atmete erleichtert auf und wurde wieder langsamer.

    Bis zu dem Moment, da er erkannte, dass nur das Rütteln, nicht aber das Grollen geendet hatte. Doch zu diesem Zeitpunkt war es schon zu spät für das Jungtier.

    Das Grollen wurde schlagartig wieder lauter und nur eine Sekunde später brach der Boden unter dem Kleinen auf und eine wuchtige Fontäne aus kochend heißem Wasserdampf schoss senkrecht in die Höhe, riss den zitternden, hilflosen Körper des Tieres mit sich. Ein furchtbar schmerzhafter Schrei fuhr ihm aus der Kehle, während es in einem hohen Bogen direkt auf Boliro zuflog und schließlich vollkommen unkontrolliert, aber irrsinnig wuchtig fünf Meter von ihm entfernt zu Boden klatschte.

    Boliro erschrak zutiefst und rannte darauf zu, doch als er direkt vor dem Körper des Jungtieres stand, raubte ihm sein Anblick schier den Atem und die Besinnung. Seine Vorderbeine begannen zu zittern und gaben schließlich nach und mit einem quälenden Aufschrei stürzte er vollkommen entsetzt auf die Knie.

    Die Haut hatte sich vollkommen vom Körper des kleinen Tieres gelöst, es war nicht mehr, als ein blutiger, wabbeliger Haufen Fleisch und Knochen und doch war es noch am Leben, tat seine letzten, so unendlich quälenden Atemzüge, während Boliro in seinen Augen klar erkennen konnte, dass es noch immer vergeblich versuchte zu ergründen, wie sich seine Welt innerhalb weniger Minuten in eine absolute Hölle verwandeln konnte.

    Dann erst erstarben seine zuckenden Bewegungen und begleitet von einem dicken Blutschwall, der sich vor ihm auf dem Boden verteilte, atmete es ein letztes Mal aus und das Leben erlosch in ihm.

    Am Ende war Boliro der einzige Überlebende dieses furchtbaren Massakers und seine klagenden Rufe waren lange und weithin zu hören.

    In diesem Moment war er sich mehr denn je bewusst, dass dieser Ort, ja der gesamte Planet, nichts Lebenswertes mehr an sich hatte.

    In diesem Moment spürte er keinerlei Hoffnung mehr in sich...

    Landkarte-1Landkarte-2

    I

    Ajuminaja

    I

    Sie spürte seine Hand in ihrer Hand. Sie war warm und trotz der Kraft, die sie in sich barg, sehr weich.

    Melia umfasste sie etwas fester, um sie nicht zu verlieren.

    Während sie weiterlief, musste sie feststellen, dass der Weg vor ihr nicht klar zu erkennen war, sondern ein eher verschwommenes, halbdunkles Nichts darstellte. Dennoch wusste sie, dass sie das Richtige tat.

    Hinter sich konnte sie seinen Atem hören. Er ging stoßweise, war gehetzt und ab und zu war ein leichtes Stöhnen zu hören.

    Melia musste darüber lächeln, denn der Grund dafür war sie allein.

    Nichtsahnend hatte sie ihn förmlich aus dem Schlaf gerissen, um ihn jetzt hinter sich her durch die Dunkelheit zu zerren. Aber so war das doch nun mal, wenn man eine Überraschung plante. Und genau das sollte ihm doch auch jetzt widerfahren: Eine wundervolle, wunderbare Überraschung mit der er sicher nicht gerechnet hatte. Obwohl Melia sich eingestehen musste, dass sie sich im Moment ebenfalls nicht mehr recht daran erinnern konnte, was sie vorhatte – was sie jedoch auf die momentane Hetzerei zurückführte – wusste sie, dass es etwas ganz Besonderes sein würde.

    In einiger Entfernung konnte sie plötzlich ein schwaches Licht entdecken. Das war ihr Ziel.

    Langsam dämmerte es ihr wieder: Sie waren in einem Tunnel, wenngleich sie eigentlich nicht damit gerechnet hatte, dass er derart lang und dunkel sein würde. Am Ende aber war Licht. Viel Licht – und auch viele Menschen.

    Und sie alle würden dann auf sie herabblicken, weil Melia etwas tun würde, was die Aufmerksamkeit aller auf sie ziehen würde.

    Aber was genau war es noch, dass sie tun würde? Sie konnte es nicht mit Gewissheit sagen, nur, dass es etwas sein würde, was nicht alltäglich war und sowohl ihr Leben, als auch das des Mannes hinter ihr für immer verändern würde.

    Als sie an ihn dachte, spürte sie sofort wieder eine wundervolle Wärme, die sich von ihrem Herzen in ihren ganzen Körper ausbreitete und von der sie wusste, dass es dafür nur einen sinnvollen Namen geben konnte: Liebe!

    Ja, sie liebte diesen Mann, den sie gerade immer weiter hinter sich herzerrte. Mehr als Worte es je sagen könnten. Melia spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, wie eine wohlige Gänsehaut über ihren Körper strich. Der Gedanke an ihn war stets erregend. Sie liebte sein Gesicht, seinen Körper, seinen Blick, seinen Geruch, den Klang seiner Stimme – ach, doch schlicht und ergreifend einfach alles an ihm.

    Und er liebte sie. Das hatte er ihr schon so oft in so unendlich vielen wundervollen und besonderen Momenten gesagt und zu verstehen gegeben.

    Deshalb hatte sich Melia entschlossen, hier und jetzt das zu tun, was sie gerade vorhatte: Ihr Liebesglück endlich vollkommen und ihm vor den Augen der ganzen Welt einen Heiratsantrag zu machen. Die Tatsache, dass ihr wieder eingefallen war, warum sie hier waren und der Gedanke daran, beschleunigten ihren Herzschlag nochmals deutlich.

    Noch niemals in ihrem Leben, dessen war sie sich so absolut klar bewusst, hatte sie eine bessere und richtigere Entscheidung getroffen.

    Nur eines gab es, dass ihr Glück noch trübte und es am Ende doch nicht so abschließend vollkommen machte, wie sie es sich gewünscht hätte: Trotz all der gemeinsamen Erlebnisse, die sie miteinander hatten, trotz all der Liebe, die sie für ihn empfand und die sie durch ihn empfing, war es ihr bisher noch nicht gelungen, seinen Namen zu erfahren.

    Wenn sie jetzt nicht so aufgeregt gewesen wäre, weil das Ende des Tunnels mittlerweile in greifbare Nähe gerückt war, hätte sie sich deswegen vielleicht wieder – wie schon so oft, wenn sie allein war – gegrämt, doch war sie sich mehr als sicher, dass mit ihrer Frage nach einem gemeinsamen Leben, er ihr auch dieses letzte Geheimnis über sich offenbaren würde.

    Der Gedanke daran erregte sie noch mehr und erzeugte ein offenes Lachen bei ihr. Beinahe kicherte sie, was sie zusätzlich belustigte. Ja, Melia fühlte sich fast so wie ein kleines Schulmädchen, dass gerade ihren ersten Kuss erlebt hatte.

    Hinter sich konnte sie ebenfalls ein Kichern hören und sie war so froh, dass ihr Auserwählter mittlerweile ebensolchen Spaß an dieser Sache fand, wie sie selbst.

    Im nächsten Moment aber beschlich sie eine Unsicherheit, die in dem gleichen Maße anstieg, wie sie plötzlich einen Gegenzug durch seine Hand verspürte.

    Melia kannte die Stimme des Mannes hinter ihr ganz genau. In all ihren Klangfarben, in all ihren Emotionen und in all ihrer Wärme. Doch das Kichern, das sie gerade vernahm, hörte sich nicht so an, wie sie es von ihm gewohnt war. Es war viel zu schrill, viel zu hart und viel zu abgehackt.

    Auch konnte sie nicht verstehen, warum er jetzt so offensichtlich seinen Lauf abbremste und sich sogar gegen ein Weiterkommen stemmte, wo sie das Ende des Tunnels doch in wenigen Metern erreicht haben würden und sich die Dunkelheit um sie herum gerade begann in helles, pulsierendes Sonnenlicht zu wandeln.

    Melia aber hielt an ihrem Vorhaben fest. Wahrscheinlich, nein ganz sicher sogar, bekam er kalte Füße und war unsicher und ängstlich. Doch sie war das genaue Gegenteil davon und deshalb zog sie jetzt einfach noch fester an ihm, um ihn ins Licht zu führen.

    Das kostete sie beinahe ihre ganze Kraft und sie musste sich zu ihm umwenden, um nicht erfolglos zu bleiben. Während es ihr so gelang, weiter voranzukommen, hörte sie wieder dieses merkwürdige Kichern, das so gar nicht von ihm stammen konnte.

    Dann aber spürte sie, wie sie ins Sonnenlicht trat. Eine Welle angenehmer Wärme erfasste sie und gab ihr neuen Mut.

    Doch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann schon wurde die Wärme immer intensiver und unangenehmer. Einen Moment später war es schon sehr heiß und die Hitze schmerzte in ihrem Rücken.

    Während sie gerade noch erkennen konnte, wie der Mann, den sie so sehr liebte, aus dem Schatten des Tunnels ins Licht trat und sie erneut ungeheuer fasziniert von seinem wunderschönen Gesicht war (von dem sie jedoch seit jenem schicksalhaften Tag in Ara Bandiks nicht mehr wusste, dass es sich dabei um Mavis handelte), musste sie schon herumwirbeln, um zu sehen, was hinter ihr vorging.

    Und kaum hatte sie das gewaltige, furchtbare Flammenmeer und die schier unfassbare Zerstörung, die sich vor ihnen ausbreitete, erkannt, wurde sie von einer schrecklichen Panik erfasst, die ihr das Herz zusammenzudrücken schien. Statt der großen Menschenmenge, die in gespannter Erwartung auf sie herabschaute, sah sie überall nur Trümmer, Leichen und Flammen. Ein furchtbares Bild eines grausamen Krieges.

    In ihrer Fassungslosigkeit überkam sie wieder dieses widerliche Gefühl der Unruhe und sie wirbelte zurück zu Mavis.

    Auch in seinen Augen konnte sie pure Fassungslosigkeit erkennen.

    Doch da war auch noch mehr. Da war auch...Angst und Schmerz!

    Aber noch bevor sie all das wirklich realisieren konnte, erhob sich hinter seinem Rücken ein monströser Schatten mit riesigen, furchtbaren Klauen. Gleich darauf ertönte wieder dieses schrille Kichern, doch dieses Mal wurde Melia brutal bewusst, dass es kein Kichern war und sie dieses Geräusch mehr als gut kannte. Es war das Geräusch des Todes!

    Mavis öffnete seinen Mund, als wolle er ihr etwas sagen, doch fast gleichzeitig bäumte sich sein Körper auf, drückte sich sein Brustkorb nach vorn und seine Augen weiteten sich in purem Entsetzen.

    Melia spürte, wie sich ein furchtbarer Schrei in ihrer Kehle bildete, doch noch bevor er nach außen jagte, durchstieß die grauenhafte, rasiermesserscharfe Kralle des Monsters hinter ihm wuchtig Mavis Oberkörper. In seinen eigenen Schrei aus Verwirrung und Schmerz, mischte sich das Geräusch eines gewaltigen Blutschwalls, der wie aus einem platzenden Luftballon auf Melia zuschoss und ihr direkt ins Gesicht und auf den Oberkörper spitzte.

    Und genau in diesem Moment drang ihr eigener, gellender Schrei nach außen...

    Melia riss ihre Augen auf und ihr Oberkörper zuckte ruckartig in die Höhe.

    Ihr Schrei, der so wuchtig aus ihr herauszubrechen drohte, erstickte in der Bewegung, sodass nur ein schmerzhaftes Stöhnen zu hören war.

    Während ihr Atem stoßweise und flach, aber rasend schnell ging, spürte sie ein widerliches Rauschen in ihren Ohren und ihren wuchtigen und hämmernden Herzschlag unter der Schädeldecke.

    Das Bild vor ihren Augen war anfangs verschwommen, doch auch als es sich klärte, brachte es kaum Erkennbares hervor, denn um sie herum herrschte ziemliche Dunkelheit.

    Melia lauschte, doch sie konnte kein Geräusch vernehmen, außer ihrem eigenen, hektischen Atem.

    Als sie sich umblickte, sah sie ein sehr schwaches Licht, milchig-blau aus unbestimmter Quelle, einige Meter rechts von ihr, doch es war nichts und niemand dort zu erkennen.

    Und so blieb sie allein in der Dunkelheit mit ihren furchtbaren und quälenden Erinnerungen, die sie schon oft heimgesucht hatten, wenn sie eingeschlafen war, nur damit sie am Ende voller Grauen und Panik aufschreckte, um zu erkennen, dass sie nur geträumt hatte.

    Stets stand dabei dieser Mann im Mittelpunkt ihrer Träume. Der Mann, von dem sie wusste, dass sie ihn kannte, an den sie sich aber mit jedem neuen Tag nur noch schemenhafter erinnern konnte.

    Ohne Chalek und dem Stein, den er auf wundersame Weise beeinflusst hatte, damit er ihre Erinnerungen speicherte, hätte sie ihn sicherlich schon längst vergessen.

    So aber betrachtete sie ihn stets bevor sie einschlief. Am Ende konnte sie dann so unendlich intensiv von ihm träumen, dass nur die Realität klarer hätte sein können. Bis zu dem Moment, da sie, so wie gerade eben, schweißgebadet und voller Entsetzten aufschreckte.

    Und während es ihr dann gelang, sich wieder zu beruhigen, war ihr klar, dass sie geträumt hatte, dass die Realität jedoch nicht viel besser war, denn konnte sie in ihren Träumen diesen Mann so klar und deutlich vor sich sehen, so war jedes Bild von ihm dahin, sobald sie die Augen geöffnet hatte.

    Zurück blieb nur eine undeutliche, schemenhafte Erinnerung an ihn. Die konnte zwar sein Bild im Stein wiederauffrischen, doch der Schmerz in ihr blieb, weil sie wusste, dass sie diesen Mann einst wirklich geliebt haben musste, da Chalek nur so imstande gewesen war, sein Bild überhaupt in dem Stein zu bewahren.

    Und all diese bittere Erkenntnis, all diese Machtlosigkeit ohne Hoffnung, machte sie zynisch, unruhig und zornig, weil sie erkannte, wie trostlos, erbärmlich und wertlos ihr eigenes Leben war.

    Bis zu dem Moment, wo ihr die Realität des globalen Krieges, dem sie nun schon seit sieben Jahren ausgesetzt waren, wieder bewusst und ihr damit klar wurde, dass sie weder das Recht hatte, sich zu beklagen, noch die Zeit war, um Derartiges zu tun.

    Frustriert, kraftlos und ohne jede Hoffnung stöhnte sie nochmals auf und atmete tief durch.

    „Alles okay? Die Worte kamen von rechts aus dem unwirklichen Halbdunkel. Obwohl dort noch immer niemand zu sehen war, blieb Melia ruhig und gelassen, denn sie kannte die Stimme nur zu genau. Stattdessen zeigte sich ein säuerliches Grinsen auf ihren Lippen. „Nein...! gab sie zurück und sie lachte einmal leise verächtlich auf. …nicht wirklich!" Sie erhob sich und ging ein paar Schritte auf das bläuliche Licht zu. Allmählich waren die dunklen Umrisse einer Person zu erkennen, die vor einer Felswand saß. Neben ihr lagen ein paar kleine Leuchtkristalle, die für das diffuse Licht sorgten. Melia trat neben die Gestalt und hockte sich nieder. Jetzt konnte sie das Gesicht des Mannes sehen, der sie ebenfalls geradeheraus anblickte. Es war Kalipos, der Anführer ihrer Gruppe, die er vor so unendlich langer Zeit hier oben auf dieses Hochplateau geführt hatte, wo sie seitdem unerkannt vor ihren Feinden und dem Krieg lebten und überlebten. Die Jahre hatten sein Gesicht deutlich geprägt. Es war kantiger, wettergegerbt, aber auch sehr viel älter geworden. Für einen Wimpernschlag trafen sich ihre Augen und Melia huschte ein ehrliches Lächeln über die Lippen, bevor es wieder verschwand und sie ihren Kopf zur Felswand drehte. Dort gab es einen etwa einen Meter langen und vielleicht zwanzig Zentimeter breiten, natürlichen und daher unregelmäßigen Spalt in dem mindestens einen Meter dicken Gestein, durch den man nach draußen schauen konnte. Melia ließ ihren Blick für einen Moment dort verweilen.

    Das Plateau lag fast eintausend Meter über der Ebene, die sich nach Norden hin anschloss, sodass sie jetzt einen hervorragenden Blick darauf hatte, der hinauf bis nach Guavit reichte, ihres Zeichens Hauptstadt von Tibun, wenngleich von der einstmals prachtvollen und schillernden Metropole mit ihren über zwei Millionen Einwohnern nichts zurückgeblieben war, als ein gewaltiger Trümmerhaufen und ein noch größeres, blutgetränktes Schlachtfeld mit unzähligen, grausamen Opfern, deren Fleisch längst verdaut und deren Knochen längst verfault waren.

    Dennoch war das Gebiet dort weiträumig in einem sanften Grün erleuchtet. Grund hierfür war die noch immer vorherrschende Anwesenheit der Fremden, die etwa zwei Dutzend Atmosphärenwandler in und um das ehemalige Stadtgebiet aufgestellt hatten. Diese monströsen, fast eintausend Meter hohen Maschinen in der Form einer Zigarre auf vier Stelzen, taten unablässig nichts Anderes, als pures Gift in die Atmosphäre zu blasen, um sie so für die Fremden lebensfähiger zu machen.

    Immer wieder gab es Angriffe der Menschen gegen diese Wandler und meist wurden sie dann auch zerstört. Doch genauso oft erschien Ersatz dafür aus den Rüsseln der Anomalien und wenig später gab es neue Wandler, die sich in die Höhe drückten und ihre teuflische Arbeit fortsetzten.

    Am Ende würden diese Maschinen ihnen allen den Tod bringen, doch, dessen war sich Melia sich mittlerweile ziemlich sicher, würde es soweit wohl gar nicht mehr kommen. Denn mehr als deutlich und auch für sie als Laien klar ersichtlich, hatte sich dieser Planet - ihre Heimat - durch all das Gift, das in seine Atmosphäre gepumpt worden war, aber auch durch die in unzähligen, sieglosen Schlachten eingesetzten Waffen, verändert. So sehr, dass sein Sterben immer schneller und immer deutlicher von allein voranschritt und durch nichts und niemanden mehr aufzuhalten war.

    In ihrem Versuch, die fremden Aggressoren wieder von diesem Planeten zu eliminieren, hatten die Menschen Dinge getan und Waffen eingesetzt, die sie ihrem Ziel vielleicht nähergebracht haben mochten, ihnen aber trotzdem den Planeten nicht mehr zurückbringen konnten, da sie ihn unweigerlich und unwiderruflich zerstört hatten.

    Vielleicht konnten sie den Feind doch noch besiegen, doch sterben würden sie dennoch alle, denn der Preis hierfür wäre der Planet selbst.

    Und die Auswirkungen waren immer deutlicher und immer drastischer zu sehen und zu spüren. Der Himmel verdunkelte sich von Tag zu Tag immer mehr. Die Luft stank und war ohne Atemschutz schon lange nicht mehr dauerhaft zu atmen, ohne eine Gesundheitsschädigung zu riskieren. Von Tag zu Tag wurde es schwieriger, Nahrung zu finden. Pflanzen verdorrten unter der Hitze oder wurden durch den sauren Regen zerstört. Die Tiere wurden krank, ihr Fleisch immer seltener genießbar.

    Hinzu kamen gewaltige Gewitterstürme, die gnadenlos über sie hinwegfegten, sowie in der letzten Zeit immer häufiger Erdstöße, die den Boden erbärmlich zum Erzittern brachten.

    Nein, für Melia war klar, dass es nicht mehr lange dauern und ihr aller Ende kommen würde. Nicht der Feind würde sie alle ausrotten, Santara selbst würde es tun und diese Teufel dabei gleich mitreißen.

    Niemand würde in diesem Krieg mehr der Sieger sein, doch Melia war sich natürlich bewusst, dass diese Bestien von einem fremden Planeten den Tod erst zu ihnen gebracht hatten. Und deshalb war der Hass auf sie noch größer, als die Furcht vor dem Ende aller Tage. Als eine der Führungspersonen ihrer Gruppe, zu dem sie sich mittlerweile gemausert hatte, durfte sie solche Gefühle allerdings nicht offen zeigen. Also konzentrierte sie sich darauf, das tägliche Überleben zu sichern und den Feind so genau wie möglich im Auge zu behalten.

    Warum sie bisher hier von Angriffen verschont geblieben waren und noch immer unentdeckt leben konnten, wusste sie nicht zu sagen, doch war es so. Dabei war der Feind direkt vor ihnen. Und damit waren nicht diejenigen gemeint, die mit ihren Flugstaffeln in Guavit stationiert waren, sondern die furchtbaren Insektenbestien, die südwestlich der Stadt eine Art Nest in den dort befindlichen Stollen und Tunneln aufgebaut hatten.

    Und Melia betrachtete jetzt nur kurz die zerstörte Stadt und die Atmosphärenwandler, dann glitt ihr Blick hinüber zu dem unscheinbaren Eingang zu dieser Höllenbrut, wo ständig Bewegung zu verzeichnen war, gerade so, als solle verhindert werden, dass sich die Sinne beim Beobachten entspannen konnten. 

    Dennoch war sich Melia sehr sicher, dass man sie hier noch nicht entdeckt hatte, denn sonst wären sie alle längst abgeschlachtet worden.

    Damit ihr Glück auch anhielt, hatten sie sich, als sie mehr zufällig diese Höhle und die Felsspalte darin entdeckt hatten, dazu entschlossen, permanente Wachtposten dort aufzustellen, um die Aktivitäten ihrer Feinde stets im Auge behalten und wenn nötig frühzeitig reagieren zu können.

    „Ist alles ruhig?" fragte Melia, obwohl sie selbst im Moment nichts Außergewöhnliches sehen konnte.

    Kalipos nickte. „Alles easy. Kein Grund zur Sorge!"

    Melia wandte ihren Blick wieder zu ihm und schaute ihn einen Moment ausdruckslos an. Dabei war sie erneut beeindruckt, wie ruhig und stark dieser Mann war und ihr jetzt mit wenigen Worten und seiner Anwesenheit Sicherheit gab. Dass es innerlich ganz anders in ihm aussah, wussten nur wenige. Doch Melia mochte auch diesen schwachen, zweifelnden und verletzbaren Menschen, wenngleich sie niemals tiefere Gefühle füreinander gehegt hatten. Kalipos hatte hier eine Partnerin gefunden, Melia war allein geblieben. Dennoch mochte sie Kalipos sehr und war sich mehr als sicher, dass diese Gruppe keinen besseren Anführer als ihn hätte bekommen können.

    Im nächsten Moment aber dachte sie zurück an ihren Traum und eine Welle der Unzufriedenheit überkam sie. „Warum hast du mich schlafen lassen?" raunte sie mit ernstem Gesicht.

    Kalipos lächelte dünn. „Weil du eingeschlafen bist!?" Es war offensichtlich, dass er ihre Frage nicht ganz verstand.

    „Aber ich wollte nicht schlafen!" erwiderte Melia.

    „Dir sind die Augen doch förmlich zugefallen! entgegnete Kalipos und in seiner Stimme zeigte sich ein wenig Verärgerung. „Du warst hundemüde, hör mal. Also habe ich dich machen lassen. Du hast die Ruhe wirklich mal gebraucht!

    „Aber…! Melia stockte, weil sie wusste, dass ihr Gegenüber Recht hatte. „...ich will doch nicht schlafen!" fügte sie noch hinzu.

    „Ja…! Kalipos Blick wurde ernst und besorgt. „...ich weiß!

    „Und da hast du es dennoch zugelassen? Melia schien neuen Wind in die Segel zu bekommen. „Du hast doch gesehen, was geschehen ist. Meinst du, dass das schön ist? Meinst du, dass ich jetzt entspannt bin?

    „Nein! Kalipos senkte den Blick. „Aber...ich weiß nicht. Du kannst doch nicht einfach immer nur wach bleiben. Niemand kann ohne Schlaf leben!

    „Besser ohne Schlaf, als mit diesen schlimmen Träumen!" erwiderte Melia, doch ihre Stimme klang kraftlos.

    „Dann zerstöre den Stein!"

    „Was?" Melia schien nicht verstanden zu haben.

    „Der Stein!" Er nickte ihr zu und schaute in ihren Schoss.

    „Du weißt davon?"

    Kalipos nickte. „Ja, ich weiß von ihm. Und ich weiß, was Chalek mit ihm gemacht hat. Na ja, zumindest so in etwa. Ich will es gar nicht genauer wissen! wehrte er sofort ab. „Ich weiß nur, dass er nicht gut für dich ist und…! Er zögerte, doch dann vollendete er seinen Satz. „...dich eines Tages umbringen wird!"

    Melia schaute Kalipos zunächst böse an, dann ausdruckslos, schließlich schüttelte sie den Kopf und lachte einmal verächtlich auf. „Das stimmt nicht. Ganz im Gegenteil. Ohne den Stein, wäre ich längst schon tot!" Sie strich sich mit der rechten Hand fast schon liebevoll über ihre Hosentasche, in dem sie ihn deutlich spüren konnte.

    Kalipos schaute sie fasziniert an, dann jedoch überwog sein Unverständnis. Er verzog den Mund. „Na, wie du meinst!" raunte er und schaute wieder aus der Felsspalte auf die Ebene unter ihnen.

    Melia hob den Kopf und ihr Blick weichte auf. „Es tut mir leid. Ich will mich nicht mit dir streiten. Du hättest mich nur nicht schlafen lassen sollen. Du hättest doch auch gar nicht mitkommen müssen. Du kannst doch selbst Ruhe gebrauchen!"

    Kalipos nickte mit einem leichten Lächeln. „Das stimmt wohl. Aber Erstens schlafe ich in der Nacht! Er schaute Melia an, doch deren Blick war skeptisch. Mit einem weiteren Lächeln fügte er daher hinzu. „Na ja, zumindest weitaus öfter als du! Und Zweitens ist die Regel, dass man immer einen Partner hier bei sich hat! Und nur, weil Munipol sich das Bein verletzt hat und dich heute nicht begleiten konnte, heißt das nicht, dass du allein gehen durftest!

    Damit hatte Kalipos natürlich Recht. Immer zwei Personen hielten hier Wache. Rund um die Uhr. Nach vier Stunden erfolgte eine Ablösung. Entsprechend hielten innerhalb eines Tages sechs Paare a zwei Personen Wache. Gemessen an der Gesamtstärke der Gruppe, abzüglich derer, die nicht konnten oder noch zu jung dazu waren, kam jeder von ihnen etwa alle vier Tage an die Reihe. Und Melia wusste das alles sehr genau.

    „Aber...!" begann sie dennoch.

    Doch Kalipos unterbrach sie sogleich wieder. „Ich bin nur heute mitgekommen. Ihr habt mich zum Gruppenführer ernannt und ich bin deshalb von dieser Aufgabe hier ausgeklammert. Aber ich kann ja wohl mal einspringen, wenn Jemand verhindert ist, oder? Morgen haben wir den Plan umgestellt und dann brauchst du mich nicht mehr zu ertragen!" Seine Stimme klang mürrisch, doch ihr Tonfall zeigte, dass er es nicht so ernst meinte.

    „So habe ich das nicht gemeint!" verteidigte sich Melia mit dünner Stimme.

    Kalipos lächelte ihr zu. „Ich weiß!"

    „Außerdem bin ich doch gar nicht allein! Sie grinste kurz. „Chalek ist doch bei mir! Sie deutete mit dem Kopf in die andere Ecke der kleinen Höhle, wo sie noch vor wenigen Minuten geschlafen hatte.

    „Ja...! Kalipos nickte. „...der Junge ist überaus anhänglich und immer da, wo du auch bist!

    Melia nickte mit einem weiteren Lächeln.

    Doch plötzlich grinste Kalipos diebisch. „Zumindest so lange es ihn nicht wieder mal auf Entdeckungstour zieht!"

    „Was?" Melia wusste sofort, was Kalipos meinte. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck sprang sie auf und wollte schon die Höhle durchqueren.

    „Er ist weg! Kalipos verzog seine Mundwinkel. „Schon seit einer knappen Stunde!

    „Aber...! Mittlerweile war Melia so dicht an der Schlafstätte des Jungen herangekommen, dass sie die zerwühlte Decke ohne Körper darunter sehen konnte. „Warum hast du das nicht verhindert? Du weißt doch, dass er nicht herumstreichen soll!

    Kalipos grinste ohne Freude. „Erstens bin ich nicht sein Babysitter. Zweitens habe ich hier etwas Wichtigeres zu tun, als mich um den Jungen zu kümmern. Drittens könnte man ihn wahrscheinlich nicht mal davon abhalten, selbst wenn man ihn festbinden würde...! Er wartete, bis Melia sich wieder zu ihm herumgedreht hatte, damit er ihr direkt in die Augen schauen konnte. „Ich habe ein Auge auf ihn gehabt und war mir sicher, er würde schlafen. Als ich zu ihm geschaut habe, lag er still unter der Decke. Zwei Minuten später war er schon weg. Ich habe keine Ahnung, wie er es geschafft hat, sich an mir vorbei aus der Höhle zu schleichen!

    „Aber du hättest...!"

    „Was? Ihm folgen sollen und damit meinen Posten verlassen? Er schüttelte den Kopf. „Katastrophen geschehen immer genau dann, wenn man sie nicht erwartet!

    „Du hättest mich wecken können!"

    Kalipos nickte. „Ja, hätte ich. Und was dann? Du hättest dich auf die Suche nach ihm begeben und ihn am Ende doch nur dann gefunden, wenn er es gewollt hätte! Er grinste kurz. „Chalek kennt sich hier besser aus, als wir alle zusammen. Es ist fast so, als könne er mit der Umgebung verschmelzen!

    Melia schaute ihr Gegenüber eine Zeitlang an. Dabei schien es, als wolle sie etwas erwidern, doch sie blieb stumm. Stattdessen wandelte sich ihr ernster Blick in weiche Erkenntnis. Schließlich nickte sie. „Wie dem auch sei. Ich kann nicht ruhig bleiben, wenn ich nicht weiß, wo er ist. Ich werde ihn jetzt suchen!"

    Kalipos nickte. „Was immer du willst! Er schaute Melia hinterher, wie sie zum Ausgang der Höhle ging. „Aber denke daran, dass unsere Wache nur noch eine knappe Stunde andauert. Danach bin ich weg!

    Melia wandte sich nochmals zu ihm um. Im fahlen Licht der Kristalle wirkte ihr Gesicht alt und kraftlos. Sie nickte. „Wir werden rechtzeitig zurück sein!" Dann drehte sie sich um und verließ die Höhle.

    Kalipos sah ihr noch einen Moment nach. Dabei verschwand sein Lächeln und sein Blick wurde ernst und hart. „Der Stein wird dich noch umbringen! meinte er leise zu sich selbst. „Aber der Junge wir noch unser aller Tod sein! Dann wandte er sich mit einem Brummen zurück zur Felsspalte und starrte hinaus auf die Ebene.

    Nachdem Melia die Höhle verlassen hatte, entfernte sie sich zunächst ein wenig vom Rand des Hochplateaus, bis sie sicher war, dass man sie aus der anderen Richtung nicht mehr sehen konnte. Erst dann huschte sie über die große, flache, leicht abfallende Felsplatte hinter eine zerklüftete, senkrecht aufragende Felswand.

    Obwohl um sie herum alles dunkel war, spürte sie eine unangenehme Nervosität in sich. Ihr Blick zum Himmel zeigte gewaltige, dunkle Wolkentürme, die den Mond verdeckt hatten und bleiern und schwer herabdrückten. Am Horizont jedoch konnte sie einen ersten schwachen Streifen Licht erkennen, der den herannahenden Tag ankündigte. Während ein scharfer Wind um den Felsen pfiff, hörte sie im Hintergrund tiefen Donner. Der alltägliche Wahnsinn kannte natürlich auch nachts keine Ruhe und hielt den Planeten ständig in Bewegung.

    Melia huschte weiter an der Felswand entlang und blickte dabei angestrengt um sich, doch konnte sie nirgendwo etwas ausmachen.

    Nach ein paar Metern blieb sie stehen und atmete einmal tief durch. „Verdammt Chalek!" sagte sie leise zu sich selbst und ihn ihrer Stimme schwang Verärgerung, aber auch deutliche Sorge mit.

    Plötzlich erschien wie aus dem Nichts heraus eine dunkle Gestalt neben ihr. Als Melia sie erblickte, erschrak sie fürchterlich und stieß einen spitzen Schrei aus. Augenblicklich beschleunigte sich ihr Puls und ein Adrenalinstoß schoss unter ihre Schädeldecke.

    Doch schon im nächsten Moment konnte sie den Jungen erkennen, der sie mit einem breiten, diebischen Grinsen und großen, funkelnden Augen anschaute.

    „Chalek! Melia versuchte, ihren Atem einzufangen. „Großer Gott! Sie riss unwillkürlich ihre Hände vor die Brust. „Hast du mich erschreckt!"

    Der Junge grinste noch breiter, was eigentlich kaum möglich schien und musste leise lachen. Ganz offensichtlich amüsierte er sich über sie und ihre Schreckhaftigkeit.

    Melia atmete einige Male tief durch, dann schüttelte sie den Kopf. „Du hast deinen Spaß, was?" fragte sie.

    Chalek nickte.

    „Na, wenigstens einer von uns! Dann aber wurde sie ernst. „Wo zum Teufel warst du schon wieder? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht! Du sollst dich nachts nicht herumtreiben! schalt sie, ohne eine veränderte Reaktion bei dem Jungen zu erzeugen. „Du sollst dich überhaupt nicht herumtreiben!"

    Jetzt nahm Chalek seine Hände in die Höhe und antwortete ihr in Zeichensprache. „Ach Barie! Du kennst mich doch! Ich kann nicht anders! Aber ich passe doch auch immer auf mich auf! Das weißt du!"

    Melia schaute den Jungen einen Moment in seine großen, braunen Augen, dann weichte ihr Blick auf. „Ja, ich weiß, dass du auf dich aufpasst! Ich bin sogar sicher, dass niemand sich besser hier auskennt, als du! Aber trotzdem. Es ist nicht okay, dass du deinen offensichtlichen Spaß hier hast und ich mir große Sorgen machen muss!"

    „Ich verspreche, mich zu bessern!" erwiderte der Junge mit einem breiten Grinsen.

    Jetzt musste auch Melia lächeln. „Hör auf, Chalek! Wir beide wissen, dass du deine Extratouren nicht lassen kannst! Es liegt dir einfach...im Blut! Sie streichelte ihm sanft über seine Wange, dann wartete sie, bis er sie ansah. Schließlich wurde sie wieder ernst. „Du bist alles, was mir noch geblieben ist. Riskiere nicht zu viel! Sie lächelte und streichelte ihn erneut. „Bitte!"

    Chalek, der sein Lächeln ebenfalls für einen Moment verloren hatte, grinste wieder breit und schlang seine Arme um sie. Für einige Sekunden drückte er Melia fest, die diese Geste mit geschlossenen Augen in vollen Zügen genoss. Als sie sich wieder trennten, gab er ihr zu verstehen. „Ich liebe dich!"

    Sofort strahlte Melia über beide Ohren. „Ja, ich liebe dich auch! Sie atmete einmal tief durch. „So, und jetzt schnell zurück zu Kalipos!

    Chalek nickte ihr zu und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg.

    Sie waren jedoch kaum ein paar Meter weit gekommen, als der Himmel über ihnen plötzlich explodieren zu wollen schien. Ein gleißend heller Blitz schoss quer über das Plateau und alles um sie herum war für einen Wimpernschlag taghell erleuchtet. Melia erschrak fürchterlich, obwohl dies keine Seltenheit mehr war. Gewitter waren an der Tagesordnung und rauschten oft ohne Vorwarnung heran. Die Veränderungen in der Atmosphäre hatten jedoch dafür gesorgt, dass alles deutlich heftiger und wuchtiger ablief, als dies üblich war. Deshalb war der Blitz sehr viel größer und greller und auch der Donner, der nur wenige Augenblicke später heranrollte, brüllte geradezu in ihren Ohren und schmerzte in den Trommelfellen, schien sie dabei vollkommen einnehmen zu wollen und brachte die Luft zum Vibrieren. Doch nicht nur das. Deutlich konnte Melia eine Erschütterung im Boden wahrnehmen, doch schon im nächsten Moment wusste sie, dass dies keine Auswirkung des Donners war, sondern eine der vielzähligen Eruptionen des Bodens, die seit einiger Zeit immer häufiger und heftiger auftraten.

    Schon drohte sie ihr Gleichgewicht zu verlieren. Chalek versuchte sie zu stützen und zog sie einen Schritt nach hinten, wo sie Halt an der Felswand fanden. Im nächsten Moment aber konnten sie hören, dass von irgendwo über ihnen Gesteinsbrocken heranrauschten. Mit einer weiteren, schnellen Bewegung gelang es Chalek, sie in eine der hier vielfältig zu findenden, kleinen Höhlen zu ziehen. Doch kaum hatten sie einen Fuß dort hineingetan, schwankte der Boden urplötzlich und für einen kurzen Moment noch mehr, sodass sie beide doch den Halt verloren und mit den Knien voran hart auf den Felsboden schlugen. Der Schmerz ließ sie kurz aufschreien.

    Um sie herum schien alles zerspringen und zerbrechen zu wollen. Der Fels stöhnte erbärmlich auf, als plötzlich ein lauter Knall ertönte, als wäre etwas Schweres in zwei Teile zersprungen. Melia rechnete schon damit, dass die Höhlendecke zerfetzt worden war und sie gleich unter tödlichen Trümmern zerquetscht werden würden.

    Doch anstatt erschlagen zu werden, sackte plötzlich der Boden der Höhle unter ihnen ab. Aber es brach nicht ein Stück heraus und fiel herab, sondern es entstand eine Art steinerne Rutsche, auf der sie erneut den Halt verloren und gut vier Meter in die Tiefe purzelten. Dabei überschlugen sie sich mehrfach und mussten einige Male aufschreien, bevor sie schließlich von der Rutsche polterten und auf einem harten Steinboden zum Erliegen kamen, wo sie von einer Staubwolke eingehüllt, reglos liegen blieben, während die Erschütterung des Bodens allmählich endete und der Donner in der Unendlichkeit dumpf nachhallte.

    II

    Es war jetzt knappe zwei Stunden her, dass sie Kimuri verlassen hatten.

    Rimbo am Steuer der Amarula hatte das Schiff zunächst sanft und ruhig aus der unterirdischen Grotte gelenkt und dann mit halber Kraft ins offene Meer gesteuert.

    Schließlich legte er in Absprache mit Kendig Nordkurs an und beschleunigte bei einer Tiefe von dreitausend Fuß auf Höchstgeschwindigkeit.

    Entsprechend rauschte die Amarula mit fast sechshundert Meilen in der Stunde durch die Dunkelheit.

    Im Licht der Außenscheinwerfer, die eigentlich einen sehr deutlichen und hellen Lichtkegel erzeugen sollten, konnten sie schnell erkennen, wie sehr die Verschmutzung des galpagischen Ozeans selbst in diesen Tiefen schon vorangeschritten war. Die Sichtweite lag kaum noch über fünfzig Metern, sodass sie bei dieser hohen Geschwindigkeit das Gefühl hatten, als würden sie durch eine widerliche Wolke aus gerade aufgewühlten Schlamm fliegen. Ohne Sonar wären sie hoffnungslos verloren gewesen. Dennoch waren sie erschrocken, wie schlimm es um den größten Ozean des Planeten bereits bestellt war. Ihre Stimmung wurde zusätzlich noch dadurch getrübt, dass sie die ganze Zeit über so gut wie kein Lebewesen zu Gesicht bekamen. Von der artenreichen, faszinierenden Vielfalt des Lebens hier unten schien nichts mehr geblieben zu sein. Ganz im Gegenteil. Mehr als lebendige Geschöpfe, konnten sie riesige tote Tiere oder gar nur noch Skelette sehen, die gespenstisch im Wasser trieben und über die sich die Räuber der Meere hermachten, bei denen sich jedoch – auch das konnten sie deutlich erkennen – vielfach bereits schlimme und ekelhafte Mutationen und Deformationen aufgrund der im Wasser gelösten Gifte zeigten.

    Alles in allem war ihre Fahrt nach Norden eine gespenstische Angelegenheit und ihre besorgten Mienen wichen erst ganz allmählich einer grimmigen Entschlossenheit.

    Bisher waren sie in einem Abstand von rund fünf Meilen der poremischen Küste gefolgt. Als das Sonar jedoch anzeigte, dass westlich von ihnen die Mimbas-Hochebene auftauchte, änderte Rimbo ihren Kurs und flog sie direkt an.

    Wenig später schoss das Flugboot mit hoher Geschwindigkeit aus dem Wasser, jagte fast senkrecht die hoch aufragenden Klippen entlang, bis Rimbo das Schiff bei einer Geschwindigkeit von über fünfhundert Meilen in der Stunde kaum mehr als zwanzig Meter über dem Boden nach Nordwesten lenkte.

    Die Eiswüste, die sich vor ihnen ausbreitete, schien endlos zu sein. Noch war der Boden unter ihnen zu erkennen. Er bestand hauptsächlich aus kargem, kalten, grauen Fels, der nur gelegentlich von braunen Stellen durchzogen wurde. Vegetation gab es hier so gut wie keine. Hier und da zuckten einige Morok- und Niariherden unter ihnen vorbei und gelegentlich konnten sie einen Sirukbären mit seinem charakteristischen, weißen Fell erkennen, doch sie waren sich einig, dass es viel weniger waren, als noch ein paar Jahre zuvor, als sie sich bei dem Manöver in der Hochebene ihren Iritat-Kristall verdient hatten, der sie zum Eintritt in die legendäre, aber längst schon nicht mehr existente Storp-Einheit berechtigte.

    Rimbo lenkte die Amarula zunächst so schnell es ging weiter nach Norden, bis sie schließlich die Ausläufer des Pascabiro-Massivs erreichten, den größten und gewaltigsten Gebirgszug auf ganz Santara. Mittlerweile hatten sie bereits eine Höhe von sechstausend Metern über dem Meeresspiegel erreicht und der Boden unter ihnen war nur noch von einer dicken, orange-weißen Eisschicht bedeckt, doch angesichts der wuchtigen und gewaltigen Bergriesen, die sich links von ihnen auftürmten, wirkten sie noch immer lächerlich niedrig. Die Gipfel schoben sich von hier aus im Mittel nochmals weit über zehntausend Meter in die Höhe, doch auch sie wirkten nur klein und unscheinbar gegen den mit Abstand höchsten Berg des Planeten, dem Mos Iridas, der sich bis auf fast achtundzwanzigtausend Metern über dem Meeresspiegel erhob. Auf seinem Gipfel stand noch immer das größte und leistungsfähigste Teleskop Santaras, welches letztlich mit dafür gesorgt hatte, dass die Existenz der Anomalie, die ihnen diesen furchtbaren Krieg gebracht hatte, offenbart werden konnte, seither jedoch nicht mehr genutzt und daher auch nicht mehr gewartet wurde, sondern in seinem eisigen Grab längst in Vergessenheit geraten war.

    Heute - so wie eigentlich ständig in den letzten Monaten - waren die Gipfel der größten Berge auch nicht zu erkennen, sondern wurden von gewaltigen, dunklen und beeindruckend bedrohlichen Wolkentürmen umhüllt, die kaum einen Blick in den Himmel zuließen. Immer wieder zuckten grelle Blitze in ihnen auf, die auf brutale Gewitterstürme hindeuteten.

    Die Außenhülle der Amarula begann leicht, aber stetig zu erzittern, immer wieder peitschten wilde und gewaltige Regengüsse gegen die Frontscheibe.

    „Was ist das?" fragte Esha dann auch sofort, als sie zusammen mit Shamos und Pater Matu ins Cockpit trat. Ihnen folgten Malawi und Idis, die beiden jungen und sehr attraktiven kimurischen Truppenführer, in die sich Kendig und Rimbo Hals über Kopf verliebt hatten und mit ihnen schließlich sogar den ewigen Bund eingegangen waren. Zusammen mit den beiden waren jetzt alle sieben Besatzungsmitglieder des Schiffes im Cockpit zugegen. Da es nicht für so viele Personen ausgelegt war, fanden lediglich Esha hinter Rimbo, sowie Shamos hinter Kendig Platz. Idis deutete Matu an, sich auf den Sessel des Navigationsoffiziers hinter Shamos zu setzen, doch der Geistliche schüttelte den Kopf, sondern zog es vor, so wie Malawi, im Mittelgang auf den Sessellehnen gestützt stehen zu bleiben. Idis nickte und nahm daraufhin kurzerhand selber dort Platz.

    Esha schaute mit großen Augen nach links aus dem Cockpit, wo das Felsmassiv aufragte.

    „Das ist der Wind! gab Rimbo als Antwort auf ihre Frage zurück. „In den Wolken da…! Er deutete auf die sich bewegende, pulsierende und daher fast wie lebendig wirkende Masse über ihnen. „...toben permanente Gewitterstürme, die gegen die Berge prallen und dann als Fallwinde hinabstoßen. Dabei legen sie noch ordentlich an Geschwindigkeit zu, bevor sie südwärts über die Hochebene peitschen. Im Moment haben wir Windgeschwindigkeiten von...! Er schaute auf das entsprechende Instrument auf der Steuerkonsole. „...weit über vierhundert Meilen in der Stunde!

    „Wow! Esha war sichtlich beeindruckt, aber auch deutlich besorgt. „Das ist viel!

    „Genau! Rimbo grinste. „Und die bringen die Außenhaut der alten Lady hier mächtig ins Wanken!

    Kendig, der bisher stumm geblieben war, jetzt aber sehen konnte, dass Eshas Blick nur noch sorgenvoller wurde, lächelte müde. „Keine Sorge! Er wartete, bis Shamos Frau ihn ansah. „...das Schiff hält das locker aus!

    „Was? Rimbo war sichtlich überrascht und verlor sein Grinsen. „Haben sie etwa Angst? Er grinste wieder und lachte leise auf. „Lady, die gute alte Amarula hat schon ganz anderes hinter sich gebracht. Für sie ist das hier nicht mehr als ein kurzes Schaudern!"

    „Und was ist das hier?" Esha war nur für den Bruchteil einer Sekunde zufrieden, dann deutete sie auf die Außenscheiben des Schiffes. Deutlich war dort zu sehen, wie sich der Frost langsam von den Außenseiten immer weiter auf dem Glas ausbreitete. Es sah fast so aus, als würden die Scheiben splittern, was ihr augenblicklich sichtlich neue Sorgen bereitete.

    „Wir sind hier auf der Mimbas-Hochebene! erwiderte Kendig ruhig und freundlich. „Die Außentemperaturen liegen hier normalerweise bei minus 45 Grad. Durch die Gewitterstürme und die Fallwinde aber sinkt das Thermometer nochmals deutlich ab. Im Moment haben wir eine Außentemperatur von...! Er schaute auf das entsprechende Instrument. „...minus 63 Grad! Als er Esha wieder ansah, schien er selbst ein wenig beeindruckt zu sein. „Trotzdem auch hier kein Grund zur Sorge. Das Schiff und ganz speziell seine Scheiben sind für extreme Belastungen gebaut worden. Dazu gehört der gewaltige Wasserdruck in den Tiefen der Meere, genauso wie dieser immense Frost!

    Esha schaute ihn einen Moment unsicher an, dann nickte sie.

    „Warum sind sie hier entlanggeflogen?" fragte dann auf einmal Shamos.

    Kendig wandte sich zu ihm um. „Nun, als sie sagten, wir sollten die Ostküste ansteuern, sagten sie nicht, auf welchem Weg! Wir nahmen zwar an, dass sie es eilig haben, aber mehr noch, dass sie ihr Ziel überhaupt erreichen wollen!"

    Shamos Blick verdunkelte sich. „Was soll das heißen?"

    Kendig sah ihn fast schon verwundert an, doch bevor er antworten konnte, erledigte das Malawi mit einem nachsichtigen Lächeln für ihn. „Na, mal eben auf direktem Ostkurs quer übers Land zu brettern, ist wohl kaum wirklich dazu geeignet, unbemerkt und sauber nach Ajuminaja zu kommen. Es wimmelt überall von Feinden, mal ganz abgesehen davon, dass wir allein niemals ungeschoren an Ara Bandiks vorbeigekommen wären!"

    Shamos sah die junge Frau mit großen Augen an und nickte dann kaum merklich. Dennoch rutschte ihm ein „Aber…?" heraus.

    Bevor irgendjemand jedoch darauf etwas erwidern konnte, sprang plötzlich Esha auf, machte einen Schritt auf die andere Seite des Cockpits, beugte sich über Shamos hinweg und starrte dort aus dem Cockpit nach Süden. Shamos war ob ihrer Geste sichtlich erstaunt und offensichtlich nicht in der Stimmung, die direkte Anwesenheit ihrer Brüste, die ihm quasi direkt vor der Nase hingen, zu nutzen. Mit einem mürrischen Brummen drückte er sich von ihr weg, auch weil er erkennen musste, dass sie scheinbar überhaupt nicht zugehört hatte, was er gesagt hatte und drehte sich dennoch gleichzeitig nach rechts, um ihrem Blick zu folgen.

    „Esha? fragte Idis irritiert. „Was ist denn?

    „Das Eis! erwiderte Esha. „Es...leuchtet!

    Kendig schaute zu Rimbo und beide mussten breit grinsen. „Das ist Magma!" sagte er dann.

    „Magma? Esha runzelte die Stirn. „Soll das heißen, unter dem Eis gibt es flüssige Lava? Sie drehte sich herum zu Kendig und schob ihre Brüste dabei erneut Shamos direkt ins Gesicht.

    Ihr Mann war sofort sichtlich verärgert und schob sie von sich.

    Esha schaute ihn daraufhin ausdruckslos an. „Was? Sonst kannst du gar nicht genug von meinen Möpsen kriegen. Jetzt tu bloß nicht so, als wäre dir das unangenehm! Während Shamos rot im Gesicht wurde, huschte den anderen ein Grinsen über die Lippen. „Oder willst du sagen, sie gefallen dir nicht mehr?

    „Was? Shamos war sofort entsetzt. „Nein! Quatsch. Natürlich nicht. Aber…!

    Doch seine Frau überging ihn schon wieder. „Na also! Sie grinste freudlos und drückte ihm ihre Brüste erst recht ins Gesicht. „Dann hab dich nicht so! Sie wandte sich wieder Kendig und Rimbo zu.

    Shamos, dem jetzt erneut jegliche Sicht versperrt wurde, machte jedoch keinerlei Anstalten, weiter mit Esha zu streiten, sondern er seufzte nur einmal gestresst, nahm dann je einer ihrer Brüste in eine Hand, drückte sie ein wenig auseinander und schob dann seinen Kopf nach vorn, sodass er wieder etwas sehen konnte, wenngleich sein Anblick jetzt ziemlich komisch wirkte. Esha aber reagierte gar nicht darauf, sondern ließ ihn gewähren. „Also wie ist das jetzt?" wollte sie stattdessen von Kendig wissen.

    Bevor er antwortete, musste Kendig einmal kurz grinsen. „Ähm, ja. Hier unter uns befindet sich ein Vulkan! Ein ziemlich großer sogar! Der Mos Vinuri!"

    „Aber...! Esha war nicht zufrieden. „Wie kann sich über einem Vulkan eine Eisschicht bilden? Das ist doch...irre, oder nicht?

    Kendig lachte kurz auf und nickte. „Ja, wahrscheinlich. Aber Tatsache ist, dass der Mos Vinuri durchaus aktiv ist. Sein Hauptkrater liegt etwa sechzig Meilen südlich von hier, nicht unweit der Quelle des Kindagi-Stroms und seiner Schluchten. Dort tritt das Magma sogar trotz frostiger Außentemperaturen großflächig an die Oberfläche. Sind ihnen die Feuerfelder von Famarila kein Begriff?"

    Esha schien einen Moment zu überlegen, dann hellte sich ihr Blick auf. „Doch! Davon habe ich schon einmal gehört!"

    Kendig nickte zufrieden. „Dort tritt der Mos Vinuri an die Oberfläche. Mehrfach sogar. Es sieht aus wie eine Landschaft voller weißglühender Seen!"

    Esha war sichtlich beeindruckt und blies ihre Luft in die Wangen. „Wahnsinn!"

    Kendig nickte wieder zustimmend.

    „Wenn sie genau hinsehen, können sie ihr Leuchten am Horizont erkennen!" erklärte Malawi und deutete nach Süden.

    Im nächsten Moment schauten alle in diese Richtung, wo sich in der Tat am Horizont ein dünner, schwacher Streifen weiß-gelb-rötlichen Lichts ausmachen ließ, der sich vom Rest der Umgebung abhob. Für einen Moment betrachteten alle Anwesenden stumm das Phänomen.

    Plötzlich atmete Esha hörbar ein und wandte sich wieder an die anderen. „Was aber nicht erklärt, warum sich über flüssiger Lava eine Eisschicht bilden kann!"

    „Magma, Schatz!" erwiderte Shamos etwas nervös.

    „Was Magma?" raunte Esha.

    „Das was du meinst ist Magma, keine Lava. Lava ist es erst, wenn es an die Oberfläche tritt, unter der Erde... Er hielt inne, weil er in dem Blick seiner Frau eine Spur Verärgerung sehen konnte. „...heißt es...! Die Spur wurde deutlicher. „...ähm...Magma!"

    Esha sah ihn einen Moment ausdruckslos an, dann brummte sie und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Danke für den Ausbruch deiner unfassbaren Intelligenz, Schatz!"

    „Es...! Shamos war sofort beschämt. „...tut mir leid!

    Doch Esha lächelte plötzlich. „Ach was! Das hast du gut gemacht! Sie klang wie eine Grundschullehrerin, beugte sich unvermittelt nach vorn und küsste ihn auf die Stirn. Als sie sich wieder erhob, war Shamos sichtlich erleichtert und lächelte ebenfalls, ihres jedoch war verschwunden. „Ein Klugscheißer bist du trotzdem manchmal! Während Shamos sein Lächeln schlagartig wieder verlor, tätschelte sie ihm durch seinen wilden Lockenschopf. „Und jetzt will ich das endlich hören, klar!?" Sie schaute Kendig erneut fragend an.

    Der zögerte noch einen kleinen Moment, dann sagte er. „Schauen sie nach unten! Er blickte selbst aus dem Cockpit. Die anderen taten es ihm – bis auf Rimbo, der sich auf die Steuerung des Schiffs konzentrierte -  gleich. „Dann sehen sie, dass dort unten wirklich Magma fließt!

    Esha erkannte, dass er Recht hatte. Wenn man seitlich über das Eisfeld hinweg schaute, konnte man nur das orangefarbene Schimmern im Untergrund erkennen. Als sie aber jetzt, quasi direkt senkrecht darauf sah, wirkte das Eis nicht wie Eis, sondern wie Glas und die Magmakanäle durchzogen die Landschaft wie Adern. „Das sieht unheimlich aus! stellte sie fest. „Wie Adern unter einer transparenten Haut!

    Kendig nickte und lächelte. „Da haben sie nicht mal ganz Unrecht! Denn das, von dem sie ausgehen, dass es Eis ist, ist keines!"

    „Hä? Esha war sichtlich verblüfft und schaute nochmals hinaus. „Aber was ist es denn dann?

    „Poryphyl!"

    „Pory...was?" 

    „Poryphyl! wiederholte Kendig. „Das ist eine chemische Substanz, die ganz ähnliche Eigenschaften wie Glas hat, nur, dass es dabei noch so elastisch ist, wie...eine dicke Gummischicht. Halbstarr würde man das wohl nennen! Er schaute zu Shamos, der ihm jedoch zunickte.

    Das registrierte Esha natürlich sofort und wandte sich an ihren Mann. „Hast du das gewusst?"

    Shamos nickte.

    Esha brummte. „Und warum hast du mir das nicht schon vorher erzählt?"

    „Ich...wusste ja nicht, dass dich das interessiert!"

    Esha lächelte ihn sanft an, doch ihre Augen funkelten ärgerlich. „Jetzt weißt du es!"

    Für eine Sekunde trat Stille ein, dann fuhr Kendig mit einem Räuspern fort. „Über dem Vulkan und seinen Magmakanälen hat sich vor Millionen von Jahren schon eine Schicht Poryphyl gebildet. Sie liegt wie eine große Glocke über ihm, es entsteht dabei eine Art Höhle. Da Poryphyl absolut keine Wärmeleitfähigkeit besitzt, dabei selbst höchst hitzebeständig und – wie gesagt – noch dazu bis zu einem gewissen Grad elastisch ist, kann dort unten Magma fließen, obwohl hier oben Temperaturen von vierzig Grad unter null und mehr herrschen!"

    Esha hatte ihm aufmerksam zugehört und nickte am Ende beeindruckt. „Das ist krass!"

    Der junge Mann erwiderte ihre Geste. „Dieses Poryphyl-Vorkommen ist außerdem noch extrem rein, was bedeutet, dass es ebenso durchsichtig ist, wie Glas und man die Magmakanäle dadurch so klar erkennen kann!"

    Esha nickte nochmals und lächelte, dann wandte sie sich wieder an Shamos. „Warum kannst du mir diese Dinge eigentlich nie so...verständlich erklären?"

    „Ich...! Ihr Mann war sofort wieder nervös. „Aber ich gebe mit doch immer solche Mühe...!

    Esha huschte

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