Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge
Von Michael Schenk
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Über dieses E-Book
Hier liegt die Reihe nun erstmals in einer vom Autor überarbeiteten und ergänzten e-Book-Ausgabe vor. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen.
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Rezensionen für Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge
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Buchvorschau
Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge - Michael Schenk
Kapitel 1
Michael H. Schenk
Die Pferdelords 2
- Die Kristallstadt der Zwerge -
Fantasy-Roman
© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020
Vorwort
Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe
feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords" und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.
Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.
Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.
Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und ihre Freunde und Feinde.
Die Pferdelords-Reihe:
Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks
Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge
Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes
Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen
Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel
Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt
Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne
Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen
Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes
Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes
Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak
Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken
Mein Dank gilt dem Verlag WELTBILD, der es mir ermöglichte, die von ihm lektorierten Manuskripte für die weiteren Veröffentlichungen als e-Book zu verwenden und so dazu beitrug, dass diese Serie weiterhin im Handel erhältlich ist.
Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.
Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen
Michael H. Schenk
Hinweis:
Kapitel 58: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe
Kapitel 59: Detailkarte Die Hochmark Kristallstadt Nal´t´rund
Kapitel 60: Personenregister
Kapitel 61: Einige Maße und Definitionen
Kapitel 62: Vorschau auf Die Pferdelords 3 – Die Barbaren des Dünenlandes
Balruk atmete schwer und lehnte sich für einen Moment an einen der Felsen.
Er war ein kräftiger Mann und mit seinen hundertzwanzig Jahren im
allerbesten Zwergenalter, aber seine Beine waren einfach nicht dafür
geschaffen, seinen stämmigen Körper so schnell und weit zu tragen. Während
er um Atem rang, blickte er den schmalen Pass zurück, über den er und seine
letzten drei Begleiter gekommen waren.
»Wir müssen weiter, mein König«, ächzte einer der anderen. »Die Bestien
sind uns dicht auf den Fersen.«
»Sie sind größer und schneller als wir«, brummte Balruk grimmig. »Aber
solange noch Kraft in unseren Armen ist, werden wir es ihnen nicht leicht
machen.«
Einer der Begleiter wischte abwesend mit seinem braunen Umhang über
die von schwarzem Blut bedeckte Axt und betastete dann missmutig die tiefe
Kerbe in einer der beiden Schneiden. »Das kommt von diesen verfluchten
Rundohren«, knurrte er. »Möge der feurige Abgrund sie verschlingen. Ihre
Panzer sind dick und hart.«
»Nicht dick und hart genug für unsere Streitäxte.« Balruk stieß sich von
dem Felsen ab. Gelegentlich erklang das leise Poltern herabstürzender Steine,
was im Gebirge eigentlich nicht ungewöhnlich war, denn die Erosion forderte
ihren Tribut. Doch nun zuckten Balruk und seine Begleiter nervös zusammen,
denn jetzt konnte jedes Geräusch vom Fuß eines herannahenden Orks
ausgelöst worden sein.
»Aber dafür sind sie viele.«
Ja, es waren einfach zu viele dieser Bestien.
So viele Jahre lang hatte man keine Orks mehr gesehen, und es schien fast
so, als gehörten sie dem Reich der Sagen an. Diese Kreaturen gliederten sich
in die Rundohren und die Spitzohren, die leicht voneinander zu unterscheiden
waren, und das nicht nur an der Form ihrer Ohrmuscheln.
Die Rundohren waren etwas größer und kräftiger als ein Menschenmann.
Ihre Haut wies eine Mischung aus grauen und braunen Farbtönen auf, und
manchmal mischte sich ein Rot hinein, das den Wesen ein schmutziges
Aussehen verlieh. Die Gesichter waren, zumindest in gewisser Hinsicht,
menschenähnlich, doch besaßen sie gröbere Züge und kräftigere Kiefer, deren
Eckzähne zu langen spitzen Fangzähnen ausgebildet waren. Die dicken
Rüstungen waren einfach geschmiedet und bedeckten Leib und Beine der
Bestien. Auf dem Kopf trugen sie schwere Helme, die mit den Symbolen der
dunklen Macht verziert waren. Die Rundohren strotzten vor Kraft und trugen
plumpe Klingen, deren hakenförmige Spitze den breiten Schwertern die
Bezeichnung Schlagschwert eingebracht hatte.
Die Spitzohren hingegen waren kleiner und zierlicher gebaut, doch sahen
sie ebenso schmutzig aus und hatten ein verschlagenes Wesen. Sie waren
schneller als die großen Rundohren und trugen meist nur einfache Rüstungen,
die aus ledernen Harnischen und Helmen bestanden. Ihre Stärke war es, den
Feind aus der Distanz mit Pfeil und Bogen zu töten, anstatt ihm im offenen
Schlagabtausch entgegenzutreten. Aber allen Bestien gemein waren die
rötlichen Augen, ebenso wie ihre Blutgier und die Vorliebe für das frische
Fleisch der erschlagenen Gegner.
Vor so vielen Jahren hatte die Dunkle Macht des Schwarzen Lords zum
ersten Mal ihr Haupt erhoben, und die Legionen der Orks waren über die
Welt hereingebrochen. Erst ein Bündnis von Menschenwesen und Elfen hatte
die Macht der Horden gebrochen, doch dies war vor so langer Zeit geschehen,
dass es längst dem Reich der Fabeln anzugehören schien.
Damals hatten die Zwerge nur wenig von den blutigen Kämpfen
mitbekommen, die in der Oberwelt tobten. Denn sie lebten verborgen in ihren
riesigen Höhlensystemen tief unter dem Gebirge. Sie hielten nur wenig
Kontakt mit anderen Wesen, denn sie waren mit ihrer Abgeschiedenheit
zufrieden, und ihr unterirdisches Reich bot ihnen fast alles, um ihre
Bedürfnisse zu stillen. Sie züchteten nahrhafte Pilze und Schwämme, und
gelegentlich brachten die Jagdtrupps von der Oberfläche das Fleisch eines
erlegten Wildes herunter. Nur selten trieben sie Handel mit Elfen oder
Menschenwesen, und Getreide war das bevorzugte Handelsgut, denn es war
in ihrem Reich nicht zu ernten, und sie schätzten den Geschmack von
frischem Brot. Die Menschenwesen und Elfen wiederum begehrten die
bunten Kristalle, die Mineralien und Erze, welche die Zwerge in ihren Minen
förderten.
Die Abgeschiedenheit ihrer Höhlen hatte den Zwergen schon oft Schutz
geboten, denn sie lagen gut versteckt und waren nur schwer zugänglich. Und
da sich die kleinwüchsigen Wesen nur wenig für die Ereignisse der Oberwelt
interessierten, wurden sie kaum mit den Kriegen und Konflikten der
Menschenwesen konfrontiert. Lange Zeit fühlten sich die Zwerge unbedrängt
von den Nöten der Oberwelt, bis sie nun auf schmerzliche Weise erfahren
mussten, dass ihre eigene friedliche Welt bedroht war. Die Macht des
Schwarzen Lords und seiner dunklen Legionen griff unerwartet auch nach
den Städten des Zwergenvolkes.
Einer von Balruks Begleitern wies auf die einfache Axt, die Balruk in den
Händen hielt. »Sie haben Grünschlag, mein König. Wir müssen sie
zurückerlangen.«
Balruk nickte. »Das wird nicht ohne Hilfe gehen. Möge der feurige
Abgrund die Bestien verschlingen.«
Er dachte an die glitzernde grüne Doppelschneide der Axt Grünschlag. Ihre
Klingen bestanden aus edelstem geschliffenem Grünkristall und waren zu
spröde, um zum Kampf zu taugen. Doch Grünschlag war auch keine Streitaxt,
sondern das zeremonielle Symbol der Königswürde. Ihr Griff bestand aus
massivem Gold, und die heiligen Symbole des Volkes waren in Silber darin
eingelassen. Das Ende des Griffstückes war aus einem feinen Stahl
geschmiedet und wies zahlreiche Einkerbungen und Dornen auf. Was wie
Verzierung wirkte, war jedoch der Schlüssel zur Macht über die Stadt des
Zwergenvolkes. Denn wer auch immer den Stiel der Axt in den Thron des
Zwergenkönigs steckte, gebot über die Menschen des kleinen Volkes. Aber
nun würde ein orkisches Rundohr Grünschlag in den Thron stecken.
Erneut polterten Steine, und Balruk umklammerte den Griff seiner
einfachen Streitaxt fester. »Mögen die Bestien nur kommen. Wir schicken sie
in die feurigen Abgründe hinab.«
Einer der Begleiter blinzelte und schirmte seine Augen gegen das grelle
Sonnenlicht ab. Bald würde die Sonne untergehen, doch auch die Nacht
würde ihnen keinen Schutz gegen die Orks bieten. Diese konnten mit ihren
rötlichen Augen in der Dunkelheit ebenso gut sehen wie die Angehörigen des
Zwergenvolkes, und sie rochen das Fleisch von anderen Wesen schon auf
große Entfernung.
»Hier ist es so gut wie an anderer Stelle«, sagte Balruk grimmig. »Der
Abgrund möge sie verschlingen, unsere Beine sind zu kurz, um ihnen
davonzulaufen.«
»Dann werden wir sie aufhalten, mein König«, sagte einer der anderen
Zwerge. »Ihr müsst die Axt Grünschlag zurückerlangen. Ihr müsst Hilfe für
unser Volk herbeiholen.«
Ja, er musste Hilfe holen. Doch wenn die Legionen der Orks auferstanden
waren und ihre Macht bereits bis in die Städte der Zwerge reichte, wo mochte
es da in der Oberwelt noch Hilfe geben? War das Erscheinen der Horden in
der grünen Kristallstadt Nal’t’rund nicht das sichere Zeichen dafür, dass es
keine freien Menschenwesen und Elfen mehr gab?
Die Orks hatten die Bewohner der Stadt überrascht, sie förmlich überrannt,
und Balruk fühlte eine tiefe Scham, sein Volk so schmählich im Stich
gelassen zu haben. Doch er wusste, dass sein Volk ohne fremde Hilfe nicht
widerstehen konnte, denn die Axt Grünschlag war der Schlüssel zu dessen
Macht. Balruk musste die Axt wieder an sich bringen, und dazu benötigte er
Hilfe. Die Hilfe anderer Zwerge oder anderer Wesen. Wie auch immer, die
Axt musste zurück in seine Hand.
Mit zehn Getreuen war er geflohen, hatte sich an den Wachen der Orks
vorbeigeschlichen, während sich seine Hände fest um den Griff der Streitaxt
geklammert hatten, im Verlangen, die Schädel der Bestien einzuschlagen. Sie
hatten den Pfad am Sprung des Flusses genommen und waren dem Verlauf
des Gebirgsrückens gefolgt. Balruk hatte sich erst nach Osten zur roten
Kristallstadt begeben wollen, doch dieser Weg war ihm versperrt gewesen,
denn von dort kamen die Legionen der Orks. Beim Anblick der
herandrängenden Horden war Balruk von einer schmerzlichen Angst um seine
zurückgebliebenen Vettern erfasst worden, und so hatten er und seine Männer
sich dem Feind gestellt und sie für eine Weile aufgehalten. Doch sieben
tapfere Axtschläger waren dabei ums Leben gekommen, und Balruk und seine
drei letzten Begleiter waren nicht stark genug, um einem erneuten Angriff zu
trotzen. So hatten sie sich nun nach Süden gewandt, dem Land der
Menschenwesen entgegen.
»Meint ihr, die Menschenwesen werden uns helfen?« Balruk erwartete
keine Antwort. Sie wussten nicht einmal, ob es überhaupt noch freie
Menschenwesen gab.
Einer der Begleiter kratzte sich ausgiebig im Schritt und stieß ein heiseres
Knurren aus. »Vielleicht vermag der Weiße Zauberer uns zu helfen.«
Weit unten, am Ende der südlichen Gebirgsausläufer, erhob sich der
gewaltige Hammerturm des großen Weißen Zauberers, dem alten Freund der
Menschenwesen und des Zwergenvolkes. Seine Macht war so groß und sein
Zauber so geheimnisvoll wie der Turm, den er bewohnte. Es war ein Gebäude
in der Form eines gewaltigen Hammers, und seine Gestalt verriet dem
Näherkommenden die Macht seines Besitzers, denn egal, von welchem
Standpunkt aus man ihn betrachtete, hatte der Hammerkopf stets die gleiche
Form.
Erneut polterten Steine, und einer der Zwerge beugte sich ein wenig vor.
»Sie kommen. Ich kann zehn und mehr Rundohren erkennen.«
»Dann werden es noch mehr von ihnen sein«, seufzte Balruk. »Kannst du
auch Spitzohren ausmachen?«
Sie verabscheuten die Spitzohren in besonderem Maße, obwohl diese Orks
eine halbwegs passable Größe für die Zwergenkämpfer hatten und man sich
bei ihnen nicht sonderlich recken musste, um den Schädel vom Rumpf zu
trennen. Aber die Spitzohren benutzten Pfeil und Bogen, und diese Waffen
waren den Zwergen nicht geheuer. Die kleinen gefiederten Pfeile trugen weit
und durchschlugen fast jede Rüstung. Zwar kannten die Zwerge Pfeil und
Bogen auch vorher schon, doch waren diese in ihren Höhlen von geringem
Nutzen, und selbst die Trupps, die gelegentlich in der Oberwelt nach Wild
jagten, benutzten die handlichen Wurflanzen.
»Keine Spitzohren«, stellte der Beobachter fest, dann kippte er lautlos
hintenüber, und die anderen sahen den schwarz gefiederten Pfeil, der die
Kehle ihres Gefährten durchbohrt hatte.
»Flieht nach Süden, mein König, und holt Hilfe für unser Volk«, sagte
einer der letzten beiden Axtschläger, der daraufhin die Enden seiner beiden
Bartzöpfe ergriff und sie sorgsam im Nacken verknotete, damit ihn die Zöpfe
beim Kampf nicht behinderten.
»Wir werden es hier austragen«, erwiderte Balruk grimmig.
»Nein, mein König.« Der Axtschläger schüttelte entschlossen den Kopf.
»Das ist unsere Aufgabe. Die Eure ist es, mit Hilfe zurückzukehren und
unsere grüne Kristallstadt wieder zu befreien.«
Balruk stieß einen grimmigen Fluch aus, denn seine Begleiter hatten recht.
»Möget ihr reiche Schürfgründe finden, meine Freunde.«
»Möge das Strahlen der Kristalle Eure Augen erleuchten«, erwiderten die
Axtschläger gleichzeitig.
Die beiden Zwergenmänner duckten sich hinter die Felsen, um den Pfeilen
kein Ziel zu bieten, und warteten in grimmigem Schweigen auf den Feind.
Balruk wandte sich ab und begann den Pfad entlangzuhasten, so schnell ihn
seine schmerzenden Beine trugen.
Er hörte aufbrandendes Geschrei hinter sich und wusste, dass seine
Axtschläger nun ihrem Namen gerecht wurden, hoffend, dass sie möglichst
viele der Bestien in den feurigen Schlund hinabschickten. Sie verschafften
ihm ein wenig Zeit, und er musste diese Zeit nutzen. Seine Beine stampften
über den Pfad, und obwohl Zwerge nie über lange Strecken liefen, waren sie
naturgemäß geschickte Kletterer. Sie waren es gewohnt, in ihren
Höhlensystemen zu den entlegensten Stellen vorzudringen und ihre Stollen
tief in das Gestein zu treiben. Balruk spürte fast instinktiv, welche Stellen des
Pfades ihn trugen und welche er meiden musste. Seine Augen huschten über
den Weg, und er wusste, dass die Dunkelheit seinen Schritt verlangsamen
würde.
Der Schlag traf Balruk vollkommen unvorbereitet und ließ ihn einen
heiseren Schrei ausstoßen. Die Wucht des Aufpralls war nicht einmal
besonders groß, aber Balruk wusste sofort, dass er von einem Pfeil getroffen
worden war, der seine Rüstung am Rücken durchschlagen hatte und tief in
seine Schulter eingedrungen war.
Sein rechter Arm wurde sofort taub, weshalb Balruk seine Streitaxt in die
linke Hand nahm und sich mit einem erneuten Aufschrei umwandte, um sich
dem Feind zu stellen. Er erblickte ein Spitzohr, das in einiger Entfernung auf
dem Pfad stand. Die rötlichen Augen des Wesens schienen triumphierend zu
glühen. Balruk sah, wie der Ork einen weiteren Pfeil auf seinen Bogen legte,
wich aber erst aus, als der Pfeil gelöst wurde. Die eiserne Spitze klatschte
neben ihm an einen Stein, woraufhin der Ork fluchend auf Balruk zuhastete,
um eine günstigere Schussposition zu finden. Balruk stieß einen
kampfeslustigen Schrei aus und schwang die Axt mit seinem gesunden Arm.
Er vermochte dem Pfeil nicht davonzulaufen, aber er konnte die Distanz zum
Gegner verringern und das Spitzohr vielleicht zu einem übereilten Schuss
verleiten. Unter Umständen kam er dann schnell genug heran, um seine Axt
zwischen die aufgerissenen Fänge des Orks zu schlagen.
Das Spitzohr schien tatsächlich nervös zu werden, denn es hatte damit
gerechnet, dass sein Gegner sich zur Flucht wenden würde. Eher instinktiv
sprang der Ork zur Seite, um hinter einem Felsblock am Rand des Pfades
Deckung zu nehmen. Aber sein Fuß traf auf loses Gestein, das unter ihm
wegzurutschen begann. Das Spitzohr schrie auf, ließ den Bogen fallen, um
sich herumwerfen zu können, und krallte die Hände in das unter ihm
nachgebende Erdreich. Doch dann verlor es endgültig den Halt, und sein
Schrei verhallte, als der schmächtige Körper in den Abgrund stürzte.
Balruk hörte das blutrünstige Gebrüll weiterer Orks, darunter die tieferen
Stimmen der Rundohren, und folgte dem Pfad mit hastigen Schritten weiter
nach Süden. Er fühlte, dass sein Blut aus der Schulterwunde sickerte und sein
Wams unter der Rüstung von der klebrigen Nässe getränkt wurde, die ihm
seine zunehmende Schwächung ankündigte. Aber er konnte die Wunde nicht
erreichen, konnte nur Fuß vor Fuß setzen. Balruk, König der Zwerge der
grünen Kristallstadt Nal’t’rund, hoffte, die Orks würden sich etwas Zeit mit
der Verfolgung lassen und sich damit begnügen, ihre Fänge in das
bluttriefende Fleisch der Axtschläger zu graben. Seine Füße schmerzten, und
seine rechte Schulter war ohne Gefühl, doch jeder Schritt führte ihn weiter
nach Süden. Vielleicht würde er dort Hilfe für sein Volk finden, im Süden, im
Land der Pferdelords.
Kapitel 2
»Lehn dich nicht so weit aus dem Fenster, mein kleiner Pferdefürst Garwin«,
lachte Larwyn auf und verließ den massiven Schreibtisch, um an das Fenster
zu treten. »Wir mögen schnell zu Pferde sein, doch können wir deshalb noch
nicht fliegen.«
Garwin versuchte dennoch, die Brüstung des Fensterbogens zu erreichen,
und krähte empört, als seine Mutter ihn sanft, aber bestimmt vom Fenster
fortzog. Doch die Frustration des Dreijährigen verflog rasch, und sein
Interesse wandte sich der rotbraunen Rüstung seines Vaters Garodem zu, die
im Hintergrund des Arbeitszimmers des Pferdefürsten der Hochmark stand.
Larwyn sah ihrem Sohn lächelnd bei der Untersuchung der stählernen
Beinschienen zu und setzte sich dann wieder hinter den Schreibtisch ihres
Gemahls.
»Er wird ein rechter Pferdelord werden«, sagte ein schlanker und
hochgewachsener Mann mit tiefschwarzem Haar aus der Mitte des Raumes.
Tasmund, der Erste Schwertmann der Hochmark und Führer der Wache der
Schwertmänner, hielt seine linke Hand ehrerbietig am Griff seines Schwertes.
Wie gewöhnlich hatte er den rechten Arm ein wenig steif unter seinem langen
grünen Umhang verborgen. Als vor Jahren eine orkische Legion gegen
Eternas stürmte, war er gegen eine Mauer geschleudert und seine Schulter
beinahe zerschmettert worden. Die Kunst der elfischen Heilerin Leoryn hatte
bewirkt, dass er sie wieder bewegen konnte, aber der Arm war an der Schulter
ein wenig steif geblieben, sodass Tasmund sein Schwert mit dem rechten Arm
nie wieder richtig würde schwingen können. Er hatte sich zwar antrainiert, es
mit der linken Hand zu führen, aber aus Tradition heraus hing die Waffe stets
an seiner linken Hüfte.
»Das mag noch Zeit haben«, erwiderte Larwyn auflachend. »Vorerst wird
er sich eher unter dem Bauch eines Pferdes als auf dessen Rücken bewegen.«
Drei Jahre war Garwin nun alt, und etwas mehr als drei Jahre lag es
zurück, dass die Legionen der Orks erneut das Menschenvolk bedroht hatten.
Ein neuer Bund von Elfen und Menschen war geschmiedet worden und hatte
in der großen Schlacht vor der weißen Stadt des Königs von Alnoa zum Sieg
gegen die Horden des Schwarzen Lords geführt. Zur gleichen Zeit hatte auch
die Hochmark um ihr Überleben gekämpft, und die Spuren dieses Ringens
waren noch an vielen Stellen zu sehen. Nun war Garodem, der Pferdefürst der
Hochmark, in die Stadt des Königs der Pferdelords gereist, denn Reyodem,
der König und zugleich der Sohn von Garodems in der Schlacht gefallenem
Bruder, hatte den Rat der Pferdefürsten einberufen.
Larwyn blickte auf ihren Sohn und die Rüstung ihres Mannes, und ihre
Gedanken schweiften einen Moment in die Vergangenheit.
Vor vielen Jahren war das Volk der Pferdelords von den Barbaren im
Westen aus seinen angestammten Gebieten vertrieben worden und hatte in der
großen Ebene eine neue Heimat gefunden. Das Volk hatte sich entwickelt,
sich vermehrt und Marken gegründet, die von den Pferdefürsten im Auftrag
des Königs geführt wurden. Die Pferdelords waren ein Volk von Hornvieh- und
Wolltierzüchtern, deren ganzer Stolz die kräftigen Pferde waren, auf denen sie in
die Schlacht ritten. Garodem, Larwyns Gemahl, war einer von zwei Söhnen
des Königs der Pferdelords gewesen, und es lag nun schon über dreißig Jahre
zurück, dass er sich mit seinem Bruder wegen eines von beiden begehrten
Weibes entzweit hatte. Garodem war seinem Bruder nicht mehr begegnet,
bevor dieser bei einem Angriff der Orks vor der weißen Stadt gefallen war,
und Larwyn wusste, dass dies ihrem Gemahl ein heimlicher Kummer war.
Larwyn strich sich eine Strähne ihrer blonden Locken aus dem Gesicht und
blickte zu der großen Landkarte, die an einer Wand des Raumes hing. Sie
zeigte die Marken der Pferdelords und die anderen ihnen bekannten Länder.
Doch waren darauf auch Gegenden dargestellt, die noch kein Pferdelord
jemals gesehen hatte, denn es war eine elfische Karte. Sie wurde Garodem
von den beiden Elfen Lotaras und Leoryn zum Geschenk gemacht, die damals
der Hochmark im Kampf gegen die Legionen der Orks beigestanden hatten
und inzwischen zu ihrem elfischen Volk zurückgekehrt waren.
Die Karte erschien Larwyn als ein Symbol für das neue Bündnis zwischen
den Menschenwesen und dem Volk der Elfen. Sie war aus einem glatten und
sehr weichen Stoff gewirkt und fein bemalt. Aber dieser Stoff war etwas
Besonderes, denn die Karte konnte zusammengerollt oder gefaltet werden,
aber wenn man sie an zwei Ecken anfasste, entrollte sie sich und wurde steif
wie die Rüstung eines Schwertmannes. Die Karte zeigte die Städte und
Weiler, die Furten und Wasserstellen, die Befestigungen und Grenzen der
Marken der Pferdelords und die grenznahen Bereiche der benachbarten
Länder.
Im Norden der Hochmark waren die Gebirge eingezeichnet, in denen das
Volk der Zwerge leben sollte, und dahinter erkannte man das Land der
und Ebenen zogen sich bis zur Küste hin. Im Westen erstreckte sich das
Dünenland mit den Sandbarbaren und den Reitriesen, aus dem die Pferdelords
einst vertrieben worden waren. Im Osten fanden sich die versteinerten
Wälder, an die sich die Weißen Sümpfe anschlossen, hinter denen der Dunkle
Turm des Schwarzen Lords aufragen sollte. Im Süden lag das Reich Alnoa,
auch das Reich der weißen Bäume genannt, da die Gebiete reich an Bäumen
mit weißer Rinde waren. Noch weiter im Süden schloss sich das alte Reich
an, das »Erste Reich der alten Könige". Die Karte zeigte auch die Kette der
Signalfeuer, welche die Marken der Pferdelords miteinander verband und bis
in die weiße Stadt des Königs von Alnoa führte. Jene Signalfeuer, welche die
Menschen bei Gefahr zu den Waffen rufen sollten.
Larwyn strich erneut eine Strähne aus ihrem Gesicht und berührte dabei
lächelnd den goldenen Stirnreif, den sie im Haar trug. Er zeigte das Symbol
der Pferdelords, zwei einander abgewandte Pferdeköpfe. Sie war stolz darauf,
dass Garodem sich schließlich überwunden hatte, denn dieses einigende
Symbol, das man überall in den Marken der Pferdelords fand, ersetzte nun
auch in der Hochmark zunehmend deren eigenes Zeichen, das Garodem aus
Bitterkeit und falschem Stolz eingeführt hatte. Noch zeigten viele Rüstungen
und Waffen gleichermaßen die beiden Pferdeköpfe der Pferdelords sowie den
doppelten Pferdekopf mit Schmiedehammer der Hochmark, doch das Emblem
Garodems würde zunehmend dem alten Zeichen der Zusammengehörigkeit
weichen.
Tasmund räusperte sich und schreckte Larwyn aus ihren Gedanken.
»Verzeiht, Hohe Dame, aber die gute Frau Meowyn wünscht Euch zu
sprechen.«
»Meowyn?« Larwyns versonnenes Lächeln vertiefte sich. »Lasst sie ein,
guter Herr Tasmund.«
Meowyn hatte, wie so viele Menschen der Hochmark, unter dem Ansturm
der Orks gelitten. Ihr Mann Balwin war erschlagen und sie durch den Bolzen