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Pechmarie
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eBook117 Seiten1 Stunde

Pechmarie

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Über dieses E-Book

Hört man von so einer Gräueltat, taucht sofort das "WARUM" auf. Die 13-jährige Marie leidet. Sie entwickelt eine besondere Methode, um mit ihrer Machtlosigkeit umzugehen. Weshalb sollte es ihr nicht gelingen, sich neue Eltern zu suchen? Weil das doch nicht so einfach ist, findet Marie eine andere Lösung.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum26. Okt. 2018
ISBN9783742718259
Pechmarie

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    Buchvorschau

    Pechmarie - G. Siema

    Pechmarie

    Manche Menschen fallen bereits als Kinder auf die Butterseite des Lebens.

    Marie gehört zu jenen, die darauf ausrutschen.

    Jeder Tag ein Balanceakt. Am Beispiel ihrer Freundin sieht Marie, dass es eine große Rolle spielt, wie man sich wehrt. Marie wehrt sich anders! Damit endet der erste Teil der Pechmarie.

    Eine mögliche Antwort auf das „WARUM" kann Ihnen die zweite Geschichte geben. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein.

    Dann gibt es noch eine dritte Geschichte. Marie ist 28 Jahre alt und will das Leben einer erwachsenen Frau führen. Mit so einer Vergangenheit lebt es sich nicht einfach. Sie lernt Michael kennen. Nun weiß sie, was ihr bisher gefehlt hat. Eigentlich könnte jetzt alles gut sein für Marie. Wenn da nicht dieser Buchtitel wäre.

    Drei Geschichten, die einen Teil eines Lebens erzählen und als eine Einheit gesehen werden können. Jede kann für sich stehen. Entscheiden Sie selbst, welche Sie zuerst lesen wollen.

    Weitere Kurzgeschichten finden Sie in meinem Buch „Einfach ist es nicht immer".

    Auf meiner Homepage gibt es viel zu entdecken!

    www.g-siema.net

    Pechmarie

    Teil 1

    Als Maries Kopf auf die rechte Seite geschleudert wurde, hatte ihr Gehirn die Szene bereits gezeichnet. Vom Gesicht eines Kindes war nur die Nasenspitze und ein kleiner Bereich der rechten Wange zu erkennen, verdeckt durch eine Hand. Leichte Verzerrung der Zeichnung sorgte dafür, dass die Gewalt der Ohrfeige auch für den Betrachter zu spüren war. Und ein WAMM! geschrieben in mächtigen, schwarzen Blockbuchstaben. Dieses WAMM! stellte die Wucht dar, mit der Mutters Handfläche im Gesicht der Tochter landete.

    Ein empörter Schrei holte Marie in die Wirklichkeit.

    Ich muss mich geduckt haben, sie hat den Türstock erwischt, dachte das Mädchen, als sie bemerkte, wie Mutter ihr Handgelenk mit der linken Hand umfasste und an ihre Brust presste.

    Eine Haarsträhne klebte an Mutters Wange, die feucht glänzte. Sie ließ ihr Handgelenk los, besah es kurz, strich sich die lästige Strähne aus dem Gesicht, drehte sich um und langte mit sicherem Griff in die Kochlöffellade. Die Tochter hatte sie nur mit dem gefährlichen Grau ihrer Augen zum Versteinern gebracht.

    Warum lief sie nicht weg, fragte sich das Mädchen. Warum blieb sie, wie das Kaninchen, das von der Schlange fixiert wurde?

    Da war eine Zeit, da konnte Marie sich noch an fast nichts erinnern, sie musste noch sehr jung gewesen sein. An Mutters Gang zur Kochlöffellade, an dieses Krächzen, wenn sie die Lade genussvoll und langsam öffnete, erinnerte sie sich aber sehr gut.

    Mit diesem verlängerten Holzarm drosch sie nun auf ihre Tochter ein. Mancher Schlag traf Maries Oberschenkel, ihr Hinterteil, sehr oft ihre Arme, die sie schützend nach hinten bog. Vielleicht lag es daran, dass es der Mutter egal war, wohin sie schlug. Vielleicht aber war es die Schuld des Kindes, das sich wand und zu schützen versuchte. Irgendwann ließ die Mutter von der Tochter ab und das Mädchen durfte in ihr Zimmer fliehen.

    „Abendessen gibts keins mehr heut!"

    Marie ließ sich erschöpft auf ihr Bett fallen. Ihr Zimmer befand sich im oberen Stock des Hauses, niemand konnte ungehört nach oben kommen, dafür sorgte die alte Holztreppe. Diese Tatsache gaukelte dem Kind das Gefühl von Sicherheit vor. Es spielte keine Rolle, wie sie sich bettete, der Schmerz war überall. Marie verfluchte ihre Dummheit. Wie oft schon hatte sie sich vorgenommen, sich nicht mit ihren Armen zu schützen. Es war, als ob ihr rechter Arm gar nicht vorhanden wäre, er gehorchte ihr einfach nicht. Dann musste das Zeichnen im Kopf vorläufig genügen. Morgen würde sie ihre Finger wieder gebrauchen können, dann könnte sie die neuen Szenen zeichnen.

    Wach wurde Marie mit einem merkwürdigen Gefühl. Es war, als ob in ihren Ohren eine Fruchtfliege ihre ersten Flugversuche wagte, der Rest war absolute Stille und Dunkelheit. Als das Mädchen mühsam den Kopf hob, um sich mit ihrem Oberkörper aus dem Bett zu lehnen, betastete sie ihr Kopfkissen. Wie gerade aus der Waschmaschine gefischt, dachte Marie. Früher hatte sie noch gemeint, es wäre Blut.

    Endlich fanden die Finger unter dem Bett ihre Taschenlampe und knipsten sie an. Um wieder einschlafen zu können, musste sie gesehen haben, dass es nur Tränen waren. Sie wendete das Kissen und legte ihr verschwollenes Gesicht auf die trockene Seite.

    *

    In Maries Kopf tat ein Hammerwerk seine Arbeit. Fleißig und ohne Unterlass.

    Kurz hielt sie den Atem an. Ein Blick auf den Wecker bestätigte ihr, dass die Eltern nicht mehr im Haus waren. Keine Schule, keine Eltern, die das Haus mit bedrohlicher Atmosphäre füllten.

    Schon lange erschrak sie nicht mehr über ihren Anblick nach so einem Abend. Ihre Locken standen beinahe waagrecht vom Kopf ab, ihre Augen, Nase waren angeschwollen. Sie sah nicht aus wie Marie, eher wie ein rothaariger Troll mit Knollnase.

    Bevor sie in die Küche trat, wusste sie, was sie erwarten würde, abgesehen vom Kaffeeduft, der noch von den Eltern in der Luft hing. Das einzig Gute, das sie hinterlassen, dachte das Kind und schlurfte in das Esszimmer.

    Ein Brief, der tägliche Brief ihrer Mutter. Er lag genau in der Mitte des Tisches. Die Vase, die Marie irgendwann einmal im Werkunterricht fabriziert hatte, unendlich schief und braun wie Milchkaffee, aufgewertet durch einen herbstbunten Asternstrauß, war zu diesem Zweck etwas verschoben worden. In der Mitte des runden Tisches lag jetzt der Brief.

    Guten Morgen!

    Küche aufräumen, Badewanne putzen, Schlafzimmer lüften und saugen.

    Marie las und gleichzeitig drückte sie den Schalter des Radios. Sie strich ihre Haare hinter die Ohren, wanderte in die Küche und schaufelte Kaffeepulver in die Filtermaschine. Das Glucksen der Maschine und der Duft versetzten sie jedes Mal in Hypnose. Sie zählte die Tropfen und sog den Duft ein.

    Marie erwachte erst, als die Kaffeemaschine zischte und dampfte. Mit der Tasse Kaffee setzte sie sich auf die Küchenbank und lauschte dem Radiosprecher.

    „Wenn dir deine Eltern nicht passen, dann such dir neue, ein Zitat von Nietzsche."

    Das war der Satz, den sie gerade noch hören konnte, bevor Friedrich Gulda mit Bach begann.

    Wie sucht sich eine dürre, rothaarige Dreizehnjährige neue Eltern? Wie sucht man sich überhaupt neue Eltern? Hat dieser Nietzsche sich selbst neue Eltern gesucht? Hat das irgendjemand schon gemacht?

    Als Marie einen Schluck aus der bereits leeren Tasse nehmen wollte, durchzuckte sie ein furchtbarer Schreck.

    Die befohlene Arbeit war noch nicht erledigt. Nietzsche würde sie am Montag in der Bibliothek suchen. In einer halben Stunde kam die Mutter. Ihr Herz musste gerade eine riesige Menge Blut in Richtung Gehirn pumpen, denn Marie hörte nur mehr ein sehr hohes Fiepen in ihrem linken Ohr.

    „Oh Gott, oh Gott", murmelte sie panisch und zog den Brief zu sich.

    Schlafzimmer, dachte sie und tippte mit ihrem Zeigefinger auf das Papier, das ist am schnellsten erledigt.

    Es schien ihr, als ob sie die knarrenden Stufen gar nicht mehr berührte, so blitzartig rannte sie nach oben.

    „Fenster auf, Staubsauger aus dem Kasten, anstecken, schnell saugen, drei Minuten genügen. Staubsauger wegräumen, Fenster offen lassen, Badewanne putzen, zwei Minuten!"

    Sie musste ihre eigene Stimme hören, dann ging es ihr besser, so konnte sie schneller arbeiten.

    „Badewanne ist tipptopp, Fenster zu, runter in die Küche!"

    Bei dem Anblick kam Marie noch mehr ins Schwitzen.

    „Geschirrspüler ausräumen, einräumen. Mein Gott, der ist schon wieder so gut wie voll, also gleich wieder einschalten, ist nicht viel Arbeit, wird Eindruck machen."

    Machte eigentlich irgendetwas, was ihre Tochter tat, Eindruck auf die Mutter?

    Egal, dachte Marie, es würde sie einfach vor ihrem Zorn schützen, wenn sie gute Arbeit leistete. Vielleicht.

    „Schnell das restliche Geschirr abwaschen, die Arbeitsfläche und den Herd putzen."

    Das würde unglaublich knapp werden.

    „Küchenboden aufkehren und das Geschirr abtrocknen, verräumen. Geschafft!"

    Marie eilte nach oben, zog ihre Pyjamahose hoch und noch während sie die letzte Stufe nahm, hörte sie den Schlüssel im Schloss der Haustüre. Sie zog sich im Gehen das Oberteil aus, tapste leise in ihr Zimmer, griff in ihren Kasten, streifte sich ein T-Shirt über und schlüpfte in ihre Jogginghose. So konnte ihr Outfit nicht mehr beanstandet werden. Marie ließ sich erschöpft auf den Sessel fallen, holte ihren Skizzenblock aus der Schreibtischlade, Bleistift und Radiergummi, legte ihre Mathematikbücher zurecht, um ihre Zeichnungen damit zu verbergen. Wenn die Mutter nach oben ging, um sich umzuziehen und zu waschen, kontrollierte sie, ob Marie anwesend war und ordnungsgemäß gekleidet. Es machte sich gut, wenn das Kind

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