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Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass
Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass
Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass
eBook276 Seiten3 Stunden

Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass

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Über dieses E-Book

"Die Pferdesoldaten" bietet spannende Western aus der Zeit der nordamerikanischen Indianerkriege. Die in sich abgeschlossenen Abenteuer stellen die U.S. Reitertruppen in den Jahren zwischen 1833 und 1893 vor. Entgegen der üblichen Western-Klischees bietet der Autor dabei tiefe Einblicke in Ausrüstung, Bewaffnung und Taktiken, die sich im Verlauf der Jahre immer wieder veränderten. Schicke gelbe Halstücher und Kavallerie mit Repetiergewehren wird der Leser hier nicht finden, wohl aber Action mit einem ungewohnten Maß an Authentizität.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. Dez. 2020
ISBN9783752927115
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    Buchvorschau

    Pferdesoldaten 12 - Hinterhalt am Milton-Pass - Michael Schenk

    Kapitel 1 Überfall auf „Nummer 12"

    Pferdesoldaten 12

    Hinterhalt am Milton-Pass

    Military Western

    von

    Michael H. Schenk

    © M. Schenk 2020

    Zug „Nummer 12" hatte den Milton-Pass hinter sich gelassen und machte Zwischenstopp an einem der Versorgungspunkte, die entlang der Strecke verteilt waren. Er lag unmittelbar am östlichen Zugang des Passes. Hier konnten die Lokomotiven Wasser und Holzvorräte auffüllen und es gab auch Sand für die Bremsanlage.

    Das typische rhythmische Hallen einer im Leerlauf befindlichen Dampfmaschine mischte sich mit dem gelegentlichen Zischen, das entstand, wenn Lokomotivführer Jim Buttons etwas Druck abließ. Er saß auf dem Sitz im Führerstand seiner „12", behielt die Anzeigen, Ventile, Stellräder und Hebel im Auge und warf nur gelegentlich einen kurzen Blick zu seinem Heizer Joe Ganter, der mit drei männlichen Passagieren dabei war, die Holzscheite aus dem Vorratspunkt auf den Tender hinaufzuwerfen und dort sorgfältig zu stapeln. Zuvor hatten sie das schwenkbare Rohr des auf Stelzen stehenden Wassertanks genutzt, um den Kessel aufzufüllen. Eine durchaus gefährliche Arbeit, da dieser unter Druck stand und heißen Dampf absonderte. Doch Joe war, ebenso wie Jim und der Rest des Zugpersonals, ein erfahrener Eisenbahner und kannte sich aus.

    Conducteur David Siles machte sich ebenfalls nützlich. Er übernahm eine von Jims Aufgaben und ging mit dem langstieligen Stahlhammer an den Wagen entlang und schlug immer wieder gegen die Räder und Kupplungen, um sie vom Eis zu befreien und ihre Funktion zu kontrollieren.

    „Nun macht schon, Jungs, trieb Siles die beiden Morrow-Brüder an. Jack und Ben waren jung und gehörten zu den frei geborenen Farbigen des Nordens. Sie waren die beiden Porter des Zugs. Die Packer, die für Be- und Entladen von Gepäck und Gütern verantwortlich waren. Im Augenblick spalteten sie Holzscheite, die eigentlich für den großen Kessel der „12 gedacht waren, in kleinere Teile, denn sie sollten in die Öfen der beiden Passagierwagen passen.

    Es war März des Jahrs 1864 und in Iowa herrschte tiefer Winter. Die Temperaturen lagen deutlich unter dem Gefrierpunkt und der Anblick der winterlichen Landschaft mochte seinen Reiz haben, der jedoch rasch verflog, wenn einem die Kälte in die Haut biss.

    Ganz hinten im Zug murmelte Carl Bessinger vor sich hin. Der Bremser war als mürrischer Einzelgänger bekannt und genoss die abgeschiedene Ruhe, die ihm das erhöhte Bremserhäuschen des Post- und Gepäckwagens bot. Bessinger hüllte sich lieber in Jacke und zusätzliche Decken, als in den Innenraum des Wagens zu steigen und sich dort, gemeinsam mit den Morrows, am Ofen aufzuwärmen. Im Augenblick widmete er sich ganz den Bremsen des Wagens, fettete das Gestänge und kratzte die Bremsbeläge sauber.

    Offiziell mochte Conducteur David Siles der Leiter des Zugs sein, aber jeder Mann der Besatzung akzeptierte, dass diese Aufgabe im Grunde Jim Buttons zufiel. Seine Erfahrung und seine Fähigkeiten waren es, die alles am Laufen hielten und die Maschine ins Rollen oder Stehen brachten. Wer einmal mit der „Harper & Bell Railroad" durch die gebirgige Landschaft des mittleren Iowa gefahren war, der erkannte das neidlos an.

    Die „Harper & Bell Railroad unterhielt die Strecke zwischen Sioux City, an der Grenze zu Dakota und Nebraska, und der großen Stadt Chicago in Illinois. Inzwischen gab es eine ganze Reihe privater Bahngesellschaften und Bahnlinien, doch die von „Harper & Bell gehörte sicher zu den schönsten, anspruchsvollsten und gefährlichsten. Sie führte über Ebenen und durch die südlichen Ausläufer der Cedar Mountains. Einer der aufregendsten Abschnitte war sicher die Passage durch den Milton-Pass. Steil aufragende Berghänge an der einen und ebenso steil abfallende Hänge auf der anderen Seite begleiteten die Reise auf etliche Meilen. Der Abstand zwischen dem Zug und den Felsen oder dem verhängnisvollen Abgrund betrug an vielen Stellen kaum ein Yard. Eigentlich zählten die Berge nicht als solche, denn ihre höchste Erhebung war der Hawkeye Point mit mageren fünfhundertneun Yards. Aber auch wenige hundert Yards konnten sehr beeindruckend sein, wenn der Anstieg der Felshänge entsprechend ausfiel.

    Die Fahrt war gefährlich, denn Felsen oder Bäume konnten auf das Gleis stürzen und ein Erdrutsch konnte es mit sich reißen. Dann bestand die einzige Überlebenschance darin, dass der Lokführer die Gefahr noch rechtzeitig genug erkannte, um darauf reagieren zu können. Es gelang nicht immer. Im vergangenen Sommer war die „Nummer 7" in die Tiefe gestürzt und hatte den gesamten Zug mit sich gerissen. Nur der Bremser hatte, wie durch ein Wunder, überlebt.

    Das war im Sommer gewesen und nun herrschte Winter, was das Risiko der Fahrt noch erhöhte. Es hatte oft und viel geschneit und mancher Baum duckte sich unter der Schneelast. Während der Fahrt durch den Milton-Pass hatte einer der Passagiere das Fenster geöffnet und auf einen Schneehasen geschossen. David Silas hatte ihn höflich und sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er das tunlichst zu unterlassen habe. Abgesehen von der eindringenden Kälte könnte der Knall des Schusses ein Schneebrett oder eine Lawine auslösen, was „Nummer 12" möglicherweise nicht bekäme, und ein Fußmarsch durch den hohen Schnee, selbst entlang der Gleise, sei höchst unerfreulich, da Rimrock Station noch über hundert Meilen entfernt sei. Der Passagier war einsichtig gewesen, zumal die Gesichter der anderen im Wagen eine zunehmende Unfreundlichkeit signalisiert hatten. Nun gehörte er zu jenen, die sehr bereitwillig die Holzscheite bewegten.

    „Nummer 12 bestand aus der Lokomotive, dem Tender und zwei Personenwagen mit jeweils vierundzwanzig Sitzplätzen. Anschließend folgten zwei geschlossene Güterwagen und der Postwagen mit dem Bremserhäuschen. Der gesamte Zug war in den Farben von „Harper & Bell gehalten. Der Hauptkörper der Lokomotive in hellem Grasgrün, von dem sich der trichterförmige Schlot des Schornsteins in tiefem Schwarz abhob. Die Räder und das Gehäuse des großen Scheinwerfers über dem Kessel schimmerten in kräftigem Rot. Rechts und links, an den Flanken des Führerstands, prangte der Schriftzug „H. & B. R.R. in goldenen Lettern, darunter, etwas kleiner, der Name, mit dem man Lokomotive „Nummer 12 bedacht hatte: „Pride of the Sioux. Wer etwas von den Indianern verstand, der durfte allerdings berechtigte Zweifel daran hegen, dass die in der Nähe lebenden Sioux tatsächlich viel von dem „eisernen Pferd hielten.

    Die Farbgebung wiederholte sich an den Personenwagen. Gelbe Holzaufbauten, mit roten Rädern, grünen Dächern und ebenfalls den goldenen Lettern der Bahngesellschaft. Die beiden Frachtwagen und der Postwagen waren hingegen durchgehend in Grün gehalten. An der Schiebetür des Postwagens stand in schwarzen Lettern „U.S. Mail, da „Harper & Bell für die Postverbindung zwischen Chicago und Sioux City verantwortlich war.

    Besonders Jim Buttons empfand Stolz auf seine „12. Sie gehörte zur Baureihe 4-4-0, was bedeutete, dass sie zwei vordere Spurräder, zwei Antriebsräder und keine sogenannten Folgeräder besaß, die man anbrachte, um das Gewicht einer Lok besser zu verteilen. Dennoch brachte es die „12 auf über neunundzwanzig Tonnen Gewicht und ihre angetriebenen Räder hatten einen stolzen Durchmesser von fünf Fuß. Damit waren sie ebenso groß wie der eher kleinwüchsige Heizer Joe.

    Abermals überprüfte Jim Buttons die Druckanzeige des Kessels und zog dann seine große goldene Taschenuhr hervor. Während er auf seinem Pfriem kaute, berechnete er die voraussichtliche Fahrtdauer nach Rimrock Station. Bei „Harper & Bell" legte man durchaus Wert auf die Einhaltung der Fahrpläne. Die Gleisstrecke war lang und, wie allgemein üblich, nur einspurig. Einmal täglich fuhren die Züge in beide Richtungen und Ausweichmöglichkeiten, durch ein paralleles Gleisstück, gab es nur an den Stationen und Bahnhöfen.

    Jim beugte sich aus dem Führerstand, spuckte Tabaksaft in den Schnee und suchte mit den Blicken nach seinem Heizer. „He, Joe, wie weit bist du? Ist höchste Zeit, wenn wir pünktlich in Rimrock eintreffen wollen!"

    Joe Ganter schwitzte, obwohl er im Augenblick nur seinen wollenen Einteiler und darüber eine blaue Latzhose trug. Er sah abschätzend auf den Tender und nickte dann. „Dürfte reichen."

    „Okay, dann lass wieder einsteigen, damit ich Dampf geben kann."

    Joe erhob seine Stimme. Wenn man bedachte, wie klein er von Statur war, so war deren Volumen umso erstaunlicher und hätte manchen Sergeant der Armee vor Neid erblassen lassen. „Hey, Siles, wir sind hier fertig!"

    David Siles blickte den Zug entlang und benutzte seine silberne Pfeife, um auf sich aufmerksam zu machen. „Alles einsteigen! Die Fahrt geht weiter!"

    Alle waren froh, der beißenden Kälte draußen zu entkommen. Die Männer, die beim Holzfassen geholfen hatten, traten an den kleinen Ofen, legten die Jacken und Mäntel ab und rieben sich die Hände. Es war eher eine Demonstration den anderen gegenüber, was sie gerade geleistet hatten, als ein echtes Bedürfnis, denn die Arbeit hatte sie warm gehalten. Immerhin erkannte der Conducteur ihre Leistung an, denn er schenkte ihnen großzügig Kaffee aus der großen Kanne ein, ohne diesen zu berechnen.

    Zu Beginn des Jahrs 1864 gab es auf den meisten Strecken noch keine Bewirtung der Fahrgäste. Jeder musste für sich selbst sorgen und in den Stationen und Bahnhöfen machte man gutes Geld damit, den Passagieren Getränke und belegte Brote anzubieten.

    Das Stampfen der Maschine steigerte sich und die großen Antriebsräder drehten einen Moment durch, bis Jim Buttons die Rohrdüsen betätigte und etwas Sand auf die Schienen abließ. Mit einem Ruck setzte sich Zug „Nummer 12" wieder in Bewegung.

    Der Aufenthalt am Versorgungspunkt hatte länger als geplant gedauert, doch er war notwendig gewesen. Eine Fahrt im Winter und noch dazu über einen Gebirgspass wie den von Milton beanspruchte den Zug und seine Ressourcen erheblich. Gleichgültig ob Steigung oder Gefälle, immer wieder musste Sand abgelassen werden, damit die Räder griffen, immer wieder musste der Bremser tätig werden, damit der Zug nicht zurückrollte oder zu hohe Geschwindigkeit aufnahm. Der Verbrauch von Sand, Wasser und Holz war wesentlich höher, als wenn der Zug durch die Ebene rollte.

    Ständig waren kleine Wartungstrupps der Bahngesellschaften unterwegs, um die Gleise zu prüfen, zu reparieren und die Versorgungspunkte mit ausreichendem Nachschub zu versorgen. Ohne die Arbeit dieser Männer, die man später kaum einer Erwähnung in den Geschichtsbüchern für würdig empfinden würde, wäre keine der Bahnen des Jahrs 1864 am Rollen geblieben.

    Der Zug war nicht voll besetzt. Die meisten der sechsunddreißig Passagiere hielten sich im zweiten Personenwagen auf, der weniger von Qualm umweht wurde, wenn der Wind diesen aus dem Schornstein nach unten drückte. Zwar waren die Fenster meist geschlossen, so dass er nicht eindringen konnte, aber er trübte durchaus die Sicht.

    Für Samantha Jordan Barrows war die Aussicht noch immer beeindruckend. Es war ihre erste Bahnfahrt und sie konnte sich an den wechselnden Landschaften kaum satt sehen. Die Achtzehnjährige war die Tochter eines Ranchers aus Arizona. Ein Territorium, welches weit im Osten und Süden der Staatenunion lag und sich aus dem Bürgerkrieg heraushielt. Dort hatte man genügend Probleme mit mexikanischen Banditen und wilden Indianern, vornehmlich den gefürchteten Apachen und Comanchen. Ihr Vater hatte Samantha, die man kurz „Sam" nannte, nur ungern auf die weite und gefährliche Reise geschickt und ihr zwei seiner besten Männer zum Schutz mitgegeben.

    Jeb Walters war der Vormann der Ranch. Hager, vorzeitig ergraut und mit einem mächtigen Vollbart fühlte er sich in dem ungewohnten Anzug eines Städters nicht wirklich wohl. Er sehnte sich nach seiner einfachen Arbeitsmontur und dem Rücken seines Pferds. Seinem Freund Atticus Todd erging es kaum anders. Dieser war der Bestman der Ranch, Zureiter für wilde Pferde und Stellvertreter von Jeb. Auch er war schlank, denn die Arbeit auf der Ranch ließ es kaum zu, dass der Körper überflüssiges Fett ansetzte. Auffällig an Atticus waren die ausgeprägten O-Beine, die verrieten, dass er den größten Teil seines Lebens im Sattel verbracht hatte.

    Nein, die beiden Cowboys fühlten sich nicht wirklich wohl, doch sie empfanden zugleich auch Stolz darüber, dass der „Boss" sie auserwählt hatte, Samantha zu begleiten und zu beschützen.

    Samantha Jordan Barrows war mit einhundertdreiundfünfzig Zentimetern nicht gerade groß und ein wenig rundlich, doch ihr mädchenhaft unschuldiges Gesicht, mit den großen blauen Augen und den vollen Lippen, weckte in jedem Mann sofort den Beschützerinstinkt. Ihre blonden Locken fielen bis weit über ihre Schultern. Samantha trug ein schlichtes blaues Reisekostüm, welches nicht unbedingt der neuesten Mode entsprach, aber den Vorzug bot, dass sie einige zusätzliche Taschen in die Innenseiten des Rocks eingenäht hatte. Normalerweise trug Sam den üblichen breitkrempigen Hut der Rinderhirten und hatte sich noch immer nicht mit der modischen „Pillendose" angefreundet, die sie mit einer langen Hutnadel in ihrer Haarpracht hatte befestigen müssen.

    Die drei unterhielten sich nur noch gelegentlich und mit knappen Bemerkungen. Sie waren schon etliche Tage und mit verschiedenen Bahnlinien unterwegs, hatten zwischendurch sogar einige Reiseabschnitte mit einer der Überland-Kutschen absolviert. Es lag eine beachtliche Distanz zwischen der Barrows Ranch in Arizona und der Stadt Chicago. Dennoch war die Fahrt über Land schneller als die Reise mit einem Schiff, bei dem man letztlich doch die Bahn oder Kutsche zum Ziel benutzen musste. Während der langen Fahrt hatten sie über nahezu alles gesprochen, was ihnen in den Sinn gekommen war, zwischendurch gedöst und dann wieder den Anblick der wechselnden Landschaft und der Tierwelt genossen.

    Noch immer lagen ein paar Tage Fahrt vor ihnen.

    Jeb Walters schob seinen breitkrempigen Hut, der modisch nicht zu seinem Anzug passte, in den Nacken und seufzte vernehmlich. „Ich hoffe, Sam, diese verdammte Fahrt ist bald zu Ende. Ehrlich gesagt, mir graut jetzt schon vor dem Gedanken, dass wir den ganzen verdammten Weg auch wieder zurück müssen."

    Samantha lächelte verständnisvoll. „Leider haben wir keine andere Wahl, Jeb."

    „Aber nur weil der Boss, bei allem Respekt, Missy, auf diesen verdammten Black Angus beharrt."

    Die beiden Männer wechselten häufig zwischen Samanthas Vornamen und „Missy, der Kurform des Begriffs „Misses, was in den südlichen Staaten durchaus üblich war. Für sie war Sam einfach noch zu jung, um mit „Ma´am" angesprochen zu werden.

    „Du weißt sehr gut, Jeb, warum das so ist, und ich bin froh, dass Dad so weit im Voraus plant. Der Fleischbedarf wird steigen und zwar enorm. Die Armee zahlt gutes Geld für Rinder."

    „Der verdammte Krieg wird ja wohl irgendwann vorbei sein, meldete sich Atticus zu Wort. Er hatte sich in die Ecke der Sitzbank gelümmelt und hielt das Gesicht mit seinem Hut bedeckt. „Dann braucht die verdammte Armee keine Rinder mehr.

    „Das wäre kurzsichtig gedacht, verteidigte die junge Frau den Standpunkt ihres Vaters. „Die Besiedelung des Westens schreitet voran. Schon 1862 hat Präsident Lincoln die Genehmigung zum Bau einer transkontinentalen Eisenbahn erteilt, welche den Westen und den Osten miteinander verbinden wird. Ist sie fertig, dann wird es Ströme von Siedlern geben. Die Einwohnerzahlen in den Städten wachsen schon jetzt enorm.

    „Mag so sein, Missy, aber niemand baut an dieser transkontinentalen Eisenbahn. Wegen dem Krieg, Missy."

    „Oh doch, man baut, wenn auch im Augenblick nur sehr langsam. Und wie du selbst gerade sagtest, wird der Krieg ja irgendwann enden."

    „Aber warum ausgerechnet Black Angus? Es gibt auch andere Rinder, bei denen wir nicht extra nach Chicago reisen müssten, knurrte Jeb. „Verdammt, Sam, ich habe jetzt schon Schwielen von dem langen Sitzen am Hintern.

    „Hat euch Dad das nicht schon x-mal erklärt?, seufzte sie. „Jungs, wir haben Tausende von Hereford Rindern und die kommen gut mit unserem Land zurecht. Aber die Black Angus Rinder aus Schottland sind nun einmal die besten Fleischlieferanten. Wenn wir sie in den ersten Jahren auf den Weiden grasen lassen und ein Jahr vor der Schlachtung zusätzlich mit Getreide und Mais füttern, dann liefern sie exzellentes Fleisch. Dunkelrot und fein marmoriert und mit einem geringen Fettanteil. Wenn wir die Black Angus mit unseren Herefords kreuzen können, dann erhalten wir robuste Rinder, die einen weiten Rinderauftrieb gut überstehen und die, selbst nach einem strapaziösen Treiben zu den Schlachthöfen, noch gut im Fleisch stehen und damit gutes Geld bringen.

    „Yeah, brummte Atticus verdrießlich, „und die einzige Gesellschaft, über die wir die blöden Black Angus bekommen, sitzt derzeit in Chicago. Warum, verdammt, ausgerechnet dort?

    Samantha zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Jedenfalls müssen wir nach Chicago, dort ein paar erstklassige Zuchtbullen einhandeln und den Transport der Tiere zu unserer Ranch klarmachen. Mit etwas Glück und dank der Verbindungen von Dad, wird man die Bullen nach Galveston in Texas verschiffen können. Von dort ist es über Land ja nicht so weit zur Ranch."

    „Es ist immer noch Krieg, Missy, mahnte Jeb leise. „Und ein paar fette Bullen sind ein reizvolles Ziel für Comanchen, Apachen und Banditen, von ausgehungerten Rebellensoldaten ganz zu schweigen. Wird gewiss nicht einfach, die Viecher zur Ranch zu bringen.

    Samantha lächelte verschmitzt. „Dad liefert Fleisch an die Unionsarmee und auch an die Konföderierten. Die Kommandanten der Unionsforts Buchanan und Coronado wissen das auch und dulden es. Dad ist klug und ich wette, er wird eine Eskorte der Konföderierten bis zur texanischen Grenze aushandeln und ab dort eine Yankee-Eskorte aus Camp Coronado."

    „Ja, der Boss ist ein schlauer Fuchs, räumte Jeb ein. Er zog die Jacke etwas enger um die Schultern. „Trotzdem, Missy, … ausgerechnet Chicago.

    Ein Ruck ging durch den Zug und Samantha hatte einen Moment Mühe, sich auf ihrem Sitz zu halten. Irritiert sah sie zum Fenster hinaus, konnte aber nichts Besonders erkennen. Da David Siles gerade durch den Wagen eilte, hielt sie ihn mit einem knappen Zuruf zurück. „Verzeihung, Mister Siles, warum halten wir? Wir haben Rimrock Station doch noch nicht erreicht, oder?"

    Siles lächelte. „Nein, Ma´am, wir haben noch gute vierzig Meilen bis Rimrock und dürften die Station erst in sechs Stunden erreichen, wenn alles rund läuft. Aber wir sind ein Flaggenzug und nehmen noch einen zusätzlichen Passagier auf."

    Jeb Walters richtete sich auf und schob seinen Hut in den Nacken. „Was, verdammt, ist ein Flaggenzug?"

    „Einige Züge werden als Flaggenzug ausgewiesen und sind verpflichtet, jeden zusätzlichen Fahrgast an Bord zu nehmen, der signalisiert, dass er mitfahren will, erklärte Siles. „Dazu reicht es aus, wenn er mit den Armen winkt oder mit dem Hemd oder Halstuch wedelt. Das bezeichnet man, wenn auch etwas übertrieben, als ‚Fahneschenken‘ und daher leitet sich der Begriff ‚Flaggenzug‘ ab.

    „Ah, danke, Mister Siles, das war mir nicht bekannt, räumte Samantha ein. „Und wo ist der neue Passagier?

    „Auf der anderen Seite, Ma´am. Wenn

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