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Pferdesoldaten 11 - Unter schwarzer Flagge
Pferdesoldaten 11 - Unter schwarzer Flagge
Pferdesoldaten 11 - Unter schwarzer Flagge
eBook306 Seiten3 Stunden

Pferdesoldaten 11 - Unter schwarzer Flagge

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Über dieses E-Book

"Die Pferdesoldaten" bietet spannende Western aus der Zeit der nordamerikanischen Indianerkriege. Die in sich abgeschlossenen Abenteuer stellen die U.S. Reitertruppen in den Jahren zwischen 1833 und 1893 vor. Entgegen der üblichen Western-Klischees bietet der Autor dabei tiefe Einblicke in Ausrüstung, Bewaffnung und Taktiken, die sich im Verlauf der Jahre immer wieder veränderten. Schicke gelbe Halstücher und Kavallerie mit Repetiergewehren wird der Leser hier nicht finden, wohl aber Action mit einem ungewohnten Maß an Authentizität.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum8. Aug. 2020
ISBN9783752912821
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    Buchvorschau

    Pferdesoldaten 11 - Unter schwarzer Flagge - Michael Schenk

    Kapitel 1 Sonderurlaub

    Pferdesoldaten 11

    Unter schwarzer Flagge

    Military Western

    von

    Michael H. Schenk

    © M. Schenk 2020

    Die Strecke führte von Omaha City nordwärts nach Sioux City und von dort westwärts am Niobrarah River entlang, in Richtung Fort Laramie. Das Eisenbahnnetz wuchs langsam, aber beständig, trotz der Widrigkeiten, mit denen seine Erbauer zu kämpfen hatten. Auf dem Weg durch die Sandy Hills war manche lange Steigung und manches Gefälle zu bewältigen. Wo es bergauf ging, musste die Lokomotive schwer arbeiten, um das Gewicht der Wagen zu ziehen. An den Gefällstrecken ließ der Lokführer immer wieder Sand ab und der Bremser, im letzten Waggon, bediente die Kurbel seiner Wagenbremse, damit der Zug nicht zu viel Geschwindigkeit aufnahm. Im Februar des Jahrs 1864 war das keine leichte Aufgabe, denn der Winter war hart, es lag Schnee und die metallenen Gleise waren an vielen Stellen mit Eis bedeckt.

    Am Niobrarah River entlang würde es leichter werden, denn die Schienen folgten dort dem Verlauf des Flussufers und es gab keine allzu großen Höhenunterschiede. Doch auch am Niobrarah gab es die Gefahr der Vereisung oder dass Bäume unter der Schneelast zusammenbrachen und auf das Gleis stürzten. Zudem konnten sich Felsbrocken von nahen Hängen lösen.

    Dies waren die natürlichen Risiken, denen ein Zug, seine Besatzung und die Passagiere ausgesetzt waren. Zusätzlich gab es die durch Indianer, Banditen oder Rebellen, die sich bis nach Nebraska wagten. Der Zug, der die Strecke im Augenblick befuhr, war für sie alle sicher eine besonders verlockende Beute, denn es war ein Versorgungszug der Unionsarmee. Zu dieser Jahreszeit gab es kaum Truppenbewegungen, denn es war zu kalt und verschneit für einen Feldzug, dafür wurden umso mehr Ausrüstungsteile, Waffen, Lebensmittel und sonstiger Nachschub transportiert. Wertvolle Beute, die sich zudem gewinnbringend verkaufen ließ. Versorgungszüge wurden daher durch eine mitfahrende Eskorte aus Infanteristen geschützt.

    Die Lokomotive, mit der Nummer „73 an der Front des Kessels, war in kräftigem Grün und Schwarz gehalten. In großen weißen Lettern prangte der Schriftzug „U.S.M.R.R. an den Seiten des Fahrstands und an denen des Holztenders. Dies stand für „United States Military Railroad".

    Zugmaschine und Tender folgten zwei Passagierwagen und vier Frachtwaggons, von denen der letzte, ganz hinten, von dem typischen Aufbau eines Bremserhäuschens überragt wurde. Von hier konnte der Bremser die gesamte Länge des Zugs nach vorne überblicken. Ein wichtiges Hilfsmittel, denn Dampfpfeife und Armbewegungen der Lokomotivbesatzung waren es, die anzeigten, ob die Hilfe der hinteren Radbremsen benötigt wurde.

    Dieser hintere Bremserwaggon war oftmals zugleich auch der Postwagen, in dem jene Dinge transportiert wurden, die man der U.S. Mail anvertraute. Vom einfachen Brief bis hin zu hohen Geldbeträgen, die in bar vom Absender zum Empfänger gebracht wurden. So zeichnete sich dieser letzte Wagen durch die Besonderheit aus, dass die großen seitlichen Schiebetüren von innen verschlossen werden konnten, es einen Tresor an Bord gab und einen kleinen Sibley-Ofen, der im Winter den Postmeister und den Bremser wärmte.

    Die Passagiere in den Personenwagen hatten es da durchaus komfortabler. Es gab bequeme Sitzbänke, Lichtschutzgardinen an den großen Fenstern, zwei Öfen, an den Enden des durchgehenden Abteils, und einen Conducteur, der sich nicht nur um die Fahrkarten, die Billets, kümmerte, sondern auch für das Wohl der Fahrgäste zuständig war. Dabei konnte er allerdings nur eine Handvoll wärmender Wolldecken und etwas heißen Kaffee oder Tee anbieten. Die Fahrgäste auf den Strecken im Westen waren nicht verwöhnt und darauf eingerichtet. Jeder war in der Lage, sich während der Fahrt selbst zu versorgen. Es würde noch Jahre dauern, bevor kleine Schubwagen mit Getränken und Snacks durch die Gänge rollen würden oder an den Bahnstationen ein Imbiss „to go" angeboten werden würde.

    Die hölzernen Außenteile der Wagen des Zugs waren in kräftigem Gelb, die Metallteile in Schwarz gehalten. An den Flanken prangte der Schriftzug einer privaten Bahngesellschaft. Wie so viele Züge und Streckenabschnitte waren sie für die Dauer des Bürgerkriegs der militärischen Verwaltung des Kriegsministeriums unterstellt. Militärische Belange gingen vor. Der Krieg währte nun schon vier Jahre und es war noch immer kein Ende abzusehen.

    Zug Nummer „73" hatte einen ganzen Tag Verspätung. Er hatte in Sioux City warten müssen, bis der entgegenkommende Zug aus Laramie passiert hatte. Auf den eingleisigen Strecken gab es keine Ausweichmöglichkeiten und es gab auch keine Signalmasten, die einen Zugführer darauf hätten hinweisen können, ob die Strecke vor ihm frei war. Eine bedeutsame Erleichterung war der Umstand, dass die Bahnstationen mittlerweile durch das ebenfalls wachsende Telegrafennetz miteinander verbunden waren, so dass das Zugpersonal, beim Halt an einer Station, über die Situation informiert werden konnte. Jede Siedlung entlang einer Strecke besaß eine Station und bei den größeren gab es ein Stück Nebengleis, welches das Passieren der Züge ermöglichte. Die Eisenbahn erhielt immer größere Bedeutung beim Transport von Menschen, Tieren und Waren.

    War die Strecke zwischen zwei Stationen sehr lang, so richtete man Versorgungspunkte ein. Dort standen Wassertürme. Gestapelte Holzscheite lagen bereit, um die ewig hungrigen Loks zu füttern. Bahnarbeiter sorgten für den erforderlichen Nachschub und sogenannte Streckenreiter patrouillierten entlang der Schienen, um Schäden oder Hindernisse zu beseitigen oder rechtzeitig zu melden.

    Für die wenigen Passagiere von „Nummer 73" war es eine lange und einsame Fahrt. Sie waren tagelang in einer winterlich verschneiten Landschaft unterwegs und irgendwann verlor ihre Betrachtung an Reiz. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass man gelegentlich einen Bären oder ein paar Büffel, Elche oder Wildpferde zu Gesicht bekam.

    Während der erste Passagierwagen und der vorletzte Frachtwaggon den fünfundzwanzig Infanteristen der Eskorte vorbehalten waren, nutzten die wenigen Passagiere dieser Fahrt den zweiten Wagen. Dort saßen zwei weibliche und sieben männliche Fahrgäste. Man unterhielt sich gedämpft, las oder spielte Karten, wenn man sich nicht ein Schläfchen gönnte. Diese Passagiere mussten allesamt eine Verbindung zum Militär haben, da sie sonst keine Passage in einem Versorgungszug erhalten hätten. Zudem nahm kaum jemand ohne triftigen Grund die Risiken und Beschwernisse einer Zugreise auf sich.

    Der einzige uniformierte Passagier im Abteil trug die Felduniform eines Majors der Kavallerie. Zu seiner Bequemlichkeit hatte der Mann den Säbel ausgehakt und den Revolver aus dem Holster genommen, doch beide Waffen waren griffbereit. Auch die anderen Fahrgäste waren ohne Frage bewaffnet. Die beiden Frauen besaßen sicherlich zumindest einen der kleinen Taschenrevolver, um sich bei einem Überfall verteidigen zu können.

    An Stelle seines schwarzen Feldhuts trug der Offizier ein Kepi. Das an der Front angenähte ovale Emblem zeigte die goldgestickten gekreuzten Säbel der Kavallerie und darüber die in Silber gestickte Regimentszahl „5. Die Adlerknöpfe der Jacke zeigten ein Schild mit dem Buchstaben „C ‒ für „Cavalry ‒ und wiesen ebenfalls auf den Offiziersrang hin. Noch weit aufschlussreicher war jedoch der kleine Handkoffer über dem Sitzplatz, der mit einem säuberlich beschrifteten Schild versehen war. „Major Matt Dunhill, 5th United States Cavalry war dort zu lesen. Der Anblick von Offizieren regulärer U.S.-Regimenter war, zumindest im hohen Norden von Nebraska, ungewöhnlich, da diese Einheiten im Osten oder Süden stationiert waren, wo sie gegen die Rebellen der Konföderation kämpften. Hier hätten die anderen Fahrgäste eher einen Angehörigen eines der vielen Freiwilligen-Regimenter erwartet.

    Der Major hatte ein fein geschnittenes Gesicht, aber die Falten und die von Wind und Wetter gezeichnete Haut verrieten, dass er kein Garnisonsoffizier war, sondern mit seinen Soldaten im Feld stand. Das dichte dunkle Haar zeigte an den Schläfen die ersten grauen Strähnen. Der typische Dragonerbart verriet, dass dieser Mann tief mit den Traditionen der berittenen Einheiten verwurzelt war.

    Der Kavallerie-Major war fraglos ein interessanter Mann. Vor allem für Damen, die sich auf der langen Zufahrt langweilten und einen kultivierten Gesprächspartner suchten. So war es nicht verwunderlich, dass sich die beiden weiblichen Passagiere schließlich erhoben und sich vorstellten, um dann mit der Frage anzuschließen, ob man nicht ein wenig Konversation pflegen könnte.

    Major Matt Dunhill war durchaus bereit, ein Gespräch zu führen und die Fragen der beiden Damen zu beantworten, da diese höflich und mit der gebotenen Zurückhaltung gestellt wurden. Dabei zeigte sich, dass es sich um die Ehefrau und die Tochter eines Offiziers handelte, der in Laramie stationiert war und der seine Lieben nun zu sich holte. So erteilte Matt bereitwillig Auskunft darüber, dass er Sonderurlaub hatte und nach Lenningstown reiste, um dort seine Frau zu treffen.

    Die ältere Dame konnte ihre Überraschung nicht verbergen. „Gütiger Gott, lieber Major Dunhill, da machen Sie aber einen weiten Umweg von Ihrer Garnison, um Ihre liebe Frau zu treffen. Sie sagten ja, diese komme aus Washington. Da wäre es für Sie beide doch wesentlich einfacher, sich in Ohio oder Kentucky zu treffen, anstatt ins abgeschiedene Nebraska zu fahren."

    Matt lächelte. „Da stimme ich Ihnen zu, Ma’am, aber wenn einem der General unerwartet Sonderurlaub gibt und den Wunsch äußert, man möge ihn in Nebraska verbringen, dann fragt man nicht groß, sondern packt den Koffer, bevor er es sich anders überlegt."

    Sie lachten herzlich und plauderten noch eine Weile, bevor sich die beiden Damen wieder zu ihrem Sitzplatz begaben, um sich auf den Ausstieg vorzubereiten. An der folgenden Station verließen sie den Zug.

    Matt erinnerte sich an die Landkarte und überschlug, dass er noch einhundertachtzig Kilometer fahren musste, bevor er endlich sein Ziel erreichte. Er nahm erneut die Zeitung auf, in der er gelesen hatte. Die New York Times war nun schon drei Wochen alt, doch der Leitartikel betraf Matt und seine Familie unmittelbar. Vor einigen Wochen hatte es ein Massaker in einem friedlichen Indianerdorf gegeben. Nun fand eine Anhörung statt, da der Befehlshaber der Truppe, ein gewisser Colonel Chivington, eines unprovozierten Angriffs und unmenschlicher Grausamkeiten beschuldigt wurde. Mehrere Offiziere sollten gegen ihn aussagen und unter diesen befand sich Mark, Matts nunmehr siebzehnjähriger Sohn, der als Lieutenant in einem Freiwilligen-Kavallerieregiment der Union diente.

    Wie jeder gute Vater sorgte sich auch Matt Dunhill um Mark. So, wie die Gedanken seiner Frau Mary-Anne, die er nach vielen Monaten endlich wiedersehen würde, sicherlich ihrem Ehemann und ihrem Sohn galten. Die Dunhills waren eine Militärfamilie und Mary-Anne war das Garnisonsleben gewohnt. Sie kannte die Risiken der Soldaten gut, die von Krankheit, Unfall, Verwundung oder Tod im Kampf bedroht waren, denn sie und Matt hatten zu einer Zeit geheiratet, in der die Armee gegen verschiedene Indianerstämme kämpfen musste. Gerade dies machte es für die hübsche Lady so schwer, zurückzubleiben und auf Nachricht von ihren Lieben warten zu müssen.

    Matt und seine Mary-Anne hatten sich nun über ein Jahr nicht gesehen und wenn man die Familie vermisste, dann war eine Weihnacht stets eine einsame Angelegenheit, selbst innerhalb der Kameraden des Regiments. Matt war daher gleichermaßen überrascht und erfreut gewesen, als General Grant ihm, in einem persönlichen Gespräch, den unerwarteten Sonderurlaub angeboten hatte.

    „Vier Wochen, Matt, in denen Sie endlich Ihre Frau wieder in die Arme schließen können, hatte Grant ihm eröffnet. „Leider lässt sich eine Zusammenkunft mit Ihrem Sohn Mark nicht arrangieren. Sie wissen ja, diese Anhörung wegen Chivington … Nun, da wäre aber noch eine Kleinigkeit, Matt. Sie müssen Ihren Urlaub in Lenningstown verbringen. Nette kleine Stadt. Liegt oben im Norden, im Territorium von Nebraska. Wird Ihnen und Ihrer Frau dort gefallen.

    Matt Dunhill war sofort bewusst, dass hinter dem Urlaubsangebot mehr stecken musste. Grant war nicht gerade großzügig, was die Gewährung von Sonderurlaub betraf. Die Vorgabe, diesen an einem Ort zu verbringen, der Matt völlig unbekannt war und zudem noch einen gewaltigen Umweg bedingte, deutete klar darauf hin, dass der General eine bestimmte Absicht damit verband.

    Natürlich hatte Matt versucht, die entsprechenden Informationen zu erhalten, doch Grant gab seinen Beweggrund nicht preis. Er hatte sich nur einen einzigen kleinen Hinweis entlocken lassen: „Matt, es ist wichtig, dass Sie dorthin reisen, und es ist wichtig, dass Sie das in einem, äh, privaten Anliegen tun. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen."

    Diese geheimnisvolle Andeutung war auch der Grund, warum Matt nicht nur seine Dienstuniform mitführte. Er ahnte, dass dieser Urlaub keineswegs so unbeschwert verlaufen würde, wie er sich das wünschen mochte, und hatte daher seine Felduniform, inklusive seines Karabiners und einiger Munition, im Gepäck verstaut. Matt besaß einen der siebenschüssigen Spencer-Karabiner, mit denen immer mehr Kavallerieregimenter der Union ausgerüstet wurden. Die Waffen hatten eine geringere Reichweite und Durchschlagskraft als die Sharps-Karabiner, da ihre Patronen eine geringere Treibladung aufwiesen, doch sie machten dies durch ihre hohe Feuerkraft mehr als wett. Zudem konnten die Konföderierten mit erbeuteten Waffen kaum etwas anfangen, da es ihnen nicht möglich war, die erforderliche Munition in nennenswertem Umfang herzustellen.

    Matt Dunhill glaubte nicht ernsthaft an eine Gefahr, doch in Zeiten des Kriegs und wachsender Indianerunruhen war man besser auf das Schlimmste vorbereitet. Grant war allerdings nicht der Mann, der eine Frau bewusst einem Risiko aussetzte. So blieb der tatsächliche Grund für den unerwarteten Urlaub ein Rätsel und je näher das Ziel seiner Reise rückte, desto stärker wuchs die Anspannung in Matt.

    Matt Dunhill lehnte sich in die Polster zurück und blickte aus dem Fenster. Zug Nummer „73" fuhr nun schon eine Weile am südlichen Ufer des Niobrarah River entlang. Die Landschaft war abwechslungsreich. Ebenen, Hügel und Berge lösten sich ab. An weiten Teilen der Strecke lagen Laubwälder, die nun, im Winter, kahl und unwirtlich wirkten. Dazwischen gab es den üblichen Mischwald und auch ausgedehnte Nadelwälder. Matt liebte die immergrünen Bäume. Im Winter sahen sie aus, als habe sie jemand mit Puderzucker überschüttet. Gelegentlich erkannte er die Rauchfahne eines Gebäudes oder einer Feuerstelle. Das Gebiet war nur dünn besiedelt, denn Nebraska war noch Territorium und würde erst in einigen Jahren zu einem regulären Mitgliedsstaat der Union werden.

    Der Conducteur war in den hinteren Waggons gewesen und kehrte nun in den Passagierwagen zurück. Er gehörte, wie auch die übrige Zugbesatzung, zum zivilen Personal der Bahngesellschaft. Auf der Uniform und dem runden Kepi des Manns lag eine dünne Schicht Schnee. Er musste eine Weile auf der hinteren Plattform des Wagens gestanden haben und war dort dem Schneefall ausgesetzt gewesen. Vielleicht hatte er ein Pfeifchen oder eine Zigarre geraucht, denn in den Wagen war ihm dies, im Gegensatz zu den Fahrgästen, verboten. Jetzt rieb er fröstelnd die Hände aneinander und streckte sie dem Ofen entgegen. Sein Blick traf den von Matt. „In zwei Stunden dürften wir die Station Lenningstown erreichen, Sir. Von dort sind es nur hundert Meter bis zum Depot."

    Es gab ein Versorgungsdepot der Union in Lenningstown und aufgrund der Uniform war der Bahnbedienstete wohl der Meinung, dass Matt dieses aufsuchen wolle. Als dieser nun den Kopf schüttelte und erklärte, er wolle seine Frau in der Stadt treffen, überlegte der Conducteur kurz. „Tut mir leid, Sir. Von der Station sind es fast vier Kilometer bis zur Stadt. Die Station wurde wegen dem Depot errichtet und das liegt nun einmal ein Stück außerhalb. Sie können aber sicher ein Pferd beim Stationsvorsteher leihen. Außerdem schickt der Storebesitzer von Lenningstown sicher seinen Wagen, weil er nachsehen will, ob wir eventuell Fracht für ihn dabei haben und, natürlich, wegen der Post."

    Matt dankte für die Auskunft und ließ sich einen heißen Kaffee geben. Normalerweise befanden sich die Bahnstationen in der Stadt, doch in Lenningstown hatte es sich anders ergeben. Nach der Landkarte lag die Siedlung recht günstig im Knotenpunkt zwischen Sioux City, Laramie und den Forts Randall und Grattan. Man hatte Lenningstown daher als Standort für ein Versorgungsdepot gewählt und dort den Haltepunkt der Bahn eingerichtet, da es hauptsächlich um den Umschlag militärischer Güter ging.

    Für Matt war die Entfernung kein Problem. Falls er kein Transportmittel fand, würde er die Strecke eben zu Fuß zurücklegen. Da Kavalleristen ihre Pferde regelmäßig führten, um deren Kräfte zu schonen, war Matt Fußmärsche durchaus gewohnt.

    Das Signal der Dampfpfeife wies darauf hin, dass sie sich der Station näherten. Matt gürtete Revolver und Säbel um und nahm seinen Koffer auf. Er schien der einzige Fahrgast zu sein, der hier den Zug verlassen würde. Er nickte den anderen freundlich zu und trat auf die vordere Plattform des Wagens hinaus. Fallender Schnee und schwacher Wind empfingen ihn. Er schlug den Kragen seines dunkelblauen Offiziersmantels hoch und zog das gelb gefütterte Cape etwas enger um die Schultern. Neugierig sah er sein Ziel näher kommen.

    Rechts war, in einem Abstand von einem bis zu drei Kilometern von dem Gleis der Bahnlinie, der Niobrarah River zu erahnen. Zwischen beiden verlief die Straße der Overland Mail Route, die von den Postkutschen und Frachtwagen benutzt wurde. An diesem Stück des Niobrarah gab es keinen der Trails, welche die Siedlertrecks bevorzugten.

    Ebenfalls rechter Hand kamen die Gebäude der Bahnstation und des Depots näher. Die Anlage der Bahn bestand aus einem kleinen Stationsgebäude, einem Schuppen und dem typischen Wasserturm. Das Depot war hingegen unerwartet groß. Matt bemerkte jedoch kaum Bewegung in der Anlage und auch nur drei der großen Frachtgespanne, welche die Armee gerne zum Warentransport verwendete.

    Ein gutes Stück hinter dem Depot, weiter westlich, erhoben sich die ersten Häuser der Siedlung. Auch sie lag direkt am Flussufer und zog sich an diesem entlang. Für die ersten Siedler von Lenningstown war es einfacher gewesen, sich das Wasser aus dem Fluss zu holen, statt erst einen Brunnen zu bauen. Inzwischen war dies sicher nachgeholt worden, denn der Ort umfasste mehrere Straßen und Dutzende von Gebäuden. Der Conducteur hatte Matt berichtet, dass dort rund vierhundertfünfzig Menschen lebten.

    Matt hielt sich am schmiedeeisernen Handlauf fest, als der Zug abbremste. Der Lokführer verstand sein Handwerk und brachte ihn exakt am Stationsgebäude zum Stehen. Hier gab es noch keinen Bahnsteig. Matt machte einen kleinen Satz, anstatt zu warten, bis man die dreistufige Tritthilfe brachte, die es vor allem den Damen erleichterte, den Höhenunterschied zwischen dem Erdboden und der ersten Sprosse der Einstiegsleiter zu überwinden.

    Während der Major auf das kleine Gebäude zuging, war hinter ihm metallisches Hämmern zu hören. Routinemäßig überprüfte das Zugpersonal das Fahrwerk der Wagen und die Kupplungen, während Lokführer und Heizer Holz und Wasser auffüllten und das Gestänge des Antriebs schmierten.

    Matt Dunhill bemerkte die Drähte der Telegrafenleitung, die von dem Gebäude ausgingen. Hier trafen sich die Nachrichtenstränge aus vier Himmelrichtungen. Für die Stadtbewohner wäre es wohl sehr umständlich, sich für jedes Telegramm zur Station zu begeben. Matt vermutete daher, dass man in Lenningstown ein zusätzliches Telegrafenbüro installiert hatte.

    Ein Sergeant und vier Soldaten waren mit einem Wagen vom Depot gekommen, doch diesmal gab es keine Fracht für sie. Als Matt sich an den Stationsvorsteher wandte, um sich nach einem Pferd zu erkundigen, erbot sich der Unteroffizier, ihn in die Stadt zu fahren. Matt nahm das Angebot gerne an, wohl wissend, dass es nicht nur Höflichkeit war, die den Mann zu seinem Vorschlag getrieben hatte. Er und seine Männer waren gewiss neugierig, was ein Major hier zu suchen hatte, der sich zudem für die Stadt und nicht das Depot interessierte.

    Die vier Infanteristen nahmen hinten auf der Ladefläche Platz, wo sie ein wenig von der Plane geschützt waren, während Matt vorne neben dem Sergeant saß, der das Gespann dirigierte.

    Matt machte kein Geheimnis aus dem Grund seines Besuchs und zu seiner Überraschung nickte der Unteroffizier lächelnd. „Ihre Lady ist schon vor zwei Tagen angekommen, Sir. Eine wirklich feine Dame, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Sie sagte zwar, dass sie hier jemanden erwartet, aber ich wusste nicht, dass Sie das sind. Ich habe Ihre Lady zum Union Star gebracht. Das beste Hotel hier im Ort."

    „Und das einzige", kam eine spöttische Stimme von der Ladefläche.

    Der Sergeant warf einen scharfen Blick nach hinten und lächelte dann wieder. „Yep, Sir, ist das einzige Hotel, aber der Laden ist in Ordnung. Natürlich nicht mit den Hotels in den großen Städten zu vergleichen, aber auch keine billige Absteige, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben. Äh, darf ich fragen, ob Sie auch ins Depot kommen?"

    „Das werde ich ganz sicher, Sergeant. Das gebietet schon die Höflichkeit."

    „Dachte mir schon, dass Sie ebenfalls ein echter Gentleman sind, Sir", brummte der Sergeant. „Wissen Sie, Sir, die meisten Offiziere, die hier einmal durchkommen, die reden gar nicht erst mit unsereinem. Dabei sind wir alle froh, wenn wir

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