Spannung & Suspense - Die Spannungsformel für jedes Genre: Meisterkurs Romane schreiben
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Über dieses E-Book
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Spannung verstehen, Suspense begreifen und in jedem Genre effektiv einsetzen – mit der Spannungsformel: So fesseln Sie Ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite Ihres Romans
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"Das Buch ist brillant und hat mir bei meinem aktuellen Manuskript wieder weitergeholfen." (Isabell Schmitt-Egner)
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Spannung ist nichts Ungreifbares, das beim Schreiben nebenher und zufällig entsteht. Sondern ein komplexes Instrument mit vielen Einstellknöpfen. Als AutorIn können Sie Spannung gezielt steuern – und das sollten Sie tun.
Wie Sie das anstellen und wie Ihr Roman mit jedem Knopfdruck besser wird, lesen Sie in diesem Buch.
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"Durch dieses Buch wurden mir plötzlich Zusammenhänge bewusst, die mir bisher nicht klar waren. Ich kann nun vieles wesentlich besser verstehen und weiß jetzt, wo ich bei meinen Texten ansetzen muss, um diese besser zu machen! Das Buch ist ein echter Schatz und gehört für mich zu den besten Schreibratgebern in meinem Regal." (Romana Pirelli)
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Wenn Konflikt der Treibstoff für einen Roman ist, so ist Spannung der Treibstoff für den Leser. Nervennahrung. Ohne gespannte Leser kein Roman. Und zwar in jedem Genre, Untergenre, Genremix, auch in literarischen Romanen.
Wie Sie den Leser ohne Pause in Atem halten, lesen Sie in diesem Buch.
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Die Spannungsformel für jedes Genre
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Damit Spannung entstehen kann, braucht es eine Reihe von Faktoren. Die daraus resultierende Spannungsformel gibt Ihnen konkrete Instrumente an die Hand, mit denen Sie die Spannung in Ihrem Roman gezielt und auf vielfältige Weise beeinflussen können.
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Rezensionen für Spannung & Suspense - Die Spannungsformel für jedes Genre
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Buchvorschau
Spannung & Suspense - Die Spannungsformel für jedes Genre - Stephan Waldscheidt
Und das steht Spannendes drin
Und das steht Spannendes drin
Intro
Teil 1: WAS IST SPANNUNG?
Leser unter Strom – Wie auch Nicht-Elektriker spannende Romane schreiben
Plötzlich greift eine Möwe an – Wie Schock in die Spannungsformel passt
Es geht mal wieder um alles – »Ihre Einsätze, bitte« oder »Was auf dem Spiel steht«
Was droht? Tod! – Sagen Sie klar, was auf dem Spiel steht
Rabiat zerrte der Drache mich fort – Dynamik als Spannungsfaktor und wie sie sich zusammensetzt
Ich würde nicht auf uns wetten – Risiko als Spannungsfaktor
Wird Katniss die Spiele überleben? – Spannung ist eine Frage im Kopf des Lesers
Unversöhnlich am Telefon – Spannung als Anhäufung ungelöster Konflikte
Warum Rogue One langweilt – Was, wenn die wichtigste Zutat von Spannung fehlt?
So krass endet Game of Thrones – Spannung ist vor allem eine Sache des Lesers
Teil 2: WIE ERZEUGEN SIE SPANNUNG?
Spannung direkt vom Erzeuger – Wie Sie mit den richtigen Komponenten die Spannungsfaktoren vergrößern
Nicht klug, doch er kennt die Liebe – Nichts ist spannender für lesende Menschen als ... Menschen
Unter der Treppe grüßt das Monster – Mit Urängsten für Spannung sorgen
Angst und Gewalt, sie leben hoch! – Wie Evolution und Psychologie für spannende Romane sorgen
Ein Geheimnis. Und dann noch eins. – Das Zauberwort bei der Erzeugung von Spannung im Roman
Chauffeur, Hiob, Leichenfinder – Mit unterschiedlichen Konflikten Ihren Roman spannender machen
Panther vs. Stäbe, Wanderer vs. Tod – Konflikte ausreizen! Bis aufs Blut!
Kämpfen? Fliehen? Heiraten? Morden? – Wie Sie mit Entscheidungen Spannung erzeugen
Der Kleine mit der Schleuder da? Ha! – Kontrast als Mittel zur Spannungserzeugung
And the winner is: die Emotion – Spannung erzeugen mit widerstreitenden Emotionen
Ich will keinen Anzug kaufen – Spannung erzeugen mittels Status
Kein Sex mit dem deutschen Spion – Wie Sie mit Verboten Spannung erzeugen
Spannung? Liegt in der Luft! – Wie Sie mit Atmosphäre Spannung erzeugen
Die weise Stimme aus dem Off – Wie der auktoriale Erzähler Spannung erzeugt
Die Kerze erlischt – Spannung erzeugen, indem Sie etwas nicht schreiben
Diese Enge, Mann, sie bringt mich um! – Spannung und Thema
Teil 3: WAS IST SUSPENSE? WIE ERZEUGEN SIE SUSPENSE?
Hitchcocked – Was Suspense ist und kann
Alles unter Kontrolle! = Panik! – So benutzen Sie die Erfahrungen der Leser zur Erzeugung von Suspense
Wann schnappt sie das nächste Opfer? – Mit unterschwelliger Suspense konfliktarme Szenen aufwerten
Die Schwerter des Damokles – Bedrohungen als Mittel der Suspense
Meister der Suspense: Ihr Zahnarzt – Was Sie von einem Zahnarztbesuch für Ihren Roman lernen können
Ein Rassist mit abgesägter Hand – Wie Sie Suspense mit maximaler Wirkung auflösen
Nein, ich bin nicht George Kaplan – Die »Warum glaubt mir denn keiner«-Methode für mehr Spannung und Suspense
Vulkanausbruch beim Smoothie – Eskalation: Suspense in Stufen. Ein Fallbeispiel.
Die berühmteste Pistole der Welt – Suspense mittels Requisiten
Prinzip Hoffnung – Suspense zwischen Hoffen und Bangen
Suspense mit dem Dampfhammer – Suspense mal weniger subtil
Teil 4: SPANNUNG & SUSPENSE IN JEDEM GENRE
Spannende Liebe, langweiliger Thrill – Spannung und Suspense sind genrespezifisch
Die Leidenschaft der Kommissarin – Was Sie tun können, wenn Ihr Roman ins falsche Genre geraten ist
Die Liebe ist wie ein Turnier – Spannung im Liebesroman/Romance
Verführt – Verbotenes Verlangen – Spannung im Erotik-Roman
Rätsel um einen unmöglichen Mord – Spannung im Krimi
Eine Bombe im Bus – Spannung im Thriller
Die Hebamme auf dem Scheiterhaufen – Spannung im Historischen Roman
Wenn der Elb gegen Zwerge kämpft – Spannung im Fantasy-Roman
Was lauert da im Schwarzen Loch? – Spannung im SF-Roman
Geh bloß nicht in den Keller, Kind! – Spannung im Horror-Roman
Ungewöhnliche Töne im Wahnsinn – Spannung in der literarischen Belletristik und dem Mainstream-Roman
Aufregende Jagd und glückliche Welt – Spannung im Kinderbuch
Außenseiter im Chaos der Gefühle – Spannung im Jugendbuch / Young Adult / New Adult
Story auf Steroiden – »All Age« – Ein Roman für jedes Alter. Mythos oder Realität?
Avatar des Lesers auf der Titanic – Gibt es Spannungarten, die universell funktionieren?
ANHANG
Dank, gebührend
Über Waldscheidt
Impressum
Intro
Es gibt keine spannenden Romane.
Nicht per se. Denn Spannung steht nicht auf der Seite Ihres Buchs, sie ist vielmehr eine komplexe Emotion im Leser. Dieses Emotionsgeflecht können Sie ansprechen, beeinflussen, sogar kontrollieren. Mit dem, was Sie schreiben und wie Sie das tun.
Spannung ist nichts Nebulöses, Ungreifbares, das irgendwie entsteht. Sondern ein hochkomplexes Instrument mit vielen Einstellknöpfen. Als Autor können Sie Spannung gezielt steuern – und das sollten Sie auch tun, Ihre Leser erwarten es von Ihnen. Wie Sie das anstellen und wie Ihr Roman mit jedem Knopfdruck besser wird, lesen Sie in diesem Ratgeber.
Spannung ist mehr als eine Zutat für Ihren Roman, sie ist ein essenzieller Teil davon – ohne Spannung kein Roman. Tatsächlich braucht jeder Roman, der diesen Namen verdient, Spannung. Selbst ein hochliterarisches Werk.
Wenn Konflikt der Treibstoff für einen Roman ist, so ist Spannung der Treibstoff für den Leser. Nervennahrung. (Und manchmal sind Sie der Doktor oder die Ärztin, die über dem Leser steht. Mit den Paddeln des Defibrillators in Ihren Händen. Aber bitte nur anwenden, wenn’s sein muss.)
In diesem Buch werden Sie mehr über Spannung lernen als in jedem anderen Ratgeber. Das ist ein Versprechen. Ein zweites: Ihre Romane werden merklich spannender werden und Ihre Leser spürbar zufriedener – und zu Stammlesern.
Womit wir beim Thema wären: Versprechen sind eine von unzähligen Möglichkeiten, Spannung in Ihren Roman zu bringen. Denn ein Versprechen enthält immer auch eine dramatische Frage: »Wird das Versprechen eingehalten werden?«
Das, was Sie über Spannung wissen, werden Sie nicht aufgeben müssen. Im Gegenteil. Sie werden Ihre Erfahrungen zur Spannungsgestaltung endlich in einen Zusammenhang stellen und wesentlich effektiver und effizienter damit arbeiten und Ihre Geschichten designen können.
In Teil 1 sehen wir uns an, was Spannung ist, und entwickeln eine für alle Genres gültige Formel für hochspannende Romane. Diese zeigt Ihnen die notwendigen Bedingungen für Spannung und gibt Ihnen ein mächtiges Instrumentarium an die Hand, um Spannung hervorzurufen und gezielt zu beeinflussen.
In Teil 2 erkunden wir anhand von Beispielen aus Romanen und Filmen wichtige Methoden, wie Sie Spannung erzeugen, und steigen tiefer ein in die Spannungsfaktoren und deren Komponenten.
In Teil 3 widmen wir uns der mächtigsten Spannungsart: Suspense. Was ist Suspense? Was unterscheidet sie von anderer Spannung? Wie setzen Sie sie in Ihren Romanen am wirkungsvollsten ein? Sie werden Hitchcocks Genie mit neuen Augen sehen (und auch selbst ein wenig hitchcockiger werden).
In Teil 4 erkunden wir, was Spannung mit dem Genre zu tun hat. Wir betrachten die wichtigsten Genres und Genre-Mischungen und entdecken die zentralen Spannungsarten der einzelnen Genres. Ihr Roman, egal ob Romance, Historischer Krimi, Fantasy oder sogar Literatur, wird endlich sein volles Spannungspotenzial entfalten dürfen. Ihre Subgenres und Genre-Mischungen sind ebenfalls willkommen.
In jedem Kapitel werden Sie auf anschauliche Weise neue Methoden entdecken und dazu inspiriert, das Spannungspotenzial Ihres Romans und die Spannung im Leser zu erhöhen. Konkrete, sofort umsetzbare und immer wieder einsatzfähige Ideen.
Es gibt keine spannenden Romane? Die gibt es doch. Spannend sind Romane, die ein hohes Spannungspotenzial bieten und den Leser so stark engagieren, dass er aus dem Potenzial Hochspannung macht.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und eine anregende Lektüre. Auf Ihre spannenden und noch spannenderen Romane bin ich schon jetzt ... sehr gespannt.
Stephan Waldscheidt
schriftzeit.de
Teil 1: WAS IST SPANNUNG?
Leser unter Strom – Wie auch Nicht-Elektriker spannende Romane schreiben
Was ist Spannung? Es gibt viele Definitionen. Und viele Metaphern dafür. Jede gut gewählte Metapher macht nicht nur klarer, was Spannung ist – sondern wie Sie Ihren Roman noch spannender machen können.
Spannung ist ein Gefühl im Leser, ein Zustand gesteigerter Aufmerksamkeit und besonderer Wachheit. Spannung sorgt für eine höhere Aufnahmebereitschaft Ihrer Leser für das, was Sie schreiben und erzählen. Wenn Sie die Spannung erhöhen, kommt das jedem Aspekt Ihres Romans zugute.
Wir könnten Spannung auch das Nervensystem eines Romans nennen. Wie Nervenfasern ist die Spannung überall präsent – und notwendig. Überall gibt sie Impulse und muss zugleich in jeder Faser spürbar sein. Vor allem aber: Auch Nerven funktionieren mit Strom, in jedem Nerv gibt es Spannung.
Die Elektrizitätslehre hält eine nützliche Metapher für Autoren bereit (und, keine Sorge, auch für Nichtphysiker und Laienelektriker). Dort wird Spannung definiert als Widerstand mal Stromstärke (U = R x i). Beide Faktoren sind unverzichtbar. Ohne Strom keine Spannung, und auch ohne Widerstand keine Spannung.
Sehen wir uns an, was diese Faktoren für Sie und Ihren Roman konkret bedeuten. In diesem Kapitel betrachten wir die Faktoren nur gerade so genau, um daraus unsere Spannungsformel zu entwickeln. Danach gehen wir alles einzeln und detailliert durch und belegen es mit konkreten Beispielen aus Büchern und Filmen. Seien Sie unbesorgt: Sie haben keine Chance, es nicht zu verstehen.
Vom Widerstand zum Konflikt
Welche Widerstände muss die Protagonistin überwinden, um ihrem Ziel näherzukommen?
Der Widerstand ist der Punkt, an dem sich Konflikte entzünden. Je mehr Widerstände Sie Ihrer Heldin in den Weg stellen und je größer diese sind, desto mehr Spannungspotenzial weist die Situation auf. Ohne Widerstand gibt es keinen Konflikt und keine Spannung.
Denken Sie bei den Hindernissen sowohl an solche, die außerhalb des Protagonisten liegen (ein eiskalter See, der durchschwommen werden will), als auch an solche, die der Protagonist in sich trägt (seine seit der Kindheit in ihm verwurzelte panische Angst vor dem Ertrinken).
Entscheidend für Ihren Roman ist hier nicht der Widerstand an sich – der Widerstand muss einer sein, der dem Protagonisten den Weg zum Ziel erschwert. Nehmen wir an, in Ihrem Thriller wolle Heldin Anita verhindern, dass Bösewichtin Schurkowskaja in Frankfurt eine Bombe zündet. Da lauert ihr bei Aldi in Wiesbaden eine alte Schulfeindin auf, um zu verhindern, dass Anita dort Orangen kauft. Damit trifft Anita zwar auf einen Widerstand. Aber weil dieser nichts mit ihrem eigentlichen Ziel zu tun hat, wird er beim Leser nicht für mehr Spannung sorgen.
Eine beinahe selbstverständliche Bedingung für spannungswirksame Widerstände wollen wir nicht unterschlagen: Die Widerstände müssen groß sein. Wenn sie allzu leicht überwunden werden können, kann keine Spannung aufkommen. Das ist wie in der Elektrizitätslehre: Fließt Strom durch einen widerstandsarmen Supraleiter unterhalb seiner kritischen Temperatur, fällt so gut wie keine Spannung ab.
Statt von Widerständen sollten wir daher eher von Konflikten sprechen. Formulieren wir die Frage am Anfang dieses Abschnitts um:
Welche (schwierigen) Konflikte muss die Protagonistin meistern, um ihrem Ziel näherzukommen?
Wichtig für unsere Spannungsformel ist: Ein Konflikt ist nur so lange spannend, wie er ungelöst bleibt. Sobald der Konflikt gelöst wird, endet die Spannung schlagartig. Weshalb es notwendig ist, dass Sie immer mehrere Konflikte am Laufen haben.
Das beste Beispiel für die Bedeutung des Ungelöstseins sind Geheimnisse. Sie sind spannend, solange sie nicht aufgelöst sind. Jeder weitere Konflikt addiert sich zu den anderen und macht so den Roman spannender.
Zunächst banal erscheint die folgende Voraussetzung: Ein Konflikt kann nur dann spannend sein, solange sein Ausgang ungewiss ist.
Wenn Hase und Igel um die Wette rennen, steht der Hase als sicherer Sieger fest. Weil er schlicht schneller laufen kann.
Bei näherer Betrachtung jedoch können sich gerade aus der vermeintlichen Gewissheit spannende Ideen ergeben. Denn von dieser Voraussetzung gibt es Ausnahmen.
• Wenn etwas passiert, das den Ausgang wieder offen hält.
Der Hase kann zwar schneller rennen und müsste gewinnen. Dann aber stolpert er und bricht sich ein Bein – und der Igel zieht gemächlich an ihm vorbei und als Erster ins Ziel.
• Wenn es eine Wendung gibt, die den Leser überrascht.
Beim Wettrennen zwischen Hase und Igel siegt der Igel mit Hilfe eines Tricks: Er engagiert seine Frau und hetzt mit ihrer Hilfe den arglosen Hasen zu Tode.
Stromstärke (Intensität)
Die Stromstärke ist die Ursache der Schmerzen, wenn Sie eine gewischt bekommen. Eine hohe Spannung können Sie überleben, wie Ihnen ein Kontakt mit einem Elektroschocker von einer Million Volt bestätigen wird (Ausprobieren auf eigene Gefahr!). Eine hohe Stromstärke hingegen grillt Sie. Der elektrische Stuhl richtet seine Opfer bei fünf bis sieben Ampere hin. Je höher die Stromstärke, desto höher das Risiko für den Betroffenen, sein Leben zu verlieren.
Physikalisch ist die Stromstärke die Veränderung der elektrischen Ladung Q in einer bestimmten Zeit t (i = ΔQ/Δt).
Falls Sie sich die Formel nicht merken möchten, denken Sie an etwas Konkreteres: Die Stromstärke Ihres Romans ist die Intensität, mit der die Charaktere durch Ihre Szenen jagen und die Leser Ihrer Geschichte folgen.
Damit Sie besser damit arbeiten können, splitten wir das noch weiter auf: in Dynamik, Einsatz, Risiko und Leser-Engagement.
Dynamik als Spannungsfaktor
Zur Intensität gehört die Veränderung, die Zeitgebundenheit oder Dynamik. Elektrische Spannung entsteht nur dann, wenn Strom fließt – Spannung im Roman kann nur dann entstehen, wenn sich etwas in Ihrem Roman bewegt und ändert: Charaktere, Konflikte, Emotionen, Entscheidungen, Handlungen.
Je mehr sich bewegt und im Fluss bleibt, desto größer das Potenzial für Hochspannung.
Beispiel: Der Protagonist steht vor einer schwierigen Entscheidung: Soll er die Frau retten, die er über alles liebt, oder sie ihrem Schicksal überlassen und stattdessen den Lastwagen aufhalten, der mit einer Bombe auf eine Kita zusteuert? Die Entscheidung wird neu definieren, was für ein Mensch er ist. Auf dem Weg dahin macht er ein Auf und Ab von Gefühlen durch, innerlich zerreißt ihn der Konflikt. Während all das in ihm abläuft, versucht er, den Lkw so rechtzeitig abzufangen, dass ihm vielleicht doch noch Zeit bleibt, zu seiner Geliebten zu eilen. Ein äußerer Konflikt, der sich zuspitzt ...
Hier sehen Sie, wie Spannung durch die hohe Dynamik (= schnell verstreichende Zeit) an verschiedenen Punkten entsteht.
Doch Dynamik meint noch viel, viel mehr. Dazu unten Genaueres.
Ohne Dynamik keine Spannung!
Beispiel: Hätte der Protagonist von oben endlos lange Zeit für seine Entscheidung, käme keine Spannung auf. Auch wenn der Lkw auf einem Parkplatz stünde, statt auf die Kita zuzurasen, gäbe es keine Spannung. Der Protagonist könnte, wenn er gerade die Zeit findet, rüberschlendern und den (schlafenden) Fahrer erledigen. Oder es genauso gut sein lassen. Werden Sie auch gerade so müde?
Einsatz als Spannungsfaktor
Was passiert, wenn der Protagonist sein Ziel nicht erreicht?
Ist der Einsatz ein nasses Streichholz, gähnt der Leser. Setzt der Protagonist hingegen das Leben einer ganzen Stadt aufs Spiel, ist eine Voraussetzung für Spannung gegeben.
Denken Sie dabei sowohl an Einsätze, die außerhalb des Protagonisten liegen (Menschen können sterben, wenn er versagt), als auch an solche, die er in sich trägt (er wird sich den Rest seines Lebens sein Versagen vorwerfen und depressiv werden, falls er scheitert).
Ohne hohe Einsätze keine Spannung!
Risiko als Spannungsfaktor
Mit welcher Wahrscheinlichkeit scheitert der Protagonist bei der Verfolgung seines Ziels?
Wenn die Protagonistin den auf den Schienen Gefesselten einfach in aller Ruhe losmachen kann, weil er auf einem toten Gleis liegt, kommt keine Spannung auf. Ist die Gefahr hingegen groß, dass in den nächsten Sekunden eine U-Bahn um die Ecke rattert, so blättert der Leser gespannt um.
Um auf mehr Ideen zu kommen, gehen Sie die Frage von zwei Seiten an: Wie können Sie die Wahrscheinlichkeit für den Protagonisten erhöhen, dass er scheitert? Wie können Sie die Chancen senken, dass er triumphiert? Dazu unten Genaueres.
Ohne Risiko des Scheiterns keine Spannung!
Engagement des Lesers als Spannungsfaktor
Wie sehr ist der Leser an der Lösung der dramatischen Frage interessiert und mit den Charakteren emotional verbunden?
Ein Leser, dem die Charaktere und ihre Probleme egal sind, wird nicht gespannt auf die Auflösung der dramatischen Fragen warten. Fühlt und leidet er hingegen mit den Charakteren, so ist er bei den Spannungsfragen hoch engagiert. Für die Spannung essenziell ist es also, den Leser mit den Charakteren emotional zu verbinden, die Sie in spannenden Situationen zeigen.
Beispiel: Sie haben als Leser Frodo über Hunderte von Seiten durch Tolkiens »Herr der Ringe« begleitet, sind emotional ganz nah bei ihm und seinem positiven Alter Ego Sam. Ob Frodo es schaffen wird, den Schicksalsberg zu erreichen, ist für Sie zu etwas Persönlichem geworden. Als wären Sie selbst ein Mitglied der Gemeinschaft des Rings. Die Spannung, die Sie empfinden, ist gigantisch.
Ohne Leser-Engagement keine Spannung!
Beispiel: Im selben Roman steht das Leben eines alten Königs auf dem Spiel, der eine Nebenrolle spielt. Sie interessieren sich nicht für den König, bringen ihm weder Emotionen entgegen, noch haben Sie sich mit ihm identifiziert. Die Szene, wo es darum geht, ob er geköpft wird oder nicht, überblättern Sie. Sie wollen zurück dahin, wo Sie Ihre Gefühle investiert haben: zu Frodo und Sam.
Mit hinein in das Engagement des Lesers spielt sein intellektuelles, also das von seinem Verstand bestimmte Interesse an der Beantwortung der dramatischen Fragen. Darunter kann etwa professionelle Neugier fallen, wenn ein Leser, von Beruf Anwalt, die im Roman in einer Gerichtsverhandlung aufgebaute Spannung genießt. Oder, genrespezifisch, etwa die Rätselspannung in einem Krimi bei der Suche nach dem Mörder.
Da Emotionen fast immer der wesentlich stärkere Faktor sind, werden wir uns im Folgenden hauptsächlich mit ihnen befassen. Die Rätselspannung als zentrale Spannungsart im Krimi sehen wir uns unten bei den Genre-Spannungen genauer an.
In das Engagement des Lesers können eine Reihe von Aspekten eingehen. Anders als die Spannungsfaktoren addieren sich die Komponenten eines Faktors auf. Also beispielsweise so:
Leser-Engagement =
emotionale Verbindung zu den Charakteren
+ intellektuelle Verbindung
+ (über-)erfüllte Erwartungen
+ Spannungsvorschuss
Was das im Einzelnen konkret bedeutet, sehen wir uns unten an mehreren Stellen noch genauer an, auch anhand von Beispielen.
Die Spannungsformel
Nur wenn alle oben genannten Spannungsfaktoren vorhanden sind, ist die Situation in Ihrem Roman aufgeladen – und nur dann kann Spannung aufkommen.
Das gießen wir in eine Formel:
Spannung = Konflikt x Dynamik x Einsatz x Risiko x Engagement des Lesers
Das sieht kompliziert aus, macht Ihre Arbeit jedoch einfacher. Denn jeder der Faktoren ist eine Stellschraube, an der Sie die Spannung hochdrehen können. Mehr noch: Mit der Spannungsformel haben Sie endlich ein Instrument zur Hand, mit dem Sie die Spannung in Ihrem Roman sehr präzise steuern können.
Diese Formel ist nicht endgültig. He, wir schreiben hier einen Roman, keine Physik-Klausur! Sie können Ihre persönliche Spannungsgleichung aufstellen, indem Sie weitere für Ihren Roman an der Stelle relevanten Faktoren hinzufügen. Wir werden das im letzten Teil des Buchs bei den Genres so machen.
Betrachten Sie diese Formel als Mindestvoraussetzung für die Erzeugung von Spannung. In den meisten Fällen wird sie Ihnen beste Dienste beim spannenderen Schreiben leisten.
Die auf den ersten Blick simpel wirkende Spannungsformel U = R x i hat, wie wir gesehen haben, eine Reihe von unverzichtbaren Faktoren. Das Gefährliche daran: Vernachlässigen Sie nur einen einzigen dieser Spannungsfaktoren, kann keine Spannung aufkommen. Das ist die Krux bei einer Multiplikation: Ein Faktor, der null ist, ergibt ein Produkt von null.
Ein Ergebnis von null ist umso bitterer, wenn Sie viel Arbeit und Grips investieren, um die anderen Faktoren gewaltig aufzudrehen.
Was die Spannungsformel für Sie und Ihren Roman leistet
• Die Spannungsformel gibt Ihnen eine Reihe von Faktoren an die Hand, mit denen Sie die Spannung in Ihrem Roman gezielt und auf vielfältige Weise beeinflussen können. Betrachten Sie jeden dieser Faktoren nicht als Last, sondern als Geschenk: einfache Ansatzpunkte für mehr Spannung in Ihrem Roman.
Schon einen der Faktoren zu erhöhen, erhöht die Spannung. Erhöhen Sie alle, fesseln Sie den Leser. Erhöhen Sie alle gewaltig, halten Sie den Leser die ganze Nacht wach.
Damit rücken Sie die Spannung von einer mehr oder weniger zufälligen Nebenwirkung von Plot und Handlung dorthin, wo sie hingehört: ins Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit, Kreativität und Schreibarbeit.
• Durch die verschiedenen Faktoren können Sie die Spannung insgesamt abwechslungsreicher gestalten und halten.
Damit vermeiden Sie es, immer nur an derselben Spannungsschraube zu drehen und so den Leser auf Dauer zu langweilen. Manche Autoren versuchen beispielsweise, die Spannung nur dadurch zu erhöhen, dass sie dem Leser noch krassere Konflikte vor den Latz knallen, anstatt auch mal die Einsätze zu erhöhen oder die Dynamik zu variieren.
• Im zweiten Akt Ihres Romans (sofern er drei Akte hat) geht es grundlegend um Eskalation. Logisch, dass auch die Spannung eskalieren sollte. Die Formel unterstützt Sie dabei, die Spannung zu einem Zeitpunkt mit der Spannung zu einem späteren Zeitpunkt zu vergleichen und zu sehen, ob die Geschichte tatsächlich spannender geworden ist.
Statt zwei komplexe »Spannungen« miteinander zu vergleichen, was ziemlich schwierig ist, können Sie beispielsweise die Einsätze vergleichen. Ging es eben für Ihre Heldin noch darum, den Job zu behalten, geht es zum Vergleichszeitpunkt für sie darum, am Leben zu bleiben. Eine klare Eskalation des Einsatzes und damit (wenn die übrigen Faktoren unverändert geblieben sind) eine Eskalation der Spannung.
• Jeder der Faktoren beflügelt Ihre Kreativität, indem er Ihnen nicht ein allzu vages »Erhöhe die Spannung, Schreibender!« zuruft, sondern zum Beispiel ein präziseres »Erhöhe die Einsätze des Protagonisten!«. Damit wissen Sie besser, was Sie zu tun haben und wo Sie Ihre Ideen sprießen lassen sollten.
• Sie werden neben den Methoden zur Spannungserzeugung, die Sie bereits effektiv anwenden, neue entwickeln können, die sowohl sehr persönlich als auch präzise auf die Anforderungen Ihres Romans zugeschnitten sind.
• Auch sorgt die Auffächerung der Spannung in Faktoren dafür, dass die Arbeit für Sie überschaubarer wird. Während es wie eine kaum zu bewältigende Aufgabe erscheinen mag, die »Spannung« zu erhöhen, ist es leichter und schneller zu meistern, etwa die Spannungswirkung eines bestimmten Konflikts zu steigern.
• Die Spannungsformel ist ein hervorragender Ansatzpunkt für die Suche nach den Ursachen schwächelnder Spannung. Und, nach der Entdeckung, für deren Behebung.
Sagen Ihnen Ihre Testleser, dass in Kapitel 17 die Spannung total absackt, suchen Sie womöglich lange und vergeblich nach den Gründen. Diese finden Sie wesentlich eher und schneller, wenn Sie statt der wolkigen »Spannung« deren unverzichtbare Faktoren einzeln durchgehen.
• Jeder Faktor enthält selbst wieder Komponenten, an denen Sie drehen und so für mehr Spannung sorgen können. Im Verlauf des Buchs werden wir eine Vielzahl solcher Komponenten ausführlich kennenlernen und an Beispielen herausfinden, wie sie funktionieren.
In aller Regel addieren sich diese Komponenten auf.
• Viele Maßnahmen, Spannung zu erzeugen, betreffen mehrere Faktoren zugleich. So können Sie beispielsweise mit einer Veränderung der Atmosphäre die Dynamik und das Engagement des Lesers beeinflussen. Auch dazu unten mehr.
• Die Faktoren können, müssen aber nicht unabhängig voneinander sein. So kann etwa ein interessanter Konflikt beim Leser für ein höheres intellektuelles Engagement sorgen als ein langweiliger Konflikt, der ihm so schon hundert Mal in einem Buch begegnet ist. Auch ein Zusammenhang zwischen Risiko und Konflikt ist naheliegend.
Das heißt für Sie, dass Sie durch die richtigen Ideen gleichzeitig an mehreren Faktoren drehen und die Spannung umso stärker steigen lassen können.
Falls Sie es nicht auf Anhieb schaffen, sich sämtliche Faktoren und Komponenten zu merken – bleiben Sie locker. Viele Bestandteile der Formel wird Ihr Roman bereits aufweisen, weil Sie manches instinktiv oder aus Erfahrung richtig machen und sich anderes beispielsweise aus dem Plotten heraus ergibt.
Außerdem greifen wir im Verlauf des Buchs immer wieder auf die Formel und ihre Faktoren zurück und sehen sie uns, praktisch angewandt, in vielen Beispielen aus Büchern, Filmen und TV-Serien an. Am Ende wenden Sie die Formel ganz selbstverständlich an. Versprochen.
Bei all diesem Formelkram sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass wir hier keine Mathematik oder Physik betreiben, auch will ich Sie nicht zum Elektriker umerziehen. Die Formel dient neben der Veranschaulichung vor allem einem: dass Sie bequemer, übersichtlicher, variantenreicher und insgesamt besser mit Spannung arbeiten und Spannung steuern können.
Wie Sie die einzelnen Faktoren ausgestalten, dazu finden Sie detaillierte Tipps, Tricks und Beispiele im Laufe dieses Buches.
Egal, welche Definition von Spannung die für Sie praktikabelste ist, vergessen Sie eins nie: Spannung muss nicht nur in der Geschichte entstehen, sondern vor allem im Leser. Wenn Sie Ihre Charaktere von einer Schlacht in die nächste zwingen, haben Sie zunächst lediglich Konflikte innerhalb der Geschichte. Der Leser kann davon vollkommen ungerührt bleiben und wird sich langweilen. Erst, wenn der Leser der Auflösung des Konflikts entgegenfiebert, empfindet er Spannung.
Wie Sie es schaffen, dass der Leser hochgespannt allen Ereignissen Ihres Romans folgt, finden wir im Rest dieses Ratgebers gemeinsam heraus. Und wir werden die Gleichung so aufschlüsseln, dass sie Ihnen weitere Stellschrauben zum Hochdrehen der Spannung gibt.
Die Sache wird noch richtig spannend. Schnallen Sie sich an.
Plötzlich greift eine Möwe an – Wie Schock in die Spannungsformel passt
Melanie tuckert in ihrem kleinen Boot übers Meer. Am Ufer wartet schon ihr neuer Freund Mitch. Melanie sieht gut aus, sie freut sich auf das Wiedersehen. Eine leichte Brise weht, die Frisur sitzt. Manche von Ihnen werden sich an die Werbung für 3-Wetter-Taft erinnert fühlen.
Die Kamera schwenkt kurz in den Himmel, zeigt eine Möwe. In der nächsten Einstellung stürzt sie sich auf Melanie. Es ist nur ein kurzer Kontakt, zunächst scheint nur die Frisur zerzaust zu sein und Taft als nicht möwenfest entlarvt.
Für die Zuschauer von Hitchcocks Thriller »Die Vögel« (USA 1963; Regie: Alfred Hitchcock; Drehbuch: Evan Hunter nach einer Kurzgeschichte von Daphne du Maurier) ist der Angriff der Möwe ein Schock aus, tatsächlich, heiterem Himmel.
Ein Schock. Und mit ihm die Frage: Ist ein Schock überhaupt spannend? Ich finde, ja. Ein Schock in einer Geschichte sorgt für ein jähes Emporschnellen der Spannungskurve – die danach ebenso schnell wieder abfällt. In manchen Genres sind Schockmomente unverzichtbarer Bestandteil des Spannungsmenüs. Das Medium Film hat hier dem Buch gegenüber einen Vorteil, weil es das Plötzliche und Krasse sinnlicher transportieren kann. Bilder funktionieren schneller als Wörter.
Aber auch Wörter oder Sätze können schockieren. Insofern ist der Schock für Sie als Romanautor ein probates Mittel zur Spannungserzeugung. Und das nicht nur in Horror-Romanen.
Sondern auch in einem Liebesroman oder Ehedrama:
Sofia kam nach Hause und steckte das Handy weg. Die Nachricht ihrer Schwester Nike würde sie später lesen. Warte, was war das? Aus dem Schlafzimmer Geräusche. Lag Arndt im Bett und hatte den Fernseher laufen? Um diese Zeit? Sollte er nicht im Laden sein? Besorgt ging Sofia nach oben.
Noch bevor sie durch die angelehnte Schlafzimmertür spähte, wusste sie, was für Geräusche sie da hörte. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Bitte, Gott, lass es nicht wahr sein. Bitte, lieber Gott, lass nicht zu, dass Arndt mich nicht mehr liebt.
Sie schob die Tür einen Spalt weiter auf. Im selben Moment wandte die nackte Frau in ihrem und Arndts Ehebett sich um.
Nike.
In dieser kleinen Szene haben wir Spannung, die dann am Ende – durch den Schock, dass Sofias Mann sie mit ihrer eigenen Schwester betrügt – nochmals jäh nach oben schnellt.
Wie passt der Schock in unsere Spannungsformel?
Spannung = Konflikt x Dynamik x Einsatz x Risiko x Engagement des Lesers
Ein Schock bringt insbesondere zwei Faktoren mit: Dynamik und Konflikt.
Wo bleiben die Emotionen? Als Sofia ihre Schwester mit Arndt ertappt, sind da doch stärkste Emotionen im Spiel – bei Sofia ebenso wie bei dem mit Sofia emotional verbundenen Leser – und sie kommen schlagartig hoch. Das stimmt. Doch wegen seiner Plötzlichkeit ist der Schock vor-emotional. Die starken Emotionen bei Sofia und beim Leser kommen erst im Anschluss, als Reaktion auf den Schock. Damit aber befinden wir uns schon wieder in der Post-Schockphase, also in einer neuen Spannungssequenz. Und für die gelten wieder die Regeln der normalen Spannung, die eine längere Zeitspanne der Handlungsgegenwart betrifft.
Die Dynamik liegt im Wesen des Schocks. Das Unerwartete und Plötzliche eines Schockmoments sorgt für höchste Dynamik und damit als starker Faktor für einen sehr positiven Einfluss auf die Spannung.
Sei es der für Melanie unerwartete Angriff einer Möwe oder Sofias Entdeckung, dass ihre Schwester und ihr Ehemann eine Affäre haben, beides ist potentester Konfliktstoff.
Hier zeigt sich jedoch zugleich, was Sie als Autor beim Einbau eines Schockmoments falschmachen können.
Wandeln wir dazu mal die oben beschriebene Schockszene aus Hitchcocks Thriller um, dann wird es deutlich.
Melanie schippert in ihrem Boot zu Mitch, bester Dinge, die Frisur perfekt. Da rammt aus heiterem, äh, Brackwasser ein Hai ihr Boot.
Ein Schock, kein Zweifel, sowohl für Melanie als auch für den Zuschauer.
Wieso ist es der falsche Schock? Weil er nichts mit dem Thema der Geschichte zu tun hat, die ja nicht »Die Fische« heißt.
Ein spannungstechnisch guter Schock tut nämlich mehr als nur zu schockieren. Er bereitet künftige Ereignisse vor und erhöht so die gespannte Erwartung des Lesers, die Suspense. Die Möwe in »Die Vögel« leistet das ganz offensichtlich und bravourös.
Ebenso tut das die Entdeckung Nikes im Bett mit dem Ehemann – sofern es bei dem Roman beispielsweise um eine Liebesgeschichte oder ein Familiendrama geht. Stammte die Szene jedoch, sagen wir, aus einem Science-Fiction-Roman über eine Alieninvasion,