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Der Hamlet und die Schokolinse: Vom Kindsein und Schreiben oder: Mein schrecklich-komischer Weg zum Schriftsteller
Der Hamlet und die Schokolinse: Vom Kindsein und Schreiben oder: Mein schrecklich-komischer Weg zum Schriftsteller
Der Hamlet und die Schokolinse: Vom Kindsein und Schreiben oder: Mein schrecklich-komischer Weg zum Schriftsteller
eBook125 Seiten1 Stunde

Der Hamlet und die Schokolinse: Vom Kindsein und Schreiben oder: Mein schrecklich-komischer Weg zum Schriftsteller

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Über dieses E-Book

Bernd Mannhardt erzählt von früher:
Als Dreikäsehoch wird er oft bei den Großeltern geparkt, die im Neuköllner Kiez wohnen. Von ebendort schwärmt er nun gedanklich aus zu Stationen seines Lebens, die für die spätere Schriftstellerei prägend sind.
Herausgekommen sind Geschichten, die vom "erzählenden Ursatz" des Kindes über die "Brachial-Lyrik" des Schülers bis hin zu den "launigen Kriminalromanen" des Erwachsenen reichen. Die Gedanken laufen dabei über einen Querfeldein-Parcours: Kein Weg der Erinnerung ist geradlinig im Niemandsland zwischen Wahrheit und Dichtung. (Klappentext)

"Autobiografische Zeitreise – gekonnt humorvoll in Szene gesetzt!"
(Birgit Kleffmann / wir-besprechens.de)

"Zudem sorgen die Berichte zahlreicher Fettnäpfchen, die er erklomm und auch so manch Missgeschick, das ihm widerfuhr, für viel Vergnügen, sodass man das Büchlein eigentlich mit einem Dauergrinsen im Gesicht lesen kann." (Lovelybooks)
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum23. Nov. 2020
ISBN9783753123080
Der Hamlet und die Schokolinse: Vom Kindsein und Schreiben oder: Mein schrecklich-komischer Weg zum Schriftsteller
Autor

Bernd Mannhardt

Bernd Mannhardt veröffentlichte 1994 seinen ersten Krimi „Solowetz oder: Warte, warte nur ein Weilchen“ beim WDR als Hörspiel. Das Roman-Debüt "Schlussakkord", ein Krimi, erschien 2015 beim Be.Bra Verlag als Reihentitel. Es folgten weiter Kriminalromane. Neben Mordsfidele Geschichten für quietschvergnügte Leser schrieb Bernd Mannhardt auch Rezensionen für das Stadtmagazin Zitty, Feature für DeutschlandRadio und Kurzhörspiele für WDR und HR. Zwei Einakter wurden uraufgeführt. Der Autor lebt in Berlin und ist seit vielen Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Er ist Mitglied im Syndikat, Autorenvereinigung deutschsprachige Kriminalliteratur und im VS, Verband deutscher Schriftsteller. Ausführlichere biografische Angaben stehen auf WIKIPEDIA.

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    Buchvorschau

    Der Hamlet und die Schokolinse - Bernd Mannhardt

    Der Hamlet und die Schokolinse

    Zum Buch

    Zitat

    Der Hamlet und die Schokolinse

    Der Nachttopf und das Tierkreiszeichen

    Der Friedhof und die Domestizierung

    Der Friseur und das Kammerspiel

    Der Zauberkönig und die Sangeslust

    Der Landeplatz und die Fantasie

    Impressum

    Zum Buch

    Bernd Mannhardt erzählt von früher: Als Dreikäsehoch wird er oft bei den Großeltern geparkt, die im Neuköllner Kiez wohnen. Von ebendort schwärmt er nun gedanklich aus zu Stationen seines Lebens, die für die spätere Schriftstellerei prägend sind.

    Herausgekommen sind Geschichten, die vom »erzählenden Ursatz« des Kindes über die »Brachial-Lyrik« des Schülers bis hin zu den »launigen Kriminalromanen« des Erwachsenen reichen. Die Gedanken laufen dabei über einen Querfeldein-Parcours: Kein Weg der Erinnerung ist geradlinig im Niemandsland zwischen Wahrheit und Dichtung.

    »Autobiografische Zeitreise – gekonnt humorvoll in Szene gesetzt!«

    (Birgit Kleffmann / wir-besprechens.de)

    „Zudem sorgen die Berichte zahlreicher Fettnäpfchen, die er erklomm und auch so manch Missgeschick, das ihm widerfuhr, für viel Vergnügen, sodass man das Büchlein eigentlich mit einem Dauergrinsen im Gesicht lesen kann." (lovelybooks.de)

    Zitat

    Ich entdeckte,

    je mehr ich zurückging,

    dass die Dinge besser gewesen waren,

    ob sie nun passiert sind oder nicht.

    Mark Twain

    Der Hamlet und die Schokolinse

    Am in Rede stehenden Samstag kochte Großmutter vor: Es würde Eintopf geben, war ich mir sicher, mit Linsen oder Bohnen oder Erbsen … ach, da wäre vieles möglich … aber Kartoffeln, ja, die würden ganz bestimmt wieder mit hineinkommen in den blauen Topf aus Emaille. Aus meiner Perspektive des Dreikäsehochs – ich mochte fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein – kam mir Großmutters Pott übergroß vor; er fasste gewiss, so dachte ich, Mahlzeiten für einhundert, wenn nicht zweihundert Personen!

    Mittags hatte es den Rest Kohleintopf mit Rindfleisch gegeben, von gestern oder vorgestern. Ja, bei Großmutter gab es zwei oder drei Tage hintereinander denselben Eintopf, was auch wirtschaftliche Gründe hatte. In den Sechzigern erwirtschafteten im Westen des Landes und dem Statistischen Bundesamt nach in Vollzeit beschäftigte Männer durchschnittlich knapp fünfhundert, Frauen gut dreihundert Mark. Demnach war es schon gut, dass sich Eintöpfe vergleichsweise preiswert zubereiten ließen und ergiebig ausnahmen.

    Ich könnte, ein Sprichwort zitierend, auch sagen: Unterm Strich hatte Großmutter aus der Not eine Tugend gemacht. Denn je öfter sie das Mittagessen erwärmte, desto besser schmeckte es.

    Als kleiner Junge war ich oft bei den Großeltern zu Besuch – von Freitag bis Sonntag. Von daher rufen Eintöpfe meine Kindheitserinnerungen wach und duften für mich nach wie vor nach Nestwärme. Mit fünfzig Jahren Abstand weiß ich nun nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob ich die Eintöpfe deshalb so mochte, weil Großmutter gut kochte, oder deshalb, weil ich Großmutter so mochte.

    Hm – dermaßen schlängelt das Sinnieren über längst vergangene Tage. Das kann auch gar nicht anders sein – Memoiren … Gedanken laufen über einen Querfeldein-Parcours, und kein Weg der Erinnerung ist geradlinig im Niemandsland zwischen Wahrheit und Dichtung. Ja, mein Dilemma hat einen Namen: autobiografisches Gedächtnis. Das funktioniert in räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht bedingt, auf alle Fälle nicht dokumentarisch, und kognitiv sowie emotional nur selektiv.

    Tja, was soll ich da machen? Gedanklich reaktivierte Geschehnisse geben wenig Auskunft darüber, was einst wirklich geschah. Dafür illustrieren sie aber, wie Psychologen das – meines Erachtens etwas unsexy – nennen, ein »konstruiertes Selbstkonzept«. Immerhin das ist drin!

    In Gänze verschollen sind indes die Geschichten, die sich zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr zugetragen haben: Sie sind meiner »infantilen Amnesie« zum Opfer gefallen, was ich jetzt, bitteschön, nicht als Individualproblem missverstanden wissen möchte. Danke!

    Not und Tugend – im Fall meiner Großeltern tatsächlich nur ein Sprichwort. In ökonomischer Klemme steckten sie vermutlich deshalb nicht, weil Großmutter und Großvater gemäß ihren Verhältnissen lebten – das heißt auch, dass sie preiswerten Wohnraum unterhielten, dort in Neukölln: Altbau, Hinterhaus, erste Etage links. Zur Toilette mussten sie im Hausflur noch auf halbe Treppe steigen.

    Die Umgebung des Domizils der Großeltern, geprägt von Mietskasernen aus der Gründerzeit, erinnere ich als mausgrau, obschon der Hinterhof begrünt war und Bäume die Hermannstraße säumten. Zwar gab es keinen Stadtpark dort, in unmittelbarer Nähe zur Einflugschneise des Flughafens Tempelhof, aber der St. Thomas-Kirchhof auf der einen und der St. Jacobi- sowie der Jerusalem-Friedhof auf der anderen Seite der Straße hielten auch für Spaziergänger ihre Pforten bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet.

    Die Anwohner zwischen Jonas- und Thomasstraße waren, wie meine Großeltern, Leute von bodenständigem Schlag. Für einen Kiezbummel trimmten sie sich nicht auf schickimicki – so schnieke wie die flanierenden Touristen auf dem Westberliner Boulevard, dem Ku’damm, von dem ich im Übrigen annahm, dass dort einst phonetisch ähnlich klingende Nutztiere gegrast hätten.

    Das jedenfalls antwortete ich Großvater auf seine Frage, ob ich im Bilde sei, warum der Ku’damm so heiße, während wir beide nach dem Mittagessen – Kohleintopf mit Rindfleisch, Sie erinnern sich? – durch den Kiez spazierten.

    Großvater lachte laut und sagte, dass das mit den Kühen nicht stimme. Die Namensgebung, klärte er auf, habe mit dem Hause der Hohenzollern zu tun, also mit dem Hector, genauer gesagt Joachim II., seines Zeichens Kurfürst von Brandenburg.

    Ach so – nun wusste ich Bescheid. Aber was waren bloß Hohenzollern? Und Hector klang für mich eher nach Schäferhund. Die Sache mit dem Ku’damm schien einigermaßen kompliziert zu sein. Sie interessierte mich aber nicht so sehr, dass ich nachgefragt hätte. Ich nahm es hin, merkte mir aber: Noch mal von Kühen zu reden, lässt du besser sein!

    Jahre später las ich in einem Buch, dass das, was Großvater gesagt hatte, stimmte. Darüber hinaus erfuhr ich, dass sich der Ku’damm vom Berliner Stadtschloss bis zum Jagdschloss Grunewald schlängelt – als Reitweg für Hector. Wow!

    »Echte Berliner gehen da nicht hin«, sagte Großvater. »Da treffen sich nur Touristen und Verbrecher.« Wie er zu dieser Einschätzung kam, blieb sein Geheimnis – auch das steckte ich weg. Was hatte ich mit Touristen zu tun oder mit Verbrechern? Eben.

    Wir drehten unsere gewohnte Runde um die Häuserblocks der Hermannstraße, rechtsherum, schlenderten über die Thomas-, die Altenbraker- und die Jonasstraße.

    Ich begleitete Großvater gerne, weil ich von ihm neben langweiligen Erklärungen zu Straßennamen auch für mich wirklich Interessantes erfuhr, beispielsweise, dass Geld auf der Straße liege, man müsse nur genau hinsehen. Tatsächlich entdeckte Großvater, kaum hatte er davon gesprochen, auf dem Trottoir vor sich eine Münze aus Kupfer. Er blieb stehen, bückte sich und hob das Geldstück auf. Lächelnd ließ er mich wissen: »Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.«

    Ich hatte zwar keine Ahnung, was ein Taler war, aber die Botschaft war angekommen: Immer schön die Augen auf, Junge!

    Auf Höhe der Jonasstraße gab es für mich die dritte und, wie ich auch heute noch meine, nützlichste Lektion des Tages: Großvater brachte mir bei, wie man die mit rosa Zuckerguss ummantelten Schokolinsen – die er, wenn wir spazieren gingen, stets bei sich führte – ausdauernd im Mund behielt.

    »Nicht zerkauen«, sagte er, »nur lutschen!«

    Großvater hatte gut reden: Das war viel einfacher gesagt als getan, stellte ich fest.

    Wohl zu meiner Motivation lobte Großvater spontan einen Wettbewerb aus: »Wer von uns beiden behält die Schokolinse am längsten im Mund?« Zu gewinnen gäbe es den eben gefundenen Pfennig, sagte er.

    Ich gab mir alle Mühe – verlor aber. Das machte mir wenig aus, denn als Trostpreis bekam ich eine neue Schokolinse.

    Großvater war klasse. Er kam immer wieder auf neue Geschichten, wohl um den Spaziergang für mich nicht langweilig werden zu lassen.

    »Weißt du, was ein Charlottenburger ist?«

    »So heißen die Leute, die in Charlottenburg wohnen.«

    »Ja, aber nicht nur.«

    Ich zuckte ratlos mit den Schultern.

    »So nennt sich auch das Schnauben ohne Taschentuch.« Wir blieben stehen. »Du musst das eine Nasenloch mit dem Daumen zuhalten und über das andere die Luft rauslassen – so kräftig, wie du kannst!«

    Ich blickte ihn fragend an.

    »Ich mach’s mal vor.«

    Großvater legte sich ins Zeug: Er neigte seinen Kopf schräg zur Bordsteinkante, und es folgte ein kurzes, heftiges Zischen, das eindeutig von seiner Nase ausging.

    »Ah!«, rief ich, als der Rotz so zielsicher den Rinnstein traf wie ein Pfeil ins schwarze Feld.

    Er blickte mich herausfordernd an. »Ganz einfach«, behauptete er.

    Aber von wegen! Mein Versuch, den Charlottenburger zu geben, endete mit dem Benetzen meines Jackenärmels.

    »Probieren geht über Studieren«, tröstete Großvater. Er nestelte ein blaugraues Stofftaschentuch mit Karomuster hervor und rieb mir damit den Ärmel sauber, während er sich wie Bolle amüsierte. Ich glaube zu erinnern, dass das Tuch vorher schon einmal benutzt worden war: Großvater schlug es in der Luft heftig auseinander, denn der »Rotzwimpel«, wie er es nannte, schien etwas verklebt.

    Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir ein, dass Großvater ganz allgemein ein eher ungezwungenes Verhältnis zu Körperflüssigkeiten hatte. Ich erinnere genau, dass er im Wohnzimmer unterm Tisch ein halbvoll mit Wasser gefülltes Einwegglas zu stehen

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