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Über dieses E-Book

Noch bevor das versprochene Manuskript über verbotene Machenschaften deutsch-deutscher Spitzenpolitiker vor der Wende den Verlegerkönig Erich Hartmann erreicht, verschwinden die Unterlagen und mit ihnen der Autor. Auf der Suche nach beiden riskiert der Vorstandsvorsitzende des größten europäischen Medienkonzerns seinen Ruf, seine Stellung und sein Leben.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Mai 2020
ISBN9783750237117
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    Buchvorschau

    Transkription - Christoph Papke

    Prolog

    TRANSKRIPTION

    Erich Hartmann senkte den Kopf. Seine Augen fanden den Satzanfang des Manuskripts, wie sie es schon tausendfach getan hatten. Am Ende des Satzes angekommen, blickte Hartmann -anders als sonst immer - auf und starrte auf die in schlichtem Weiß tapezierte Wand seines Büros. Weiße Wände schmückten seit Jahrzehnten schon sein Arbeitszimmer. Kahl, ohne Bilder, ohne Fotos, ohne Irgendetwas. Seine Arbeit sollte durch nichts visuell Auffallendes abgelenkt werden. Ohne jeglichen Einfluss wollte er lesen, ohne irgendeinen optischen Außenreiz, bis auf einen alten, vergilbten Teppich, den er vom Vater übernommen hatte, weil der ihn schon von seinem Großvater übernommen hatte. Möglichst unvoreingenommen eintauchen wollte Hartmann in bislang unentdeckte Welten. Und darüber richten, ob sie für die Menschen erschaffen werden oder nicht.

    Hartmann überlegte eine Weile. Dann widmete er sich wieder dem Werk. Für gewöhnlich las er die ersten vier Sätze eines Manuskripts in einem Zuge durch - ohne aufzublicken, ohne die Wand anzustarren und ohne zu überlegen. Die ersten vier und dann den Schlusssatz einer Leseprobe. Diese Vorgehensweise hatte sich Hartmann irgendwann vor vielen Jahren zu Eigen gemacht, um seinerzeit wenigstens im geringsten Maße der Flut eingereichter Manuskripte gerecht zu werden. Sie alle hatten es verdient, wenigstens einmal angesehen und von ihm geprüft zu werden. Die Werke der Unbekannten und Bekannten. Die zu Papier gebrachten Gedanken, Ergüsse, Geheimnisse und Geschehnisse. Die Weisheiten, Verlogenheiten, verborgenen Schätze und ungebetenen Botschaften. Die kosmischen Wahrheiten und kleinbürgerlichen Ansichten. Die Ausblicke und Einblicke, die Eindrücke, Enthüllungen und Geständnisse – die Phantasien und Gewissheiten. Die ersten vier Sätze und der letzte eines circa 30 Seiten umfassenden Probekapitels genügten dem erfahrenen Verleger, um das Manuskript entweder gleich wieder beiseite zu legen oder die Lesestunde genüsslich mit dem gesamten Kapitel zu füllen.

    Hartmann hatte seine Lesestunde ritualisiert. An jedem Arbeitstag der Woche gönnte er sich diese 60 Minuten zwischen drei und vier Uhr nachmittags, um sich in sein Büro zurück zu ziehen und „die Neuen zu erforschen. „Die Neuen wurden jene Manuskripte genannt, die in Hartmanns Verlagshäusern aufgefordert oder unaufgefordert gelandet waren. Abertausende waren es inzwischen, die durch seine Hände gegangen und mit seinen Augen erforscht worden waren. Natürlich landeten die Tonnen angeschwemmter Manuskripte lange schon nicht mehr auf seinem Schreibtisch, sondern in den Lektoraten seiner Verlage oder bei den Autorenbetreuern seines Unternehmens. Aber eine kleine Anzahl von jeweils vier Stück schaffte es doch zu ihm, ausdrücklich nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um dem Chef eine kleine tägliche Freude zu bereiten, wie es hieß.

    Als er vor mehr als dreißig Jahren nach einer ordentlichen Buchhändlerlehre und dem anschließenden Studium der Betriebswirtschaft den Hartmann-Verlag in vierter Generation aus den Händen seines Vaters erhielt, wusste er, dass es nicht seine Aufgabe war, das eigene Leben durch die Schöngeistigkeit der Literatur zu bereichern. Er erhielt vielmehr den Auftrag, aus einem mittelständigen Unternehmen einen Literaturbetrieb mit Konzerngröße zu machen. Dieser Aufgabe folgend, entwickelte sich der Literaturliebhaber zu einem knallharten Verlagskaufmann und den übernommenen Betrieb zu einem Flaggschiff weltweiter Kulturvermarktung. Dem Junior war es mit Beharrlichkeit, feinem Spürsinn und Führungsstärke gelungen, aus dem zwar schon prosperierenden, aber noch weitgehend biederen Verlagshaus einen internationalen Medienkonzern mit etlichen Buchverlagen, verschiedenen Zeitschriften und Fernsehsendern zu entwickeln. Mit seinen mittlerweile 65 Jahren genoss Hartmann als Vorstandsvorsitzender längst einen legendären Ruf nicht nur im gesamten Konzern, sondern im ganzen Land.

    Umso wichtiger wurde dem literaturversessenen Top-Manager seine tägliche Lesestunde, die er unerbittlich im täglichen Kampf um Auflagen und Umsätze, um Aufträge und Marktanteile nach innen und nach außen verteidigte.

    Seine Hand fand auch diesmal blind die immer an derselben Stelle postierte Tasse Tee. Wahlweise und je nach Stimmung griff Hartmann in seiner „LS, wie seine Mitarbeiter die Lesestunde nannten, nach Tee oder Mineralwasser. Heute verlangte bereits der erste Satz nach einem Schluck beruhigenden Tee. Nicht nur das, es schien Hartmann unmöglich, auch den dritten Satz ohne Gedankenpause an den zweiten zu reihen. Er grübelte eine Weile, bevor er sich entschied, weiter zu forschen. Vier Sätze sollte er doch durchhalten, sagte er sich. Die ersten vier Sätze und den letzten. Aber wieder langte es nur bis zum Punkt, den vierten Satz schaffte er nicht mehr. Warum, fragte er sich, musste es gleich das erste Werk der Lesestunde sein, das ihn dermaßen außer Fassung brachte und den gesamten Tag versaute? Hätte es nicht das letzte oder wenigstens das vorletzte Manuskript seiner Lesestunde sein können? Er ärgerte sich darüber, dass es ihm trotz seines vorgeschrittenen Alters und seiner beruflichen Routine noch immer nicht gelingen konnte, Buchvorlagen wohlwollend und vor allen Dingen mit dem professionellen Abstand des weltweit anerkannten Literaturexperten zu begutachten. Er spürte stattdessen immer noch – wie soeben wieder einmal in höchstem Maße - den unerträglichen Konflikt des Literaturfreundes, der alles Geschriebene per se erst einmal zu verteidigen hatte, mit der offenkundigen Widerwärtigkeit gegenüber dem Erzeuger einer wie der gerade vorliegenden Schrift. Wie viel dummes, nutzloses und abstoßendes Zeug hatte er schon lesen müssen. Plagiate, Hasstiraden, Volksverhetzungen, Pornomist und Menschenentwürdigendes. Übelste Stammtischparolen, debilen Schwachsinn und kleinkariertes Geschwafel. Wenn auch nur vier Sätze lang und den letzten. Diese Technik reichte aus und hatte sich bislang bewährt, um ein Manuskript für würdig oder unwürdig zu beurteilen, weitergelesen und im besten Falle veröffentlicht zu werden. Doch diesmal benötigte er eine für seine Verhältnisse lange Pause, dazu eine Tasse Tee und einen andauernden, abschweifenden Blick, um sich zu überwinden, dem geheiligten Prinzip treu zu bleiben. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, versprach er sich, konzentriert zu bleiben. Er wollte den vierten Satz um der Gerechtigkeit gegenüber allen Autoren lesen und dann noch den letzten. Schließlich überwand er sich, sein Haupt zu neigen, um seine Augen zu zwingen, das Geschriebene aufzunehmen. Doch statt sich zu beruhigen, wurde es noch schlimmer. Nach dem vierten Satz mischte sich seine Verwirrung mit einem Gefühl unerklärlicher Abscheu und einer von Satz zu Satz aufsteigenden Wut. Seine Hände wollten den Text nicht mehr halten, konnten ihn nicht mehr berühren. Er legte die Blätter zu Seite und trank einen weiteren Schluck. Dann stand er auf und lief in seinem großen Büro umher. Was stimmt hier nicht, fragte er sich, ahnend, dass er die Antwort kannte. Er wollte laufen, weglaufen, wie ein ängstlich Verfolgter in Panik. Um sich selbst zu beruhigen, wählte Hartmann den vorgegebenen Weg des Randmusters seines alten Teppichs. Das Muster war farblich von der Innenfläche kaum unterscheidbar auf dreißig Zentimeter abgesetzt und bot sich im rechten Winkel als Laufsteg an. Durch das Umherlaufen wieder etwas beruhigt, überwand Hartmann seinen Ekel, nahm den zur Seite gelegten Papierstapel wieder auf und blätterte zur letzten Seite der Leseprobe. Anschließend trank er den Rest des Tees in einem Zug aus und schleuderte das Manuskript auf den Fußboden. Er war so in Rage, dass er seinem Zorn öffentlich Luft machen musste. Der Konzernchef riss die große Tür seines stattlichen Büros wie ein pubertierender Weltverbesserer auf und verschaffte sich wutschnaubend Luft: „Eine Unverschämtheit! Blasphemie! Ein Verbrechen gegenüber der Literatur! Und ihrer Schöpfer! Vier lächerliche Sätze und der letzte eines kleinen Manuskriptes konnten den erfahrenen Herrscher eines riesigen Medienkonzerns also aus der Fassung bringen. Später, viel später, würde er sich fragen warum. Doch jetzt kochte in ihm eine Wut, die er lange nicht mehr kannte.

    „Können wir etwas für Sie tun?", fragte besorgt eine seiner drei Sekretärinnen, die im Vorzimmer gewohnt waren, Hartmanns Termine zu koordinieren, das operative Geschäft zu organisieren und den Chef vor zeitraubenden Banalitäten zu schützen.

    „Ja, können Sie! Ist Doktor Schneider im Haus?", antwortete Hartmann im Befehlston und stapfte in sein Lesezimmer zurück. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Hartmanns ehemaliger Cheflektor und jetziger Vorstandskollege das Zimmer betrat. Hartmann hatte sich auf seinen Lesesessel zurückgezogen.

    „Sie hatten mich gerufen. Kann ich Ihnen helfen?, erkundigte sich der von den Sekretärinnen Gerufene. „Herr Doktor Schneider, bemühte sich Hartmann die Fassung zu bewahren, „wie lange sind Sie schon im Unternehmen...dreißig Jahre?"

    „Zweiunddreißig, glaube ich, Herr Hartmann, korrigierte Dr. Schneider höflich. Hartmann hielt einen Augenblick inne, um nicht die vollständige Blöße seiner Entrüstung zu offenbaren. Gefasst schaute er den Weggefährten an. „Wir haben schon Einiges miteinander erlebt. Aufgeblasene Schriftsteller, arrogante Bestsellerautoren, ignorante Möchtegern-Promis, Stars der Weltliteratur und viele, die sich dafürhielten.

    „Wohl wahr", stimmte Dr. Schneider zu.

    Hartmann fuhr sich mit der Hand nervös über den Mund und rückte seine Brille zurecht, um sich anschließend weiter Luft zu machen: „Sie wissen doch, dass ich mir zur LS jeweils vier

    zufällig gezogene Manuskripte anschaue, die nicht zur Vorprüfung durch das Lektorat einer unserer Verlage gegangen sind."

    „Natürlich weiß ich das, Herr Hartmann, bestätigte Dr. Schneider. „Haben wir etwas falsch gemacht? Oder soll etwas geändert werden?

    „Nein, nein, entgegnete Hartmann, „ich will und werde diesen Brauch nicht ändern, schließlich hat er sich bewährt. Aber mir ist soeben ein Manuskript in die Hände gefallen, das mir, ehrlich gesagt, die Zornesröte ins Gesicht getrieben hat. Mir, der beinahe schon alles gelesen hat. Mir, den nichts mehr umwerfen kann, glaubte ich jedenfalls...

    Dr. Schneider schaute den Sitzenden an. „Das glaubte ich auch, verehrter Herr Hartmann. Aber was hat Sie denn so geärgert?"

    Hartmann wies mit einer kurzen Kopfbewegung auf das am Boden liegende Werk: „Lesen Sie selbst! Die ersten vier Sätze sollten reichen, mehr als genug reichen."

    Dr. Schneider klaubte das Manuskript vom Boden auf und las die ersten vier Sätze.

    „Mmhh, stutzte er nachdenklich, während Hartmann zustimmend nickte: „Mmhh! Und – Ihre Meinung?

    „Die Sätze kenne ich. Offensichtlich bedient sich der Autor kräftig bei anderen Schriftstellern."

    Hartmann erhob sich von seinem Sessel und trat einen Schritt auf seinen Mitarbeiter zu.

    „Wissen Sie, Herr Doktor Schneider, mühte sich Hartmann Ruhe zu bewahren, „dass sich Autoren manchmal bei Kollegen bedienen, wie Sie es nennen, ist bekannt. Dass sie sich Wendungen ausleihen oder Ideen stehlen, auch. Dass ein Plot, ein bestimmter Anlass, bisweilen auch eine ganze Geschichte kopiert wird, kennen wir. Aber dass ein Mensch so dreist ist, jeden der ersten vier Sätze und übrigens auch noch den letzten Satz aus einem bedeutenden Werk der Weltliteratur zu stehlen - das ist der Gipfel!

    Schmollend ließ sich Hartmann in seinen Lesesessel fallen und richtete den Blick zum Fenster. Dr. Schneider nutzte den Augenblick der Stille, um in dem Manuskript weiter zu lesen. „Stimmt, sagte er, „die nächsten Sätze sind ebenfalls anderen Werken entlehnt. Dabei machte er ein amüsiertes Gesicht. „Und das finden Sie auch noch lustig?", wandte sich Hartmann wieder seinem Gesprächspartner zu.

    „Immerhin, entgegnete Dr. Schneider schulterzuckend, „die Sätze scheinen auf den ersten Blick logisch aneinandergereiht und ergeben offensichtlich einen Sinn.

    Mit dem vorsichtigen Eintritt einer von Hartmanns Sekretärinnen wurde das Gespräch unterbrochen. „Entschuldigung, Herr Hartmann, darf ich an den Termin mit Herrn Minister Hunscha um 18 Uhr erinnern?"

    „Ja, nickte Hartmann seiner Mitarbeiterin zu, um sich dann wieder Dr. Schneider zuzuwenden: „Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und Ihre Einschätzung, lieber Doktor Schneider. Und nehmen Sie diesen Quatsch mit!

    Dr. Schneider blickte kurz auf das Manuskript und dann zu seinem Boss: „Kann ich sonst noch was für Sie tun? Konnten Sie sich wieder ein wenig beruhigen?".

    „Danke, Herr Doktor Schneider, wir sprechen morgen weiter", entließ der Konzernchef seinen Mitarbeiter zu dessen Aufgaben zurück.

    Hartmann wusste, dass er sich nun nicht mehr mit diesem unerfreulichen Vorgang beschäftigen durfte, sondern sich auf das Treffen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes vorzubereiten hatte. Diese ein- bis zweimal im Jahr verabredeten Besuche des Bundesministers für besondere Aufgaben hatte sich Hartmann im Laufe der Jahre verdient. Sein Rat war geschätzt bei den jeweiligen Regierungen der Bundesrepublik. Erich Hartmann hatte es verstanden, dem Ruf der Parteien auf eine Mitgliedschaft zu widerstehen und sich stattdessen mit Fachwissen und globalem Beziehungsmanagement den Nimbus eines weltweit anerkannten Wirtschaftsexperten zu sichern. Seine weltweiten Kontakte und Erfahrungen, die Macht seines Imperiums sowie seine strikte Neutralität hatten ihm im Laufe von Jahrzehnten zu Ansehen und Ruhm auch in Regierungskreisen verholfen. Hartmann selbst betrachtete den regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit Polikern als seine persönliche Bringschuld an ein Leben, das ihm eine gewisse Bildung und die Übernahme von Gestaltungsverantwortung ermöglicht hatte. Schon lange waren diese Treffen zu meist wirtschaftspolitischen Fragen des Landes mehr Arbeitsalltag als willkommene Abwechslung. Ein Mann wie er hatte eben diese gesellschaftspolitischen Pflichten zu erfüllen.

    Und so wich die Aufregung über das verwerfliche Manuskript der Konzentration auf den anstehenden Besuch. Pünktlich um 18 Uhr begrüßte Erich Hartmann seinen Gast und führte ihn in den kleinen Salon, einen in Teakholz gehalten Raum mit schweren Ledersesseln am Kamin.

    „Es freut mich wie immer, verehrter Herr Hartmann, Ihnen im Namen des Kanzleramtes die besten Grüße ausrichten zu dürfen, begann der Minister das Gespräch. Höflich bedeutete Hartmann seinem Gegenüber Platz zu nehmen. „Nun, fuhr der Kanzleramtschef fort, während er sich setzte, „ich bin beauftragt worden, drei wichtige die Republik betreffende Sachverhalte mit Ihnen zu erörtern."

    Hunscha vermied es, wie immer in solchen Gesprächen, Ross und Reiter zu nennen. Namen wurden vermieden und persönliche Ämter meist so umschrieben, dass im Zweifelsfall faktisch nichts nachgewiesen werden könnte.

    Bevor Hartmann auf die Themen eingehen wollte, schaute er auf die bereitgestellten Getränke und fragte: „Darf Ihnen etwas zu trinken anbieten, Herr Hunscha? Tee, Kaffee, Wasser?"

    „Einen Kaffee, bitte, schwarz wie die Nacht", antwortete der Gast. Hartmann goss seinem Gesprächspartner und auch sich Kaffee ein, um seine Kooperation zu signalisieren. In Vorbereitung auf derartige Gespräche pflegte Hartmann als passionierter Früchteteetrinker entkoffeinierten Kaffee kochen lassen, was er aber verschwieg.

    „Lassen Sie uns mit Blick auf die Uhr gleich zur Sache kommen", bat Hartmann und reichte seinem Gegenüber die Tasse zu.

    „Na gut, antwortete Hunscha, nahm einen kleinen Schluck und fuhr fort, „Zunächst würden sich das Auswärtige und das Kanzleramt freuen, Sie im kommenden Sommer als Mitglied der bundesdeutschen Delegation für die geplante Reise der Bundesregierung nach China gewinnen zu können. Hartmann stimmte der Anfrage mit der Bitte zu, den genauen Reisetermin mit seinem Büro abzustimmen. Natürlich wusste er, dass die folgenden Themen inhaltlich schwieriger werden würden. Gewiefte Politiker gingen Hartmanns Erfahrung nach immer strategisch vor, vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplexen. Hunscha holte eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und fragte: „Darf ich oder gilt bei Ihnen mittlerweile auch striktes Rauchverbot?"

    wusste um die Nikotinabhängigkeit seines Gesprächspartners, der Kanzleramtsminister war starker Raucher. Vorsorglich stand der Aschenbecher bereits auf dem kleinen Beistelltisch zwischen ihm und seinem Gesprächspartner.

    „Kein Problem", gewährte Hartmann die Bitte, wissend, damit eine weitere Übereinstimmung erzeugt zu haben. Der Minister zündete sich eine Zigarette an und gelangte nach anfänglichem, eher bedeutungslosem Gerede zum eigentlichen Punkt seines Besuches: „Mein lieber Herr Hartmann, Ihr hochgeschätzter Fernsehsender, dessen politisches Magazin DURCHBLICK sich, wie Sie wissen, im Kanzleramt äußerster Beliebtheit erfreut und stets politisch korrekt berichtet, hatte sich vergangene Woche wiedermal dem Thema Wendezeit gewidmet. Das Kanzleramt spricht von einer sehr gut recherchierten Sendung, politisch korrekt und journalistisch einwandfrei."

    Die Umschreibung „Kanzleramt", wusste Hartmann, war das Synonym für den Chefsessel der Regierung. Ihm war auch klar, dass diese eher umständliche Einleitung seines Gesprächspartners der Auftakt einer wenig erfreulichen Auseinandersetzung werden würde. Offensichtlich hatte der redaktionelle Beitrag seiner Mitarbeiter Unbehagen in Regierungskreisen ausgelöst.

    „Ich habe die Sendung auch gesehen, antwortete der Angesprochene, „fand sie gut und halte die Berichterstattung rund um die Geschehnisse der Wiedervereinigung für ein immer noch bewegendes Thema, das zeitgeschichtlich einer uneingeschränkten und vorbehaltlosen Aufarbeitung Wert scheint.

    Hunscha nickte zustimmend. „Unbedingt, das sehen wir genauso. Nur befürchtet das Kanzleramt, dass angesichts der aktuellen innenpolitischen Lage, in der unserer Auffassung nach eine geradezu zwanghafte Beschäftigung mit, wie soll ich sagen, Themen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Befriedung unserer Gesellschaft eher abträglich sind, neue Gräben im Osten wie im Westen der Republik aufreißen könnten."

    Hartmann wollte Deutlicheres hören: „Worauf, verehrter Herr Minister, wollen Sie hinaus?"

    Hunscha zog an seiner Zigarette. „Der Fernsehbericht war zweifelsohne gut und umfassend. Aber Ihre Redakteure verbeißen sich offenbar regelrecht in Themen, die 30 Jahre und mehr zurückliegen. Schauen Sie, lieber Herr Hartmann, die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran, die zweifellos noch immer vorhandenen Gräben zwischen den alten und den neuen Bundesländern zu schließen. Und Ihre Redakteure, so scheint es jedenfalls, kramen und wühlen in der Vergangenheit, um Dinge ans Tageslicht zu fördern, die weder geschichtlich noch politisch irgendeine Relevanz haben."

    Hunscha drückte seine Zigarette aus und fuhr fort: „Verstehen Sie, das, was Ihr Magazin da anstellt, ist mit Blick auf eine aussöhnende Harmonisierung der Gesellschaft kontraproduktiv. Zumal Ihre Redakteure angekündigt haben, weiter zu recherchieren und Folgesendungen zum Unrechtsstaat DDR auszustrahlen. Das bedeutet im Endeffekt doch nichts anderes, als längst geschlossene und gottseidank zu einem Großteil verheilte Wunden unnötigerweise neu aufzureißen und bewusst oder unbewusst völlig unnötige Konflikte zwischen den Bürgern der Beitrittsgebiete und der Altbundesländer zu provozieren."

    Hartmann blieb gelassen.

    „Ich mische mich gewöhnlich nicht in das Tagesgeschäft meiner Fernsehradaktionen ein, antwortete er, „Zudem erkenne ich, ehrlich gesagt, auch keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer die Zeitgeschichte aufarbeitenden Berichterstattung und irgendeiner an die Bürger unseres Staates gerichteten Provokation.

    Hunscha zündete sich eine weitere Zigarette an. „Zweifelsohne haben Sie mit Ihrer Sichtweise auch recht und, Gott bewahre, will Sie auch niemand in irgendeiner Hinsicht beeinflussen. Aber, sagen Sie mir, Herr Hartmann, warum man immer wieder - beinahe schon manisch - alte Wunden aufreißen und auf diese Weise künstlich, jedenfalls wie wir meinen, einen Ost-West-Konflikt im eigenen Land schüren sollte? Schauen Sie, wir bemühen uns um Einheitslöhne, arbeiten nach wie vor durch Transferleistungen an die neuen Bundesländer auf wirtschaftliche Stabilität aller Bundesgebiete hin und damit einem Rechtsruck der Bundesbürger in den neuen Ländern entgegen. Was bringt dem Gemeinwohl da eine unverhältnismäßig dichte Dauerberichterstattung zu Themen eines längst überholten und begrabenen Unrechtstaates?"

    Hartmann zuckte die Achseln. „Ich kenne die Planungen meiner Chefredaktionen nicht im Einzelnen. Ich weiß und vertraue aber, dass sie grundsätzlich das planen und ausstrahlen, was vor allem die Menschen vor dem Bildschirm interessiert."

    Damit war für Hartmann das Thema im Grunde erledigt. Um den Gast aber nicht gänzlich unzufrieden nach Hause zu schicken, versprach er, bei Gelegenheit mit den Machern des Magazins zu reden und die Besorgnisse der Regierung zum Ausdruck zu bringen.

    Diesen Punkt abgehandelt, folgte im weiteren Verlauf des Gesprächs ein weiterer, eher belangloser und die Verabschiedung mit der Versicherung der gegenseitigen Wertschätzung. Natürlich wusste Hartmann, dass der ministeriale Besuch höheren Orts veranlasst und zuvörderst dem eindringlichen Wunsch nach vorläufiger Einstellung weiterer Sendebeiträge zu problematischen Themen wie die des Unterganges der DDR gewidmet war. Schließlich waren ihm derartige, von Politikern, Wirtschaftsführern und Prominenten geäußerte Wünsche nicht fremd. Sie gingen meist einher mit der persönlichen Bitte um Diskretion und einer wohlwollenden Überarbeitung eines medialen Beitrags, der nach seiner Publikation noch einmal revidiert und den Bittsteller in einer zweiten Veröffentlichung in einem besseren Licht erscheinen lassen sollte. In den meisten dieser Fälle handelte es sich um Skandale, Leichen im Keller oder unbequeme Wahrheiten, die den Ruf bekannter Menschen extrem schädigen konnten, gleichwohl aber zu den originären Aufgaben des investigativen Journalismus gehörten.

    An diesem Abend beschäftigten sich Hartmanns Gedanken jedoch weniger mit solchen Vorkommnissen. Den Grund dafür kannte er. Das widerliche Manuskript seiner Lesestunde ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Dieses kleine, eigentlich unbedeutende Papier gestohlener Dichtkunst hatte es tatsächlich geschafft, dem Literaturliebhaber die Sicht auf andere, wichtigere Themen, wie zum Beispiel das Anliegen des Ministers, zu verhageln. Hartmann war eben mehr Literaturfreund als Politiker. Dennoch konnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Medienkonzernchef irgendwann doch noch der Bitte des Ministers nachkommen und pro forma mit dem Redaktionsteam über die Angelegenheit reden würde.

    In der anschließenden Nacht schlief Hartmann schlechter als sonst. Durchschlafen konnte der Konzernchef seit Jahrzehnten ohnehin nicht mehr. Etwa seitdem er den Posten des Vorstandsvorsitzenden bekleidete, ließen ihn die operativen und strategischen Aufgaben nachts nur noch stundenweise zur Ruhe kommen. Dass er aber, wie in dieser Nacht, noch nicht einmal ansatzweise in den Schlaf finden konnte, war ihm gänzlich unbekannt. Sicher, es gab Situationen, da machte er durch, wie schon ein paar Mal an Silvester oder wenn auf Geschäftsreisen die Zeitverschiebungen einen Nachtschlaf verbaten. Dass es ihm aber trotz Müdigkeit partout nicht gelingen konnte in den Tiefschlaf zu gelangen, ärgerte ihn nun maßlos und zunehmend. Der Grund lag auf der Hand. Das Drecksmanuskript wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. Es hatte sich in das Gedächtnis des Lesefreundes gefressen - unerlaubt, aufdringlich und schlafraubend.

    So sehr sich der Gequälte Stunde um Stunde auch anstrengte, zur Ruhe zu kommen, so wenig gelang es ihm. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, mit unterschiedlichster Lektüre entspannende, in den Schlaf führende Müdigkeit zu erzeugen, stand er aus dem Bett wieder auf und ging - durch das Schlafzimmer, über den Flur und im Wohnzimmer auf den abgesetzten Rändern des teuren Perserteppichs, den er einst von einem Iranbesuch mitbrachte, bei dem er zur Wirtschaftsentourage der Kanzlerin gehört hatte. Hartmann zählte – mal seine Schritte, mal die Muster, schließlich die Fliesen seines Badezimmers. Aber es half nichts. Schlaftabletten hatte er nicht, weil er Abhängigkeit verabscheute. Der zwischenzeitlich angeschaltete Fernseher befreite ihn ebenso nicht von der Last wie die eingelegte CD mit klassischer Musik. Selbst das Grübeln über das Grübeln zwang die Wachheit nicht zur Aufgabe. Schließlich, draußen wurde es langsam hell, sank er auf dem Teppich nieder und glitt erschöpft für eine knappe Stunde in den unterwachen Zustand. Als seine Frau ihn wie immer um 5 Uhr 30 wecken wollte, fand sie ein leeres Bett vor. Hartmann stand schon wieder unter der Dusche und plante die Tagesstrategie, erschöpft und unausgeschlafen zwar, aber pflichtbewusst und unnachgiebig, wie er es gelernt hatte, wenn es um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ging.

    Auf die Anweisung, das als Leseprobe eingereichte Kapitel noch einmal vorzulegen, zudem das gesamte Manuskript zu beschaffen und den Verfasser des Plagiats einzubestellen, reagierte Dr. Schneider verwundert: „Ich dachte, Sie hielten die Leseprobe für unwürdig, nur noch einen Deut weiter gelesen zu werden."

    Bebend schaute Hartmann seinem alten Weggefährten in die Augen. „Solchen Dieben, lieber Doktor Schneider, muss das Handwerk gelegt werden. Und zwar ein für alle Mal! Wenn Sie meine Nacht erlebt hätten, würden Sie verstehen, dass nur die persönliche und direkte Auseinandersetzung mit diesem Betrüger wenigstens ein Mindestmaß befriedigender Genugtuung und nachhaltiger Abstrafung verschafften kann. Schließlich will ich wieder wenigstens einigermaßen schlafen können. Also her mit dem gesamten Manuskript, damit ich diesem Verbrecher der Schöpfungshöhe die Gesamtheit seiner widerlichen Taten nachweisen und um die Ohren hauen kann! Und laden Sie den Kerl in 14 Tagen zu mir ein! Das Sekretariat soll einen frühen Vormittagstermin suchen, damit der Lump möglichst früh aufstehen muss."

    Hartmann wusste aus der Fußzeile des Manuskripts, dass der Verfasser, ein unbekannter Autor namens Gernot Lammroth, in Berlin beheimatet war, und richtig viel zu tun haben würde, an einem frühen Vormittag in Gütersloh, dem Hauptsitz des Konzerns, zu erscheinen.

    Vierzehn Tage später stand der Täter vor ihm. Der Dieb teuerster Literatur. Der Räuber wertvollster Dichtkunst. Der Mann, der Hartmann um den Schlaf gebracht hatte. Von Wuchs schien der Mann nicht gerade groß, vielleicht um die 1 Meter 70. Ein kleiner Wicht, urteilte der Verlegerkönig. Dazu die aus Hartmanns Sicht wirklich gräuliche Kleidung: braune Cordhose, ein verwaschener, ehemals wohl gelber Pollunder, darüber auf einem karierten Hemd ein abgestoßener Kragen, der unter einem beigefarbenen, mindestens 30 Jahre alten Sakko einen runden Kopf ohne Hals hielt. Die langsam ausgehenden Haare hatte der Besucher sorgsam nach links gekämmt. Wohl um Ordnung bemüht, dachte sich Hartmann, und um den Anschein eines sittsam-seriösen Mannes zu erwecken. Das Gesicht des Frevlers zeigte erstaunliche Frische. Rosa Teint, glatte Haut, tadellos rasiert, mit übel duftendem Rasierwasser balsamiert, vielleicht auch mit einem Gel der billigsten Sorte.

    Um sich keine Blöße zu geben, begrüßte Hartmann den Mann, der sich so frech wie hinterhältig an der Kunst vergriffen hatte, förmlich und bat ihn Platz zu nehmen. Der Übeltäter wählte zum Sitzen einen Eckplatz auf der großen, weißen Couch, die in Hartmanns Büro stand, und stellte einen mitgebrachten Diplomatenkoffer aus den frühen achtziger Jahren dicht an seine Füße.

    Hoffentlich führt der Kerl keine Bombe in dem Koffer mit, überlegte Hartmann, um sich und mich in die Luft zu sprengen, falls das Gespräch nicht in die gewünschte Richtung läuft. Vorher jedoch würde er dem Kerl aber noch kräftig den Marsch blasen. Hartmann nahm gegenüber seinem Gast in einem Sessel Platz, der ebenfalls zur Garnitur gehörte.

    „Nun, Herr Lammroth, Sie werden sich vermutlich wundern, warum Sie ausgerechnet der Vorstandsvorsitzende des Konzerns eingeladen hat", eröffnete Hartmann das Gespräch.

    „Nun ja, antwortete der Angesprochene, „ich vermute wegen meines Manuskripts.

    „Sie sind ein schlaues Kerlchen, höhnte Hartmann, aber nicht schlau genug. Wer, zum Teufel, hat Sie denn glauben lassen, dass Sie mit dieser Masche durchkommen?"

    Der Frevler blickte Hartmann fragend an. „Entschuldigung, aber von welcher Masche sprechen Sie?"

    „Von welcher Masche ich spreche?, erzürnte sich Hartmann. „Von dem geistigen Diebstahl, dessen Sie sich durchgehend schuldig gemacht haben. Ihr gesamtes Manuskript trotzt vor Plagiaten. Bald kein einziger Satz, den ich in Ihrem Teufelswerk fand, stammt aus Ihrer Feder. Sie haben gestohlen, wo Sie nur konnten – vornehmlich bei den Größten der Dichtkunst. Der Erzürnte rückte seine vor Aufregung ein Stück heruntergerutschte Brille zurecht und fuhr fort: „Selbst vor der Bibel haben Sie nicht haltgemacht!"

    Lammroth unterbrach den Redeschwall seines Peinigers: „Falls Sie mein Manuskript durchgehend und vor allem aufmerksam gelesen haben, müsste Ihnen aufgefallen sein, dass ich auch jeweils einen Satz aus dem Koran, dem Tanach der Juden und dem Tripitaka, dem Kanon der Schriften des Buddhismus, sowie weiterer maßgeblicher Religionsschriften verwendet habe."

    „Verwendet?, ereiferte sich der Literaturexperte, „Sie haben nicht verwendet, Sie haben entwendet! Kaltblütig gestohlen. Sich in der Weltliteratur bedient, wo Sie nur konnten. Um auf eine ganz faule, miese und fiese Art von den größten Koryphäen unter den Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu stehlen. Um zu nehmen, was nicht Ihnen gehört. Um auf eine ganz dreckige und billige Art zu profitieren. Pfui, sind Sie ein Schwein!

    Nachdem Hartmann fertig war, holte er erst einmal tief Luft. Sein Gegenüber schaute den Medienmogul mit Unverständnis an. Dann äußerte Lammroth sich, leise und wenig beeindruckt: „Erstens wird es auch nicht besser, wenn Sie andauernd betonen, dass ich gestohlen hätte. Und zweitens muss ich anscheinend meine Hoffnung begraben, in Ihnen jemand gefunden zu haben, der den eigentlichen, den tieferen Sinn dieses umfassenden Manuskripts, ich möchte sogar sagen: der den wahren Wert dieses monumentalen Universalwerkes erkennt und würdigt."

    Hartmann war baff. Was nahm sich dieser Kerl, dieser Verbrecher heraus? Und was glaubte dieser Betrüger, würde aus diesem, naja, immerhin - und mit viel Wohlwollen betrachtet - noch einigermaßen ordentlich zusammengestrickten Manuskript ein monumentales Universalwerk werden lassen? Er fragte nach: „Was in aller Welt lässt Sie annehmen, dass Ihr aus Betrug, Diebstahl und Raub zusammengestellter Text ein Universalwerk werden lässt?"

    Lammroth beugte sich sichtlich enttäuscht vor. „Es geht im Eigentlichen weniger um die Geschichte, die das Buch erzählt. Wenngleich der Plot, mit viel Aufwand entwickelt, sich durchaus sehen lassen kann. Es geht vielmehr um die Rettung der Dichtkunst, was sag‘ ich, es geht im Prinzip um die Rettung der gesamten Literatur."

    „Erklären Sie sich weiter!" Hartmann verstand nicht, warum er dies gerade gesagt hatte, anstatt den Kerl gleich wieder vor die Tür zu setzen.

    Lammroth folgte der Aufforderung: „Sehr geehrter Herr Hartmann, vielleicht hören Sie mir erstmal einen kurzen Augenblick zu, bevor Sie mich weiter beleidigen! Wir alle wissen doch, dass die Menschheit das Lesen mehr und mehr vernachlässigt. Die visuellen Reize des Fernsehens, der Filmkunst, der Computer und Smartphones lassen das Lesen mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Unsere Kinder leiden unter einem akuten Mangel an Phantasie, weil sie zu wenig oder gar nicht mehr Bücher oder wenigstens längere Texte lesen. Sie

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